Dienstag, 23. August 2016

Miet- und Prozessrecht: Schadensersatz wegen vorgetäuschter Eigenbedarfskündigung und Übergehen von lediglich schlüssigen erstinstanzlichen Vortrag konkretisierenden Vortrages im Berufungsverfahren nach Hinweisbeschluss

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch der Kläger als ehemalige Mieter des Beklagten. Zur Begründung ihres Anspruchs beziehen sich die Kläger auf eine Eigenbedarfskündigung durch den Beklagten, in dessen Folge die Parteien dann einen Räumungsvergleich im Rahmen des Räumungsprozesses schlossen. Der Eigenbedarf war vom Beklagten mit der Begründung geltend gemacht worden, sein Neffe würde in die Wohnung einziehen. Ob dieser einzog, nachdem die Kläger im Rahmen des Räumungsvergleichs am 31.07.2012 auszogen und wie lange er gegebenenfalls dort wohnte, ist streitig. Der Beklagte veräußerte das Grundstück im April 2013 an einen Dritten.

Die auf Schadensersatz in Höhe von über € 62.000,00 erhobene Klage wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht mit Beschluss nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH war erfolgreich und führte unter Aufhebung des Beschlusses zur Zurückverweisung an das Landgericht.

Dabei stützt sich der BGH auf eine entscheidungserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht, Art. 103 GG. Dabei verwies es darauf, dass die Kläger bereits erstinstanzlich geltend gemacht hatten, dass der Beklagte zum Zwecke der Erzielung eines höheren Kaufpreises das Objekt entmieten wollte. Schon 2008 sei ihnen das Objekt vom Beklagten zum Kauf angeboten worden; in der Folgezeit habe es weitere Verkaufsversuche des Beklagten gegeben. Demgegenüber habe der Beklagte im Räumungsverfahren vorgetragen, er habe nicht gewusst, dass der von ihm beauftragte Makler auch nach der Eigenbedarfskündigung noch das Objekt angeboten habe; vielmehr wäre er davon ausgegangen, dieser hätte seine Verkaufsbemühungen eingestellt.

Auf den Hinweisbeschluss des Landgerichts, mit dem die Absicht zur Zurückweisung der Berufung dargelegt wurde, haben die Kläger ihren Vortrag weiter konkretisiert. So haben sie verschiedene Verkaufsbemühungen unter Beweisantritt benannt, u.a. auch zum Zeitpunkt der Eigenbedarfskündigung. Diesen weiteren Vortrag beachtete das Landgericht bei seiner Zurückweisung der Berufung nicht. Damit wurde nach Ansicht des BGH zentrales Vorbringen der Kläger, mit denen diese Indizien für die zum Zeitpunkt der Eigenbedarfskündigung bestehende Verkaufsabsicht darlegten, gehörswidrig übergangen, Art. 103 GG. Bei dem ergänzenden Vortrag der Kläger nach dem Hinweisbeschluss handele es sich auch nicht um neuen Tatsachenvortrag,, vielmehr sei der erstinstanzliche Vortrag zu schlüssigen Indizien lediglich weiter konkretisiert worden.

Der Wortlaut des Räumungsvergleichs biete hier nach Ansicht des BGH keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien weitergehendes, insbesondere auch mögliche Schadensersatzansprüche der Kläger wegen vorgetäuschter Eigenbedarfskündigung, hätten erledigen wollen. Ein stillschweigender Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschter Eigenbedarfskündigung käme auch nicht in Betracht; dafür bedürfe es gewichtiger Umstände, die darauf schließen ließen.  Solche wären z.B. in einer namhaften Abfindung zu sehen, die es hier nicht gab.


BGH, Urteil vom 10.05.2016 – VIII ZR 214/15 -

Sonntag, 21. August 2016

Verkehrsunfall: Begegnungsverkehr auf schmaler Straße und Haftungsquotelung

Auf einer 5,8m breiten Straße begegneten sich die Traktoren (nebst angehängten Arbeitsgeräten) der Parteien.  Das klägerische Gespann fuhr mit einer Geschwindigkeit von 35 – 40km/h, das Gespann des Beklagten mit ca. 30km/h. Die angehängten Arbeitsgeräte hatten eine Breite von 2,85 bzw. 3,03m.  Als die Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, lenkte der Fahrer des klägerischen Gespanns dieses nach rechts auf die dortige Grasnarbe und geriet dabei in eine überwachsene Bodenmulde, wodurch das Gespann umkippte. Das Landgericht hat mangels Nachweises eines Verschuldens eine beiderseitige Betriebsgefahr angenommen und den Schaden zu je ½ gequotelt. Die dagegen gerichtete Berufung des Belagten wurde vom OLG zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass es für eine Haftung nicht erforderlich wäre, dass sich die Fahrzeuge berührt hätten. Die Haftung wäre bereits dann gegeben, wenn der Unfall auch nur mittelbar durch das andere Fahrzeug verursacht wurde. Dafür sei die bloße (zeitliche und örtliche) Anwesenheit noch nicht ausreichend. Es müsse eine Verkehrsbeeinflussung vorliegen, die zur Schadensentstehung beigetragen habe. Ausreichend sei insoweit, wenn die Fahrweise den anderen Verkehrsteilnehmer zu einer Ausweichbewegung veranlasse.

Vorliegend, so das OLG, erfolgte die Ausweichbewegung bei Annäherung beider Traktoren und galt ersichtlich mit Blickt auf den Traktor des Beklagten. Damit ist eine Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmen.

Zu berücksichtigen wäre zum einen die von beiden Verkehrsteilnehmern ausgehende Betriebsgefahr. Allerdings wäre zusätzlich auch ein unfallursächliches verschulden gem. § 1 Abs. 2 StVO in die Abwägung mit einzustellen. Denn beide sind den an sie gestellten Anforderungen einer besonderen Sorgfaltspflicht auf schmaler Straße nicht nachgekommen. Eine Begegnung dürfe mit zügiger fahrt nur stattfinden, wenn zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen unter Berücksichtigung eines nötigen Abstandes zum jeweiligen rechten Fahrbahnrand ein Seitenabstand von mindestens 1m eingehalten würde. Kann dieser Abstand nicht gewahrt werden, muss dieser Umstand durch Reduzierung der Geschwindigkeit ausgeglichen werden. Reicht auch das nicht, hätten beide Fahrzeuge anzuhalten und die Fahrer müssten sich verständigen, welcher Fahrer am stehenden Fahrzeug vorbeifährt. Gegen diese Pflicht nach § 1 Abs. 2 StVO hätten beide Fahrzeugführer schuldhaft verstoßend, da der Abstand zwischen beiden Gespannen nicht hätte 1m betragen können.


OLG Hamm, Urteil vom 07.06.2016 – 9 U 59/14 -

Samstag, 20. August 2016

Haftung für nicht selbst getätigte Angaben für Angebote auf Onlineplattformen

Gleich in zwei Entscheidungen hatte sich der BGH mit der Haftung des Händlers auseinanderzusetzen, der die Onlineplattform Amazon nutzte. In dem einen Fall hatte Amazon über die eigentliche Preisangabe „Unverb. Preisemp.“ Und dahinter einen höheren, aber durchgestrichenen Preis angegeben. Im anderen Fall hatte Amazon eine komplett falsche Produktbezeichnung aufgenommen. In beiden Fällen wurden die Händler erfolgreich gerichtlich in Anspruch genommen. Im Fall der fehlerhaften Preisangabe auf Unterlassung bei Androhung von Ordnungsmitteln, im anderen Fall auf Unterlassung der Nutzung der (geschützten) Bezeichnung bei Androhung von Ordnungsmitteln.

In beiden Fällen wurde von den Händlern vorgetragen, sie hätte die Angaben nicht eingestellt. Dies ist aber nach Auffassung des BGH (wie auch der Instanzgerichte) nicht entscheidend. Auch wenn der Betreiber der Internetplattform dies eigenmächtig vornimmt und nur dieser Änderungen vornehmen kann, mache sich letztlich der Händler derartige produktbezogene Angaben zu eigen und ihn treffe als Nutzer des Portals die Pflicht, seine dort angezeigten Angebote auf Rechtmäßigkeit zu prüfen. Ausdrücklich führt der BGH aus, dass die Zurechnung der Gefahr, für falsche Angaben Dritter zu haften, bei dieser Konstellation keine völlig unerwartete Rechtsfolge darstelle da sie gleichzeitig die Kehrseite der von dem Händler in Anspruch genommenen Vorteile der internetbasierten, allgemein zugänglichen und eine weitgehende Preistransparenz vermittelnden Verkaufsplattform darstellt.


BGH, Urteile vom 03.03.2016 – I ZR 140/14 – und I ZR 110/15 -

Freitag, 19. August 2016

Versicherungsrecht: Auskunftsobliegenheit auch entgegen eigenen Interessen

Im Rahmen einer Schadensregulierung ging der beklagte Wohngebäudeversicherer u.a. im Zusammenhang mit dem Brand im September 2010 des versicherten Gebäudes der Frage einer Eigenbrandstiftung nach. Der klagende Versicherungsnehmer hatte im Juli 2008 das Haus auf sich übertragen lassen, nachdem sein Sohn Kay, der dies 2001 erworben hatte und dort mit seiner damaligen Lebensgefährtin wohnte, sich von dieser trennte; der Kläger hat sodann das Haus an seine beiden Söhne vermietet.  Die Beklagte hatte den Kläger u.a. zu dessen Söhnen befragt und dazu, ob er Kenntnis von Sachverhalten habe, die den Verdacht nahelegen könnten dass diese den Brand gelegt hätten und ferner, ob sie finanzielle, berufliche oder persönliche Schwierigkeiten hätten. Der Kläger gab an, keine Kenntnis über irgendwelche finanziellen Schwierigkeiten seiner Söhne zu haben. Tatsächlich hatte aber der eine Sohn im März 2008 die eidesstattliche Versicherung ab und wurde im April 2009 wegen Computerbetrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.  Die Beklagte lehnte wegen arglistiger Verletzung von Obliegenheiten durch ihren Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz ab.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hatte auf die Berufung hin der Klage stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagte wurde das Urteil vom BGH im Beschlussweg aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Bei der im Rahmen der Regulierungsermittlung durch den beklagten Versicherer gestellten Frage nach möglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Söhne handele es sich um eine zur Feststellung des Versicherungsfalls erforderliche und daher zulässige Frage. Der Versicherungsnehmer sei nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zur unverzüglichen Auskunftserteilung verpflichtet, soweit dies zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist, und habe jede Untersuchung zu Ursache und Höhe zu gestatten. Diese Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers sei weit gefasst.   Das schließe auch die Feststellung solcher Umstände mit ein, aus denen sich die Leistungsfreiheit des Versicherers (z.B. nach § 81 VVG) ergeben könnte. Von daher habe der Versicherungsnehmers auf Verlangen auch insoweit Auskünfte wahrheitsgemäß zu erteilen, als sie eventuell seinen eigenen Interessen entgegenstehen.

Der BGH verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück, da dieses unter Verletzung des rechtlichen Gehörs einem Beweisangebot der Beklagten  nicht nachgegangen war, aus dem sich inzident ergeben sollte, dass der Kläger sehr wohl Kenntnis von den finanziellen Verhältnissen des Sohnes Kay und dem Computerbetrug hatte, da er mit der geschädigten des Computerbetrugs gesprochen haben soll, die von der Beklagten als Zeugin diesbezüglich benannt war.


BGH, Beschluss vom 13.04.2016 – IV ZR 152/14 -

Donnerstag, 18. August 2016

Tierhalterhaftung: Haftungsverteilung bei Hunderangelei

Der Kläger ging mit seinem angeleinten Hund (Labrador-Mischling) nachts spazieren, wobei er die Hundeleine um sein Handgelenk gewickelt hatte. Aus einem Grundstück zwängte sich der Golden Retriever der Beklagten durch die Hecke und es kam zu einem Gerangel der Hunde, in deren Verlauf der Kläger, der sich nicht von der Leine lösen konnte, vom Hund der Beklagten gebissen wurde. Der BGH geht von einer wechselseitigen Haftung der Parteien nach § 833 S. 1 BGB aus, wobei sich der Kläger seine eigene Tierhalterhaftung entsprechend § 254 BGB (Mitverschulden) zurechnen lassen müsse. Allerdings wäre zu prüfen, ob nicht der Beklagten in Ansehung des Umstandes, dass sein Hund unbeaufsichtigt das Grundstück verlassen konnte, Verschulden nach § 823 BGB treffe, da dann gem. § 840 Abs. 3 BGB die Beklagte alleine haften würde.

Fehlerhaft, so der BGH, hatte das Berufungsgericht lediglich auf die Haftung der Beklagten nach § 833 S. 1 BGB abgestellt. § 833 S. 1 BGB stellt sich als verschuldensunabhängige Haftungsnorm gegen den Tierhalter dar. Kommt es durch ein Tier zu einen Schaden, haftet der Halter des Tieres, ohne dass ihn an dem Schadensfall ein Verschulden treffen müsste (da es sich hier nicht um ein Nutztier nach § 833 S. 2 BGB handelte, war die Frage einer möglichen Exkulpation des Tierhalters nicht zu prüfen). Allerdings habe sich auch die Tiergefahr des Hundes des Klägers ausgewirkt. Insoweit ist darauf abzustellen, dass sich auch bei dem Hund des Klägers ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbständiges Verhalten verwirklichte, wobei auf ein anderes Tier einwirkende reize ausreichend sind. Da sich hier der Hund des Klägers nicht passiv verhielt, vielmehr ein Gerangel und Kampf zwischen den Hunden stattfand, handelte es sich u eine Interaktion zwischen den Hunden,  die ihrer tierischen Natur gemäß aufeinander eingewirkt haben. Von daher habe sich die Bissverletzung als adäquat kausale Folge dieses Verhaltens dargestellt, was eine Mithaftung des Klägers entsprechend § 254 BGB begründe. Für die Begründung der Mithaftung käme es nicht darauf an, was Auslöser war und welcher Hund eine über- oder untergeordnete Rolle eingenommen habe; dies sei lediglich im Rahmen der Quotelung zu berücksichtigen.

Weiterhin habe das Berufungsgericht nicht geprüft, ob gegebenenfalls auch eine Haftung des Beklagten nach § 823 BGB vorliege. Schon der Umstand, dass sich der Golden Retriever durch die Hecke gezwängt habe, lege die Frage nahe, ob die Beklagte die Gesundheit des Klägers fahrlässig verletzt habe. Dies wäre vom Berufungsgericht noch zu prüfen. Bejahendenfalls würde der Tiergefahr des Hundes des Klägers dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend keine Bedeutung zukommen.

Der BGH hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.


BGH, Urteil vom 31.05.2016 – VI ZR 465/15 -

Montag, 15. August 2016

Bauträger: Abwasserversorgung über Nachbargrundstück ist Mangel der schlüsselfertigen Herstellungsverpflichtung

Die Beklagten haben von der Beklagten, einem Bauträger, eine Eigentumswohnung auf dem Flurstück 91 erworben. Ursprünglich plante die Beklagte, sowohl dieses Flurstück als auch das angrenzende Nachbarflurstück 92 mit Mehrfamilienhäusern zu bebauen, die eine einheitliche Wohnungseigentümergemeinschaft bilden sollten. Dazu kam es nicht; auf jedem Flurstück wurde jeweils eine rechtlich eigenständige Wohnungseigentümergemeinschaft begründet. Ohne dass sich dies aus den eventuell den Klägern übergebenden Plänen ersichtlich wäre noch sonstwie für die Kläger erkennbar gewesen wäre oder diesen mitgeteilt wurde, wurden die Regenwasserentwässerung und die Schmutzwasserabführung allerdings von dem direkt an einer öffentlichen Straße (K-Straße) befindlichen Flurstück 91 auf das unterhalb belegenen Flurstück 92 und von dort wieder mittels einer Hebeanlage zur öffentlichen Kanalisation in die K-Straße gepumpt. Hierzu existiert eine Grunddienstbarkeit, die nach Abschluss des notariellen Vertrages zwischen den Parteien im Grundbuch gewahrt wurde.


Die Kläger halten die Erstellung der Abwasserversorgung durch den beklagten Bauträger für mangelhaft und klagten darauf, dass die Ableitung des Wassers (Schmutzwasser und Oberflächenabwasser) des Bauvorhabens K...Straße 126 und 128 in W ... , soweit dieses nicht über Rigolen versickert wird, mangelfrei herzustellen ist, indem das in ausreichender Höhe oberhalb der Rückstauebene der öffentlichen Abwasserleitung in der K...Straße anfallende Abwasser auf direktem Wege in die Wasserleitung eingeleitet wird, ohne das Abwasser zuvor über eine Hebeanlage zu führen, sowie das unterhalb ausreichender Höhe oberhalb der Rückstauebene der öffentlichen Abwasserleitung anfallende Abwasser über eine in Höhe des Abwasseranfalles auf dem Grundstück K...Straße 126 und 128 zu errichtende Hebeanlage - und nicht über eine auf erheblich tieferem Höhenniveau und auf einem fremden Grundstück befindliche Hebeanlage - in die öffentliche Abwasserleitung zu führen.

Das Landgericht gab der Klage statt. Die dagegen Gerichte Berufung der Beklagten wurde vom OLG zurückgewiesen. Mit Beschluss des BGH vom 12.01.2016 – VII ZR 207/13 – wurde die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen.

Das OLG stellte darauf ab, dass nach dem notariellen Kaufvertrag und der diesem beigefügten Baubeschreibung die Beklagte zur schlüsselfertigen Herstellung des Bauvorhabens einschließlich privater Erschließungsanlagen verpflichtet war. Nach dem Kaufvertrag sollten auch die Kosten für Anlagen, die auf dem Kaufgrundstück zur Abwasserbeseitigung errichtet werden, abgegolten sein. Von daher hätten hier die Kläger ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass der Begriff „privat“ hier nicht als Abgrenzung zu „öffentlich“ zu verstehen ist, wobei der beklagten die Herstellung im öffentlichen Bereich ohnehin nicht oblegen hätte.

Da es im übrigen an Anhaltspunkten fehlte, dass der Anschluss hier über das Flurstück 92 geführt wird, zumal das Flurstück 91 direkt an der öffentlichen Straße (K-Straße) lag, auf der die öffentliche Kanalisation verläuft, an der anzuschließen ist, mussten die Kläger von einer Verlegung über ein anders Grundstück nicht ausgehen und stellt sich dies nicht nur als ein minus, sondern als ein Mangel dar.

Als Hilfserwägung führte das OLG aus: Auch wenn ein Mangel  nicht angenommen würde, wenn der Erwerber zwar kein Eigentum erlangen würde, aber eine diesem gleichwertige Position, dass kein wirtschaftlicher Nachteil bestünde, könnte davon hier nicht ausgegangen werden. Denn vorliegend ginge es nicht alleine um das Recht, eine Leitung über das Nachbargrundstück zu führen, sondern darum, eine auf dem Nachbargrundstück befindliche Hebeanlage gemeinsam mit den Eigentümern des Nachbargrundstücks zu betreiben. Die Grundschuld ließe nicht erkennen, dass Streitigkeiten schlicht ausgeschlossen wären, da auch nicht ein recht zur möglichen Erweiterung der Anlage geregelt wäre. Im übrigen wäre erkennbar, dass jegliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Hebeanlage dadurch erschwert würde, dass zwei Eigentümergemeinschaften darüber befinden müssten, nicht nur eine. Zudem müssten die Eigentümer von Flurstück 91 gegebenenfalls eine Duldung auf Zutritt auf das Grundstück Flurstück 92 erstreiten.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.07.2013 – 21 U 125/12 -

Samstag, 13. August 2016

Betriebskostenabrechnung und Umfang des Einwendungsausschlusses

Der BGH hat sich jetzt zum Umfang des Einwendungsausschlusses zu Betriebskosten durch den Mieter geäußert, auch soweit es sich dabei um Positionen handelt, die generell nicht als Betriebskosten umlegbar sind. Er hat den Einwendungsausschluss auch hierauf erweitert.

Zwischen den Parteien bestand Streit über die Rückforderung gezahlter Betriebskosten durch die Mieter. Der Vermieter hatte die ihm von der WEG-Verwaltung überlassene Abrechnung,  die umlegbare Positionen mit einem Gesamtbetrag von € 2.541,24 und weiter ausdrücklich als nicht umlegbare Positionen (Instandhaltung, Verwaltung)  auswies, insgesamt € 3.894,41. Der beklagte Vermieter übernahm diesen Betrag in seinem Anschreiben an die klagenden Mieter und setzte noch die Grundsteuer hinzu; von dem Gesamtbetrag zog er Vorauszahlungen, die sich tatsächlich auf € 2.800,00 beliefen in Höhe von lediglich € 2.100,00 ab. Wegen der Fehler der Abrechnung endete diese nicht mit einem Guthaben der Mieter, sondern mit einer Forderung des Vermieters, die auch von den Klägern gezahlt wurde. Die Abrechnung betraf 2011 und datierte vom 12.07.2012. Später rügten die Kläger mit Schreiben vom 10.05.2014 Mängel der Abrechnung wegen nicht umlagefähiger Gemeinschaftskosten und wegen der Nichtberücksichtigung der vollständigen Vorauszahlung.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung führte zur Klageabweisung. Auf die zugelassene Revision hin wurden den Klägern die nicht umlagefähigen Gemeinschaftskosten nebst Zinsen zugesprochen, im übrigen zurückgewiesen.

Der fehlende Rechtsanspruch der Kläger wegen der bei der Abrechnung nicht berücksichtigten weiteren Vorauszahlung von € 700,00 wurde vom BGH damit begründet, dass die Kläger diesen Mangel der Abrechnung nicht innerhalb der Frist des § 566 Abs. II S. 5 BGB vorgebracht hätten und sie daher gem. § 566 Abs. 3 S. 6BGB damit ausgeschlossen sind. Nach den benannten Bestimmungen obliegt es dem Mieter, mögliche Einwendungen gegen die Abrechnung bis zum Ablauf des 12 Monats nach deren Zugang dem Vermieter mitzuteilen. Nach Ablauf der Frist ist er mit der Geltendmachung ausgeschlossen, es sei denn, er hätte die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.

Bezüglich der weiteren Forderung in Bezug auf die in der Abrechnung enthaltenen nicht umlagefähigen Kosten sah der BGH vorliegend allerdings die Revision als begründet an. Zwar sei auch hier der Einwendungsausschluss grundsätzlich zu beachten. Insoweit verweist der BGH auf die bisher unterschiedliche Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, meint aber, es könne hierfür in der Sache nichts anderes gelten als für die tatsächlich umlegbaren Kosten. Denn aus dem Gesetz ergäbe sich keine Beschränkung für den Einwendungsausschluss.

Vorliegend greife aber dieser Einwendungsausschluss nicht, da der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB gehindert sei, sich darauf zu berufen. Dies deshalb, da er seinem Schreiben die Abrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft beigefügt habe und in dieser die entsprechenden Kosten expressis verbis als nicht umlagefähig bezeichnet wurden;  damit habe aber der Beklagte bereits aus Sicht der Kläger mit der Abrechnung zum Ausdruck gebracht, dass ihm insoweit eine Forderung nicht zusteht und hieran sei er auch nach Ablauf der Frist des § 566 Abs. 3 BGB gebunden.


BGH, Urteil vom 11.05.2016 – VIII ZR 209/15 -

Laubfall – kein nachbarlicher Abwehr- oder Ausgleichsanspruch

Ansprüche wegen Laubfalls auf sein Grundstück durch den Baum auf dem Nachbargrundstück geltend machen kann. Das Amtsgericht verneinte den Anspruch.

Die Parteien sind benachbarte Grundstückseigentümer. Auf dem Grundstück der Beklagten steht ein alter Lindenbaum, dessen Äste sogar über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Klägerin ragen. Die Klägerin behauptet, jedes Jahr würde ihr Grundstück durch Samen, Blätter, Äste usw. des Lindenbaums in einem Radius von 30m bedeckt, es würden sich auf der Garagenzufahrt und dem Garagentor Laubhügel bilden und die Regenrinne würde vom Laub verstopft. Wegen dieser Beeinträchtigungen begehrte sie eine „Laubrente“ in Höhe von € 500,00/Jahr.

Das Amtsgericht verweist auf §906 BGB. Wesentliche Beeinträchtigungen durch die ortsübliche Benutzung eines Grundstücks, müssen vom Nachbar geduldet werden, wenn dies nicht durch angemessene Maßnahmen verhindert werden kann. In diesem Fall hat der Grundstücksnachbar einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in Geld.

 Die hier von der Klägerin benannten Beeinträchtigungen zählt das Amtsgericht zu ähnlichen Einwirkungen i.S.v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB. Es lässt allerdings dahinstehen, ob es sich um wesentliche Beeinträchtigungen handelt, die hier von der Klägerin vorgetragen wurden. Denn es läge auf Seiten des Beklagten eine ortsübliche Nutzung vor, und der Laubfall stelle eine ortsübliche Einwirkung dar, da, da eine entsprechende Gartenbepflanzung hier dem Charakter des Gebiets entspräche.

Die Beklagten könnten die vom Baum ausgehende Beeinträchtigung auch nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindern.

Und entscheidend ist, dass  - so das Amtsgericht – die Einwirkungen das Grundstück der Klägerin nicht über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen würden. Abzustellen wäre hier auf das Empfinden eines Durchschnittnutzers. Selbst wenn die Klägerin, wie sie vorträgt, 3-4mal im Jahr die Regenrinne reinigen müsse und jährlich 10-15 80 Liter-Tonnen an Laub entsorge (und dies 90% des Laubs des Lindenbaums sind, wäre dies vom Durchschnittsbenutzer hinzunehmen, da dies vom Gebietscharakter geprägt wird.

AG München, Urteil vom 26.02.2013 – 114 C 31118/12 -

Donnerstag, 11. August 2016

Verkehrsunfall: Mietwagenkosten, Unfallersatztarif und günstige Anmietalternative durch gegnerischen Haftpflichtversicherer

Das Problem des Unfallersatztarifs schwelt seit Jahren bis hin in die Rechtsprechung des BGH. Es handelt sich um jenen Sondertarif von Mietwagengesellschaften,  den diese (offen oder verdeckt) bei Anmietung eines Unfallersatzfahrzeuges begehren. Dieser Tarif liegt regelmäßig über dem ansonsten verlangten Tarifen. Die Rechtsprechung hat sich bereits damit befasst, ob hier und gegebenenfalls unter welchen bestimmten Umständen der geschädigte einen Ersatzanspruch in Höhe des (teilweise zu ermäßigenden) Unfallersatztarifs hat.

Vorliegend war die Besonderheit gegeben, dass der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers (Beklagte) dem geschädigten Kläger (anlässlich eines Telefonats) anbot, ihm einen günstigen Mietwagen zu vermitteln. Darauf ging der Kläger allerdings nicht ein und hat am Nachmittag des gleichen Tages  bei einer Autovermietung ein mit dem unfallgeschädigten Fahrzeug vergleichbares Fahrzeug angemietet. Die Beklagte erstatte die Mietwagenkosten lediglich in Höhe des Betrages, der angefallen wäre, wenn der Kläger von dem Angebot der Beklagten Gebrauch gemacht hätte.

Die Klage hatte ebensowenig wie die Berufung Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter; die Revision wurde zurückgewiesen.

Der BGH wies auf seine ständige Rechtsprechung hin, dass der Geschädigte Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Ob hier der von dem Kläger als geschädigten gewählte Unfallersatzwagentarif iSv. § 249 BGB erforderlich war, könne allerdings dahinstehen, wenn feststehen würde, dass ihm ohne weiteres ein günstigerer Tarif zugänglich war. Dieser fall wurde vorliegend von den Instanzen bis hin zum BGH bejaht.

Von der Revision des Klägers wurde eingewandt, die Beklagte habe ihm nicht mitgeteilt, was er zur Anmietung des von der Beklagten benannten Fahrzeuges tun müsse, wo es sich befinde und ab wann es zur Verfügung stünde, weshalb er nicht gewusst habe, ob dieses Fahrzeug überhaupt zur Verfügung gestanden habe. Der BGH wies dies aus tatrichterlicher Würdigung zurück, da bereits das Amtsgericht festgehalten habe, dass nach Angaben des gehörten Zeugen Preise genannt wurden, zu denen ein Fahrzeug angemietet werden konnte, wobei der Zeuge sich auch die Telefonnummer des Klägers zur Weitergabe an das Mietwagenunternehmen zwecks Rückrufs notieren wollte um Zeitpunkt und Art der Übergabe zu vereinbaren.

Vor diesem Hintergrund war nach Auffassung des BGH dem Kläger die Anmietung eines Fahrzeugs zu einem günstigeren Tarif, als von ihm gewählt, ohne weiteres möglich, weshalb die Klage auf weiteren Kostenersatz zu Recht abgewiesen wurde.


BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15 -

Mittwoch, 10. August 2016

Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht - Anforderungen

Die  Entscheidung des BGH nimmt zur Frage Stellung, was für eine nach § 323 Abs. 1 zu setzende Frist erforderlich ist. Die Vorinstanzen hatten die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises und auf Schadensersatz zurückgewiesen. Es wäre keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden, so die Begründung. Es wären von der (auch anwaltlich vertretenen) Klägerin mehrfach Mängel geltend gemacht worden, auch teilweise mit der Bitte um Behebung. Allerdings sei zu keinem Zeitpunkt ein Nacherfüllungsverlangen unter Fristsetzung (obwohl nach § 440 BGB zumutbar) erfolgt. Auch eine telefonische Mitteilung der Beklagten, bis zu einem bestimmten Datum alles mitzuteilen, würde diese Fristsetzung nicht entbehrlich machen. Dem folgt der BGH nicht.


Der BGH hält es nicht für erforderlich, dass eine bestimmte Frist gesetzt werden muss. Er verweist auf seine bisherige Rechtsprechung und führt aus, ausreichend sei das Verlangen des Gläubigers nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder eine vergleichbare Formulierung, mit der dem Schuldner verdeutlicht würde, dass ihm nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eine s(bestimmten) Zeitraums oder eines (End-) Termins bedarf es nicht. Indem hier von der Klägerin der Beklagten mit Mail mitgeteilt wurde, dass „schon jetzt“ um eine „schnelle Behebung der Mängel“ gebeten werde, genügte dies nach Auffassung des BGH an das Erfordernis der Fristsetzung. Eine auf „schnelle Behebung“ gerichtete Aufforderung stelle sich als ausreichende Darlegung für eine Aufforderung zur Behebung in „angemessener Frist“, unverzüglich bzw. umgehend  dar.

Der BGH weist darauf hin, dass der Gläubiger nicht durch Relativierungen seiner Äußerung die Ernsthaftigkeit nehmen darf. Dies sei aber nicht bereits dann der Fall, wenn die Forderung in Form einer höflichen Bitte (wie hier) gekleidet würde.


BGH, Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15 -

Sonntag, 7. August 2016

Einkommensteuer: Aufwendungen für Dienstjubiläum können abzugsfähige Werbungskosten aus nichtselbständiger Tätigkeit sein

Der Kläger, Beamter, feierte sein 40-jähriges Dienstjubiläum. Die Kosten machte er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung als Werbungskosten aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend. Dies lehnte das Finanzamt und ihm folgen d das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 03.12.2014 – 4 K 28/14 -) ab. Der BFH gab der Revision des Klägers statt.

Entscheidend wäre, ob die Feier als berufliche oder private Feier zu klassifizieren ist. Dabei käme es zunächst auf den Anlass an. Der Anlass sei aber nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das alleinentscheidende Kriterium.  Auch bei einem herausgehobenen persönlichen Anlass könne sich aus den Umständen des Einzelfalls die berufliche Veranlassung ergeben, wie auch umgekehrt ein Ereignis aus der beruflichen Sphäre alleine nicht die Annahme der beruflichen Veranlassung begründe. Damit sind weitere Kriterien erforderlich, um die Zuordnung vorzunehmen. Entscheidend sind dabei nach Auffassung des BFH
  1. wer ist der Gastgeber
  2. wer bestimmt die Gästeliste
  3. um wen handelt es sich bei den Gästen (Kollegen, Geschäftsfreunde, Mitarbeiter des Steuerpflichtigen oder seines Arbeitgebers), Angehörige des öffentlichen Lebens, Presse, Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen
  4. wo findet die Veranstaltung statt
  5. halten sich die finanziellen Aufwendungen im Rahmen vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen.
Da im Rahmen der Zusammenarbeit häufig berufliche und private Kontakte häufig verwischen, wäre entscheidend, ob nur bestimmte Personen eingeladen werden, oder aber die Einladung nach allgemeinen Kriterien ausgesprochen wird. Werden Arbeitskollegen nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Einheit oder nach ihrer Funktion ausgesucht, spräche dies für die betriebliche Veranlassung, während die Einladung lediglich einzelner Arbeitskollegen eher für eine maßgebliche private Mitveranlassung der Aufwendungen spräche.

Ein Dienstjubiläum, wie es hier Anlass war, spräche für eine dienstliche Veranlassung. Dem, so der BFH, stünde nicht seine Entscheidung zur Priesterweihe entgegen (Beschluss vom 24.ö09.2013 – VI R 35/11 -), da es bei der Priesterweihe nicht um die berufliche Tätigkeit ginge, sondern der Geweihte beauftragt würde, in besonderer Weise dem kirchlichen Leben zu dienen. Auch die Entscheidung vom 08.03.1990 – IV R 108/99 –würde dem nicht entgegenstehen, da dort die Abzugsfähigkeit nicht wegen des Anlasses (Dienstjubiläum eine Beamten) sondern aus anderen Gründen versagt worden sei (der Steuerpflichtige habe als Person des öffentlichen Lebens nur andere Personen des öffentlichen Lebens eingeladen).   

Eine Beschränkung der Kosten nach §§ 9 Abs. 5 iVm. 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG kommt hier nicht in Betracht.


BFH, Urteil vom 20.01.2016 – VI R 24/15 -

Samstag, 6. August 2016

Prozessrecht: Berücksichtigung eines Privatgutachtens und Verbot des Bestreitens mit Nichtwissen von behaupteten Angaben des beauftragten Untervermittlers

Das Gericht hat auch ein privates Sachverständigengutachten zu berücksichtigen, welches im Widerspruch zu dem gerichtlich eingeholten Gutachten steht. Und es hat Beratungsleistungen eines vom Verkäufer eingeschalteten Untervermittlers zu Lasten des Verkäufers zu berücksichtigen.


Nachdem der vom Verkäufer (Beklagten) eingeschaltete Untervermittler dem Kläger als potentiellen Käufer nach dessen Angaben ein Steuersparmodell mit Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgestellt hatte und einen bestimmten gewinn bei Veräußerung der Wohnung nach zehn Jahren versprach, erwarb der Kläger die Wohnung.  

Der BGH ging auf Grund der vorinstanzlichen Feststellungen davon aus, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kaufvertrag sittenwidrig sei und der Kläger einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung haben kann.

Die Sittenwidrigkeit des Vertrages leitet der BGH aus der Überhöhung des Kaufpreises um knapp 100% gegenüber dem Verkehrswert gem. dem vom Kläger vorgelegten Privatgutachten. Mit diesem hatte sich die Vorinstanz nicht auseinandergesetzt. Dies wäre aber nach Auffassung des BGH notwendig gewesen. Gegebenenfalls hätte es den von ihm bestellten Sachverständigen anhören müssen, ohne dass es dazu eines Antrages des Klägers bedurft habe. Auch hätte es eventuell, wenn die Anhörung noch keine endgültige Klärung bringt, einen weiteren Sachverständigen bestellen müssen.

Damit konnte entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht davon ausgegangen werden, dass keine Sittenwidrigkeit vorliegt. Die fehlende Berücksichtigung des Privatgutachtens stellt sich als Verletzung rechtlichen Gehörs dar.

Ferner hätte die Vorinstanz auch den klägerischen Vortrag zu dem Untervermittler beachten müssen. Zwar habe der Kläger für seine Behauptung keinen Beweis angeboten. Allerdings habe der Beklagte diesen Vortrag lediglich mit Nichtwissen bestritten. Da aber der Untervermittler von ihm eingeschaltet wurde und die Beratung für ihn übernahm, kam zum einen zwischen den Vertragsparteien ein Beratungsvertrag zustande. Liegt hier durch den Untervermittler ein Beratungsfehler vor (wie vom Kläger nach Auffassung des BBG schlüssig dargelegt wurde), geht dies zu Lasten des Beklagten. Dieser durfte die Angaben des Klägers nicht zulässig mit Nichtwissen bestreiten, § 138 Abs. 4 ZPO. Da er den Untervermittler eingeschaltet hatte, hätte er sich bei diesem auch kundig machen können und müssen.


BGH, Urteil vom 22.04.2016 – V ZR 256/14 -

Werkvertrag: Kostenvorschussbegehren zur Mängelbeseitigung führ zum Abrechnungsverhältnis und erfordert keine Abnahme


Der Beklagte hatte Arbeiten für ein Wärmeverbundsystem durchgeführt, in deren Verlauf es bereits zu Streit zwischen den Vertragspartnern kam . Der Auftraggeber (Kläger) holte ein Gutachten ein, welches bestätigte, dass die bisher vom Kläger erbrachten Leistungen mangelhaft seien. Die Arbeiten wurden durch den Beklagten dann abgebrochen.

Der Kläger verlangte nunmehr vom Beklagten Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung und Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht des Beklagten.

Das OLG führte aus, eine Abnahme nach § 640 BGB ließe sich nicht feststellen. Dies würde aber dem Kostenvorschussbegehren des Klägers nach § 637 BGB nicht entgegenstehen. Die Abnahme sei deshalb nicht entscheidungserheblich, da sich das Vertragsverhältnis im Abrechnungsstadium befände. Dies würde von der Rechtsprechung für solche Fälle anerkannt, in denen der Besteller nur noch auf Geld gerichtete Gegenansprüche (Schadensersatz und/oder Minderung) erhebt; in diesme Fall würde der Werklohn trotz auch berechtigter Abnahmeverweigerung fällig (BGH vom 10.10.2002 – VII ZR 315/01 -).

Auch wenn hier der Kläger nicht Schadensersatz oder Minderung begehrt sondern Kostenvorschuss, wären diese Grundsätze anzuwenden. Denn der Kläger würde mit dem Kostenvorschuss zur Selbstvornahme einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch verfolgen (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.06.2012 – 12 U 234/11 -). Hinzu käme vorliegend, dass eine weitere Erfüllung ohnehin ausscheide, da der Werkvertrag vor endgültiger Fertigstellung abgebrochen worden sei und der Beklagte seine erbrachten Leistungen mit dem Hinweis abgerechnet hat, die Arbeiten seien im Oktober ordnungsgemäß gemäß Angebot abgeschlossen worden.

Der Vorschussanspruch sei auch in der Sache begründet, da der Kläger zuvor den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe. Der Klage könnte allenfalls der vom Beklagten geltend gemachte Werklohnanspruch entgegenstehen, mit dem der beklagte Aufrechnung erklärte. Die Aufrechnung würde nur dann nicht durchgreifen, wenn der Kläger einen darüberhinausgehenden Anspruch haben könnte und sich in Bezug auf den Werklohnanspruch erfolgreich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen könnte. Um festzustellen, ob hier weitergehende Ansprüche des Klägers bestehen könnten, die von dem Vorschuss nicht gedeckt sind, sah sich das OLG zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht veranlasst.


OLG Celle, Urteil vom 03.03.2016 – 16 U 129/15 -

Samstag, 16. Juli 2016

Kfz-Haftpflichtversicherung: Verkehrsunfallflucht und arglistige Verletzung der Aufklärungspflicht mit Folge des Verlustes des Versicherungsschutzes

Der Beklagte hatte mit dem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Fahrzeug einen Verkehrsunfall. Ein Strafverfahren gegen ihn wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde gem. § 153a stopp gegen Auflagen eingestellt. Die Klägerin, die an den Unfallgegner Schadensersatz leisten musste, verlangte diese Zahlung von € 2.068,13 von dem beklagten zurück und beruft sich dabei darauf, der Beklagte habe durch das Entfernen vom Unfallort arglistig eine Obliegenheit nach dem Versicherungsvertrag verletzt und sie habe daher einen Anspruch auf Erstattung des regulierten Betrages.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung war erfolgreich. Das Amtsgericht schloss sich der herrschenden Rechtsprechung an, dass die Verkehrsunfallflucht eine arglistige Obliegenheitspflichtverletzung darstellt (BGH vom 01.12.1999 – IV UR 71/00 -). Damit käme es auch nicht darauf an, ob der Beklagte überhaupt den kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 2 VVG geführt hätte; wird dieser nicht geführt, ist ohnehin von der arglistigen Obliegenheitspflichtverletzung auszugehen, die hier aber bereits tatbestandlich anzunehmen wäre.

Das Landgericht weist darauf hin, dass damit noch nicht der Regressanspruch begründet wäre. Der Versicherer hat darzulegen, welche Maßnahmen er bei Erfüllung der Obliegenheiten getroffen hätte. Insoweit hatte vorliegend die Klägerin vorgetragen, dass, wäre der Beklagte am Unfallort verblieben, die Polizei Feststellungen zu Personen und Zustand von Fahrzeugen hätte treffen können; diese Sachverhaltsaufklärung sei nicht mehr möglich. Soweit der beklagte sich hier zu diesen Feststellungen auf das Zeugnis seiner Freundin, die Beifahrerin war, beruft, handelt es sich nach Auffassung des Landgerichts nicht um eine gleichwertige Beweislage gegenüber verhinderten polizeilichen Feststellungen.


LG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2015 – 9 S 27/14 -

Keine Ausfalldeckung durch eigenen Haftpflichtversicherer trotz titulierter Ersatzansprüche bei Schäden durch den Hund eines Dritten

Kann der Versicherungsnehmer (VN) von seiner eigenen Haftpflichtversicherung den Schadens ersetzt verlangen, der ihm durch den Hund eines Dritten zugefügt wurde, wenn er ein Urteil gegen den Tierhalter (rechtskräftig) erwirkt, er aber in der Vollstreckung ausfällt ?

Dieses rechtskräftige Urteil lag dem VN vor, der auch /erfolglos) versuchte zu vollstrecken. So wandte er sich an die eigene Haftpflichtversicherung, da in dem Haftpflichtvertrag die Klausel enthalten war, dass der „Ausfall von rechtskräftig ausgeurteilten und vollstreckbaren Forderungen gegenüber Dritten, sofern diese Forderungen durch eine bestehende Privathaftpflichtversicherung gedeckt gewesen wären“, mitversichert ist. Allerdings verkannte der Kläger hier ersichtlich den Umfang dieser Klausel. So hatte er nicht bedacht, dass zwar in der privaten Haftpflichtversicherung nach der Klausel 1.7 der Besonderen Bedingungen regelmäßig die gesetzliche Haftpflicht als Halter oder Hüter von zahmen Haustieren mitumfasst ist, ausdrücklich aber nicht jene von Hunden. Hier bedürfte es einer gesonderten Tierhalterversicherung. Da mithin die Privathaftpflichtversicherung als solche das Risiko der Tiergefahr eines Hundes nicht mit abdeckt, greift die vorgenannte Klausel nicht.

Das KG wies den Kläger (VN) in seinem Beschluss nach § 522 ZPO auch darauf hin, dass der Umstand einer strafrechtlichen Verurteilung des Hundehalters wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht weiterführend ist. Auch wenn dabei nicht auf die Tiergefahr nach § 833 BGB sondern auf die Person des Hundehalters selbst abgestellt wurde, stand es doch im Zusammenhang mit dem Hund. Gerade dieser Zusammenhang ist aber in Ansehung der Klausel bedeutsam, da die Privathaftpflichtversicherung nie greift, wenn. Wie hier, Schäden vom Hund oder vom Versicherten als Tierhalter eines Hundes verursacht wurden. Der Zusammenhang mit dem Hund ist entscheidend für den mangelnden Versicherungsschutz mit der Folge, dass vorliegend der Kläger auf Grund der benannten Klausel auch nicht Leistung von seiner eigenen Haftpflichtversicherung für seinen Schaden begehren kann.


KG, Beschluss vom 08.03.2016 – 6 U 88/15 -

Sonntag, 10. Juli 2016

Mietrecht: Kündigungsgrund erhebliche und schuldhafte Verletzung einer (Neben-) Pflicht

Der Miete rügte auftretende Schimmelbildung als Mangel und minderte die Miete. Gestützt auf  ein von ihm eingeholtes Gutachten  wandte der Kläger ein, dass die Schimmelbildung durch falsches Lüftungs- und Heizverhalten verursacht wurde und machte die Kosten des Gutachtens und diejenigen der Schadensbeseitigung (Schimmelbeseitigung) geltend.  Das Amtsgericht verurteilte den beklagten antragsgemäß, wobei es sich auf das Privatgutachten des Vermieters stützte. Gegen das Urteil wurde ein Rechtsmittel nicht eingelegt.

Der Beklagte kam seiner Zahlungspflicht aus dem Urteil nicht nach; er bezog zwischenzeitlich vom Jobcenter Arbeitslosengeld II. Nachdem der Beklagte die Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO abgegeben hatte, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos, vorsorglich fristgerecht, und berief sich zum einen auf die Nichtzahlung des Urteilsbetrages, ferner darauf, dass der Beklagte weiterhin eine Schimmelbildung wie zuvor als Mangel behaupte und seinen Heiz- und Lüftungspflichten nicht nachkommen würde. Im Verfahren stützte sich der Vermieter sodann nur noch auf die ordentliche Kündigung und das Amtsgericht gab der Räumungsklage statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das Landgericht die Klage ab. Die (zugelassene) Revision des Vermieters führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Der BGH lies offen, ob die Nichtzahlung der titulierten Schadensersatzforderung als solches die ausgesprochene Kündigung und damit den Räumungsanspruch rechtfertigen könnte. Im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit, ausgehend von der nicht in Frage gestellten Richtigkeit der Vermögensauskunft, läge wohl ein Verschulden nicht vor. Es müsse allerdings nicht entschieden werden, ob dies hier den Tatbestand des § 573Abs. 2 Nr. 1 BGB (schuldhafte Verletzung von Pflichten durch den Mieter) erfülle. Denn aus einem anderen, vom Landgericht nicht berücksichtigten Rechtsgrund, wäre die Klage erfolgreich.

Auf Grund des Verhaltens des Beklagten nach der Rechtskraft des die Schadensersatzpflicht des beklagten begründenden Urteils wäre hier der Vermieter zu (ordentlichen) Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Dies gilt in Bezug auf die weitere Geltendmachung von vom Vermieter zu vertretener Schimmelbildung als auch im Hinblick auf die pflichtwidrige und schuldhafte Vernachlässigung von Mieterpflichten in Bezug auf Heizen und Lüften. Indem der Beklagte wegen Mängeln, die nach dem rechtskräftigen Urteil im Schadensersatzprozess in der Sphäre des Mieters liegen, unberechtigt mindert und seine Verantwortlichkeit weiterhin trotz der rechtskräftigen Entscheidung leugne, liegt eine schwerwiegende und auch schuldhafte Vertragsverletzung vor, die Anlass für den Vermieter gibt anzunehmen, der Mieter werde seinen vertraglichen Pflichten zur Obhut der Wohnung und zur vollständigen Mietzahlung nicht nachkommen. Dieser Umstand würde die Kündigung rechtfertigen.


BGH, Urteil vom 06.04.2016 – VIII ZR 78/15 -

Dashcam - ist die Aufzeichnung als Beweismittel im Zivilprozess (Haftpflichtprozess) verwertbar?

Die kleine Videokamera, die regelmäßig auf dem Armaturenbrett angebracht ist, ist bereits vielfach zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden. Regelmäßig geht es dabei auch um die Frage, ob die Aufzeichnungen (z.B. in einem Verkehrsunfallprozess) gerichtsverwertbar sind.

Fall des LG Landshut: Die Kamera zeichnete die Rückwärtsfahrt des Beklagten auf, der so mit dem Fahrzeug des Klägers kollidierte. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und die Aufzeichnung der Dashcam im Hinblick auf ein angenommenes Beweisverwertungsverbot nicht als Beweismittel anerkannt. Im Berufungsverfahren erließ das Landgericht den Beschluss, mit dem es die Verwertbarkeit bejahte und dabei darauf abstellte, dass zum einend er Fahrer des rückwärtsfahrenden Fahrzeuges nicht zu sehen wäre, zum anderen der Kläger ansonsten keine Beweismittel habe. Dem würde auch die Entscheidung des BGH vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94 – nicht entgegenstehen, derzufolge die permanente Überwachung des Hauszugangs des Nachbarn unzulässig wäre, der sich nicht gefallen lassen müsse, regelmäßig rund um die Uhr gefilmt und erfasst zu werden. Vorliegend erfolge das Filmen von Fahrzeugen wahllos und es fände keine systematische Erfassung von Bewegungsprofilen statt. Soweit das AG München (Urteil 06.06.2013 – 343 C 4445/13 – und das LG Heilbronn (Urteil vom 03.02.2015 – 3 S 19/14 -) die Befürchtung einer privat organisierten dauerhaften und flächendeckenden Überwachung sämtlicher am öffentlichen Verkehr teilnehmenden Personen habe, mögen nach Auffassung der Kammer zwar die Gründe gerechtfertigt sein, würden aber eine Abwägung der Interessen im konkreten Einzelfall nicht hindern können. Vorliegend wären die Interessen nur insoweit betroffen, als man zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Fahrzeug in einem bestimmten Bereich rückwärtsfahrend sähe, wobei der beklagte selbst nicht zu erkennen wäre. Von daher sei nicht von einem gravierenden Grundrechtseingriff auszugehen. Auf der anderen Seite wäre der Kläger ohne die Aufzeichnung beweislos bei einer ohne die Aufnahme erfolgten Negation des Rückwärtsfahrens. Damit wog nach Auffassung des Gerichts das Interesse an der Verwertung höher.

Fall des LG Frankenthal: Der Unfallhergang war auch hier zwischen den Parteien streitig. Das Landgericht ging nach Beweisaufnahme von einem pflichtwidrigen Spurwechsel der Klägerin auf der Autobahn aus. Dies schließt die Kammer aus Zeugenaussagen und aus der Auswertung der Aufzeichnung der Dashcam (im Fahrzeug der Beklagten). Dabei stellte es darauf ab, dass bei der verwandten Kamera die alten Aufzeichnungen überspielt würden. Zudem wäre nicht der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betroffen. Bereits das KG habe mit Urteil vom 05.07.1979 – 12 U 1277/79 - das Foto eines spielenden Kindes zu Beweiszwecken vor diesem Hintergrund zugelassen; hier wäre nur auf öffentlicher Straße eine Aufnahme gemacht worden, was zwar den Individualbereich beträfe, dieser aber nur der äußerste Kreis des Persönlichkeitsrechts sei. Im übrigen würde die Kammer dem LG Heilbronn (Urteil vom 03.02.2015 – 3 S 19/14 -), welches ein Beweisverwertungsverbot annahm, folgen, soweit dort darauf abgestellt wurde, dass eine permanente Aufnahme erfolge. Hier aber habe der Kläger glaubhaft dargelegt, dass die Kamera nur bei laufenden Motor arbeitet und zudem aktiv mit dem Stromkreis verbunden werden, was er aber nur tue, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer „komisch“ fahre. Es läge also eine anlassbezogene Aufzeichnung vor. Diese sei als Beweismittel auch in Ansehung der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 8 EMRK zuzulassen (Urteil vom 27.05.2014 – Nr. 10764/09 -, wonach die verdeckte Videoaufzeichnung eines Detektiven zur Gewinnung von Beweismitteln Art. 8 EMRK nicht verletzt). Die Berufung gegen die Entscheidung zum OLG Zweibrücken – 1 U 23/16 – wurde zurückgenommen.

Anmerkung: Beide Entscheidungen verdeutlichen, dass ihr jeweiliges Ergebnis der Verwertbarkeit gekünstelt ist. Es wird letztlich vom Ergebnis her argumentiert. Mit den gleichen Argumenten ließe sich auch die Verwertbarkeit wegen eines Beweisverwertungsverbotes ablehnen. Es bleibt abzuwarten, wie letztlich die obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere der BGH hier in Zukunft urteilen wird.

LG Landshut, Beschluss vom 01.12.2015 – 12 S 2603/15 -

LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015 – 4 O 358/15 -

Samstag, 9. Juli 2016

Rechtzeitiger Befangenheitsantrag gegen Sachverständigen

Das OLG Bamberg hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen zu stellen ist, damit er nicht als verspätet zurückgewiesen werden kann/muss (wie durch das Landgericht geschehen). Dabei hat der Senat die derzeitige rechtliche Situation aufgearbeitet und festgehalten:

Grundsätzlich ist ein Befangenheitsantrag binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen, § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO. Eine spätere Ablehnung kommt nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO nur in Betracht, wenn der Antragsteller geltend (und glaubhaft) macht, dass er ohne sein Verschulden an einer früheren Geltendmachung gehindert war. In diesen Fällen ist der Antrag entsprechend § 121 BGB unverzüglich nach Kenntnis des zu stellen.

Kommt es zur Anhörung des Sachverständigen und verhandelt danach die Partei zur Sache, verliert sie grundsätzlich ihr Ablehnungsrecht (in entsprechender Anwendung des § 43 ZPO). Allerdings könne dieses nicht schematisch negiert werden. Entscheidend sei auch hier darauf abzustellen, ob zu diesem Zeitpunkt der Partei der oder die Ablehnungsgründe bekannt sind. Beruht die Ablehnung auf einer Bezeichnung des Parteivortrages durch den Sachverständigen als „frech“, so dürfe nicht ohne Verlust eines möglichen Ablehnungsrechts verhandelt werden. Handelt es sich aber erst um später bekannt gewordene Umstände, würde es durch das rügelose Verhandeln noch nicht zum Verlust kommen.

Vorliegend hatte der Kläger den Sachverständigen nach dessen Gutachtenerstellung und Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 15.03.2016 mit Schriftsatz vom 24.03.2016 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Obwohl dies nach der Erstattung des Gutachtens und der Anhörung des Sachverständigen erfolgte, war hier die Frist gewahrt, da den Parteien im Anschluss an die Befragung des Sachverständigen eine Frist bis 05.04.2016 zur Stellungnahme zur Beweisaufnahme eingeräumt wurde. Damit erfolgte keine rügelose Einlassung und der Befangenheitsantrag wurde auch innerhalb der 2-Wochen-Frist gestellt.

Er war vorliegend in der Sache nach Auffassung des Senats nicht begründet.


OLG Bamberg, Beschluss vom 02.05.2016 – 4 W 38/16 -

Abschleppen vom Kundenparkplatz nach Überschreiten der Höchstparkzeit

Etliche Discounter haben eigene Parkplätze, die sie ihren Kunden kostenfrei zur Verfügung stellen. Häufig ist die Parkdauer zeitlich limitiert. Und was geschieht, wenn die Parkdauer überschritten wird ?

Die Beklagte hatte ihr Fahrzeug auf dem Kundenparkplatz von 8.00 – 10.05 Uhr abgestellt. Die Höchstparkdauer war gemäß Beschilderung auf 90 Minuten beschränkt. Von der Klägerin wurde das Fahrzeug umgesetzt. Die Klägerin war auf Grund eines Rahmenvertrages mit dem Discounter verpflichtet, unberechtigt abgestellte Fahrzeuge zu entfernen.  Mit der Klage machte die Klägerin neben den Kosten der Halteranfrage und Mahnkosten im wesentlichen die Abschleppkosten geltend. Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht, welche die Revision gegen seine Entscheidung zuließ, wies sie ab. Der BGH stellte das erstinstanzliche Urteil zu Gunsten der Klägerin wieder her.

Der BGH sieht hier die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Discounter als gegeben an; die Klägerin kann hier aus abgetretenen Recht auf Zahlung klagen.

Zunächst ist Voraussetzung, dass die Geschäftsführung dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht. Dies, so der BGH, sei immer dann der Fall, wenn der Schuldner von einer Verbindlichkeit befreit würde. Entsprechendes gelte, wenn ein Grundstückseigentümer eine Eigentumsbeeinträchtigung selbst beseitige.

Die Entfernung des Fahrzeuges wäre auch für die Beklagte vorteilhaft. Denn dadurch würde sie von ihrer eigenen Verpflichtung zur Beseitigung der Störung nach §§ 861 Abs. 1 bzw. 862 Abs. 1 S. 1 BGB befreit worden. Für die Beklagte bestanden auch keine kostengünstigeren Möglichkeiten, da zu berücksichtigen ist, dass der Discounter die sofortige Beseitigung verlangen konnte und den Anspruch im Wege der Selbsthilfe durchsetzen durfte. Die Beklagte bzw. der Fahrer des Fahrzeugs war aber mangels Anwesenheit gar nicht in der Lage gewesen, zu handeln.

Da sich ein wirklicher Wille der Beklagten für eine Durchführung der Maßnahme durch den Discounter resp. die Klägerin nicht ergibt, ist auf den mutmaßlichen Willen abzustellen. Da die Entfernung des Fahrzeuges im Interesse der beklagten lag, würde auch ihr mutmaßlicher Wille darauf gerichtet sein.


BGH, Urteil vom 11.03.2016 – V ZR 102/15 -

Sonntag, 26. Juni 2016

Bauträger: Verantwortlichkeit qua Koordinationspflicht auch für Mängel bei Sonderaufträgen des Erwerbers an Subunternehmer

Bei Abschluss des Kauf- und Bauvertrages zwischen dem Erwerber und dem Bauträger weiß der Erwerber häufig noch nicht, ob er einzelne Details nicht anders durchgeführt wissen will, als vom Bauträger vorgesehen, resp. ob er noch zusätzlich Maßnahmen veranlassen will. Regelmäßig wird in den Verträgen zwischen Erwerber und Bauträger geregelt, dass der Erwerber Sonderwünsche direkt bei dem ausführenden Handwerker in Auftrag geben kann. Kommt es zu einem entsprechenden Sonderwunschvertrag zwischen dem Erwerber und dem Handwerker, ist der Bauträger allerdings nach Auffassung des OLG Karlsruhe rechtlich nicht außen vor. Vielmehr hat er, so das OLG, die Pflicht zu überprüfen, ob sich der Sonderwunsch in das Gesamtkonzept der übrigen Bauleistungen störungsfrei integrieren lässt und muss gegebenenfalls planerische Anweisungen erteilen. Er ist verantwortlich dafür, dass beide Bestandteile (originäre Leistung des Bauträgers und Sonderwunsch) im Rahmen des Gesamtgewerkes störungsfrei funktionieren.


Vorliegend hatte der Erwerber an den vom Bauträger beauftragten Handwerker den Sonderwunschauftrag erteilt, eine Fußbodenheizung einzubauen. Dies erfolgte auch, allerdings nach Feststellungen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen mangelhaft.  Nach Auffassung des OLG haftet hier der Bauträger aus den o.g. Erwägungen gleichwohl neben dem Subunternehmer dem Erwerber gegenüber.


OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.01.2016 – 19 U 133/14 -

Samstag, 25. Juni 2016

Ordnungsgeld gegen Zeugen wegen unentschuldigten Fernbleibens auch dann, wenn es nicht (mehr) auf den Zeugen ankommt

Die Zeugenpflicht ist eine Staatsbürgerpflicht  -  und keiner möchte ihr gerne nachkommen. Zumal die Zeugenentschädigung (in Deutschland)  in der Regel nicht den tatsächlichen finanziellen Ausfall ausgleicht. Erscheint aber der Zeuge unentschuldigt nicht zum Termin, wird regelmäßig gegen ihn ein Ordnungsgeld verhangen, § 380 Abs. 1  ZPO.

Was aber, wenn der nicht erschienene Zeuge nicht mehr benötigt wird ? Der Zeuge war unentschuldigt nicht zum Termin erschienen. Es erging daher der Ordnungsgeldbeschluss. Im Termin selbst wurden vom Beweisführer Bedenken geäußert, ob sich der Zeuge tatsächlich zur Sache äußern könne (dies wurde von diesem vorher bereits schriftlich abgestritten).

Das OLG hat die Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss zurückgewiesen. Es verwies darauf, dass es nicht darauf ankommen könne, ob der Zeuge etwas zur Sache beitragen kann und auch nicht darauf, ob sich die Parteien – eventuell auch unter dem Eindruck des Nichterscheinens des Zeugens – vergleichsweise einigen. Das OLG verweist hier auf den divergierenden Meinungsstand in der Rechtsprechung und schließt sich der Auffassung des OLG Frankfurt und des BFH an. Danach verbleibt es bei dem verschuldet den Termin nicht wahrnehmenden zeugen bei dem verhängten Ordnungsgeld, auch wenn das Verfahren später endet, ohne dass eine Vernehmung des Zeugen erforderlich wurde. § 380 Abs. 1 ZPO sähe keine Ermessensausübung vor und es könne nicht von dem Zufall abhängig, sein, ob nun der Zeuge (noch) benötigt würde oder nicht.


OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2016 – 8 W 15/16 -

Fehler des Gerichts bei Ladungsfristen können zu Lasten des Betroffenen gehen

Man könnte geneigt sein zu sagen, das Gericht macht nie Fehler. Aber wenn es Fehler macht, muss ein Dritter der Schuldige sein und das Nachsehen haben.


Da hatte das VG Augsburg zu einem Verhandlungstermin geladen. Die Ladungsverfügung ging dem Antragssteller nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist vor dem Termin zu, weshalb er nicht am Verhandlungstermin teilnahm. Das VG verhandelte gleichwohl (im Verwaltungsgerichtsverfahren müssen die Beteiligten nicht notwendig anwesend sein) und entschied daraufhin in der Sache zu Lasten des Antragstellers. Gegen die Entscheidung wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, den er mit der fehlenden Wahrung der Ladungsfrist und der dadurch nach seiner Auffassung bedingten Verletzung rechtlichen Gehörs begründete. Der Antrag wurde vom VGH zurückgewiesen.

Wird ein beteiligter ohne ausreichende Ladungsfrist geladen dürfe er der Verhandlung nicht ohne weiteres fern bleiben. Er dürfe sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht seinen Fehler schon bemerken würde und von daher nicht ohne ihn verhandeln würde. Bleibt dem Beteiligten genügend Zeit, das Gericht auf den Fehler bei der Ladung hinzuweisen, hat dies zwingend zu erfolgen und ist bei Verhinderung der Antrag einer Terminsänderung zu stellen. Da der Antragsteller dies vorliegend versäumt habe, könne er die Verletzung rechtlichen Gehörs nicht geltend machen.


Bayerischer VGH, Beschluss vom 31.03.2016 – 9 ZB 16.30049 -

Dienstag, 21. Juni 2016

Fitnessstudio: Berufsbedingter Umzug rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung – Grundsatzentscheidung des BGH

Lange Zeit wurde in Rechtsprechung und Literatur darum gestritten, ob der Umzug eines Nutzers in Ansehung der Entfernung des neuen Wohnortes zum Fitnessstudio eine fristlose Kündigung des Nutzungsvertrages rechtfertigt. Immer mehr Gerichte haben sich der von uns vertretenen Auffassung angeschlossen, ein Umzug, egal ob privat oder berufliche veranlasst, rechtfertige nicht die fristlose Kündigung. Dies hat nun der BGH bestätigt.

Maßgebliches Kriterium der Betrachtung eines möglichen Kündigungsrechts des Nutzers ist, in wessen Sphäre der Kündigungsgrund liegt. Grundsätzlich ist eine fristlose Kündigung nach §§ 314, 626 BGB nur möglich, wenn der Kündigungsgrund in der Sphäre des Kündigungsgegners liegt. Dies sei bei einem Wohnortwechsel nicht der Fall.

Der BGH verweist auf seine DSL-Entscheidung vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 -, die auch bisher schon häufig in den untergerichtlichen Entscheidungen zur Negation des Kündigungsrechts benannt wurde. Dort hatte der DSL-Anschlussteilnehmer sein Kündigungsbegehren mit der Begründung verfolgt, an seinem neuen Wohnort keinen DSL-Anschluss zu haben. In der Kritik dieser Entscheidungen wurde darauf verwiesen, der BGH habe einen Sonderfall aus dem Telekommunikationsbereich geregelt. Vorliegend stellt der BGH klar, dass er dort allgemein auf die zu beachtenden Sphären verwiesen habe. Soweit der Gesetzgeber in Ansehung seiner damaligen Entscheidung eines Änderung des Telekommunikationsrechts (Sonderkündigungsrecht nach § 46 Abs. 8 S. 3 TKG) vorgenommen habe, sei diese Norm nicht analog heranzuziehen. Für eine Analogie bedürfte es einer planwidrigen Regelungslücke. Diese sei nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe durch § 46 Abs. 8 S. 3 TKG lediglich den Verbraucherbeschwerden und den damit einhergehenden wettbewerbsmindernden Effekten im Bereich der Telekommunikation Rechnung tragen wollen (so BT-Drucks. 17/5707, S. 70).


BGH, Urteil vom 04.05.2016 – XII ZR 62/15 -

Freitag, 17. Juni 2016

Fehlende Grundbuchfähigkeit lediglich unter dem Vereinsnamen eines nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705ff BGB) ist nach der gesetzlichen Regelung rechtsfähig, also Träger von Rechten  und Pflichten, und auch grundbuchfähig. Sie kann also Grundstücke im eigenen Namen erwerben und veräußern oder auch aus Titeln zu ihren Gunsten eine Zwangssicherungshypothek in Grundbüchern wahren lassen. Aber wie steht es mit dem nicht rechtsfähigen Verein (§§ 21f BGB) ? Der BGH verneint für den nicht rechtsfähigen (d.h. nicht im Vereinsregister eingetragenen) Verein entsprechende Rechte wie bei der GbR.

In dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Verfahren war der Beteiligte zu 1. Im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Er hielt das Eigentum treuhänderisch für die Beteiligte zu 2., einem Zusammenschluss von Gemeinden und Gemeindeverbänden in Form des nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins. Der Beteiligte zu 1. hatte die Auflassung des Grundstücks an die Beteiligte zu 2. Erklärt und beide beantragten die Wahrung im Grundbuch. Der Rechtspfleger wies den Antrag zurück; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Kammergericht zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde war ebenfalls nicht erfolgreich.

§ 54 BGB verweist für den nichtrechtsfähigen Verein auf die Vorschriften über die Gesellschaft (also $$ 705ff BGB).  Der BGH führt aus, der nichtrechtsfähige Verein könne nicht alleine unter seinem Vereinsnamen im Grundbuch eingetragen werden. Er verweist auf die in der älteren Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass nach §§ 21, 22 BGB der nicht eingetragene Verein keine Rechtsfähigkeit besitze und damit das Recht am Grundstück den Mitgliedern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zustünde. Gerade im Grundbuchrecht müsse vermieden werden, dass auf einem Umweg doch dem Verein ein Vorteil der eigenen Rechtspersönlichkeit (wie bei dem eingetragenen Verein) zu Lasten der grundbuchlichen Klarheit zukomme. Aber auch nach der neueren Ansicht, so der BGH, käme man zum gleichen Ergebnis. Nach dieser Ansicht, die an die (Teil) Rechtsfähigkeit der GbR anknüpft würde auch die Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins und damit dessen Grundbuchfähigkeit bejaht. Der Verweis in § 54 S. 1 BGB auf die Normen über die GbR beinhalte aber auch einen Verweis auf § 47 Abs. 2 GBO, der neben der Eintragung der GbR auch die Eintragung sämtlicher Gesellschafter zum Zwecke der Identifizierung verlange.

Unabhängig davon, ob man den nicht im Vereinsregister eingetragenen Verein als rechtfähig oder nicht rechtsfähig qualifiziere, könne er nicht alleine durch Wahrung seines Vereinsnamens im Grundbuch eingetragen werden.  Dies begründet der BGH damit, dass  - negiert man die Rechtsfähigkeit -  die gesamthänderische Verbundenheit nicht deutlich würde und dies dem Grundsatz der Bestimmtheit und Klarheit im Grundbuchrecht widerspräche. Es würde der Ein- und Austritt von Mitgliedern nicht korrekt dokumentiert (RGZ 127, 309, 311f).  Aber auch bei Annahme der Rechtsfähigkeit nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins scheide eine Wahrung alleine unter dem Vereinsnamen aus. Die Befürworter der Rechtsfähigkeit verweisen auf § 54 S. 1 BGB, womit dann konsequent auch § 47 Abs. 2 GBO gilt, wonach bei der GbR die Gesellschafter namentlich zu benennen sind.

Der BGH nahm in diesem Zusammenhang auch zu § 50 Abs. 2 ZPO Stellung, wonach der nicht rechtfähige Verein prozessfähig ist und unter seinem Namen einen Zahlungstitel erwirken kann und damit auch in ein Grundbuch vollstrecken kann. Dies würde keine isolierte Grundbuchfähigkeit begründen. Der Gesetzgeber habe die Nachteile, dass die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek nicht ohne weiteres möglich sei, wenn der Rechtsträger sich im Zivilprozess nicht in einer dem § 15 GBV genügenden Form bezeichne, hingenommen.

Zuletzt verweist der BGH in Bezug auf Parteien darauf, dass diesen nach Art. 21 GG eine Sonderstellung zukäme und damit eine Vergleichbarkeit insoweit zur GbR oder dem nicht rechtsfähigen Verein nicht bestünde.

Anmerkung: Die Entscheidung des BGH ist in der Sache richtig, wenn auch bedauerlich ist, dass es der BGH hier unterlassen hat, klar Position zur Frage der (Teil-) Rechtsfähigkeit des „nichtrechtsfähigen“, d.h. nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins zu beziehen. Aber auch wenn man mit der wohl heute überwiegenden Annahme der Teilrechtsfähigkeit des nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins im Hinblick auf die Verweisregelung in § 54 BGB bejaht, bleibt es  - unabhängig von der Mitgliederzahl des Vereins, nach § 47 GBO notwendig, die Mitglieder zu benennen. Dies mit dem notwendigen Nachweis bei einem Verkauf durch den Verein, über die Rechtsnachfolge, was gegebenenfalls mit Schwierigkeiten verbunden sein kann.


BGH, Beschluss vom 21.01.2016 – V ZB 19/15 -

Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht durch Werkunternehmer begründet selbst keinen Mangel

Streitig war u.a., ob sich die Verletzung der Prüf- und Hinweispflicht des Werkunternehmers salbst als Mangel darstelle. Dies verneint der BGH ausdrücklich und verweist darauf, dass im Gegenteil die Erfüllung dieser Pflicht den Unternehmer von einer Mängelhaftung befreien könne.

Das Berufungsgericht hatte demgegenüber angenommen, der beklagte Werkunternehmer habe die Pflicht gehabt einen Hinweis zu geben, welches Reinigungsmittel bei den von ihm verlegten Fliesen zu verwenden sei. Vor diesem Hintergrund hat es offen gelassen, ob die Fugen ordnungsgemäß hergestellt wurden. Dies war verfehlt. Die (zudem verschuldensunabhängige) Mängelhaftung wird durch einen Sach- oder Rechtsmangel des vom Unternehmer hergestellten Werkes begründet. Die Verletzung einer Prüf- oder Hinweispflicht gehörte nicht zum Tatbestand, der eine Mängelhaftung begründen könne. Es ginge nur darum festzustellen, ob der Unternehmer so wie beabsichtigt oder mit der vorgefundenen Situation kein mängelfreies Werk herstellen kann; nur in und für diesen Fall kommt der Hinweispflicht eine eigenständige Bedeutung zu, ohne dass allerdings das Unterlassen selbst ein Mangel ist.

BGH, Urteil vom 25.02.2016 – VII ZR 210/13 -

Samstag, 4. Juni 2016

Mietrecht: Zur Annahme einer konkludent vereinbarten Wohnfläche

In der Regel enthält der Mietvertrag keine Angaben zur Wohnungsgröße. Enthält er Angaben, könnten dem Mieter Ansprüche auf Herabsetzung des Mietzinses zustehen und er könnte ihn auch wegen Täuschung anfechten. Vorliegend hatte die Mieterin geltend gemacht, die Maklerin habe ihm, auf telefonische Anfrage, eine Wohnfläche von mehr als 150m² mitgeteilt und diese gelte dann als konkludent vereinbart. Diese Angabe sei nach Berechnung eines Sachverständigen falsch. Während die Kläger Mietzins klageweise geltend macht, focht die Beklagte den Mietvertrag an. Das Amtsgericht hatte der Klage; die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Das Landgericht führt aus, dass grundsätzlich eine konkludente Vereinbarung zur Wohnfläche möglich sei. Unter diesen Umständen müssten die Vertragsparteien den Mietvertrag in der für beide Vertragsparteien erkennbaren Vorstellung geschlossen haben, dass die Wohnung eine bestimmte Wohnfläche aufweise. Insoweit verweist das Landgericht auf das Urteil des BGH vom 23.06.2010 – VIII ZR 256/09 -, in dem der BGH einen Fall zu beurteilen hatte, bei dem in dem Mietvertragsvordruck keine Stelle zum Eintrag der Wohnungsgröße vorgesehen war.

Alleine die Angabe einer bestimmten Wohnfläche in einem Inserat oder Exposé könne allerdings die Annahme einer konkludenten Vereinbarung dazu bei Mietvertragsabschluss nicht begründen. Diese Angaben würden sich als bloße Beschreibungen der Mietsache darstellen.

Aber auch die vom Beklagten behauptete telefonische Auskunft der Maklerin sei nicht ausreichen.

Der Makler wäre nicht als Erfüllungsgehilfe des Vermieters anzusehen, weshalb eine Zurechnung nach § 278 BGB ausscheide. Beschränkt sich die Maklertätigkeit auf die Erbringung reiner Maklerdienste ohne Einbindung in die Haupt- und Nebenpflichten des Vermieters, scheide die Zurechnung aus (BGH, Urteil vom 24.11.1995 – V ZR 40/94 -). Der Makler müsste, um die Wirkung des § 278 BGB zu entfalten, nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen hier des Vermieters bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig werden. Bei der Vermittlungstätigkeit erbringt er aber nur eine eigene Leistung gegenüber dem Auftraggeber. Dazu gehört auch die Auskunft über die Beschaffenheit der Wohnung.

Aber auch im übrigen sieht es das Landgericht die telefonische Auskunft nicht als ausreichend an, eine konkludente Vertragsvereinbarung der Parteien daraus herzuleiten. So verweist es auf die Entscheidung des BGH vom 23.06.2010 – VIII ZR 256/09 -: Dort hatte der Vermieter dem potentiellen Mieter Grundrisse und detaillierte (allerdings fehlerhafte)  Flächenberechnungen zur Verfügung gestellt; bei dieser Sachlage spräche nach Auffassung des BGH nichts für die Annahme, die fehlende Aufnahme der Fläche indiziere, dass der Vermieter sich wegen dieser nicht hätte binden wollen. Vorliegend aber sei der Fall anders gelagert. Die reine telefonische Angabe einer Fläche durch den Makler würde für den Mieter keine einer überlassenen Dokumentation /Grundrisse und Flächenberechnungen) gleichkommen. Wenn es dem Mieter auf die tatsächliche Fläche ankäme, wäre es naheliegend, dass er dies im Mietvertrag aufnehmen lässt oder im Vorfeld entsprechende Dokumentationen anfordert.


LG München I, Urteil vom 14.01.2016 – 31 S 20691/14 -