Sonntag, 31. Mai 2020

Verbraucherinsolvenz: Vollstreckungsprivileg bei deliktischen Forderungen


Der Gläubiger beantragte den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem mit dem er Arbeitseinkommen des Schuldners unter Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze nach § 850f Abs. 2 ZPO beantragte. Zum Nachweis einer Forderung aus einer vorsätzlich vom Schuldner begangenen unerlaubten Handlung legte der gläubiger einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle aus dem Verbraucherinsolvenzverfahren des Schuldners vor. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück, ebenso wie das Beschwerdegericht die dagegen eingelegte Beschwerde des Gläubigers. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde erfolgte ein Aufhebung der Vorentscheidungen und Zurückverweisung.

Der BGH hielt unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 04.09.2019 - VII ZB 91/17 -  fest, dass der Gläubiger durch Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle den Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung führen kann, um das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO nutzen zu können, wenn  sich daraus ergibt, dass eine entsprechende Forderung zur Tabelle festgestellt wurde und diese Feststellung nicht vom Schuldner bestritten wurde. Dieser Fall lag vor, da sich aus der Insolvenztabelle die Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung ergab und auch ergab, dass der Schuldner dies nicht bestritten hatte.

§ 850f Abs. 2 ZPO lautet:
„Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.“

BGH, Beschluss vom 11.03.2020 - VII ZB 38/19 -

Dienstag, 19. Mai 2020

Pfändungsschutz auf P-Konto für Corona-Soforthilfe ?


Auf das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) des Schuldners wurde eine von ihm beantragte und bewilligte Corona-Soforthilfe gezahlt. Das Konto war allerdings durch drei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gepfändet, demzufolge das über den nach § 850k ZPO bescheinigten pfandfreien Betrag hinaus die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bedient werden müssten. Der Schuldner beantragte, über den nach § 850k ZPO bescheinigten pfandfreien Betrag auch einmalig € 5.000,00 (aus der Corona-Soforthilfe) gem. §§ 850k Abs. 4 iVm. § 851 ZPO pfandfrei belassen werden. Das Amtsgericht (AG) gab dem Antrag statt.

Das AG begründete seine Entscheidung damit, dass zwar der Gesetzgeber („bisher“) keine Unpfändbarkeit für eine Corona-Soforthilfe geschaffen habe. Allerdings sei gem. § 851 Abs. 1 ZPO eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften zur Pfändung dieser nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar sei. Die Zweckbindung müsse sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableiten lassen (wie es bei Vorschriften zur Gewährung öffentlicher Beihilfen regelmäßig der Falls sei), sondern ließe sich auch aus der Natur des Rechtsverhältnisses und bei öffentlich-rechtlichen Leistungen und aus einschlägigen normersetzenden oder –interpretierenden Verwaltungsvorschriften herleiten (wie das AG aus der Entscheidung des BGH vom 29.10.1969 – I ZR 72/67 – herleiten will, bei der sich der BGH mit § 549 Abs. 1 ZPO und dazu ergangenen innerdienstlichen Anweisungen auseinandersetzte). Danach sei die Corona-Soforthilfe iSv. § 851 ZPO zweckgebunden und damit weder abtretbar noch pfändbar.

Als problematisch sah es das AG an, dass der Betrag bereits auf das P-Konto gezahlt worden sei. Die Verweisungsvorschrift des § 850k Abs. 4 S. 2 ZPO verweise nicht auf § 851 ZPO. Hier meint das Amtsgericht eine teleologische Erweiterung (Extension) vornehmen zu können und so die Grundlagen des § 851 ZPO auch im Rahmen des § 850k Abs. 4 S. 2 ZPO anwenden zu können, weshalb dem Antrag stattgegeben wurde, da die Voraussetzungen nach § 851 ZPO vorlägen.

Die Entscheidung ist nicht überzeugend.

Zweifelhaft ist bereits, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Soforthilfe vorlagen oder der Schuldner evtl. wegen falscher Angaben die Soforthilfe erhielt. Grundlage der Soforthilfe ist nämlich, dass ein Liquiditätsengpass infolge der Corona-Pandemie vorliegt. Dieser Liquiditätsengpass muss aber bereits vorher bestanden haben, wie die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse  aus 2015 dokumentieren und er Umstand, dass der Schuldner mittels des P-Kontos in der Verfügung über Vermögensmasse (auf dem Konto) beschränkt war. Die Entscheidungsgründe des AG lassen hierzu aber keine rechtliche Bewertung zu.

Gegen die Entscheidung spricht die teleologische Extension, bei der es sich um ein Rechtsinstitut zur Ausfüllung von Gesetzeslücken handelt. Hier müsste zunächst festgestellt werden, ob überhaupt eine Gesetzeslücke vorliegt. Bei § 850k handelt es sich um  eine Spezialvorschrift, die abweichend von den sonstigen Pfändungsnormen erreichen will, dass dem Schuldner ohne aufwendiges Verfahren ein Existenzminimum verbleibt (BT-Drs. 16/7615, S. 17f; BGH, Urteil vom 16.07.2013 - XI ZR 260/12 -). Hier hat der Gesetzgeber klar definiert, für welche Leistungen der Pfändungsschutz auf diesem Konto gilt und gerade § 851 ZPO nicht benannt. Da die speziellere Vorschrift der allgemeinen Vorschrift vorgeht (lex spexialis derogat legi generali) verbietet sich hier im Rahmen einer teleologischen Extension die Anwendung des § 851 ZPO entgegen der gesetzgeberischen Vorgabe auf die Vorschrift des § 850k Abs. 4 S. 2 ZPO.

AG Passau, Beschluss vom 07.05.2020 - 4 M 1551/20 -

Sonntag, 17. Mai 2020

Datenschutz: Auswertung von Krankendaten durch Übermittlung an Forschungszentrum


Der Antrag des Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse war auf eine einstweilige Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gerichtet, den Vollzug der durch Art. 1 des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation vom 09.12.2019 in das SGB V eingefügten §§ 68a Abs. 5 und 303a bis 303f außer Kraft zu setzen, hilfsweise § 68a nur mit einem Einwilligungserfordernis und § 303b Abs. 1 nur mit einer Widerspruchsmöglichkeit des gesetzlich Versicherten anzuwenden. Er leide an einer Erbkrankheit und befürchte, trotz Pseudo- und Anonymisierung reidentifiziert werden zu können, sieht auch die Möglichkeit eines Datenmissbrauchs durch Dritte und Unberechtigte. Haupt- und Hilfsantrag wurden zurückgewiesen.

§ 68a Abs. 5 SGB V würde die Krankenkassen ermächtigen, versichertenbezogene Daten ihrer Versicherten pseudonymisiert oder, wenn möglich, auch anonymisiert auszuwerten, um den Versorgungsbedarf im Hinblick auf digitale Innovationen und deren Einfluss auf der Versorgung der gesetzlich Versicherten zu ermitteln und deren möglichen Einfluss auf etwaige positive Versorgungseffekte digitaler Anwendungen zu evaluieren.  Die §§ 303a ff SGB V würden ein Datentransparenzverfahren etablieren, in dem die Daten wie Alter, Geschlecht, Wohnort und bestimmte Gesundheitsdaten an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt und anschließend an ein noch zu etablierendes Forschungszentrum weitergegeben würden. Dabei solle gewährleistet sein, dass die Pseudonyme eindeutig einem bestimmten Versicherten zugeordnet werden können, um darauf basierend beispielsweise medizinische Langzeitstudien oder Längsschnittanalysen durchführen zu können.

Da das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde nicht feststehen würde, der Antrag nicht von vornherein unbegründet erscheine, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Dabei sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen, da ein Aussetzen eines in Kraft getretenen Gesetzes stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bedeute. Entscheidend sei daher, ob die Nachteile für den Antragsteller irreversibel oder nur schwer revidierbar wären. Danach scheide hier eine Aussetzung aus.

Die vorgesehene Datenverarbeitung und –übermittlung sei vor allem wegen der teils sensiblen und in hohem Maße persönlichkeitsrelevanten Charakters der genutzten Daten ein erheblicher Grundrechtseingriff, der durch die Menge der Daten , die erhoben, übermittelt, ausgewertet und anderweitig verarbeitet werden dürften, verstärkt werde. Dieser Nachteil trete aber nicht durch den Vollzug der Normen ein, sondern erst dann, wenn entgegen der gesetzlichen Regelung ein Personenbezug zu bestimmten Versicherten hergestellt würde. Das aber versuche das Gesetz durch Vorkehrungen und prozedurale Sicherungen zu verhindern. Auch die Missbrauchsanfälligkeit größerer Datensammlungen für den unberechtigten Zugriff Dritter bedeute einen, vom Gesetz nicht gebilligten Zwischenschritt, dessen Eintritt  nicht mit hinreichender Sicherheit als unmittelbar bevorstehend angenommen werden könne. Wegen zu Unrecht erhobener und gespeicherter Daten, die sich hierzu bei den berechtigten Stellen befänden, könne auch ein Löschungsantrag gestellt werden, so dass der eingetretene Nachteil nicht irreversibel wäre.

Würde dem Eilantrag stattgegeben, wäre eine Übermittlung der sich ohnehin bei den Krankenkassen befindlichen Daten und deren Auswertung nicht möglich. Zwar könnte, würde die Verfassungsbeschwerde abgewiesen werden, die Übermittlung und Auswertung nachgeholt werden. Aber das Ziel des Gesetzgebers, den Bedarf und die Effekte von digitalen Anwendungen mittels empirischer Datengrundlagen zuverlässig einschätzen zu können, würde erheblich zeitlich aufgeschoben und damit erheblich erschwert.

Damit würden die dem Antragsteller bei Nichtergehen einer einstweiligen Anordnung drohenden Nachteile nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit die Nachteile überwiegen, die bei einem Erlass der Anordnung trotz späterer Erfolglosigkeit einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde einzutreten drohen würden. Angesichts dessen könne auch dem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.

BVerfG, Beschluss vom 19.03.2020 - 1 BvQ 1/20 -

Freitag, 15. Mai 2020

Ehevertrag: Zugewinnausgleich nur unter Ausschluss von Betriebsvermögen einschl. gewillkürten Betriebsvermögens ?


Die Parteien hatten notariell einen Ehevertrag geschlossen. In diesem heißt es, dass es zwischen ihnen „grundsätzlich“ beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verbleiben soll. Für den Fall der Ehescheidung sollte jedoch eine „Modifikation“ dahingehend erfolgen, dass die von dem Ehemann betriebene Steuerberaterkanzlei als auch sonstiges Betriebsvermögen (auch gewillkürtes Betriebsvermögen)  beider Eheleute nicht berücksichtigt werden sollen. Vorgerichtlich erteilte der Antragsteller (AS) im Scheidungsverbundverfahren vorgerichtlich Auskunft zu seinem Endvermögen, ohne Angaben zu Aktiva und Passiva der Steuerberaterkanzlei zu machen. Die Antragsgegnerin (AG) forderte im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens vom Antragssteller zur Steuerberaterkanzlei Auskünfte, da sie die Regelung im Ehevertrag für unwirksam ansah. Das Amtsgericht hat mit Teilbeschluss den Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen. In Ansehung der von ihr dagegen eingelegten Beschwerde erließ das OLG einen Beschluss, mit dem es die Antragsgegnerin darauf hinwies, dass die Zurückweisung ihrer Beschwerde beabsichtigt sei.

Der Auskunstanspruch der AG zum Endvermögen des AS könne sich nur aus § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB herleiten lassen. Diesen Anspruch der AG habe aber der AS erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Das Betriebsvermögen des AS sei mit dem notariellen Ehevertrag wirksam vom Zugewinnausgleich ausgenommen worden. Der Vertrag halte einer Wirksamkeits- und einer Ausübungskontrolle gem. § 138 BGB bzw. § 242 BGB stand (vgl. BGH, Beschluss vom 17.07.2013 - XII ZB 143/12 -).

Auch „allgemeinrechtliche Überlegungen“ der AG würden hier nicht zur Unwirksamkeit führen. Zwar könne der AS durch Veränderungen auf der Passivseite die Relation zwischen Betriebs- und Privatvermögen (mit Wirkung auch für den Zugewinnausgleich) verändern. Wenn der AS bestimte Fahrzeuge zu seinem gewillkürten Betriebsvermögen zähle, weshalb sie nicht in der Auflistung zu seinem privaten Endvermögen erscheinen, hätte er sich die Regelung aus dem Notarvertrag zur Herausnahme des Betriebsvermögens zulässigerweise zu Nutze gemacht, nach dem auch gewillkürtes Betriebsvermögen als Betriebsvermögen gelten soll. Steuerrechtlich läge gewillkürtes Betriebsvermögen vor, wenn das gemischt genutzte Wirtschaftsgut zumindest zu 10% betrieblich genutzt werde (BFH, Urteil vom 02.10.2003 - IV R 13/03 -). Die Nutzbarmachung einer zulässigen Klausel in dem Vertrag führe außerhalb des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts, also insbesondere bei Regelungen zum Zugewinnausgleich, weder zur Unwirksamkeit des Vertrages noch zu einer Abänderbarkeit. Die Eheleute hätten ohne weiteres auch den Zugewinnausgleich insgesamt ausschließen können.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.01.2020 - 8 UF 115/19 -

Insolvenz: Keine anfechtbare Rückgewähr eines über einen Gesellschafter von einem Dritten erbrachten Darlehens


Der Beklagte gewährte den Eheleuten V. ein Darlehen, welches von diesen nebst Zinsen bis zum 29.02.2012 bzw. 31.03.2012 zurückgezahlt werden sollte. Vereinbarungsgemäß und wurde (durch direkte Zahlung des Beklagten) das Darlehen der Autohaus P.V. GmbH (Schuldnerin), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer V. war, zur Beseitigung einer Liquiditätslücke zur Verfügung gestellt werden. Am 27.02.2012 zahlte die Schuldnerin einen Teilbetrag an den Beklagten zurück. Am 30.03.2012 vereinbarten der Beklagte und V. eine Verlängerung des Darlehens bis zum 30.09.2012; die Rückzahlung erfolgte am 05.10.2012.  Am 19.07.2013 beantragte V. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Der Insolvenzverwalter verlangte die Rückzahlung des am 05.10.2012 gezahlten Betrages. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Auf die Revision des Beklagten wurde die Klage abgewiesen.

Anfechtbar nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines nachrangigen Darlehens iSv. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Befriedigung gewährt habe, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag (wie hier) oder danach vorgenommen worden sei. Allerdings unterlägen dem Nachrang nur Ansprüche auf Rückgewähr, die von einem Gesellschafter gewährt wurden, der einer Gesellschaft iSv. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO angehöre und nicht dem Kleinbeteiligungsprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO unterfalle. Dritte, die der Gesellschaft nicht als Gesellschafter angehören, würden dem Nachrang nur unterworfen, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichstehen würden. So könne sich der Gesellschafter seiner Verantwortung nicht durch Zwischenschaltung anderer Gesellschaften entziehen (BGH, Urteil vom 15.11.2018 - IX ZR 39/18 -).

Diese Voraussetzungen sah der BGH, anders als die Vorinstanzen, als nicht erfüllt an. Mit Ausnahme des Darlehensvertrages zwischen den Eheleuten V. und dem Beklagten würden keine rechtliche Verbindungen zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin als Darlehensnehmerin einerseits, dem Beklagten und den Eheleuten V. als Darlehensgeber andererseits bestehen. Der Beklagte habe auch keinen Einfluss auf Entschließungen der Schuldnerin gehabt. Eine Umgehung von Anfechtungstatbeständen könne auch nicht den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnen. Dieser sei nur bei den im Gesetz benannten Voraussetzungen gegeben. Zudem läge keine Umgehung vor. Selbst wenn der Beklagte den Darlehensvertrag unmitellbar mit der Schuldnerin geschlossen hätte, wäre die Rückzahlung nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO  anfechtbar gewesen, da der Beklagte nicht Gesellschafter der Schuldnerin gewesen wäre und auch einem solchen nicht gleichgestanden hätte.

Weitere vom klagenden Insolvenzverwalter benannte Anfechtungsgründe wurden vom BGH auch verneint.

BGH, Urteil vom 27.02.2020 - IX ZR 337/18 -

Dienstag, 12. Mai 2020

Power Plate: Medizinische Sportuntauglichkeit begründet keinen Kündigungsgrund


Die Klägerin betrieb ein Power Plate Studio.  Die Beklagte war Nutzerin mit einem mit einem Vertrag über eine Festlaufzeit von 12 Monaten. Die Parteien stritten um die Pflicht zur Weiterzahlung des vereinbarten monatlichen Entgelts, da die Beklagte eine gesundheitliche Sportuntauglichkeit behauptete.

Das Amtsgericht gab der Klage (mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderung) statt.

Ob hier die Beklagte, wie von ihr behauptet, gekündigt habe, hielt das Amtsgericht für unwahrscheinlich. Ohne Kündigung wäre aber jedenfalls das Entgelt zu zahlen. Aber auch für den Fall einer (fristlosen) Kündigung durch die Beklagte wäre der Klage nach Annahme des Amtsgerichts stattzugeben gewesen.  

Eine vorzeitige Kündigung sei der Beklagten nur aus wichtigem Grund möglich, was voraussetze, dass dem Kündigenden ein Zuwarten bis zum ordentlichen Vertragsende unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin nicht zumutbar sei(arg § 314 BGB). Grundsätzlich läge die persönliche Nutzbarkeit der Einrichtung im Risikobereich des Nutzers.

Vorliegend habe die Beklagte ohnehin nicht dargelegt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen die Einrichtung nicht nutzen könnte. Nach dem Attest sei sie lediglich „nicht mehr in der Lage an jeglichen Sportarten teilzunehmen“. Die Nutzung von Power Plate stelle aber weder Sport noch die Teilnahme an einer Sportart dar. Es handele sich um eine Vibrationsbehandlung, die physiologischen Nutzen gerade unter Vermeidung von Sport erbringen soll. Da diese auch nach dem Attest nicht ausgeschlossen war, nahm das Amtsgericht auch unter diesem Hintergrund keinen Kündigungsgrund an.

AG Brühl, Urteil vom 05.05.2020 - 20 C 213/19 -

Montag, 11. Mai 2020

Sondernutzungserlaubnis versus Anspruch auf freie Sicht auf das Schaufenster


Die Beschwerdeführerin (BF) betreibt ein Ladengeschäft. Vor diesem wurde ein Stand aufgestellt, an dem Eis verkauft wird. An diesem sollen zwei Sonnenschirme so platziert sein, dass dadurch die Sicht auf das Schaufenster des Ladengeschäfts von der Straße (einer Fußgängerzone) aus teilweise behindert ist. Das Verwaltungsgericht hatte einen Antrag auf einstweilige Anordnung, mit dem die BF die Beseitigung der Schirme geltend machte, als unzulässig abgewiesen. Ihre Beschwerde wurde vom OVG Lüneburg zurückgewiesen.

Zutreffend habe das VG einen Anspruch der BF auf ein Einschreiten der Antragsgegner nach § 22 NStrG verneint. § 22 NStG lautet:

„Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen. Sind solche Anordnungen nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend, so kann sie den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen.“

Danach kann bei Nutzung der Straße ohne die erforderliche Erlaubnis oder entgegen einer Erlaubnis die zuständige Behörde (hier die Antragsgegnerin) die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung bzw. Erfüllung der Auflagen anordnen.

Das OVG schließt sich aus, dass tatsächlich die Art der Nutzung in Form der Anbringung der Sonnenschirme mit zwei Seitenplanen nicht der erteilten Sondernutzungserlaubnis der Antragsgegnerin entspräche. Darauf kam es allerdings nach Auffassung des OVG nicht an. Die Entscheidung über das Ob eines Einschreitens und des Wie stünde im Ermessen der Behörde. Eine Pflicht zum Einschreiten setze eine Ermessensreduzierung auf Null voraus und weiterhin, wenn das Einschreiten wie hier von einem Dritten begehrt würde, dessen Anspruch auf ein behördliches Einschreiten. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Zwar könne die BF eine angemessene Anbindung an die Straße verlangen und, als Nutzerin eines gewerblich genutzten Grundstücks, auch einen „Kontakt nach außen“. Der „Kontakt nach außen“ bedeute aber nicht eine optimale Nutzungsmöglichkeit oder die Beibehaltung eines Lagevorteils. Daher könne nicht verlangt werden, dass die Schaufensterfront uneingeschränkt betrachtet werden könne. Nachteile in Bezug auf die Sichtbarkeit müssten in Kauf genommen werden, wenn nicht der „Kontakt nach außen“ vollkommen unterbunden würde. Die BF könne auch im Bereich der Fußgängerzone nicht fordern, dass die Straße im Bereich ihres Grundstücks frei von Nutzungen bleibe, die die Sicht auf die Schaufensterfront ihres im Erdgeschoß befindlichen Schuhgeschäfts beeinträchtigen könnten. Hier sei die Sicht nur teilweise behindert. Die Seitenplanen der Sonnenschirme würden sich für Fußgänger, die sich aus nördlicher Richtung nähern, würden nicht sichtbehindernd auswirken. Damit sei nicht zu erkennen, dass der „Kontakt nach außen“ unzumutbar beeinträchtigt sei. Auch liege keine Verletzung des in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor, da dieses keinen Anspruch auf diejenigen Nutzungsmöglichkeiten gewähre, die dem Gewerbetreibenden den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspreche (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 -).

Die BF könne sich auch nicht auf die nachbarschützenden Granzabstandsvorschriften berufen. Unabhängig davon, dass hier nach Ansicht des OVG der Grenzabstand eingehalten sein, könne dies von der BF auch hier nicht geltend gemacht werden. Zu berücksichtigen sei, dass für ein Einschreiten der Behörde grundsätzlich straßenbezogene Belange zu berücksichtigen seien, zu denen die Grenzabstandsbestimmungen der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) nicht gehören würden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.08.2006 - 11 A 2642/04 - zur nordrhein-westfälischen Bauordnung).

OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.05.2020  - 7 ME 37/20 -

Freitag, 8. Mai 2020

Sachverständigenvergütung: Unwirksame Klausel zur erfüllungshalber erfolgten Abtretung


Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ließ von dem Sachverständigen B. (SV) ein Schadensgutachten für sein Fahrzeug erstellen. In dem vom SV dem Geschädigten vorgelegten und von diesem unterschriebenen Formular heißt es u.a. unter der Überschrift „Zahlungsanweisung und Abtretung (erfüllungshalber)“:

„Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des … Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des beteiligten Fahrzeugs an das Sachverständigenbüro ab.
Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen den Anspruchsgegner durchzusetzen.“

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Sachverständige diese Forderung zum Zwecke der Einziehung weiter abtritt. Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

Der SV erstellte eine Rechnung, auf die vorgerichtlich von der Beklagten nur ein Teil gezahlt wurde. Die Klage war teilweise beim Amtsgericht erfolgreich, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob er BGH das Urteil auf und wies die Klage ab. Der BGH sah in den Regelungen in dem Auftragsformular einen zur Unwirksamkeit der Regelungen führenden Verstoß gegen § 307 Abs. 1BGB.

Eine Klausel stelle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie nicht klar und verständlich sei. Der Vertragspartner müsse ohne fremde Hilfe in der Lage sein, seine Rechte und Pflichten feststellen zu können. Dem entspräche die hier verwandte Klausel nicht. Für den durchschnittlichen Auftraggeber (hier den Unfallgeschädigten) sei nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurück erhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe.  Nach der Formulierung in den letzten zwei Sätzen kämen drei Varianten in Betracht sowie ggf. eine Vorleistungspflicht:  

1.     bereits bei Zahlungsanforderung durch den SV
2.     mit der Zahlung des Auftraggebers
3.     nach der Zahlung des Auftraggebers


Es könne nicht erwogen werden, dem Auftraggeber würde ein Zurückbehaltungsrecht zustehen wenn der SV nicht in der Lage sei, den Schadensersatzanspruch in Höhe der Inanspruchnahme des Auftraggebers zurückabzutreten. Denn diese Zug-um-Zug-Leistung könnten erst Ergebnis interessensbezogener Erwägungen sein, die so von einem durchschnittlichen Auftraggeber nicht erwartet werden könnten. Damit sei aber die Klausel intransparent zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die erfüllungshalber abgetretene Forderung (teilweise) zurückerhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe und dies stünde im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abtretung selbst und führe daher nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (BGH, Urteil vom 17.07.2018 -VI ZR 274/17 -).

Zur Thematik siehe auch
BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -
BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

BGH, Urteil vom 18.02.2020 - VI ZR 135/19 -

Mittwoch, 6. Mai 2020

Vermieter kann auch bei Option zur Umsatzsteuer Verbraucher sein (hier: Verbraucherdarlehen)


Die Parteien hatten Ende Januar 2007 einen Darlehensvertrag „für private Zwecke und für Existenzgründung“ geschlossen. Die Mittel waren zum Kauf und zur Sanierung einer Immobilie bestimmt. Wegen der (beabsichtigten) Mieteinnahmen optierte der Kläger zur Umsatzsteuer. Der Darlehensvertrag wurde vorzeitig zum 30.12.2013 beendet. Dr Kläger leistete an die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung. Mit Schreiben vom 21.03.2016 widerrief der Kläger seine auf Abschluss eines Darlehensvertrages (vom Januar 2007) gerichtete Willenserklärung und forderte sodann die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurück. Die Klage war (im Wesentlichen) in den zwei ersten Instanzen erfolgreich. Der BGH hob auf die Revision der Beklagten das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Das OLG hatte darauf abgestellt, der Kläger sei Verbraucher, weshalb ihm ein Widerrufsrecht zugestanden hätte. Das Widerrufsrecht sie auch nicht verwirkt.

Der BGH bestätigte, dass der Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht Unternehmer iSv. § 14 BGB, sondern Verbraucher iSv. § 13 BGB gewesen sei. Verbraucher sei derjenige, der ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließe, welches weder seiner gewerblichen noch beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Die Verwaltung eigenen Vermögens stelle keine gewerbliche Tätigkeit dar. Der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehöre auch zur Verwaltung eigenen Vermögens. Dabei könne die Aufnahme von Fremdmitteln bei Immobilienerwerb der ordnungsgemäßen Verwaltung zugeordnet werden. Ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung sei der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Wenn diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordern würden (was bei Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation der Fall sei), so sei von einer gewerblichen Betätigung iSv. § 14 BGB auszugehen, und zwar unabhängig von der Höhe des Vermögens.

Soweit in diesem Zusammenhang das Landgericht aus dem Umstand, dass der Kläger mit dem Mietobjekt zur Umsatzsteuer optierte, nicht als Kriterium für die Entscheidung zur Unterscheidung zwischen privater Vermögensverwaltung und unternehmerischer Tätigkeit ansah, wurde dies vom BGH als zutreffend angesehen. Dies habe auch nicht erkennen lassen, dass der Kläger ggf. den Darlehensvertrag als nach § 507 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung als „privilegierter Existenzgründer“ (und damit Unternehmer iSv. § 14 BGB) geschlossen habe. Der im Umsatzsteuerrecht verwandte Unternehmerbegriff nach § 2 UStG, der Grundlage des Umsatzsteuerrechts sei,  sei autonom und ohne Rückgriff auf Definitionen in anderen Rechtsvorschriften auszulegen. Der BFH habe entscheiden, dass der Unternehmerbegriff des § 2 UStG auch die Vermietung und Verpachtung im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung erfasse (BFHE 167, 215, 217; BFHE 223, 487, 489). Zu §§ 13 und 14 BGB sei seit langem anerkannt, dass die Vermietung und Verpachtung der privaten Vermögensverwaltung diene, erfordere diese keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb, weshalb alleine der Umstand, dass er auf der Grundlage des Unternehmerbegriffs des Umsatzsteuerrechts für die Umsätze aus Vermietung und Verpachtung nach §§ 2 Abs. 1, 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. 1 und 9 Abs. 1 UStG von Fall zu Fall zur Umsatzsteuer optiere.

Damit habe der Kläger auch ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB.

BGH, Urteil vom 03.03.2020 - XI ZR 461/18 -

Dienstag, 5. Mai 2020

Zum Widerruf des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote im gemeinsamen Erbschein


Der Erblasser war der Ehemann der Beteiligten zu 1. (seiner 2. Ehefrau) und der Beteiligten zu 2. und 3. (seiner Töchter aus 1. Ehe). In gemeinsamer notarieller Urkunde beantragten die Beteiligten einen gemeinschaftlichen Erbschein als gesetzliche Erben und verzichteten ausdrücklich auf die Aufführung der Erbteile im Testament gem. „§ 325a Abs. 2 S. 2 FamFG“. Am 29.09.2016 wurde der Erbschein erlassen. Gegen diesen wandte sich die Beteiligte zu 1. Mit Schreiben vom 21.11.2016 und erklärte den Erbschein „zurückzurufen“. Das Nachlassgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Einer eingelegten Beschwerde half es nicht ab; das Beschwerdegericht wies die Beschwerde zurück.

Wenn die Erklärung, den „Erbschein zurückzurufen“ als Rücknahme des Antrags zu verstehen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Der Antrag sei sowohl von der Beschwerdeführerin als auch den Beteiligten zu 2. und 3. am 09.09.2016 wirksam beantragt worden. Die Beteiligte zu 1. könne diesen nicht wirksam zurücknehmen.

Auch könne die Beteiligte zu 1. nicht eine Unrichtigkeit des Erbscheins deshalb geltend machen, da in ihm keine Erbquoten angegeben wurden. Dies sei gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG nicht erforderlich, wenn  - wie hier -  alle Antragsteller in dem Antrag darauf verzichten würden. Auch soweit in der Urkunde auf eine nicht existente Norm des § 325a Abs. 2 S. 2 FamFG verwiesen worden sei, sei dies unschädlich; das Notariat habe hier glaubhaft ein Schreibversehen dargelegt.

Wollte man überhaupt von der Möglichkeit eines Widerrufs des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote ausgehen, so sei dies im Übrigen allenfalls bis zum Erlass des Erbscheins möglich.

OLG München, Beschluss vom 10.04.2020 - 321 Wx 354/17 -

Sonntag, 3. Mai 2020

Pferdepensionsvertrag: Kündigungsfristen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)


Die Parteien stritten um weitere monatliche Vergütung, nachdem die Beklagte den Pferdepensionsvertrag gekündigt hatte. In diesem Zusammenhang setzte sich der BGH in Ansehung der Entscheidung des Berufungsgerichts mit dessen Ansicht zur Rechtsnatur eines derartigen Vertrag auseinander (und ließ dies im Ergebnis als nicht entscheidungserheblich offen) und entscheid die Frage, ob eine in dem AGB-Vertrag vorgesehene Klausel zur Kündigungsfist von drei Monaten der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält.

Der BGH stufte den Vertrag als typengemischten Vertrag ein. Ein solcher würde aber ein einheitliches Ganzes darstellen, weshalb der Vertrag dem Recht zu unterstellen sei, welches den Schwerpunkt bilde. Das würde aber nicht bedeuten, dass nicht auch Bestimmungen aus dem Vertragsrecht angewandt werden könnten, bei dem der Schwerpunkt des Vertrages zwar nicht liege, aber anders die Eigenart des Vertrages nicht richtig gewürdigt werden könne (BGH, Urteil vom 02.10.2019 - XII ZR 8/19 -).

Das Berufungsgericht hatte den Schwerpunkt bei einem Verwahrungsvertrag gem. § 668 BGB gesehen. Der Schwerpunkt des Vertrages müsse im Bereich der Verwahrung, nicht in den Bereichen Dienstvertragsrecht und Mietvertragsrecht angenommen werden. So habe sich der Kläger dem beklagten Einsteller gegenüber verpflichtet, dem Einsteller die Reithalle sowie die zugänglichen Bereiche im Bereich des Aktivlaufstalls, sich aber nicht verpflichtet, das Pferd zu reiten oder zu führen, weshalb nicht Dienstvertragsrecht gem. §§ 611ff BGB angenommen werden könne. Der Kläger habe dem Einsteller auch keine individuelle Pferdebox zugewiesen, weshalb mietvertragsrecht ausscheide. Demgegenüber habe er aber für den Verwahrvertrag typusbildende Obhuts- und Fürsorgepflichten übernommen, wie das Ausmisten, die Fütterung und die Gesundheitskontrolle für das eingestellte Pferd.

Der BGH hatte bisher diese Frage nicht beantwortet und ließ sie auch hier ausdrücklich offen. Nach seiner Auffassung käme es bei der Frage, ob die Kündigungsfrist von drei Monaten wirksam sei, darauf nicht an.

Eine Unangemessenheit der Kündigungsfrist könnte nach § 307 BGB Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen, wenn sie den Vertragspartner (hier Einsteller) entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige.

In diesem Zusammenhang prüfte der BGH, ob sich diese Unangemessenheit aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ableiten ließe, wonach eine Bestimmung mit im Zweifel wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist. Eine derartige Unangemessenheit folge nicht aus § 695 S. 1 BGB. Dies gelte unabhängig davon, ob nach der Vorschrift der Hinterleger die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern könne, auch wenn eine Zeit bestimmt sei und der Vorschrift, wie das Berufungsgericht meint, eine Leitfunktion für den Verwahrungsvertrag zukommen sollte. Zwar enthalte der Einstellvertrag hier keine ausdrückliche Regelung, dass der Einsteller sein  Pferd vor Ablauf der Vertragslaufzeit jederzeit wieder an sich nehmen könne. Alleine die Vereinbarung einer Kündigungsfrist sei (auch in einem formularmäßigen Pferdeeinstellvertrag – eindeutig dahingehend auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass die Kündigungsfrist nur den Vergütungsanspruch des Verwahrers beträfe, nicht aber den Herausgabeanspruch des Hinterlegers (Einstellers). Dafür spräche hier auch § 4 des Vertrages, wonach die Vergütung auch bei Abwesenheit des Pferdes zu zahlen sei.  Mithin läge eine Abweichung von einem auf § 695 S. 1 BGB beruhenden Leitbild nicht vor.

Abzugrenzen sei dies von der Frage, ob derartige Abreden mit denen sich der Einsteller zur Zahlung auch nach Rücknahme der Sache verpflichte, mit dem Wesen des Verwahrungsrechts vereinbar sind. Allerdings zeige § 699 Abs. 2 BGB, dass das Verwahrungsrecht für derartige Vergütungsabreden offen sei. Es könne vereinbart werden, dass bei vorzeitiger Beendigung der Aufbewahrung der Vergütungsanspruch des Verwahrers nicht geschmälert werden soll, und zwar sowohl im Rahmen einer Individualvereinbarung als auch durch AGB (BGH, Urteil vom 02.10.2019 aaO.).

Eine Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB käme auch in Betracht, wenn der AGB-Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für seine Interessen missbraucht, ohne von vornherein die Interessen seines Vertragspartners zu berücksichtigen. Damit sei das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung mit dem Interesse seines Vertragspartners am Wegfall der Klausel und Ersetzung durch die maßgebliche gesetzliche Regelung abzuwägen. Aber auch hier sei, ginge man mit dem Berufungsgericht von einem Verwahrungsvertrag aus, die Vereinbarung einer dreimonatigen Kündigungsfrist (noch) nicht zu beanstanden. Zwar würde der Einsteller bei sofortiger Rückforderung des Pferdes noch für eine gewisse Zeit belastet. Allerdings würd (mit Ausnahme im Fall einer fristlosen Kündigung) die Kündigungsfrist für beide Vertragsparteien gelten mit der Folge, dass sie auch vom Verwahrer eingehalten werden müsse und er nicht jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen könne. Da das Verwahrungsrecht keine gesetzliche Regelung zur Kündigung von Verträgen mit unbestimmter Laufzeit enthalte, biete sich für ein mögliches Leitbild  die Reglung des § 473 HGB zum Lagervertrag an. Danach kann bei einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden.  Diese Frist sei eine Mindestkündigungsfrist, weshalb am Maßstab des § 307 BGB orientiert eine maßvolle Überschreitung hingenommen werden könne, solange angenommen werden könne, dass diese Frist auch für den Einsteller zum Zwecke der Suche nach einem neuen Einstellplatz von Nutzen sein kann. Die Dreimonatsfrist sei dem Lagergeschäft nicht völlig fremd sei (sie habe bis zum 30.06.1998 der Mindestlagerfrist des § 422 Abs. 1 S. 1 HGB entsprochen und wurde nach der Gesetzesbegründung diese Frist für das moderne Lagergeschäft nicht mehr für zweckmäßig gehalten).  

Es dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Interessen des Einstellers in vielerlei Hinsicht denen eines Mieters gleichen, da er regelmäßig nicht in der Lage sei, das Tier ohne weiteres wieder in die eigene Obhut zu nehmen und sich wünsche, jederzeit bei Fortbestand des Obhutsverhältnisses an einem festen Ort zurückgreifen zu können. Orientiert an die Kündigungsfristen für Mitverhältnisse gem. § 580a BGB (Mietverhältnisse über andere Sachen als Wohnraum) würde die Überschreitung der Kündigungsfrist sich noch im Rahmen dessen halten, was als angemessener Interessensausgleich der Vertragsparteien angesehen werden könne, selbst wenn, wie das Berufungsgericht annimmt, die mietrechtlichen Elemente durch das Verwahrungsrecht dominiert würden.

Nach Ansicht des BGH verstößt daher die hier vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB.

BGH, Urteil vom 12.02.2020 – XII ZR 6/19 -