Sonntag, 29. August 2021

Mietvertragliche Betriebskosten: Umlagefähigkeit von Anmietkosten und Wartung von Rauchmeldern, Sperrmüll und Müllmanagement ?

In dem Rechtstreit war streitig gewesen, ob es sich bei den Kosten einer Sonder- und Sperrmüllbeseitigung, eines (Abfall- und Wertstoff-) Behältermanagements und der Anmietung und Wartung von Rauchmeldern umlagefähige Betriebskosten (Nebenkosten) eines Mietverhältnisses sein können.

1. Das Landgericht als Berufungsgericht sah keine Umlagefähigkeit der Kosten der Anmietung von Rauchmeldern. Bei Betriebskosten würde es sich nur um solche Kosten handeln, die dem Eigentümer/Vermieter durch das Eigentum oder dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, seiner Anlagen und Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen würden. Zwar würden (hier) die Kosten laufend anfallen. Es würden aber entgegen der Vorgabe der §§ 556 Abs. 1 S. 2 BGB, 1 Abs. 1 S. 1 BetrKV diese Kosten nicht “durch das Eigentum“ des Vermieters begründet. Betriebskosten würden sich als Miete iSv. § 535 Abs. 2 BGB darstellen und eine Gegenleistung für die Pflicht des Vermieters zur Zurverfügungstellung der Mietsache nach § 535 Abs. 1 BGB darstellen. Zu trennen seien davon die Anschaffungs- und Kapitalkosten (soweit nicht anderweitiges normiert), weshalb die Anmietkosten für Rauchmelder nicht anders behandelt werden könnten, als wenn sie (nicht umlagefähig) erworben worden wären.

Eine Analogie zu § 2 BetrKV, wonach Leasing- und Anmietkosten für Wasser-/Warmwasserzähler, Geräten zur Wärmeerfasung, Gemeinschaftsantenne umgelegt werden könnten. Es handelt sich hier um einen nicht analogiefähigen Ausnahmetatbestand zu den enumerativ erfassten Betriebskosten, was auch einen Rückgriff auf den Auffangtatbestand § 2 Nr. 17 BetrKV verbiete.

2. Die Kosten für Müllsonderabfuhr bzw. Sperrmüllbeseitigung seien hingegen umlagefähig. Das gelte auch für das Behältermanagement und die Wartung der Rauchmelder.

2.1. Die Kosten der Abfuhr des durch Mieter oder Dritte abgestellten Sperrmülls würden der umlagefähigen Müllbeseitigung unterfallen. Der Umstand, dass der Sperrmüll unberechtigt auf Gemeinschaftsfläche abgestellt worden sei, würde dem nicht entgegen stehen. Es würde sich gleichwohl um Kosten handeln, die im Rahmen des „bestimmungsgemäßen Gebrauchs“ des Gebäudes „laufend entstehen“; eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Grundstücks würde eine widerkehrende Müllbeseitigung bedingen, die auch den Aufwand umfasse, der für die Beseitigung von Müll anfalle, der von Dritten stamme.

Der Umstand, dass die Sperrmüllabfuhr nur gelegentlich oder unregelmäßig stattfinde, spreche nicht gegen die Umlagefähigkeit. Ob zur Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots der Vermieter gehalten sei, vor einer entsprechenden Maßnahme die Einhaltung der Hausordnung anzumahnen, könne auf sich beruhen, da hier dieser durch Aushang die Mieter mehrmals zur Beseitigung des Mülls aufgefordert habe.

2.2. Bei den Kosten des Behältermanagements würde es sich auch um umlegbare Kosten der Müllbeseitigung handeln.  Der Umstand, dass der Kernbereich des Müllmanagements in der Überprüfung der Wertstofftrennung sowie einem notwendigen Nachsortieren liege und dies in § 2 Nr. 8 BetrKV nicht ausdrücklich benannt sei, schließe die Umlegungsfähigkeit nicht aus, da die dortige Aufzählung nur beispielhaft und nicht abschließend sei. Dies ergäbe sich auch aus der Begründung des Verordnungsgebers zu § 2 Nr. 8 BetrKV, ausweislich der mit der Änderung der Überschrift zu § 2 Nr. 8 BetrKV „der gesamte Sachverhalt Müllbeseitigung“ erfasst werden sollte.

Es handele sich hier auch nicht um einer Umlage auf Wohnraummieter entzogene Verwaltungskosten iSv. § 1 Abs. 2 BetrKV. Diese umfassen lediglich die kaufmännische und rechtliche Verwaltung des Gebäudes. Das Behältermanagement sei eine Reaktion des Vermieters auf ein fehlerhaftes Mülltrennungsverhalten der Mieterschaft, diene also nicht einer Betriebskostenoptimierung iSv. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV, sondern vorrangig dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an der optimalen Trennung und Wiederverwertung des Mülls.

2.3. Ebenfalls umlagefähig seien die Kosten der Wartung der Rauchmelder. Abzugrenzen sei dies von (vorbeugenden) Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten. Die Wartung von Rauchmeldern erfolge als Vorsorgemaßnahme zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheit der technischen Einrichtung des Mietobjekts, nicht zur Beseitigung von Mängeln. Alleine der Umstand, dass eine regelmäßige Wartung mittelbar auch zur Minderung von Instandhaltungskosten führe, ändere an der Einordnung als Betriebskosten nichts.

Dahinstehend könne, ob sich die Umlagefähigkeit der neu entstandenen Wartungskosten aus der mietvertraglichen Mehrbelastungsklausel oder dem Verweis auf § 2 Nr. 17 BetrKV ergibt. Die Umlagefähigkeit ergäbe sich hier gem. §§ 133, 157 BGB ergänzenden Vertragsauslegung, da diese Kosten aus einer nach Abschluss des Mietvertrages duldungspflichtigen Modernisierung entstanden seien (BGH, Urteil vom 17.06.2015 - VII ZR 216/14 -). Hier sei die mietvertragliche Abwälzungsklausel zu den Betriebskosten so auszulegen, dass neuen Betriebskosten, die im Zuge einer solchen Maßnahme entstehen, umgelegt werden könnten (BGH aaO.). Die Maßnahme sei nach Abschluss des Mietvertrages durch § 48 Abs. 4 S. 1 BauO Berlin erforderlich geworden.

LG Berlin, Urteil vom 08.04.2021 - 67 S 335/20 -

Donnerstag, 26. August 2021

Umbaupflicht des (gewerblichen) Mieters und Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung durch Vermieter nach § 548 BGB

Im (Ergänzungs-) Mietvertrag vom 01.01.2006 war u.a. vorgesehen, dass die Beklagte „folgende Wertverbesserungen in dem angemieteten Objekt vorzunehmen“ habe, nämlich u.a. Isolierung und fehlende Wandverkleidung an der hintersten Giebelseite auf eigene Kosen mit einer „Wertverbesserung ca. 6.000,0 €“ und „Ausgleich und Versiegelung des Betonfußbodens … Wertverbesserung ca. 2.000,00 bis 2.500,00 €“. Nach Annahme der beklagten waren diese Arbeiten für eine erforderliche Betriebsgenehmigung notwendig.  Im Januar 2009 schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag, in dem aber auf die genannten Verpflichtungen als weiterbestehend Bezug genommen wurde. Allerdings war die Maßnahme wegen Umstrukturierung der Beklagten für diese nicht mehr notwendig, weshalb sie die Arbeiten nicht durchführte bzw. durchführen ließ. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 15.02.2018 forderte der Kläger Schadensersatz in Höhe der Herstellungskosten mit € 2.269,40 für die Wandverkleidung und € 19,327,28 für die Bodenversiegelung.

Land- und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. 

Grundsätzlich könnte der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach §§ 281, 280 Abs. 3 BGB zustehen. Dem könnte hier aber Verjährung entgegenstehen. Zwar stelle sich die Umbauverpflichtung als (Teil der) Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung dar und war diese mangels anderweitiger Vereinbarung sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Damit könnte hier wegen Zeitablaufs Verjährung vorliegen. Entscheidend sei allerdings, welche Ansprüche der Vermieter im Hinblick auf eine Rückgabe der Mietsache im vereinbarten Zustand habe. Wenn nämlich die übernommenen Umbauverpflichtungen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Abnutzungen den bei Rückgabe geschuldeten Zustand festlegen, würden die Ansprüche erst sechs Monate nach Rückgabe der Mietsache verjähren, § 548 Abs. 1 BGB. Zwar könne die auf eigene Kosten vorzunehmende Umgestaltung der Mietsache eine Gegenleistung für die geschuldete Miete darstellen, allerdings auch von § 548 BGB erfasst sein, insoweit der Erfüllungsanspruch zugleich eine Hauptpflicht wiederspiegele, sofern der Zustand festgelegt wird, den die Mietsache bei Mietend haben soll (BGHZ 86, 71, 78).

Der Begriff der Verschlechterung in § 548 Abs. 1 BGB verlange nicht, dass sich der Zustand der Mietsache im Vergleich zum Mietbeginn verschlechtert habe. Ausreichend sei, dass der Zustand bei Rückgabe von jenem abweiche, den die Mietsache nach dem Vertrag haben sollte. Auch hier greife § 548 BGB. Deshalb sei bei einer vom Mieter übernommenen Verpflichtung entscheidend, ob sich diese auf den Zustand am Mietende beziehe. Würde dies bejaht, führe die Nicht- oder Schlechterfüllung zu einen Anspruch nach § 548 Abs. 1 BGB. 

Vorliegend seien die Umbaumaßnahmen mit den Angaben zu Wertverbesserungen näher benannt worden. Dies bedeute, dass nicht nur eine Anpassung an die speziellen Bedürfnisse der Beklagten erfolgen sollte, sondern die konkreten Maßnahmen Wertverbesserungen auch für künftige Nutzungen waren. Es sei daher mit den vom Mieter als Gegenleistung zur Gebrauchsgewährung übernommenen Umbauarbeiten ein veränderter Zustand der Mietsache bei Rückgabe durch die Beklagte geschuldet. 

Da die Klage innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Rückgabe erhoben worden sei, greife die Verjährungseinrede der Beklagten nicht. Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen zur Höhe erfolgte die Zurückverweisung des Rechtsstreits.

BGH, Urteil vom 31.03.2021 - XII ZR 42/20 -

Mittwoch, 25. August 2021

Steuerbarkeit der Veräußerung einer Eigentumswohnung hinsichtlich des häusliches Arbeitszimmers ?

Die Klägerin war Eigentümerin einer mit notariellen Vertrag vom 29.66.2012 erworbenen und selbst bewohnten Eigentumswohnung, und veräußerte diese mit notariellen Vertrag vom 11.07.2017. Unstreitig war, dass im Hinblick auf die Haltedauer an sich der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig war. Allerdings unterhielt die Klägerin in der Wohnung ein (steuerlich von der Finanzverwaltung in den Vorjahren auch mit dem Höchstbetrag von € 1.250,00 anerkanntes) Arbeitszimmer, welches ca. 10% der Grundfläche der Wohnung ausmachte. Im Hinblick hierauf berechnete das Finanzamt einen von der Klägerin aus dem Veräußerungsgeschäft zu versteuernden Gewinn. Nachdem der dagegen durch die Klägerin eingelegte Einspruch vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen wurde, erhob die Klägerin Klage, dem das Finanzgericht stattgab. Die Revision des FA wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) zurückgewiesen.

Die Streitfrage betraf § 22 Nr. 2 iVm. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EstG, ob ein Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnung in Bezug auf den Bereich des Arbeitszimmers steuerlich zu berücksichtigen ist. Das FA berief sich auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 (BStBl. I 2000, 1382 Rn. 21). Dass sich dem Rechtsstreit auf Seiten des FA anschließende Bundesministerium der Finanzen (BMF) verwies darauf, dass der als häusliches Arbeitszimmer genutzte Teil der Wohnung bei Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EstG zuzuordnen sei und damit hier auch nicht von der Besteuerung des darauf entfallenden Veräußerungsgewinns ausgenommen sei.

Zu den Einkünften nach § 22 Nr. 2 EStG zählen auch private Veräußerungsgeschäfte iSv. § 23 EstG. Eine Rückausnahme bilden Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte wie z.B. Erbbaurechte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt oder (i) die im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder (ii) im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Kalenderjahren zu eigenen Wohnzwecken geeignet war und genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 S.1 1 Nr. 1 S. 3 EstG).

Vom BFH wurde darauf hingewiesen, dass seien Rechtsprechung zum Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in einer dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung (BT-Drucks. 14/265, S. 181) sehr weit gefasst werde. Danach sei ausreichend, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutze, weshalb eine gemeinsame Nutzung mit Familienangehörigen oder einem Dritten nutze. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liege aber dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlasse, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Aber auch ein zeitweiliges Bewohnen würde zu „eigenen Wohnzwecken“ erfolgen, wenn zwar der Steuerpflichtige die Wohnung nur zeitweise bewohne, sie ihm aber in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung stünde (z.B. Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt würden); sei deren Nutzung auf Dauer angelegt, käme es darauf an, on der Steuerpflichtige noch eine oder mehrere Wohnung(en) habe und wie oft er sich darin aufhalte (BFH, Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16 -).   

Nach diesen Grundsätzen läge eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vor, wenn sich in der im Übrigen selbst bewohnten Eigentumswohnung ein häusliches Arbeitszimmer befände (anders als im BMF-Schreiben aaO. ausgeführt). Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG noch die Gesetzesbegründung gäben Anhaltspunkte dafür, bei Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers dieses von der Begünstigung ausnehmen zu wollen.

„Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ sei eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit und die Eigengestaltung der Haushaltsführung und es häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneter Lebenssachverhalt, die in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft seien. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers sei zudem nicht überprüfbar und deshalb nicht vollständig auszuschließen, weshalb ein häusliches Arbeitszimmer bereits angenommen würde, wenn dieses nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke (und unter 10% für Wohnzwecke) genutzt würde.  

Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/23, S. 180 und BT-Drucks. 12/265, S. 181 „soweit“) auch berücksichtigt, dass sich die Befreiung nicht auf die gesamte Wohnung beziehen müsse, wenn z.B. eine Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung erfolge. Hätte er auch das häusliche Arbeitszimmer von der Befreiung ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies auch mit aufzunehmen. Zudem habe der Gesetzgeber die Besteuerung im Falle der Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt angesehen (BT-Drucks. 14/23, S. 180), was dann auch für das häusliche Arbeitszimmer gelten müsse, was im Falle des Wohnsitzwechsels in dieser Wohnung wegfalle.

BFH, Urteil vom 01.03.2021 - IX R 27/19 -

Dienstag, 24. August 2021

Kostenfestsetzung: Bei Kostenregelung im Vergleich ist Wortlaut entscheidend („außergerichtliche Kosten“)

Die Parteien hatten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem es u.a. heißt: „a) Die Parteien … sind sich einig, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt. b)  Die gerichtlichen Kosten trägt die Beklagte…“. Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.10.2020 setzet das Landgericht die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldeten Kosten einschließlich der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten der Klägerin gegen die Beklagte fest und verwies darauf, dass sich die Regelung zu den außergerichtlichen Kosten auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten beziehe, für die im verfahren entstandenen Anwaltsgebühren die Regelung zu den Gerichtskosten entsprechend gelten würde. Die Beklagte legte gegen Beschluss Beschwerde ein, soweit Anwaltsgebühren der Klägerin mit festgesetzt wurden. Der Beschwerde wurde vom OLG stattgegeben.

Das OLG verwies darauf, dass es für eine Auslegung des Vergleichs zu den Kosten, wie vom Landgericht vorgenommen, keinen Raum gäbe. Im Kostenfestsetzungsverfahren sei die Kostenvereinbarung eines gerichtlichen Vergleichs an Han des Wortlauts umzusetzen. Unstatthaft sei es, andere Umstände als den Text des Kostentitels heranzuziehen und zu würdigen (OLG Koblenz, Beschluss vom 21.09.2015 - 14 W 585/15 -).  Zwar sei eine Auslegung nach der allgemeinen Regelung des § 133 BGB möglich, doch habe sich diese stets am Wortlaut der Kostengrundentscheidung zu orientieren und sich damit an das zu halten, was in der Kostenentscheidung erkennbar zum Ausdruck gebracht würde (OLG Hamm, Beschluss vom 28.04.1989 - 23 W 152/89 -). Nicht im Kostentitel angedeutete Umstände dürften damit nicht zur Würdigung herangezogen werden.

Vorliegend gäbe der Vergleichstext, „dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt“, nichts dafür her, dass die Parteien damit lediglich die Verteilung außergerichtlicher Kosten regeln wollten und in Bezug auf die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten eine Verteilung unter der Regelung „Die gerichtlichen Kosten trägt die Beklagte“ fallen sollte.

Nach dem allgemeinen Verständnis des verwandten Adjektivs seien gerichtliche  Kosten nur die Gerichtskosten, die Teil der Kosten des Rechtstreits seinen und bei denen es sich ausschließlich um gerichtliche Gebühren und Auslagen iSv. § 1 Abs. 1 GKG handele. Als außergerichtliche Kosten würden gemeinhin die Kosten des Rechtstreits bezeichnet, die nicht zu den Gerichtskosten gehören würden. Anwaltsgebühren seien damit insoweit Prozesskosten und würden zu den außergerichtlichen Kosten zählen, als mit ihnen eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergütet würde (BGH, Beschluss vom 22.12.2004 - XII ZB 94/04 -); die Kosten vorgerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit seinen davon nicht umfasst.

Ergänzend verwies das OLG darauf, dass vorgerichtliche Kosten anwaltlicher Tätigkeiten auch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien, und damit kein Reglungsbedarf bestanden habe. Anzumerken ist dazu allerdings, dass es den Parteien obliegt, ob sie über den Streitgegenstand des Rechtsstreits hinaus einen Vergleich schließen, dass vorgerichtliche außergerichtliche Anwaltsgebühren vergleichsweise mit reguliert werden sollen (gebührenrechtlicher Mehrwert des Vergleichs). Da aber außergerichtliche Anwaltskosten einer Partei nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung sein können, sich hier für einen Mehrvergleich auch aus dem Kostentitel des Vergleichs nichts ergibt, zudem jedenfalls auch die namentlich benannten Gerichtskosten nicht die im Verfahren entstandenen Anwaltsgebühren mitumfasst, die Kostenregelung zu den außergerichtlichen Anwaltskosten dem üblichen Sprachgebrauch für die Kosten der durch das Gerichtsverfahren entstandenen anwaltlichen Vergütung entspricht, ist die Entscheidung zutreffend. Darüber hinaus würde es, wenn man unter den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in Bezug auf eine Regelung zu vorgerichtlichen Kosten folgen wollte, an einer Kostenregelung zu den im Gerichtsverfahren entstandenen Anwaltsgebühren ermangeln und dann diesbezüglich auch bezüglich dieser bei einer Kostenaufhebung verbleiben, da dies mangels einer abweichenden Vereinbarung in § 98 ZPO entsprechend geregelt ist. Von daher kann der Hilfserwägung des OLG nicht gefolgt werden, wenn auch im übrigen die Entscheidung zutreffend ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.03.2021 - 2 W 473/21 -

Mittwoch, 18. August 2021

COVID 19-Schutzmaßnahmen durch Werkstatt: Anspruch gegen Kunden und/oder Schädiger ?

Die Klägerin machte nach einem Verkehrsunfall gegen die beklagte Haftpflichtversicherung nur noch die von dieser nicht gezahlten, ihr aber von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Kosten für „Schutzmaßnahmen COVID 19“ mit € 67,00 geltend. Die Klage wurde abgewiesen.

Das Amtsgericht (AG) verwies darauf, dass nach § 249 Abs. 1 BGB der Schädiger den geschädigten so zu stellen habe, als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden. Damit seien aber nur die notwendigen Reparaturkosten zu erstatten, die für die Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGHZ 115, 364, 369). Die Schadensberechnung habe sich aber nicht nur an objektiven Gesichtspunkten zu orientieren, sondern sei auch subjektbezogen. Mithin sei auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auch auf seine individuelle Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit und evtl. gerade für ihn bestehende Schwierigkeiten zu nehmen (BGHZ 115, 364, 368).

Dies sei auch bei Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall zu berücksichtigen. Insbesondere wenn der Geschädigte ein Gutachten einhole und darauf basierend einen Auftrag erteile, würde es Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte deshalb mit Mehraufwendungen belastet bliebe, da die Kosten höher ausfallen, da sich dies der Einflussspähre des Geschädigten. Das Prognose- wie auch Werkstattrisiko gehe zu Lastend es Schädigers. Dem Schädiger entstünde dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten analog § 255 BGB gegen die Werkstatt verlangen könne (womit er ähnlich stünde, als hätte er die Reparatur selbst beauftragt).

Anderes würde aber dann geltend, wenn der Geschädigte selbst hinreichende Erkenntnisse habe, dass eine bestimmte Rechnungsposition aus der Reparaturrechnung nicht geschuldet würde, da diese z.B. nach dem Reparaturauftrag (tatsächlich oder rechtlich) nicht geschuldet war, oder da er Anlass gehabt habe, den Reparaturauftrag so zu erteilen, dass nicht notwendige Kosten anfallen. Es würde sich dabei um eine dem Geschädigten originär treffende Sorgfaltspflicht in eigener Angelegenheit handeln, seinen eigenen Reparaturaufwand so gering wie möglich zu halten, was auch dann gilt, wenn – wie hier – ein Dritter für die Kosten aufkommen müsse.

Die berechneten Kosten für Schutzmaßnahmen seien evident erkennbar für die Reparatur nicht erforderlich. Sie würden auch nicht dem Auftraggeber dienen und seien nicht vom Reparaturauftrag erfasst; dienen würden sie allenfalls der Werkstatt in Bezug auf ein Schutzbedürfnis für die eigenen Mitarbeiter. Auch wenn dies behördliche Auflagen gebieten sollten, würde es sich nur um Erschwernisse der vertraglich geschuldeten Leistung handeln, die aber nicht gesondert abrechnungsfähig seien (es handele sich um Gemeinkosten). Soweit Desinfektionsmaßnahmen auch dem Werkstattkunden dienen würden, so würde es sich zulasten des Werkunternehmers um eine vertragliche Nebenpflicht handeln, diesen vor Ansteckungsgefahren zu schützen, was auch die Überwälzung der Kosten dafür ausschließe. Vergleichbar sei dies damit, dass der Werkunternehmer vermeiden müsse, sonstige Schäden bei der Reparatur des Fahrzeugs an diesem zu verursachen.

Dies sei auch dem durchschnittlichen Geschädigten, von dem auszugehen sei, ersichtlich, da in allen Bereichen des täglichen Lebens (z.B. beim Einkaufen) in Lebensmittelgeschäften, bei anderen Handwerkerleistungen pp. Derartige Maßnahmen gerade nicht gesondert abgerechnet würden.

AG Kassel, Urteil vom 26.03.2021 - 435 C 4071/20 -

Sonntag, 15. August 2021

Fehlende Dokumentation von möglichen Veränderungen der elektronischen Patientenakte und Beweiswürdigung im Arzthaftungsfall

Die Informationspflicht des Arztes umfasst nach § 630c Abs. 2 S. 1 BGB die Pflicht, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung (und erforderlichen Falls im weiteren Verlauf ergänzend) sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnosen die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.  Der Umfang der Dokumentationspflicht des Arztes wird in § 630f Abs. 2 BGB dahingehend festgehalten, dass in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen sind, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen, wie auch Arztbriefe in die Patientenakte aufzunehmen sind.  

Der Kläger verlangte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz. Die Beklagte, eine Augenärztin, habe bei der Untersuchung am 07.11.2013 einen Netzhautriss übersehen, da sie es versäumt habe, vor der Untersuchung eine Pupillenweitstellung zu veranlassen. Die Klage wurde von Landgericht und Oberlandesgericht abgewiesen. Auf die Revision erfolgte eine Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.

Zunächst verwies der BGH darauf, dass in § 630h Abs. 3 BGB  nicht die Dokumentationspflicht geregelt würde, sondern nur die Folgen einer fehlenden Dokumentation, wie sie in § 630f Abs. 2 BGB normiert sei. Nach § 630f Abs. 2 BGB seien aber nur die wesentlichen Maßnahmen und Ergebnisse aufzuzeichnen. Durch den Hinweis auf de „fachliche Sicht“ würde dies zum Ausdruck gebracht, weshalb weitergehende Anforderungen an die Dokumentation auch nicht gestellt werden könnten. Die fehlende Dokumentation über eine Kontrollbedürftigkeit der Beschwerden würde daher nicht nach § 630h BGB zur Beweislastumkehr führen.

Allerdings sei entgegen der Annahme der Vorinstanzen von einen Befunderhebungsfehler auszugehen. De Sachverständige habe festgestellt, dass bei den geschilderten Beschwerden durch den Kläger eine Untersuchung des Augenhintergrundes dringend geboten gewesen sei. Rechtsfehlerhaft seien die Vorinstanzen davon ausgegangen, der Kläger habe den beweis der unterlassenen Untersuchung nicht erbracht. Dabei würde von der Revision zutreffend gerügt, dass das Oberlandesgericht der mit einer  nachträgliche Änderungen nicht erkennbar machenden Software erstellten elektronischen Dokumentation der Beklagten im Rahmen der Beweiswürdigung eine positive Indizwirkung beigemessen habe, nach der die Untersuchung des Augenhintergrundes unter Weitstellung der Pupillen erfolgt sei.

Elektronische Dokumente seien gemäß § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO Gegenstand des Augenscheinsbeweises und ihr Beweiswert unterliege gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO der freien Beweiswürdigung. Die bis zum Inkrafttreten des Patientenrechtsgesetzes vertretene Ansicht, auch bei elektronisch erstellten Dokumenten, die nachträglich nicht erkennbar verändert werden könnten, sei bei Plausibilität der volle Beweiswert gegeben, sei mit der Gesetzesänderung durch das Patientenrechtsgesetz in den §§ 630a ff BGB nicht mehr haltbar. Die elektronische Dokumentation, die nachträgliche Veränderungen nicht deutlich mache, genüge nicht den Anforderungen von § 630f Abs. 1 S. 2 und 3 BGB, da danach Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte nur zulässig seien, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen wurden. Ziel sei eine fälschungssichere Organisation der Dokumentation. Die Software müsse also gewährleisten, dass nachträgliche Änderungen erkennbar würden (BT-Drucks. 17/10488, S. 26).

Allerdings führe (anders als in einem Teil der Literatur vertreten) die Verwendung einer dies nicht kenntlich machende Software nicht zur Beweislastumkehr iSv. § 630h Abs. 3 BGB. Die beweisrechtliche Folge knüpfe nur daran, dass der Behandelnde eine notwendige Dokumentation  nicht aufgezeichnet bzw. in die Patientenakte aufgenommen habe. Der Fall, dass die elektronische Dokumentation mit einer nachträgliche Änderungen nicht aufzeigenden Software erstellt worden sei, würde in § 630h BGB nicht geregelt.

Jedenfalls aber käme der elektronischen Dokumentation mittels einer nachträgliche Änderungen nicht kenntlich machenden Software keine positive Beweiswirkung zugunsten des Arztes zu, wie vom Oberlandesgericht angenommen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass anders als bei handschriftlichen Aufzeichnungen Änderungen durch Streichungen, Radierung, Einfügung oder Neufassung nicht auffallen und diese Änderung bei der elektronischen Software jeder schnell durchführen könne, der eine Zugangsberechtigung habe, und zwar fast ohne Entdeckungsrisiko. Hinzu käme auch die Gefahr einer versehentlichen Löschung oder Änderung. Damit würde einer derartigen Dokumentation die für eine Überzeugungsbildung und Zuverlässigkeit erforderliche Indizwirkung fehlen.

Dies würde auch dann geltend, wenn wie hier mit dem Oberlandesgericht davon ausgegangen würde, dass der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte für eine nachträgliche Änderung der Dokumentation zu seinen Lasten dargelegt hat. Hier stünde der Patient außerhalb des Geschehensablaufs und sei regelmäßig nicht in der Lage, Anhaltspunkte für eine bewusste oder versehentliche nachträgliche Änderung vorzutragen.

Der Richter könne zwar diese elektronische Dokumentation mit bei der Beweiswürdigung berücksichtigen, müsse dies aber einer umfassenden und sorgfältigen, angesichts der fehlenden Veränderungssicherheit aber kritischen Würdigung unterziehen. Dies sei hier nicht erfolgt.

BGH, Urteil vom 27.04.2021 - VI ZR 84/19 -

Samstag, 14. August 2021

AGB: Fehlende Einbeziehung in den Vertrag mangels Lesbarkeit und Folgen für Unfallschaden an Mietwagen

Die Klägerin, eine Autovermietung, hatte mit dem Beklagten in Form einer Haftungsfreizeichnung vereinbart, dass dieser als Mieter für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht hafte. Die Regelung in den rückseitig auf dem Vertragsexemplar aufgedruckten Mietbedingungen, in denen für Unfälle pp. dem Mieter bestimmte Obliegenheiten auferlegt wurden, bei deren Verletzung die Haftungsfreistellung nicht greife, und auf deren Verletzung durch den Beklagten sich die Klägerin berief, sind nach Auffassung des Landgerichts (LG), der das Oberlandesgericht (OLG) folgte, nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden.

Das OLG stellte darauf ab, dass die Mietbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar sein müssten. Zu den Bedingungen habe das LG festgestellt, dass die in einer etwa 1mm kleinen und dünnen Schrift abgedruckt worden seinen und zudem als Schriftfarbe nur ein heller Grauton gewählt worden sei. Der gesamte Text mit elf Abschnitten und zahlreichen Unterabschnitten sei „förmlich auf eine Seite gepresst“ worden. Der Abstand zum Seitenrand links habe nur 1cm, der Seitenabstand zum unteren Blattrand nicht einmal 0,5cm betragen. Die dem Mieter überlassene Originaldurchschrift des Vertrages sei zudem rosa gewesen und der Zeilenabstand habe nur ca. 1mm betragen, der Abstand zwischen den Buchstaben sei kaum messbar.

Im Hinblick auf Art und Größe des Schriftbildes und der sonstigen drucktechnischen Gestaltung seien die Bedingungen nahezu gar nicht, selbst für Personen mit guter Sehstärke nur mit großer Mühe, zu entziffern. Da die Einbeziehung von AGB erfordere, dass diese vom Vertragspartner in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis nehmen können (BGH, Urteil vom 03.02.1986 – II ZR 201/85 -), seien die Bedingungen nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden.

Durch die Unwirksamkeit sei eine Vertragslücke entstanden, da es damit keine vereinbarten Konsequenzen für den auf der Vorderseite des Vertrages abgedruckte Verpflichtung, bei jedem Unfall sofort die Polizei hinzuzuziehen, gäbe. Diese Vertragslücke könne nicht gem. § 28 Abs. 2, Abs. 3 VVG geschlossen werden. Zwar habe der BGH entscheiden (Urteil vom 24.10.2012 - XII ZR 40/11 -), dass auch bei Fehlen einer vertraglichen Reglung eine Haftungsfreistellung angenommen werden könne, da bei einer unwirksamen Einbeziehung der versicherungsvertraglichen Bedingungen dann ab ihrer Stelle die Reglungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geltend würden und dies entsprechend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung gelte (BGH, Urteil vom 14.03.2012 - XII ZR 44/10 -).

Vorliegend würde auch die Heranziehung von § 28 Abs. 2 VVG zu keiner Haftungsfreistellung führen. Voraussetzung sei, dass im Vertrag selbst bestimmt würde, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet sei. Hier aber sei die Regelung in den AGB zur Leistungsfreiheit bei Nichteinschaltung der Polizei gerade nicht Vertragsbestandteil geworden. Damit fehle es an der Voraussetzung des § 28 Abs. 2 VVG.

Auch über § 242 BGB würde dieser Mangel nicht aufgefangen. Bezogen auf § 28 VVG würde zwar angenommen, dass ausnahmsweise auch ohne entsprechende Abrede der Anspruch des Versicherungsnehmers ganz oder teilweise verwirkt sein könne, wenn ihm eine grobe Verletzung der Interessen des Versicherers angelastet werden könnte. Dies sei aber auf besondere Ausnahmefälle beschränkt, in denen es für den Versicherer unzumutbar wäre, sich die die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen festhalten zu lassen. Es sei eine Gesamtschau nach dem Maß des Verschuldens, der Motivation des Täuschenden, dem Umfang der Gefährdung der schützenswerten Interessen des Versicherers , der Folgen des Anspruchsverlusts für den Versicherungsnehmer und des Verhaltens des Versicherers vorzunehmen. Selbst bei einer arglistigen Täuschung träte der Anspruchsverlust nicht automatisch ein (BGH, Urteil vom 08.07.1991 - II ZR 65/90 -).

Unstreitig sei, dass der Beklagte fahrlässig einen Unfall verursachte. Er unterließ es auch (trotz Hinweises auf der Vorderseite des Vertrages), die Polizei zu rufen. Mangels Hinweises sei auch diesbezüglich von Fahrlässigkeit auszugehen. Das fehlende Herbeirufen der Polizei würde zwar die schutzwürdigen Interessen der Klägerin auf Feststellung der Unfallumstände beeinträchtigen. Allerdings wäre auch bei Einhaltung der Verpflichtung, die Polizei zu rufen, der Unfall und der Schaden nicht vermieden worden. Soweit die Klägerin argumentierte, der Beklagte könnte nicht der Fahrer gewesen sein (gegen den dann Regressansprüche bestehen könnten), oder er könnte fahruntüchtig gewesen sein, handele es sich um Spekulationen, für die es keine Anhaltspunkte gäbe. Damit sei nach Abwägung läge nach Abwägung der Umstände kein Fall vor, in dem es dem Versicherer bzw. vorliegend Autovermieter schlechthin unzumutbar wäre, sich an die Erfüllung der von ihm übernommenen Vertragspflichten festhalten zu lassen, wonach er bei dem Mieter keinen Schadensersatz geltend macht.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 03.03.2021 - 13 U 2366/20 -

Dienstag, 10. August 2021

Kapitalanlage: Substantiierung einer Anlagenberatung entgegen Prospektangaben

Der Kläger beteiligte sich im März 2005 an einen in Form einer GmbH & Co. KG geführten geschlossenen Schiffsfonds, bei dem die beklagten zu 1 und 2 die Gründungskommanditisten, die Beklagte zu 3 die Treuhänderin war. Mit seiner Klage begehrte er Zahlung von € 85.500,00 zuzüglich Nebenforderungen Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus seiner Beteiligung. U.a. machte er eine den Beklagten zurechenbare nicht anlagegerechte Beratung durch den Zeugen S. geltend. Klage und Berufung blieben erfolglos. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hob der BGH das Urteil des Berufungsgerichts (Hanseatisches OLG Hamburg) auf und wies den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Die Zurückweisung beruhte darauf, dass nach Ansicht des BGH das OLG das rechtliche Gehör des Klägers (Art. 103 GG) verletzt habe, indem es nicht den Berater (den zeugen S.) und die vom Kläger benannte Ehefrau des Klägers zu einer vom Kläger behaupteten und dazu benannten, vom Prospekt abweichenden Beratung als Zeugen vernahm.

Das OLG habe die Auffassung vertreten, der Kläger habe dazu widersprüchlich und damit nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. So habe er schriftsätzlich vorgetragen, der Prospekt sei bei dem Anlagegespräch mit dem Berater durchgeblättert worden, andrerseits, der Berater habe die Anlage als sicher und für die Altersvorsorge geeignet dargestellt. Das Landgericht habe den Kläger im Termin darauf hingewiesen, dass doch zumindest die Lektüre des Prospekts erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beraters hätten wecken können, da der Prospekt auf die unternehmerische Natur der Beteiligung verwies und damit verbundene erhebliche Risiken. Der Kläger habe dazu (auch im Berufungsverfahren) keine Ausführungen gemacht.

Nach Auffassung des BGH stellte sich die Nichtberücksichtigung der Beweisangebote als entscheidungserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs dar, Art. 104 GG, § 544 Abs. 9 ZPO.

Würde ein Beweisangebot, welches erheblich ist, ohne Stütze im Prozessrecht abgelehnt verstoße dies gegen Art. 103 GG. Dies sei auch dann der Fall, wenn die fehlende Berücksichtigung des Beweisangebots darauf beruhe, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei stelle. In diesem Fall verschließe sich das Gericht dem Umstand, dass eine Partei ihrer Darlegungslast schon dann genüge, wenn sie Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet seien, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 22.06.2009 - II ZR 143/08 -). Garde dieser Anforderung habe aber der Vortrag des Klägers zu abweichenden Angaben des Beraters genügt. Dabei berücksichtigte der BGH den Umstand, dass das OLG offen ließ, ob die Beklagten für eine nicht anlagegerechte Beratung durch den Berater haften würden (weshalb dies für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist).

Auch könne nicht darauf abgestellt werden, dass der Kläger nicht auf den Hinweis einer angeblichen Widersprüchlichkeit reagiert habe. Darauf hätte er nicht eingehen müssen. Genügt der Vortrag den Anforderungen an die Substantiierung könne Vortrag zu weiteren Einzeltatsache nicht verlang werden; das Gericht müsse nur in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob aufgrund des tatsächlichen Vorbringens die gesetzlichen Voraussetzungen für das geltend gemachte Recht vorliegen.

Das Landgericht und ihm folgend das OLG hätten die Substantiierungsanforderungen überspannt. Auch wenn in dem Prospekt eine Aufklärung des Beitrittsinteressenten (hier zu Risiken) erfolgte, schließe dies nicht aus, unzutreffende (davon abweichende) Angaben des Vermittlers dem Gründungsgesellschafter zuzurechnen. Die zutreffenden Angaben und Aufklärung im Prospekt stelle sich nicht als Freibrief dar, Risiken hiervon abweichend darzustellen und ein Bild zu zeichnen, welches die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwerte oder mindere (u.a. BGH, Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 57&16 -). Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägers, obwohl er mit dem Berater gemeinschaftlich den Prospekt durchblätterte, den davon abweichenden Angaben des Vermittlers vertraut habe. Ein Anleger, der die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse des Beraters oder Vermittlers in Anspruch nehme, würde den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen dieser Person, die diese ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreite, ein besonderes Gewicht beimessen, gegenüber dem Prospektangaben, die in der Regel allgemein gehalten und mit Fachbegriffen versehen seien, in den Hintergrund treten würden  (BGH, Urteil vom 14.04.2011 - III ZR 27/10 -).

Damit war das Urteil aufzuheben, da nicht auszuschließen sei, dass das OLG bei Erhebung der angebotenen Beweise anders entscheiden hätte.

BGH, Beschluss vom 23.03.2021 - II ZR 5/20 -

Freitag, 6. August 2021

Wegerecht: Anspruch des Eigentümers auf Verschluss eines neu errichteten Tores ?

Das Grundstück des Klägers ist mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts (Wegerechts) zugunsten des im Eigentum der Beklagten stehenden Hintergrundstücks belastet. Der Kläger errichte ein Tor an der Grenze zur Straße (vorderes Tor) und eines an der Grenze zum Grundstück der Beklagten (hinteres Tor). Der Kläger wollte mit seiner Klage erreichen, dass die Beklagten die Tore schließen; auf die Widerklage wurde der Kläger verurteilt es zu unterlassen, die Tore zu schließen.  Im Berufungsverfahren wurden die Beklagten unter Abweisung der Widerklage insoweit verurteilt, dass hintere Tor stets zu schließen, während die Berufung zum vorderen Tor zurückgewiesen wurde.

Auf die zugelassene Revision, mit der die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils zum hinteren Tor begehren, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Grundsätzlich könne der Eigentümer eines mit einem Wegerecht versehenen Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass der Berechtigte ein auf dem Weg befindliches Tor schließe (§ 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. § 1020 BGB). § 1020 S. 1 BGB sehe vor, dass der Berechtigte bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks möglichst schone. Ein Verstoß dagegen stelle sich als Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Allerdings könne der Anspruch auf ein Schließen entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht damit begründet werden, da ein berechtigtes Interesse an einer Einfriedung des Grundstücks bestünde und die Nutzung des Tores den Beklagten nicht unzumutbar sei. Abzuwägen seien die wechselseitigen Interessen: Zum Einen des Grundstückseigentümers an der ungehinderten Nutzung seines Grundstücks, zum Anderen das Interesse des berechtigten an der sachgemäßen Ausübung seines Rechts. Die Abwägung sei Gegenstrand der tatrichterlichen Würdigung, die revisionsrechtlich nur dahingehen geprüft werden könne, ob der Tatrichter wesentliche  Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt habe, Denkgesetze oder Erfahrungsfehler verletzt habe oder (gerügte) Verfahrensfehler vorliegen würden. Vorliegend habe das Berufungsgericht wesentliche Abwägungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt.

Ein allgemeines und von einem konkreten Sicherungsbedürfnis losgelöstes Interesse des Klägers, sein Grundstück auch im Bereich des Weges an der Grenze zu dem Grundstück der Beklagten einzufrieden, wiege nicht von vorherein schwerer als das Interesse der Beklagten an einer ungehinderten Zufahrt, soweit die Behinderung keine Unzumutbarkeit darstelle. Es könne nicht dem Interesse des Eigentümers unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ein Vorrang eingeräumt werden.

Das Berufungsgericht müsse daher konkret feststellen, welches Gewicht dem Interesse des Klägers an der Einfriedung ihres Grundstücks an der Grenze zum Grundstück der Beklagten im Bereich des Weges zukomme. Hier käme es darauf an, ob die Einfriedung gerade auch an dieser Stelle berechtigten Sicherungsinteressen diene, denen auch nicht mittels einer Einfriedung an anderer Stelle genügt werden könne. Das Sicherungsinteresse des Grundstückseigentümers sei höher zu bewerten, wenn es auf dem Grundstück oder im räumlichen Umfeld schon zu Einbrüchen o.ä.  gekommen sei und es sich nicht um eine allgemeine Gefahr handele; der BGH wies darauf hin, dass das Sicherungsinteresse auch tageszeitlich begrenzt sein könne (Abschließen zwischen 22 und 7 Uhr, BGH, Urteil vom 23.01.2015 - V ZR 184/14 -).

Zu berücksichtigen sei hier auf der anderen Seite, dass das Grundstück der Beklagten vollständig eingefriedet sei und nach den Feststellungen des Landgerichts (vom Berufungsgericht übernommen) nach den örtlichen Gegebenheiten keinen Schutz des Grundstücks des Klägers durch das zum Grundstück der Beklagten belegen Tor erfordere. Wenn danach ein Interesse des Klägers an dem Schließen dieses Tores nicht zu erkennen sei, müssten die Beklagten auch die durch das Schließen bedingten Erschwernisse nicht hinnehmen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.10.2019 - 5 U 15/19 -).

Gegebenenfalls sei auch festzustellen, ob ein berechtigtes Sicherungsinteresse des Klägers anderweitig als durch Einfriedung mit einem Tor (etwa durch Abzäunung des Restgrundstücks gegenüber dem Weg) erfolgen könne.

BGH, Urteil vom 16.04.2021 - V ZR 17/20 -

Montag, 2. August 2021

Keine Schmälerung des Pflichtteilsanspruchs durch Grabpflegekosten

Die Frage, ob bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Grabpflegekosten berücksichtigt werden können oder nicht lässt sich mit „Ja“ als auch „Nein“ beantworten – es kommt nämlich darauf an. Dies verdeutlicht ein Urteil des BGH. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Verfahren machte der Kläger gegen die Beklagten einen Zusatzpflichtteil geltend. Nach der testamentarischen Verfügung der Erblasserin sollten einige Erben 10%, andere 5% aus dem Erlös erhalten; der Rest sei für die Beerdigung und 20-jährige Grabpflege. Der Kläger vertrat die Ansicht, ihm stünde im Hinblick auf diese nach dem Testament bei der Verteilung der Erbmasse nicht berücksichtigten Grabpflegekosten ein  Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB zu.

1. Der BGH verwies in seiner Entscheidung darauf, dass Grabpflegekosten bereits deshalb keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen würden, da es sich bei ihnen nicht um Beerdigungskosten nach § 1968 BGB handeln würde, für deren Kosten der Erbe aufkommen müsse. Beerdigungskosten nach § 1968 BGB seien nur die Kosten des Bestattungsaktes selbst, der mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte seinen Abschluss fände. Damit würden die Instandhaltung und Pflege der Grabstätte oder auch das Grabmal allenfalls eine sittliche Verpflichtung der Erben darstellen, nicht aber zu den Beerdigungskosten iSv. § 1968 zählen. Der Umstand, dass Grabpflegekosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG erbschaftssteuerlich von dem ererbten Vermögen bei der Steuerberechnung in Abzug zu bringen sei, würde dies daran nichts ändern, da der Gesetzgeber in Ansehung des ErbStG keine Veranlassung gesehen habe, § 1968 BGB zu ändern (Hinweis: § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG benennt auch ausdrücklich Bestattungskosten, Grabdenkmal und Kosten üblicher Grabpflege, nicht pauschal Beerdigungskosten wie in § 1968 BGB).

Außerdem treffe die Instandhaltungspflicht für Grabstätten nach den Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten, der nicht notwendig personenidentisch mit dem Erben sein müsse. Die ist m.E. ein nicht überzeugendes Argument, da bei fehlender Personenidentität auf die Erben entweder keine Kosten zukämen, mithin solche den Erbschaftserwerb nicht mindern würden. Eine Minderung würde nur eintreten, wenn die Erben zur Nutzung der Grabstätte an den Nutzungsberechtigten ein Entgelt entrichten bzw. dessen Zahlungspflicht ganz oder teilweise übernehmen müssten, was dann allerdings der Argumentation des BGH zur Nichtbeachtung entgegenstünde, da in diesem Fall nicht die Friedhofssatzung entgegenstünde.

Im Ergebnis ist aber dem BGH zuzustimmen, da in § 10 Abs. 3 Nr. 5 EstG nicht der Terminus des § 1968 übernommen wurde und der Gesetzgeber auch keine Angleichung der Tatbestände in § 1968 vornahm (woraus auch der BGH verwies). 

2. Die testamentarische Regelung, einen näher dargelegten Vermögenswert für eine 20-jährige Pflege zu nutzen, könne hier auch keine dem Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit begründen. Zu berücksichtigende Nachlassverbindlichkeiten seien in § 1967 Abs. 2 BGB aufgelistet; hierbei handele es sich um vom Erblasser herrührende Schulden als auch Verbindlichkeiten, die den Erben treffen (wie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten,  Vermächtnissen und Auflagen; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - XII ZB 133/12 -).  

Die Regelung zur Grabpflege stelle sich auch nicht als berücksichtigungsfähige Auflage iSv. § 1967 Abs. 2 BGB dar. Eine Auflage sei eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt würde, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf Leistung habe.  Da hier allen Erben aufgegeben worden sei, nach dem Verkauf und der prozentualen Aufteilung den Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben, führe dies zu einer Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld. Auflagen und Vermächtnisse seien aber gegenüber Pflichtteilsansprüchen nachrangig. Der Vorrang des Pflichtteilsanspruchs ergäbe sich aus § 1991 Abs. 4 BGB, in dem für die Berichtigung von solchen durch die Erben für Pflichtteilsansprüche, Auflagen und Vermächtnisse auf eine Berichtigung in einem Insolvenzverfahren abgestellt werde. Nach § 327 Abs. 1 InsO seien Pflichtteilsansprüche vor Verbindlichkeiten des Erblassers aus von diesem angeordneten Auflagen und Vermächtnissen zu  befriedigen; damit solle verhindert werden, dass der Erblasser durch freigiebige Vermächtnisanordnungen und Auflagen den Pflichtteilsanspruch aushöhlt oder schmälert.

Als Nachlassverbindlichkeiten könnten die Grabpflegekosten nur angesehen werden, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abgeschlossen hätte, der gemäß § 1922 BGB (Gesamtrechtsnachfolge) bindet. Ein solcher Vertrag sei aber nicht geschlossen worden. Der Unterschied eines vom Erblasser abgeschlossenen Grabpflegevertrages zu dem hier vorliegenden Fall bestünde darin, dass der Grabpflegevertrag keine Auflage im Testament darstelle, sondern eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs. 1 BGB.

BGH, Urteil vom 26.05.2021 - IV ZR 174/20 -