Mittwoch, 30. Juni 2021

Berufung eines öffentlich bestellten Sachverständigen und Beauftragung außerhalb des bestellten Fachgebiets

Unter anderem rügte der Beklagte in seiner Berufungsbegründung die Beauftragung eines Sachverständigen durch das erstinstanzliche Landgericht mit Hinweis darauf, dass zwar der Sachverständige öffentlich bestellt und vereidigt gewesen sei, allerdings nicht zu dem Bereich, zu dem er bestellt worden sei. Diese (wie auch weitere Rügen) wies das OLG als unbegründet zurück; der Antrag des Beklagten auf Nichtzulassungseschwerde zum BGH wurde vom BGH ohne Angaben von Gründen mit Beschluss vom 30.04.2020 - VII ZR 173/19 - zurückgewiesen.

§ 404 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass das erkennende Gericht die Auswahl und die Anzahl der zu bestellenden Sachverständigen bestimmt. Eine Spezifizierung enthält § 404 Abs. 3 ZPO nur insoweit, als dort vorgesehen ist, dass für den Fall, dass „für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt (sind), … andere Personen nur dann gewählt werden (sollen), wenn besondere Umstände es erfordern“. Vorliegend hatte das Landgericht einen Sachverständigen beauftragt, dessen öffentliche Bestellung allerdings zum Sachverständigen für Schäden an Gebäuden erfolgt war. Der Beklagte rügte, dass kein öffentlich bestellter Sachverständiger für Erdbau, Grundbau einschl. Flach- und Tiefgründungen beauftragt worden sei. Diese Rüge sah das OLG als nicht durchgreifend an und verwies darauf, dass es sich bei dem Sachverständigen um einen Architekten und Diplomingenieur (FH) handele, und es vorliegend um die Berechnung von Erdaushub gegangen sei, was zu den grundlegenden Aufgaben von Ingenieuren gehöre. Das OLG verkannte also vom Grundsatz her nicht § 404 Abs. 3 ZPO, vertrat allerdings die Ansicht, dass es vorliegend materie- und ausbildungsbedingt nicht darauf ankäme, ob ein der streitigen Materie sachlich von seiner Bestellung her näher stehend4er Sachverständiger beauftragt würde, wenn der beauftragte Sachverständige qua seiner Ausbildung eine letztlich einfache Frage klären soll.

Dies verdeutlichte das OLG auch an den von dem Beklagten vorgelegten Privatgutachten. Mit diesen Privatgutachten wollte der Beklagte belegen, dass es kaum möglich sei, die Gesamtkubatur des Aushubs zuverlässig auf die Bodenschichten Oberborden, Rotlage und Kies aufzuteilen. Gerade dies aber sei auch von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen aufgezeigt worden, der ebenso schließlich wie die Privatgutachter eine Schätzung vorgenommen habe. Die Massenberechnung, wie sie hier vorzunehmen sei, sei eine grundlegende Aufgabe von Ingenieuren.

Auch wenn die Entscheidung des OLG zunächst den Anschein erweckt, die Beauftragung eines auf dem zu beurteilenden Gebiet öffentlich bestellten Sachverständigen sei nicht notwendig, beruht die Entscheidung letztlich jedenfalls nicht auf einer solchen Aussage. Denn gestützt wurde die Entscheidung letztlich (auch) darauf, dass die von dem Beklagten beauftragten Sachverständigen letztlich ebenso Schätzungen unternahmen wie der gerichtlich bestellte Sachverständige und damit vom Ansatz her die Richtigkeit der Überlegungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen bestätigt worden seien. Man wird also aus der Entscheidung keinesfalls entnehmen dürfen, dass alleine mit Verweis auf eine allgemeine Kompetenz eines bestimmten Berufszweiges (auch wenn derjenige in einem artnahen Bereich öffentlich bestellt ist) davon Abstand genommen werden kann, auf den öffentlich bestellten Sachverständigen zu verzichten. Es dürfte sich hier um eine Entscheidung im Einzelfall handeln, bei der das Gericht zum Einen aufgrund Ausbildung von einer Befähigung zu der Beantwortung der Detailfrage des im anderen Zusammenhang öffentlich bestellten Sachverständigen ausging, zum Anderen aber auch die Vorgehensweise des Sachverständigen durch vom Berufungsführer vorgelegte Gutachten bestätigt wurde.

OLG München, Beschluss vom 15.07.2019 - 9 U 1957/18 -

Sonntag, 27. Juni 2021

Vergütung des wegen Besorgnis der Befangenheit angelehnten gerichtlich bestellten Sachverständigen (Fall des § 8a Abs. 1 JVEG) ?

Der im selbständigen Beweisverfahren zunächst berufene Sachverständige wurde erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hatte seine Kosten abgerechnet, dem die Antragstellerin widersprach. Die wurden gleichwohl ausgezahlt und als Teil der Gerichtskosten erhoben. Das Landgericht begründete dies damit, dass der Sachverständige das Gutachten und drei Ergänzungsgutachten erstellt habe, ehe er wegen eines Privatgutachtens für eine zu der Antragstellerin gehörenden Wohnungseigentümerin einige Jahre zuvor erstellten Gutachten in einer identischen Teilfrage (erfolgreich) abgelehnt worden sei. Es sei glaubhaft vom Sachverständigen dargestellt worden, dass er bei seiner gerichtlichen Beauftragung in Ansehung der Zahl der gerichtlichen und privaten Gutachten erst nach konkreten Vorhalt des Privatgutachtens erinnerlich wurde, dieses erstellt zu haben. Zudem sei es treuwidrig, wenn sich die Antragstellerin auf eine Kostenfreiheit nach § 8a JVEG berufe, da sie die Offenbarung der Vorbefassung des Sachverständigen selbst versäumt habe.

Der Erinnerung gegen den Kostenansatz in der Gerichtskostenrechnung half das Landgericht nicht ab. Die Beschwerde war erfolgreich. Der Sachverständiger habe es in von ihm zu vertretener Weise unterlassen, dem Gericht unverzüglich nach seiner Beauftragung Umstände aufzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen würden. Nach §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 Abs. 2 GKG iVm. Nr. 9005 KV-GKG müssten die Parteien eine Sachverständigenvergütung nur erstatten, wenn sie nach dem JVEG zu zahlen war. Nicht entscheidend sei, ob die Beträge gezahlt wurden. Die gerichtliche Entscheidung zur Zahlung würde nur im Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und Staatskasse ergehen, ohne Beteiligung der Parteien, § 4 JVEG. Hat damit die Festsetzung der Vergütung keine Wirkung zu Lasten der Parteien, sind sie auch nicht mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz ausgeschlossen. Im Festsetzungsverfahren gegenüber dem Sachverständigen sei die  erfolgreiche Ablehnung wegen Befangenheit auch nicht bindend, da der Befangenheitsgrund nur glaubhaft zu machen sei, dem Sachverständigen aber sein Entschädigungsanspruch nur genommen werden könne, wenn ein die Erfüllung seiner Gutachtertätigkeit unmöglich machendes Verhalten bewiesen sei (OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.1979 - 23 W 44/77 -).  

Dem Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen habe das Landgericht zutreffend stattgegeben. Die vorherige Tätigkeit für eine der Parteien in derselben Sache bilde einen ausreichenden Grund für seien Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 01.02.1972 - VI ZR 134/70 -). Damit sei nach § 8a Abs. 1 JVEG der Vergütungsanspruch entfallen, da er es unterließ, das ihn beauftragende Gericht unverzüglich Umstände aufzuzeigen, die seine Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen könnten und dieses Unterlassen auch zu vertreten habe. Ander als im Fall des § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG eine Reduzierung des Haftungsmaßstabes auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz fehle genüge vorliegend für § 8a Abs. 1 JVEG bereits einfache Fahrlässigkeit. Infolge der damit verbundenen Verschuldensvermutung obläge es dem Sachverständigen ihn entlastende Umstände aufzuzeigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.05.2017 - 18 W 58/17 -).

 

Das Landgericht habe selbst ausgeführt, dass der Sachverständige in einer Vielzahl von Verfahren gerichtlich und außergerichtlich tätig sei. Damit habe er aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen müssen, dass er nicht Aufträge übernimmt, in denen er möglicherweise befangen sein könnte. Hat er diese Prüfung unterlassen oder nicht sorgfältig genug durchgeführt läge jedenfalls eine ausreichende leichte Fahrlässigkeit vor, die zum Verlust des Vergütungsanspruchs führe (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.06.2002 - 14 W 363/02 -). Auch eine rechtliche Fehlbeurteilung durch den Sachverständigen würde hier nicht eine anderweitige Entscheidung begründen können, da es nicht nachvollziehbar wäre, dass dem Sachverständigen trotz Teilnahme an Fortbildungen nicht zumindest Bedenken gekommen sind bzw. er zumindest vorsorglich das Gericht informierte.

Auch eine vom Landgericht angenommene Verwertbarkeit des Gutachtens führe nicht zu einem Gebührenanspruch. Dabei könne auf sich beruhen, ob § 8a Abs. 1 JVEG eine unbeabsichtigte Lücke enthält, insoweit dort anders als in § 8a Abs. 2 JVEG die Verwertbarkeit nicht erwähnt wurde. Denn vorliegend handele es sich um ein Gutachten in einem selbständigen Beweisverfahren und nur der Tatrichter des Hauptsacheverfahrens könne über die Verwertbarkeit entscheiden.

Im Übrigen spreche einiges dafür, dass in § 8a Abs. 2 S. 1 1 Nr. 2 JVEG mit seinem Verweis auf § 407a Abs. 2 ZPO ein redaktionellen Versehen ist: § 407a Abs. 2 ZPO sei in der jetzigen Fassung erst am 15.10.2016  in Kraft getreten, mit dem die bisherigen Absätze 2 bis 5 als Absätze 3 bis 6 verschoben worden seien. Während insoweit in § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG nun der Verweis auf § 407a Abs. 1 – 4 ZPOO statt bisher auf § 407a Abs. 1 – 3 JVEG aufgenommen wurde, unterblieb eine Anpassung in § 8a Abs. 1 JVEG. Das spräche dafür, das bei § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG ein redaktionelles Versehen vorliege.

OLG Rostock, Beschluss vom 15.02.2021 - 4 W 38/20 -

Freitag, 25. Juni 2021

Schädigung eines Pkw bei versuchter Festnahme eines Dritten durch Polizei als Lebensrisiko des Eigentümers des Pkw

Anlässlich der Festnahme eines Tatverdächtigen durch Polizeibeamte der Beklagten als Dienstherrn kam es zur Schädigung des ordnungsgemäß am Straßenrand geparkten Pkw des Klägers, da sich der Tatverdächtige seiner Festnahme widersetzte. Seine Klage wurde abgewiesen; mit Hinweisbeschluss gem. § 522 ZPO wies das OLG den Kläger darauf hin, dass beabsichtigt sei, seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

Als unstreitig geht das OLG davon aus, dass der Tatverdächtige die Polizisten bei dem ihrem Versuch, ihn festzunehmen, gegen den Pkw des Klägers stieß und dieser dabei beschädigt wurde. Damit sei vom Grundsatz der Anwendungsbereich des enteignenden Eingriffs eröffnet, der ebenso wie der enteignungsgleiche Eingriff im allgemeinen Aufopferungsgrundsatz der §§ 74, 75 Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (EinlPrALR von 1794) seine Grundlage habe, wenn es an einer ausdrücklichen und vorrangigen spezialgesetzlichen Regelung ermangele. Es handele sich um einen auch heute gewohnheitsrechtlich anerkannten Anspruch, der bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen der Staatsgewalt, der für den Betroffenen mit einem Sonderopfer verbunden sei, einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat begründe. Da die vorliegend einschlägigen Normen der §§ 19, 39 OBG NRW voraussetzen, dass der Geschädigte Adressat des Eingriffs ist, würden diese hier ausscheiden, da der Kläger nicht herangezogen worden sei, da der Kläger außerhalb der dieser durch die Polizei wahrnehmbaren Zusammenhänge stand. Allerdings lägen nach den Grundsätzen des BGH (Urteil vom 12.03.1992 - III ZR 128/91 -) die Voraussetzungen eines enteignenden Eingriffs nicht vor.

Voraussetzung sei eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme, die bei dem Betroffenen zu (meist atypischen und unvorhersehbaren) Nachteilen führe, die dieser aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen müsse, die aber die Grenze des enteignungsrechtlich Zulässigen überschreiten. Es sei zwar kein zweck- und zielgerichteter Eingriff erforderlich, doch genüge die bloße Adäquanz (Ereignis, welches im Allgemeinen und nicht nur unter besonderen ungewöhnlichen Umständen zu einem Schaden führt) nicht: Zwar würde der BGH nicht fordern, dass es sich um eine gewollte/gezielte Eigentumsbeeinträchtigung handelt; allerdings sei eine unmittelbare und nicht nur mittelbare Auswirkung auf das Eigentum des Betroffenen erforderlich. Daran würde es hier ermangeln. Die adäquate Kausalität läge zwar vor. Anders als z.B. beim Fixieren des Tatverdächtigen auf der Motorhaube eines parkenden Autos mit der Folge einer dadurch bedingten Beschädigung, sei dadurch, dass der Tatverdächtige hier die ihn einholenden Polizisten gegen ein parkendes Auto stießen, schon keine typische Folge einer vorläufigen Festnahme zu sehen. Zudem seien die Polizisten nicht diejenigen gewesen, die den Pkw des Klägers in ihr Verhalten einbezogen hätten, sondern nur notwendige Beteiligte dieser Sachbeschädigung. Zudem würden „auch heute noch“ erkennungsdienstliche Maßnahmen und vorläufige Festnahmen nach § 127 StPO typischerweise ohne Beschädigung des Eigentums Dritter ablaufen. Dadurch sei dem Kläger hier durch hoheitliches Verhalten kein Sonderopfer abverlangt worden. Es habe sich hier sein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Er könne von dem Verursacher der Beschädigung, dem Tatverdächtigen, Schadensersatz verlangen.

OLG Hamm. Hinweisbeschluss vom 02.02.2021 - I-22 U 201/20 -

Sonntag, 20. Juni 2021

Lagervertrag oder Mietvertrag: Abgrenzung der Vertragstypen im Hinblick auf die Obliegenheitspflicht

Die Parteien stritten wegen der Beschädigung von Wohnmöbeln und -accessoires. Die im Eigentum der Streithelferin der Klägerin (ein Möbel-Transport-Unternehmen) befindlichen Gegenstände sollten von der Klägerin eigelagert werden. Die Klägerin nahm die Gegenstände entgegen, konnte sie aber bei sich selbst nicht einlagern und vereinbarte mit der Beklagten (einem Umzugsunternehmen), dass diese in einer von dieser angemieteten Halle abgestellt werden können. Bei Abholung durch die Klägerin in der Halle waren diese durchfeuchtet und zum Teil ausgequollen. Die Streithelferin rügte die Schäden, die ein Sachverständiger im Auftrag der Klägerin mit € 8.300,00 bezifferte. Die Streithelferin verlangte von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 12.800,00 den auch die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Beklagte geltend machte.

Während die Klägerin von einem Lagervertrag gem. § 467 HGB ausging, bei dem die Beklagte ihrer Obhutspflicht nicht nachgekommen sei, ging die Beklagte von einem Mietvertrag aus und führte aus, dass die Halle ordnungsgemäß und das Dach intakt gewesen sei, nur die Verpackung er Klägerin (Wellpappe) anstelle von Paletten nicht fach- und sachgerecht gewesen sei.

Das Landgericht ging von einem Mietvertrag aus und wies die Klage ab.

Das Oberlandesgericht sah in dem Vertrag auch einen Mietvertrag. Miet- und Lagervertrag würden sich dadurch unterscheiden, dass bei Lagervertrag der Lagerhalter oder ein von ihm beauftragter Dritter die Lagerung und Aufbewahrung selbst besorge, während beim Mietvertrag (über die Lagerfläche) der Mieter selbst lagern und aufbewahren würde. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal wäre damit, ob im Rahmen der Vereinbarung eine Obhuts- und Verwahrungspflicht als Hauptpflicht übernommen würde.  Nach diesem Kriterium sei nach §§ 133, 157 BGB der Vertrag als Mietvertrag über eine Lagerfläche anzusehen.

Das Lagerübernahmeprotokoll sei kein Kriterium für die Annahme eines Lagervertrages. Es spräche sogar dagegen, da in ihm keine Liste der eingelagerten Gegenstände aufgenommen worden sei. An dieser Aufnahme würde aber der Lagerhalter ein wesentliches Interesse haben, da sich daran Art und Umfang seiner Obhutspflicht orientiere. Hier enthalte die Liste lediglich eine oberflächliche Beschreibung der Art der von der Klägerin mitgebrachten Gegenstände, nicht aber eine Lager-/Inventarliste.

Auch der fehlende eigene Zugang der Klägerin zur Lagerhalle begründe nicht die Annahme eines Lagervertrages. Zwar sei kennzeichnend für den Mietvertrag, dass der Mieter die Mietsache ausschließlich, unter Ausschluss des Vermieters benutzen könne; allerdings spiele dies in einem Fall wie dem Vorliegenden keine Rolle, da sich die überlassene Fläche innerhalb eines anderen Gebäudes befände als Teilfläche der Halle. Die alleinige Nutzung der Teilfläche würde nicht dadurch vereitelt, dass der Zugang nur mit Mitwirkung des Vertragspartners möglich sei. Die Zugangsregelung sei erkennbar dem Umstand geschuldet, dass abgesichert wird, dass die Klägerin den Zugang nur zur Nutzung der überlassenen Fläche nutzt. Dies sei vergleichbar mit einem Bankschließfach (bei dem auch Mietrecht angenommen würde, bei dem der Mieter häufig nur mit Hilfe des Vermieters die Möglichkeit habe, Zugriff auf das eigene Schließfach zu nehmen.

Entscheidend seien hier auch die Umstände unter denen die Vereinbarung zustande kam. Auch wenn die Klägerin selbst mit der Streithelferin einen als Mietvertrag bezeichneten Vertrag geschlossen habe, ergäbe sich doch aus den Umständen des Vertragsabschlusses, dass die Klägerin die Obhutspflicht für die Gegenstände als Hauptpflicht übernommen habe. So habe die Streithelferin die Gegenstände an die Klägerin zum einlagern übergeben, ohne dass bereits eine bestimmte Lagerfläche, die hätte vermietet werden können, in Aussicht genommen worden sei. Es sei sogar in der Vereinbarung ein Lager der Klägerin vorgesehen gewesen. Zu der Vereinbarung mit der beklagten sei es lediglich wegen fehlender eigener Lagerkapazitäten der Klägerin gekommen. Die Klägerin habe dann der Beklagten auch nicht die Gegenstände in vergleichbarer Weise wie die Streithelferin ihr anvertraut, sondern nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten zu der betreffenden Halle verbracht und auf die ihr bezeichnete Fläche abgestellt. Damit bestünde kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die von ihr übernommene Obhutspflicht (im Rahmen eines Lagervertrages) an die Beklagte weitergegeben habe. Dazu passe auch die Preisgestaltung (sie selbst verlangte von der Streithelferin ein Entgelt von € 6,00/m², die Beklagte nur von € 4,50/m²), was nicht erklärlich sei, wenn die Beklagte auch die Obhutspflicht übernommen hätte.

Da ein Mangel der Mietsache nicht vorgelegen habe (die Rauluftfeuchte würde sich hier nicht als Mangel darstellen) und auch keine Nebenpflicht nicht verletzt worden sei, sei der Anspruch nicht begründet.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 08.03.3032 - 5 U 2247/20 -

Mittwoch, 16. Juni 2021

Wettbewerbsverstoß: Werbung zum 24-Monats-Abo eines Fitnessstudios bei Nichteinberechnung von Servicegebühren

Die Beklagte, Betreiberin eines Fitnessstudios, bewarb in Prospekten Mitgliedschaften für ein 24-Monats-Abo mit einem Monatspreis von € 29,99. Dieser Preis war mit einem Sternchen versehen, der auf der rechten Seite kleingedruckt mit dem Hinweis „zzgl. 9,99 € Servicegebühren/Quartal“ erklärt wurde. Ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugter Verein klagte auf Unterlassung dieser Preisangabe und Zahlung der Abmahnkosten. Das Landgericht (LG) gab der Klage statt. Die dagegen eingelegte Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen.

In der Sache ging es um die Frage, ob die Preisangabe in dem Prospekt mit der Preisangabenverordnung (PAngV), da das Entgelt nicht für die gesamte Vertragslaufzeit von 24 Monaten angegeben wurde, ferner die die Servicepauschale in den beworbenen Monatspreis nicht einberechnet wurde. Mit dem LG ging das OLG davon aus, dass ein Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG, § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV vorläge.

Die PAngV sei eine Marktverhaltensregelung zum Schutze der Verbraucher iSv. § 3a UWG. Mit ihr soll dem Verbraucher eine sachliche zutreffende und vollständige Verbraucherinformation über die Preise und ihr Gestaltung gegeben werden und verhindert werden, dass der Verbraucher seine Preisvorstellungen anhand untereinander nicht vergleichbarer Preise gewinnen müsse. Derjenige, der gewerbs- oder geschäftsmäßig Waren oder Leistungen unter Angabe von Preisen gegenüber Verbrauchern bewerbe, müsse die Preise so angeben, wie sie einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen seien. Es handele sich so um den Gesamtpreis., wobei es sich bei den sonstigen Preisbestandteilen um solche handele, die unvermeidbar und vorhersehbar vom Verbraucher zu zahlen seien und die der Werbende in die Kalkulation einbeziehe.

Da die Servicegebühr unabhängig von der Inanspruchnahme weiterer Leistungen anfalle und damit vom Vertragspartner zwingend zu zahlen sei, genüge es nicht, einen Teilpreis zu nennen und einen weiteren Preis anzugeben, den der Kunde zur Ermittlung des Gesamtpreises addieren müsse. Eine Ausnahme käme allenfalls in Betracht, wenn der zusätzlich zu zahlende Preis unschwer zu erkennen sei und die Aufspaltung keinen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidung des Verbrauchers haben könne (BGH, Urteil vom 15.01.2004 - I ZR 180/01 -). Hier sei schon aus der drucktechnischen Gestaltung heraus der weitere Preisbestandteil nicht ohne Weiteres erkennbar (kleiner dargestellt und zudem quergedruckt) und sei mit € 3,33/Monat in Ansehung des Monatsbetrages vom € 29,99 im Übrigen nicht zu vernachlässigen, da nur so die psychologische Schwelle von € 30,00 unterschritten worden sei.

Ob auch das Unterlassen der Angabe des Gesamtpreises für 24 Monate einen Verstoß gegen die PAngV darstelle könne dahinstehen, da dies von der Klägerin nicht mit einem gesonderten Antrag geltend gemacht worden sei.

Anmerkung: Im Zusammenhang mit einem Werbevertrag über Werbeplakate für Einkaufswagen von Verbrauchermärkten über eine Laufzeit von 72 Monaten vertrag das OLG Stuttgart mit Urteil vom 06.12.2012 - 2 U 94/12 - die Auffassung, dass der gesamtpreis für die Laufzeit anzugeben sei, unabhängig davon, ob Rabatte oder Skonti oder sonstige Nachlässe vereinbart werden könnten.

OLG Frankfurt, Urteil vom 04.02.2021  - 6 U 269/19 -

Dienstag, 15. Juni 2021

Ausreichende Identifizierbarkeit des Kündigungsgrundes bei Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarf

Die Kläger sprachen mit Kündigungsschreiben vom 30.07.2017 eine Eigenbedarfskündigung gegenüber der Beklagten aus und gaben dazu an, ihr Sohn benötige die (62qm große) Wohnung, da er einen größeren Wohnraumbedarf habe und insbesondere für seine regelmäßige Home-Office-Tätigkeit  ausreichend Platz benötige. Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab, da die Kündigung in Ermangelung ausreichender Begründung gem. § 573 Abs. 3 S. 1 BGB aus formellen Gründen unwirksam sei. Das Landgericht wies die dagegen von den Klägern eingelegte Berufung mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Es schloss sich der Rechtauffassung des Amtsgerichts an und vertrat die Auffassung, es hätten im Kündigungsschreiben Angaben zur Größe der bisherigen Wohnung und Anzahl der Zimmer gemacht werden müssen, damit der Mieter zumindest überschlägig die gemachten Angaben überprüfen könne.

Die Kläger erhoben Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Nach Beschwerdebegründung und -erwiderung erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Der BGH hob die Kosten gegeneinander auf. Für die Kostenentscheidung käme es darauf an, wie das Verfahren letztlich ohne das erledigende Ereignis ausgegangen wäre. Dann wäre, so der BGH, die Revision zugelassen, das landgerichtliche Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen worden.

Anders als Amts- und Landgericht sah der BGH die Angaben im Kündigungsschreiben als ausreichend an. Nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB seien im Kündigungsschreiben die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses mitzuteilen.  Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 6/1549, S. 6f zu § 564a Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) solle dies dem Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition verschaffen und in die Lage versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Erforderlich und im Allgemeinen ausreichend sei, wenn der Kündigungsgrund identifizierbar bezeichnet würde, sich mithin von anderen Gründen unterscheiden könne. Ausreichend sei daher bei der Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarfs die Angabe zur Person, für die die Wohnung benötigt würde, und die Angabe des Interesses, welches diese Person an der Erlangung der Wohnung habe.

Zwar habe das Berufungsgericht die rechtlichen Maßstäbe erkannt und zitiert. Allerdings habe es die Anwendung nahezu in das Gegenteil verkehrt, da es nicht den entscheidenden Gesichtspunkt der Individualisierung des Kündigungsgrundes bedacht habe. Die Individualisierung (Identifizierbarkeit) diene dazu, dass Kündigungsgründe voneinander unterschieden werden können und es so dem Vermieter verwehrt wird, nachträglich dem Kündigungsbegehren einen anderen Grund zu benennen (unzulässiges Auswechseln des Kündigungsgrundes). Diese Individualisierung sei durch die Angaben zur Bedarfsperson (Sohn der Kläger), Interesse (größerer Raumbedarf im Hinblick auf Home-Office) erfolgt. Mit diesen Angaben könne der Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund ausrichten, dessen Auswechseln durch das Begründungserfordernis der Kündigung ausgeschlossen sei.

Der BGH folgte ausdrücklich nicht dem Berufungsgericht, dass das Begründungserfordernis auch dazu diene, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder gar ihn schon im Vorfeld eines Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Frage, ob der identifizierbare Kündigungsgrund tatsächlich besteht, sei eine Frage der materiellen Begründetheit der Kündigung, nicht einer formalen Voraussetzung für eine solche, und von daher im Falle des Bestreitens des Kündigungsgrundes im Prozess durch den Mieter durch Beweiserhebung des Gerichts zu klären.

Da hier die Zulassung der Revision zur Zurückverweisung des Verfahrens geführt haben würde, dort am Landgericht dann die materielle Berechtigung zur Kündigung (durch Beweisaufnahme) zu klären gewesen wäre, sei der Prozessausgang offen, was nach der Erledigungserklärung eine Kostenaufhebung rechtfertige.  

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - VIII ZR 346/19 -

Sonntag, 13. Juni 2021

Verbotener Insichprozess: Geschäftsführer als Partei und Vertreter der von ihm verklagten Gesellschaft

Der Kläger und O.L waren gemeinsam Geschäftsführer der beklagten GmbH. Am 29.06.2020 führten sie jeweils an verschiedenen Orten Gesellschafterversammlungen durch, auf denen Beschlüsse zur Abberufung des jeweils anderen Geschäftsführers gefasst wurden. Mit seiner Klage erstrebte der Kläger die Feststellung Nichtigkeit der auf der von O.L. einberufenen Gesellschafterversammlung im Hinblick auf seien Abberufung und Berufung von O.L. zum alleinigen Geschäftsführer. In der Klageschrift gab er O.L als Geschäftsführer der Beklagten an, erteilte aber selbst für die Beklagte an einer Anwaltskanzlei das Mandat. Der für die Beklagte mandatierte Anwalt erkannte den Klageanspruch an, woraufhin Anerkenntnisurteil erging. Gegen dieses legte die Beklagte, nunmehr durch eine anderweitige Anwaltskanzlei vertreten, Berufung ein. Die Berufung führte zur Aufhebung des Anerkenntnisurteils und Zurückverweisung an das Landgericht.

Das OLG Brandenburg verwies darauf, dass das Anerkenntnisurteil prozessual unwirksam sei. Unabhängig davon, ob einem Geschäftsführer Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierend nach § 181 BGB erteilt worden sei, sei es nicht möglich, einen Rechtsstreit mit sich selbst zu führen (sogen. Insichprozess. Indem der Kläger sowohl aus der Aktivseite des Prozesses (als Kläger), mit dem er die Nichtigkeit u.a. des Beschlusses über seine Abberufung geltend machte, als auch als Vertreter der Beklagten, für die er der zunächst für die Beklagte tätigen Anwaltskanzlei die Prozessvollmacht erteilte (unterschrieb), habe er prozessual ein Insichgeschäft geführt. Er sei mithin auf beiden Seiten aufgetreten, einmal als Partei (für sich selbst) und einmal als Parteivertreter (für die Beklagte).

Solange die Gesellschafter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG keinen Prozessvertreter bestellt hätten, würde gesellschaftsrechtlich im Verfahren um die Wirksamkeit der Abberufung die Gesellschaft von dem verbleibenden Geschäftsführer vertreten (BGH, Urteil vom 24.02.1992 - II ZR 79/91 -).  Dieser verbleibende Geschäftsführer könne die Gesellschaft auch dann weiterhin so lange vertreten, auch wenn er selbst (mit von ihm gerichtlich angefochtenen Beschluss) abberufen worden sei, bis die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses in Bezug auf beide Geschäftsführer festgestellt worden sei. Zwar habe hier der Kläger dies im Rahmend er Klage berücksichtigt, in der er im Rubrum der Beklagten den Geschäftsführer O.L. als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft benannte. Allerdings dürfe auch die Prozessvollmacht für die Beklagte nicht durch den Geschäftsführer erteilt werden, der sich mit der Klage gegen die Abberufung wendet, da dies faktisch zu einer Parteiidentität führe und damit zu einem unzulässigen Insichprozess.

Offen bleiben könne, ob die Voraussetzung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für eine Zurückverweisung vorliegen würden. Schon die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses führe auf die Berufung im Wege einer analogen Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, was auch sachgerecht wäre, da ansonsten den Parteien eine Tatsacheninstanz genommen würde und sich das Verfahren erstinstanzlich auch ohne inhaltliche Erörterung geblieben sei.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.02.2021 - 4 U 211/20 -

Donnerstag, 10. Juni 2021

Arglistiges Verschweigen durch Testamentsvollstrecker bei fehlender Offenbarung von Denkmalschutz ?

Die Denkmalschutzeigenschaft eines Gebäudes, welches Kaufobjekt ist, kann sich als Sachmangel iSv. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellen. Ein Käufer einer Immobilie darf grundsätzlich davon ausgehen, dass diese nicht unter Denkmalschutz steht, da Denkmalschutz die Ausnahme von der Regel ist. Mit dem Denkmalschutz sind Verpflichtungen und Beschränkungen für den Eigentümer verbunden, die einer öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung gleichkommen. So bedarf es bei Veränderungen der Genehmigung der zuständigen Behörde und das Denkmal ist in einem denkmalgerechten Zustand zu erhalten. Häufig sind sowohl Umbau wie auch Erhaltungsmaßnahmen nur unter (die Kosten erhöhenden) denkmalschutz-rechtlichen Auflagen möglich. Offen ist, ob das Gebäude in das Verzeichnis der geschützten Denkmäler aufgenommen sein muss, oder ausreichend ist, dass es in ein Verzeichnis von erkannten Denkmälern aufgenommen ist (so die Unterscheidung nach dem vorliegend zur Anwendung gekommenen Hamburger Denkmalschutzgesetz). 

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein notarieller Kaufvertrag vom 21.12.2009, mit dem der Beklagte als Testamentsvollstrecker (der Erbengemeinschaft gehörten der Testamentsvollstrecker, sein Bruder und seien Schwester an) aus einem Nachlass seines 1999 verstorbenen Vaters ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in Hamburg an eine KG unter Ausschluss der Sachmängelhaftung veräußerte. Weiter hieß es in dem Kaufvertrag, dass der Verkäufer darauf hinweise, dass nach seiner Kenntnis das Objekt nicht in der Denkmalschutzliste eingetragen sei, „es jedoch aus Sicht des Denkmalpflegers erhaltenswerte Bauelemente gibt“. Tatsächlich war das Objekt in die Liste der erkannten Denkmäler aufgenommen worden und das diesbezügliche Informationsschreiben der Schwester des Testamentsvollstreckers am 17.05.2006 durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden sowie an den beklagten Testamentsvollstrecker und seinen Bruder an die Grundstücksverwaltung gesandt worden. Der Kläger beabsichtigte das Haus zu sanieren und einer ursprünglichen Nutzung als Einfamilienhaus zuzuführen. In 2012 erhielt er im vereinfachten Verfahren eine Baugenehmigung. In 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen, woraufhin das Denkmalschutzamt einen Baustopp erließ. Für die geänderte Planung erhielt der Kläger eine Baugenehmigung unter Auflagen. Mit seiner Klage begehrte er als Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen rund € 2,8 Mio. und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden. Der Klage wurde, nachdem das Landgericht sie abgewiesen hatte, auf die Berufung des Klägers hin vom OLG stattgegeben. Die Revision zum BGH führte zur Aufhebung des Urteils des OLG.

Auch wenn hier das Haus zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses noch nicht in die Liste der Denkmäler eingetragen war, so war es doch in der Liste der erkannten Denkmäler eingetragen. Den Verkäufer treffe nach Ansicht des BGH eine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung seien und deren Mitteilung der Käufer nach der Verkehrsauffassung erwarten dürfe. Dies würde auch für die Eintragung in die Liste der erkannten Denkmäler gelten. Sie löse auch nach dem Hamburger Denkmalschutzgesetz (in der Fassung bei Kaufvertragsabschluss) die bußgeldbewehrte Pflicht aus, alle beabsichtigten Veränderungen dem Denkmalschutzamt anzuzeigen, woraufhin das Denkmalschutzamt prüfen könne, ob es ein Unterschutzstellungsverfahren einleite. Eine Unterschutzstellung sei wahrscheinlich, da es sich mit der Eintragung in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler um ein Gebäude handele, wessen Erhaltung im öffentlichen Interesse läge. Vor diesem Hintergrund käme ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht. Voraussetzung wäre, da es sich bei der Eintragung in das Verzeichnis erkannter Denkmäler um einen Sachmangel handele, für den hier eine Haftung vertraglich ausgeschlossen sei, dass der Beklagte vorsätzlich arglistig gehandelt habe, § 444 BGB, und setze, wegen der Sperrwirkung der Sachmängelhaftung, eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht voraus.  

Eine Arglist des Beklagten negierte - anders als das OLG - der BGH.

Abzustellen sei auf den Beklagten, da dieser die Immobilie in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker veräußert habe und damit selbst Vertragspartner des Klägers geworden sei. Nur seine Person sei, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch Kenntnis oder Kennenmüssen von Umständen beeinflusst würden, entscheidend. Nicht abgestellt werden könne auf den Fall (BGH, Urteil vom 08.04.2016 - V ZR 150/15 -), bei dem sich keiner der Verkäufer gem. § 444 Alt. 1 BGB auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen könne, wenn einer der Mitverkäufer einen Mangel arglistig verschweige. Der für den Nachlass handelnde Testamentsvollstrecker bilde mit den (hier weiteren) Erben keine Verkäufermehrheit. Mithin wäre eine eigene positive Kenntnis des Verkäufers erforderlich oder dass ihm die Kenntnis eines Wissensträgers analog § 166 BGB zugerechnet werden könne. Beides sei nicht der Fall.

Vorliegend habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass das Haus unter Beobachtung des Denkmalschutzes stünde. Dass er Kenntnis von einer Eintragung in eine Liste erkannter Denkmäler gehabt habe, ist nicht bewiesen. Die Kenntnis seiner Schwester sei ihm nicht zuzurechnen, das er als Testamtsvollstrecker alleine der Verkäufer war; eine Zurechnung über das Institut der „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustauschs“ käme daher hier nicht in Betracht. § 166 BGB sie hier nicht einschlägig, da nach den Feststellungen des OLG nicht davon auszugehen sei, dass der Beklagte seine Schwester damit betraut habe, bestimmte Aufgaben in Bezug auf das Grundstück zu erledigen. Auch die Rechtsprechung, dass eine Organisation im Rahmen des ihr zumutbaren sicherstellen müsse, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen würden, greife nicht, da eine derartige Situation zwischen dem Beklagten und seinen Geschwistern nicht vorläge. Der Erbe sei nicht kraft Erbenstellung in die Organisation des Testamentsvollstreckers eingebunden, vielmehr beschränke die Testamentsvollstreckung die Erbenstellung. Auch könne dem Beklagten nicht das Wissen der Grundstücksverwaltung zugerechnet werden, da nicht vorgetragen wurde, dass diese in die Veräußerung des Hauses einbezogen worden sei. Die Wissenszurechnung aus den Grundsätzen „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustauschs“ scheide auch hier aus, da diese im Verhältnis zwischen einem Grundstücksverkäufers und einer nur mit der Verwaltung beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbständigen Verwaltung nicht stattfinde.

BGH, Urteil vom 19.03.2021 - V ZR 158/19 -

Sonntag, 6. Juni 2021

„Lenkende Ausschlagung“ der Erbschaft und für Anfechtung unbeachtlicher Motivirrtum

Die Beteiligte zu 1. war die Ehefrau des Verstorbenen, die Beteiligten zu 3. und 4. seine Kinder. In einem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Eheleute wechselseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Der Beteiligte zu 2. war der Sohn des Beteiligten zu 4. Die Beteiligten zu 1. und 4. schlugen in der Annahme, der Beteiligte zu 3. sei dann alleiniger Erbe, die Erbschaft aus und der Beteiligte zu 3. Stellte einen Erbscheinsantrag. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass der Beteiligte zu 2. in der Erbfolge nach der Ausschlagung des Beteiligten zu 4. einrücke. Daraufhin änderte die Beteiligte zu 3. ihren Antrag und beantragte einen Teilerbschein, der sie als Erbin zu ½ ausweise.  Einen gleichen Antrag stellte der beteiligte zu 2. Am 26.06.2020 erklärte die Beteiligte zu 1. die Anfechtung ihrer Ausschlagung und die Einziehung der zwischenzeitlich erteilten Erbscheine. Sie kündigte die Stellung eines Erbscheinsantrages auf sich als Alleinerbin an und führte aus, der Grundbesitz seit erheblich belastet gewesen und nur die Beteiligte zu 3. und deren Ehemann seien in der Lagegewesen, diese Verbindlichkeiten abzutragen. Mit ihrer Ausschlagung habe sie erreichen wollen, dass die Beteiligte zu 3.  Alleinerbin werde, nachdem auch der Beteiligte zu 4. die Erbschaft ausgeschlagen habe. Der Beteiligte zu 2. trat dem Antrag der Beteiligten zu 1. entgegen. Derr Antrag der Beteiligten zu 1. Wurde vom Nachlassgericht zurückgewiesen. Dagegen legte die Beteiligte zu 1. Beschwerde ein, die, nachdem ihr das Nachlassgericht nicht abhalf, vom OLG zurückgewiesen wurde.

Das OLG negierte einen Anfechtungsgrund.

Zwar könne grundsätzlich ein Anfechtungsgrund vorliegen, wenn sich der Ausschlagende über die Person, bei der die Erbschaft aufgrund der Anfechtung anfalle, irre. Es würde sich dann im einen beachtlichen Rechtsfolgeirrtum handeln, der als Inhaltsirrtum grundsätzlich die Anfechtung rechtfertige. § 119 BGB. Ein Rechtsfolgenirrtum würde im Rahmen des § 119 BGB grundsätzlich einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum darstellen. Dies sei dann der Fall, wenn der Erklärende über die Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, da die Erklärung nicht die von ihm erstrebte Rechtswirkung erzeuge, sondern eine solche bewirke, die sich davon unterscheide. Dies sei aber nur der Fall, wenn die vorgenommene Erklärung (das vorgenommene Rechtsgeschäft) eine wesentlich andere als die beabsichtigte Wirkung erzeuge. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und auch eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten würden, würden sich nicht als Irrtum über den Inhalt darstellen, sondern als nach § 119 BGB unbeachtlicher Motivirrtum (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 387/15 -; BGH, Beschluss vom 05.07.2006 – IV ZB 39/05 -).

Vorliegend würde es sich um eine „lenkende Ausschlagung“ handeln. Auch dabei sei der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben eine beachtlicher Rechtsfolgenirrtum iSv. § 119 BGB. Mit der Ausschlagung würde nicht nur der Ausschlagende gem. § 1953 als Erbe wegfallen. Sondern zugleich die Erbschaft dem Nächstberufenen anfallen. Dieser Anfall sei die unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung. Mithin könne grundsätzlich der Ausschlagende dann anfechten, wenn das Lenkungsziel der Ausschlagung verfehlt würde (in Rechtsprechung und Literatur strittig; teilweise wird auch hier ein unbeachtlicher Motivirrtum angenommen). Nach Ansicht des OLG käme es vorliegend auf den Meinungsstreit dazu aber nicht an. Sie habe gewusst, dass mit ihrer Ausschlagung die Beteiligten zu 3. und 4. Erben würden, wie sie es auch in ihrer Ausschlagungserklärung angegeben habe. Damit sei dies so von ihr gewollt worden. Sie habe sich lediglich darüber geirrt, dass mit der weiteren, danach vom Beteiligten zu 4. abgegebenen Ausschlagungserklärung der zunächst auf den Beteiligten zu 4. fallende Erbanteil dann nicht auf die Beteiligte zu 3. übergeht, sondern auf den Sohn des Beteiligten zu 4., den Beteiligten zu 2. Einem entsprechenden Irrtum könnte zwar auch der Beteiligte zu 4. Unterlegen sein, der dann seine Ausschlagung hätte anfechten können, was er aber nicht tat. Für die Beteiligte zu 1. Habe es sich jedenfalls nicht um eine unmittelbare Rechtsfolge ihrer Ausschlagungserklärung gehandelt, dass der Beteiligte zu 2. Miterbe wurde, sondern lediglich um eine mittelbare Rechtsfolge. Dies stelle aber keinen beachtlichen Rechtsfolgeirrtum nach § 119 BGB dar, sondern nur einen unbeachtlichen Motivirrtum.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2021 - 21 W 167/20 -

Freitag, 4. Juni 2021

Anwaltliche bei Ehegattentestament und Gebühren (Beratungs- oder Geschäftsgebühr ?)

Die Kläger waren Eheleute und wollten ein Testament aufsetzen. Dazu suchten sie den beklagten Rechtsanwalt auf, von dem sie sich beraten ließen. Dieser entwarf dann ein gemeinschaftliches Testament für die Eheleute, nach dem sich diese wechselseitig als Erben einsetzten. Mit dem Entwurf überließ der Beklagte den Klägern eine Abschlagsrechnung über € 1.808,80, woraufhin die Kläger das Mandat kündigten. Nunmehr rechnete der Kläger endgültig ab und machte eine 1,0fache Geschäftsgebühr gem. § 2 Abs. 2 RVG Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend; als Wert setzte er den Betrag von € 450.000,00 ein.  Den sich daraus ergebenden Betrag von € 3.704,47 zahlten die Beklagten. Danach forderten sie Rückzahlung in Höhe von 3.293,92 und macht geltend, der Beklagte hätte lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG in Höhe von € 250,00 eine Mehrgebühr (Vertretung von zwei Auftraggebern) von 0,3 gem. § 2 Abs. 2 RVG Nr. 1008 VV RVG mit € 75,00 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (insgesamt € 410,55) berechnen dürfen. Das Amtsgericht wies die Klage ab; auf die Berufung wurde dessen Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.

Der BGH verwies darauf, dass das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bei der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit zwischen Beratung und Vertretung des Mandanten unterscheide. Die Beratung richte sich nur an den Mandanten und die Vergütung sei in § 34 RVG geregelt. Bei der Vertretung sie schon sprachlich ein Dritter erforderlich, gegenüber dem die Vertretung erfolge; diese werde mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Ob Beratung oder Vertretung vorliege richte sich nach dem Inhalt des Auftrags.

Die auf die Erstellung eines Entwurfs eines Testaments gerichtete Tätigkeit eines Rechtsanwalts stelle sich als Beratung dar. Es läge weder das betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung an der Gestaltung eines Vertrags iS. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG vor. Beratung und Entwurfs des Testaments beträfen nur den Mandanten, der das Testament errichten wolle. Dies würde auch dann gelten, wenn bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaf zwei aufeinander abgestimmte Testamente erstellt werden sollen.  Alleine die Kenntnis der zwei Mandanten von dem jeweiligen Testament des Anderen reiche für eine nach außen gerichtete Tätigkeit („Vertretung“) nicht aus, da beide zusammen den Auftrag erteilt hätten. Anders als bei einem Erbvertrag würde auch eine Mitwirkung an einem Vertrag iS. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG nicht begründen können, da jeder der Testierenden sein Testament jederzeit widerrufen oder ändern  könne (§ 2302 BGB).

Für ein gemeinschaftliches Testament sei umstritten, ob eine Geschäftsgebühr anfalle und der BGH habe dies bisher offen gelassen. Nunmehr stellte der BGH klar, dass die Mitwirkung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments kein Betreiben eines Geschäfts sei. Sie beträfe nur die Eheleute bzw. Lebenspartner, die das Testament errichten wollen (§§ 2265 Abs. 10 BGB, 10 Abs. 4 LPartG). Der Rechtsanwalt würde hier nicht die Interessen eines Testierenden gegen den jeweils anderen vertreten, da bei Auftraggeber seien, was auch im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ergäbe (§ 43a Abs. 4 BRAO) problematisch wäre.

Es handelt sich dabei auch nicht um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages, selbst wenn das Testament wechselbezügliche Verfügungen (§§ 2270, 2271 BGB) enthalte. Der Vertrag würde durch korrespondierende Willenserklärungen der Vertragspartner nach §§ 145ff BGB geprägt (Angebot und Annahme), demgegenüber das Testament durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung errichtet würde (§ 1937 BGB). Das gemeinschaftliche Testament enthalte einseitige Verfügungen beider Eheleute/Lebenspartner, die durch wechselbezügliche Verfügungen voneinander abhängig gemacht werden könnten. Auch dies stelle einseitige Erklärungen der Eheleute dar.

Nr. 2300 VV RVG könne auch nicht durch erweiternde Auslegung über den in der Vorbemerkung zu der Bestimmung eine zusätzliche Fallgruppe, bezogen auf den Fall des gemeinschaftlichen Testaments, erfolgen. Dies schon deshalb, da auch ohne die erweiternde Auslegung über § 34 RVG eine angemessene Vergütung des Rechtsanwalts erreicht würde, da der Rechtsanwalt eine Gebührenvereinbarung vorschlagen und bei Zustimmung abschließen könne.

BGH, Urteil vom 15.04.2021  - IX ZR 143/20 -