Mittwoch, 22. Dezember 2021

Auswechseln der Mieter bei Vermietung an eine Wohngemeinschaft

Die Beklagte hatte als Vermieterin eine 241 m“ große Wohnung an die Kläger als Mieter vermietet, die dort nach ihrer Kenntnis eine Wohngemeinschaft bilden wollten. Vier der sieben Mieter wohnten nicht mehr dort, sondern hatten ihre Zimmer untervermietet. Die Kläger begehrten, dass im Rahmen einer entsprechenden Änderung des Mietvertrages die ausgezogenen Hauptmieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden können und die Untermieter an ihrer Stelle in dieses eintreten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hin änderte das Landgericht das Urteil ab und wies die Klage ab.

Das Landgericht setzte sich mit den dazu vertretenen Ansichten auseinander.

Die Einen sehen die Mieter als eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts als Wohngemeinschaft (WG) zum Betrieb einer gemeinsamen Wohnung, der zufolge ein Anspruch auf Zustimmung zum Auswechseln bestünde, wenn (wie hier) de, Vermieter bei Vermietung der Zweck bekannt sei. Dies nicht nur in Fällen, in denen ausdrücklich von den Mietern vor Vertragsabschluss formuliert worden sei, dass ein Bedürfnis für die eine Aufnahme weiterer oder neuer WG-Mitglieder bestünde, ferner für den Fall, dass der Vermieter in der Vergangenheit einem Auswechseln zugestimmt habe und auch in dem Fall, dass junge  Studenten oder sonstige Personen, die nicht verwandt wären oder in Lebensgemeinschaften leben würden, einen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen hätten.

Die Gegenmeinung schließe einen Rechtsanspruch gegen den Vermieter aus. Die Mieter einer WG  seien danach auf das Recht zur anteiligen Untervermietung nach § 553 BGB beschränkt, wenn der Mietvertrag ein Auswechseln nicht vorsehen würde.

Das Landgericht folgt der Gegenmeinung. Es verweist auf die Vertragsautonomie des Vermieters, demzufolge es ihm auch dann nicht zumutbar sei, einem Auswechseln zuzustimmen, selbst wenn er bei Vertragsabschluss wissen würde, dass die Mieter eine WG betreiben wollen und ein Interesse dran haben, bei Auszug einzelner WG-Mitglieder an ihrer Stele neue aufzunehmen. Dies begründet das Landgericht damit, dass ein solcher Anspruch darauf hinauslaufen könnte, dass der Vermieter eine solche Wohnung ein für alle Mal als WG-Wohnung gewidmet hätte und dauerhaft an den Mietvertrag gebunden bliebe, da die jeweiligen WG-Mitglieder den Mietvertrag an immer neue Generationen von WG-Mitgliedern übertragen könnten, ohne dass der Vermieter den Vertrag irgendwann einmal kündigen oder davon ausgehen könnte, dass das Mietverhältnis – etwa durch Auszug oder Tod des Mieters – einmal enden werde. Vorliegend würde dies dadurch deutlich, dass von den ursprünglichen sieben Mietern bereits anlässlich einer Nachtragsvereinbarung sechs ausgeschieden und ersetzt worden seien und nun auch der siebte ursprüngliche Mieterausgewechselt werden soll.

Unter Berücksichtigung der Interessen der Mieter wies das Landgericht darauf hin, dass diese durch die mögliche Untervermietung gewahrt würden, wozu es nicht zwingen deiner Änderung des Hautmietvertrages bedürfe. Der Aufwand, der z.B. darin bestünde, dass im Außenverhältnis die die ausgezogenen WG-Mitglieder gegenüber dem Vermieter berechtigt und verpflichtet blieben, sei zumutbar, zumal der Vermieter mit steigender Anzahl der Untermieter wegen eines nach Ansicht des Gerichts damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwandes in der Praxis häufig der Vermieter damit einverstanden erklären würde, die neue Zusammensetzung der WG doch im Hauptmietvertrag nachzuvollziehen. Erkläre er sich damit allerdings nicht einverstanden, würde zwar das letzte von der ursprünglichen WG in der Wohnung verbliebene Mitglied nicht mehr untervermieten können (da damit eine vollständige Gebrauchsüberlassung an Dritte vorläge. Hier bliebe den Mietern nach § 540 Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses, was aber den bei Vertragsbeginn absehbaren gegenseitigen Interessen am ehesten gerecht würde.

Vorliegend sei der Austausch der WG-Mitglieder im Mitvertrag nicht vorgesehen. Es gäbe auch mit dem zweimaligen Austausch keine langjährige Übung, die einen Anspruch begründen könnte. Bei dem ersten Austausch wurde ein WG-Mitglied mehr aufgenommen, wodurch die Anzahl der WG-Mieter von bis dahin sechs Mietern auf sieben erhöht wurde und zugleich ein neuer Mietzins durch Erhöhung desselben vereinbart; bei dem zweiten Mal im Rahmen eines Austauschs sei zwar nicht Weiteres vereinbart worden, doch würde sich auch daraus keine langjährige Übung ergeben.

Wohnung anmieten, zum Zwecke des Austauschs einzelner WG-Mitglieder gegen den Vermieter ein Anspruch auf entsprechende Änderung des Mietvertrags zusteht.

Das Landgericht ließ die Revision zu. Die Revision wurde zu BGH VIII ZR 304/21 eingelegt.

LG Berlin, Urteil vom 18.08.2021 - 64 S 261/20 -

Freitag, 17. Dezember 2021

Unzulässige Verwerfung der Beschwerde und Sachentscheidung durch Beschwerdegericht

Der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 1.) besaß eine Vorsorgevollmacht, auf Grund der er für sie tätig werden konnte. Auf Initiative von Nachbarn der Betroffenen, die diese häufiger orientierungslos und hilfsbedürftig im Haus und dessen Umgebung angetroffen wurde, wurde das Betreuungsverfahren eingeleitet, und das Amtsgericht als Betreuungsgericht hatte nach Anhörung der Betroffenen und ihres Sohnes und der Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Kontrollbetreuung in der Person des Beteiligten zu 2.  angeordnet (§ 281 FamFG iVm. § 1896 Abs. 3 BGB).   

Das Landgericht wies die Beschwerde der Betroffenen zurück und verwarf die Beschwerde ihres Sohnes wegen mangelnder Beschwerdebefugnis. Die dagegen von der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde blieb erfolgslos; allerdings wurde die Rechtsbeschwerde des Sohnes nicht wegen mangelnder Beschwerdebefugnis sondern in der Sache abgewiesen.

In der Sache wurde gerügt, dass der amtsgerichtliche Anhörungsvermerk (der Betroffenen) unvollständig sei. Nachdem die fehlende Seite überlassen wurde, wurde diese Rüge nicht weiter aufrechterhalten. Soweit gerügt wurde, dass es für die Betroffene eines Verfahrenspflegers bedurft hätte, sah dies der BGH anders: Weder sähe das Gesetz bei der angeordneten Kontrollbetreuung einen Regelfall der Beiordnung eines Verfahrenspflegers vor, § 276 Abs. 1  S. 2 Nr. 1 und 2 FamFG, noch sei dies gem. § 276 Abs. 1 S. 1 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erforderlich gewesen, da die Kontrollbetreuung keine Befugnis enthalte, die Vorsorgevollmacht zu widerrufen (BGH, Beschluss vom 28.07.2015 - XII ZB 674/14 -).  

Allerdings sei die Rüge, die Beschwerde des Sohnes zu verwerfen, gerechtfertigt (auch wenn dessen Beschwerde aus den obigen Gründen auch keinen Erfolg hatte). Seine Beschwerdebefugnis ergäbe sich bereits aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Abkömmling der Betroffenen, zumal er auch am erstinstanzlichen Betreuungsverfahren beteiligt gewesen sei (BGH, Beschluss vom 17.03.2021 - XII ZB 169/19 -). Zwar habe nicht der Sohn die Rechtsbeschwerde eingelegt, doch könne sich auch die Betroffene auf diesen Verfahrensfehler berufen. Da den Angehörigen und Vertrauenspersonen nach dem Beschwerderecht ausdrücklich im Interesse des Betroffenen eingeräumt sei, sei die Betroffene durch die Verwerfung der Beschwerde des Sohnes materiell beschwert, zumal über die in ihrem Interesse eingelegte Beschwerde nicht materiell entschieden worden sei (BGH, Beschluss vom 14.10.2020 - XII ZB 235/20 -).  

Verwerfe das Beschwerdegericht eine Beschwerde unzulässig, könne grundsätzlich in der Rechtsbeschwerde über diese nicht entschieden werden (was zur Zurückverweisung führen müsste). Ausnahmsweise sei aber das Rechtsbeschwerdegericht zu einer Sachentscheidung befugt, wenn dem angefochtenen Beschluss eine für die abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende tatsächliche Grundlage dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen sei und für den Fall einer Zurückverweisung an das Beschwerdegericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts ein anders Ergebnis als das vom Rechtsbeschwerdegericht für richtig erachtete nicht möglich erscheine (BGH, Beschluss vom 04.09.2013 - XII ZB 97/12 -).

Da vorliegend das Beschwerdegericht das einheitlich gehaltene Vorbringen der Betroffenen und ihres Sohnes vollumfänglich gewürdigt habe und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, habe es seine Entscheidungsgrundlage nicht verkürzt. Das Landgericht als Beschwerdegericht habe ausführlich und richtig begründet, weshalb eine Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB erforderlich sei, da der Sohn der Betroffenen die Interessen der Betroffenen nicht hinreichend wahrnehme (BGH, Beschluss vom 05.06.2019 - XII ZB 59/19 -).

BGH, Beschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 436/20 -

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Verharmlosung von Vorschäden in der Kaskoversicherung und Leistungsfreiheit nach § 28 VVG

Der Kläger nahm die beklagte Kaskoversicherung nach einem Unfall vom 02.12.2018 in Anspruch. Das Fahrzeug hatte einen Vorschaden vom 28.03.2018, von dem die ganze rechte Fahrzeugseite betroffen gewesen war, die nun auch im Rahmen des Unfalls betroffen sei, aus dem heraus der Kläger die Versicherung in Anspruch nahm. Der Kläger behauptete, ihm seien Vorschäden nicht bekannt gewesen, er habe den Wagen als Gebrauchtwagen erworben.

Das OLG wies darauf hin, dass bei Vorschäden in dem erneut beschädigten Bereich und bei bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens vom Geschädigten ausgeschlossen werden müsse, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs aus dem Vorunfall noch vorhanden sind (KG, Urteil vom 27.08.2015 – 22 U 152/14; OLG Düsseldorf vom 06.02.2016 – 1 U 158/05; OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2013 – 9 U 238/12 -) . Dazu müsse der Geschädigte zur Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur (welche Reparaturschritte wurden mit welchen Materialien/Ersatzteilen durchgeführt) vortragen.

Dem sei der Kläger nicht ausreichend nachgekommen. Er habe in Bezug auf die im Gutachten vom 28.03.2018 benannten Schäden nicht im Ansatz dargelegt, in welcher Art und Weise die Reparatur erfolgt sei (obwohl er dies exakt hätte darlegen müssen); auch eine aussagekräftige Reparaturrechnung über den Vorschaden sei nicht vorgelegt worden (was dann offenbar und verständlicherweise den Anforderungen entsprochen hätte). Zweifel an der fach- und sachgerechten Reparatur würden sich aus einem Gutachten im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ergeben, da nach den dortigen Angaben die Lackschichtdichten teilweise erheblich voneinander abweichen würden.

Der Umstand, dass dem Kläger die Vorschäden nicht bekannt gewesen seien, würde ihn nicht entlasten. Dies würde nicht in den Verantwortungsbereich eines Schädigers fallen (KG aaO.; OLG Köln, Beschluss vom 08.04.2013 – I-11 U 214/13 -). Der Kläger hätte hier entsprechende Auskünfte vom Vorbesitzer einholen müssen. Dies habe er nicht getan, weshalb seien Klage abzuweisen sei.

Zutreffend habe das Landgericht eine Leistungsfreiheit des verklagten Kaskoversicherers nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG iVm. Teil B Ziffer 2 (2) AKB wegen vorsätzlicher (arglistiger) Verletzung der den Kläger treffenden Aufklärungspflicht ausgehen können. Der Kläger habe den Sachverständigen (eingeschaltet bei dem streitigen Unfall) nur teilweise („verharmlosend) über den Vorschaden informiert und damit die Beklagte nur unzureichend über diesen, den Wert des Fahrzeugs maßgeblich bestimmenden Umstand aufgeklärt und im Ergebnis den Sachverständigen über den Umfang der Vorschäden getäuscht. Dass diese Umstände für den Sachverständigen von erheblicher Bedeutung gewesen seien, hätte sich dem Kläger geradezu aufdrängen müssen. Nach Erhalt des Gutachtens vom 05.12.2018 hätte der Kläger erkennen können, dass der Sachverständige von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei, da in dem Gutachten nur Vorschäden hinten rechts benannt wurden. Dies stelle eine Bagatellisierung der sich aus dem Gutachten vom 28.03.2018 ersichtlichen Schäden dar.

Nach dem Hinweisbeschluss (§ 522 ZPO) nahm der Kläger seien Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurück.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 28.07.2021 - 12 U 353/21 -

Dienstag, 14. Dezember 2021

Wohngebäudeversicherung: Wasserschaden durch undichte Silikonfuge

Der Kläger nahm die Beklagte als Wohngebäudeversicherer im Hinblick auf einen Nasseschaden in Anspruch. In den Bedingungen der beklagten Versicherung heiß es unter anderem: 

"§ 3 Leitungswasser

1. Bruchschäden innerhalb von Gebäuden

Der Versicherer leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende

b) frostbedingte Bruchschäden an nachfolgend genannten Installationen:

aa) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Armaturen …

2. Bruchschäden außerhalb von Gebäuden

3. Nässeschäden

Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.

Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. 

In einem Duschbad des Hauses kam es durch eine undichte Silikonfuge im Duschbereich zu einem Schaden. Die Beklagte negierte einen versicherungsvertraglichen Anspruch. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung von € 17.575,70. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, im Berufungsverfahren mit € 4.635,60 stattgegeben. Die Revision der beklagten Versicherung führte zur Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH legte die hier verwandte versicherungsvertragliche Klausel dahingehend aus, dass die Beklagte für einen Wasserschaden infolge einer undichten Fuge nicht einzustehen habe.

Die Auslegung von Versicherungsbedingungen orientiere sich an einem durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer und wie dieser sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstünde.  Auf versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse käme es bei diesem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht an. Abzustellen sei damit zunächst auf den Wortlaut, zusätzlich seien der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zu berücksichtigen.

Hier würde der Versicherungsnehmer unter „Leitungswasser“ und dann, da eine defekte Fuge kein Bruchschaden sei, unter „Nässeschäden“ nachlesen. Danach würde der Versicherer Entschädigung leisten, wenn Leitungswasser bestimmungswidrig austreten würde und dabei etwas zerstört oder beschädigt. Das Wasser müsse aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitung) oder damit verbundenen Schläuchen oder sonstigen wasserführenden Teilen sowie Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. Bei Lesen dieser Bedingungen würde der durchschnittliche Versicherungsnehmer feststellen, dass bei einer undichten Fuge Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung pp. komme, weshalb er die Alternative in Betracht ziehen würde, dass Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen“ ausgetreten sei. Die „Einrichtung“ würde er als eine (technische) Vorrichtung oder Anlage einstufen, wobei er dem Wortlaut der Klausel entnehmen könne, dass dies mit dem Rohrsystem verbunden sein müsse. Da aber läge auch für ihn ersichtlich bei einer undichten Fuge nicht vor.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde auch der Klausel keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden sei. Eine entsprechende Sachgemeinschaft würde er nicht annehmen, da der Klauselwortlaut dafür nichts hergeben würde; das Wort „Sachgesamtheit selbst käme auch nicht vor.

Nach Auffassung des BGH erwarte der durchschnittliche Versicherungsnehmer von einer Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und (soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergäben) lückenlosen Schutz und er würde sich, so der BGH, durch die Klausel nicht in seiner Erwartung  getäuscht, sondern  das Leistungsversprechen dahingehend verstehen, dass Schäden durch austretendes Leitungswasser nur gedeckt seien, wenn das Wasser aus bestimmten, abschließend aufgezählten Quellen stamme.

BGH, Urteil vom 20.10.2021 - IV ZR 236/20 -

Montag, 13. Dezember 2021

Wann kann der Zweitschuldner für die Gerichtskosten in Anspruch genommen werden ?

Der Kläger hatte im Prozess gegen die Beklagten, denen Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt worden war, obsiegt und das Amtsgericht hatte den Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Kurz darauf hob es den Beschluss über die Bewilligung von PKH gegenüber dem Beklagten zu 1. auf, der amtsbekannt unpfändbar war. Sodann setzte das AG Gerichtskosten in Höhe von € 610,10 gegen den Kläger fest. Auf die Erinnerung des Klägers hob das AG die Kostenrechnung mit Beschluss vom 02.07.2020 auf. Die gegen diesen Beschluss von der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde wies das Landgericht zurück. Die zugelassene sofortige weitere Beschwerde wurde vom OLG als unbegründet zurückgewiesen.

Das AG habe die Kostenrecht zu Recht aufgehoben, da der dortige Kostenansatz zu Unrecht ergangen sei. Der Kläger würde als sog. Veranlassungsschuldner zwar für die Gerichtskosten haften, § 22 Abs. 1 S. 1 GKG. Allerdings würde dem hier § 31 Abs. 2 S. 1 GKG entgegenstehen:

Hafte ein Kostenschuldner nach § 29 Nr. 1 oder 2 GKG (sog. Erstschuldner) soll die Haftung eines anderen Kostenschuldners (sog. Zweischuldner) nur geltend gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben sei oder aussichtslos erscheine. Es handle sich bei dieser Ordnungsvorschrift um solche, die eine Amtspflicht der Staatskasse begründe, weshalb der Zweitschuldner nur bei deren Vorliegen in Anspruch genommen werden könne. Anm.: Erstschuldner ist derjenige, dem im Urteil die Kosten auferlegt werde, Zweitschuldner z.B. der Kläger, wenn er obsiegte.

§ 31 Abs. 2 S. 1 GKG sei hier einschlägig. Mit den Beklagten zu 1. und 2. gäbe es zwei Kostenschuldner, die nach § 29 Nr. 1 1. Var. GKG haften würden.

In der Person des Beklagten zu 1. erscheine die Zwangsvollstreckung in dessen bewegliches Vermögen in Ansehung der amtsbekannten Pfandlosigkeit aussichtslos, weshalb die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 1 GKG vorlägen. Gleichwohl sei in diesem Fall entgegen dem Wortlaut hier eine Inanspruchnahme des Klägers nicht möglich. Letztlich sei § 31 Abs. 2 S. 1 GKG im Hinblick auf § 31 Abs. 3 S. 1 1. Hs. GKG so auszulegen, dass die Haftung eines anderen Kostenschuldners solange nicht geltend gemacht werden könne, soweit einem Kostenschuldner (der nach § 29 Nr. 1 GKG hafte) PKH bewilligt worden sei. Auch wenn hier nur (noch) der Beklagten zu 2. PKH gewährt ist, nicht dem mit ihm für die Kosten haftenden Beklagten zu 1., würden sie doch gesamtschuldnerisch für die Kosten einzustehen haben, § 31 Abs. 1 GKG, was bedeute, dass der Kostenansatz gegen den Kläger als Zweitschuldner und dessen Zahlung an die Gerichtskasse, auch für den Erstschuldner, dem PKH gewährt wurde, Tilgungswirkung zukäme, §§ 267, 422 BGB. Der Zweitschuldner würde mithin in diesem Fall für sämtliche Erstschuldner in Anspruch genommen.

Aus diesem Umstand sei zu folgern, dass die Gerichtskosten nur dann gem., § 31 Abs. 2 S. 1 GKG gegen den Zweischuldner festgesetzt werden können, wenn eine Zwangsvollstreckung auch in das bewegliche Vermögen der Beklagten zu 2. erfolglos geblieben sei oder aussichtslos erscheine. Dies sei hier nicht der Fall da einer Geltendmachung bei der Beklagten zu 2. § 122 Abs. 1 Nr. 1 a) ZPO entgegenstünde, weshalb eine Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 2. nicht in Betracht käme (Begünstigung durch PKH). Von daher könne der Erstschuldner in diesem Fall nicht in Anspruch genommen werden.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.08.2021 - 18 W 44/21 -

Freitag, 10. Dezember 2021

Erbvertrag nichtehelicher Partner bei nachfolgender Heirat und späterer Scheidung

Am 02.05.2000 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 2. einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und die Tochter der Beteiligten zu 2. sowie den Beteiligten zu 1. zu Erben des Letztversterbenden bestimmten. Der Erblasser und die Beteiligte zu 2. heirateten am 26.10.2001; die Ehe wurde mit Rechtskraft vom 06.04.2006 geschieden. Der Erblasser verstarb am 07.06.2017.

Das Gericht musste klären, wer Erbe nach dem verstorbenen Erblasser wurde. Ließ sich dies aus dem vor Eheschließung abgeschlossenen Erbvertrag entnehmen ?

Der Beteiligte zu 1., der einen Erbscheinsantrag stellte, kann diesen, so zutreffend das OLG, nur beanspruchen, , wenn die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Das erfordere, dass der Erblasser keine davon abweichende letztwillige Verfügung hinterlassen haben dürfte, was mittels Testament als auch Erbvertrag möglich sei.  Ein Erbvertrag läge vor.

Hatte dieser Erbvertrag, wie vom Beklagten zu 1. geltend gemacht, mit der Ehescheidung seine Wirksamkeit verloren ? § 2279 Abs. 1 BGB sähe vor, dass auf vertragsmäßige Zuwendungen in einem Erbvertrag die für die letztwillige Verfügung geltenden Vorschriften anzuwenden seien. Dazu gehöre auch § 2077 BGG, nach der eine letztwillige Verfügung zugunsten des Ehegatten unwirksam würde, würde die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst; gleiches gelte auch in dem Fall, dass der Erblasser zugunsten seines Verlobten eine letztwillige Verfügung getroffen hätte und die Verlobung vor dem Tot des Erblassers aufgelöst würde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2016 - 20 W 322/14 -). Ferner würde § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB auch dann Anwendung finden, wenn der Erblasser und die bedachte Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung verlobt seien und erst danach heiraten würden.

Aber § 2077 BGB sei nicht auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ohne ernstliches Eheversprechen (Verlöbnis) anwendbar (BayObLG, Beschluss vom 06.09.1983 – 1 Z 53/83 -). § 2077 BGB würde nur eine dispositive Auslegungsregel für die in der Norm benannten Fallgruppen enthalten. Ob die Regel in § 2077 BGB entsprechend Anwendung finden könne, wenn die Ehe erst nach Errichtung der letztwilligen Verfügung oder des Erbvertrages geschlossen worden ist, aber vor dem Tod des Erblassers wider geschieden wurde, würde unterschiedlich gesehen. Das OLG vertrat die Auffassung, dass das Zusammenleben ohne Trauschein schon seit Langem zur gesellschaftlichen Normalität gehöre und sich daran nicht als Regelfall eine Eheschließung anschließe. Das Verlöbnis als Vorbereitung der Ehe sei wie diese auf Dauer angelegt, während die nichteheliche Lebensgemeinschaft idR. ohne rechtliche Bindung und ohne bestimmte Dauer eingegangen würde. Von daher könne bei nichtehelichen Lebenspartnern, auch wenn sie späterhin die Ehe schließen, nicht ohne weiteres die Annahme eines besonderen partnerschaftlichen Bindungswillens unterstellt werden.

Vor diesem Hintergrund sei der tatsächliche Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bzw. des Abschlusses des Erbvertrages zu ermitteln, § 2084 BGB, wozu zu ermitteln sei, ob er Erblasser, hätte er eine spätere Trennung in Betracht gezogen, ebenso verfügt hätte.  Ergäben sich keine ausdrücklichen Anhaltspunkte, sei der hypothetische Wille zu erforschen. Es ergäbe sich hier aus dem Wortlaut des Erbvertrages nichts dafür, dass er in Vorbereitung der Ehe geschlossen sei.  Die Beteiligte zu 1. verwies auf die Scheidungsauseinandersetzung, Zugewinnausgleichsvereinbarung, den damit verbundenen Versorgungsausgleich, die Vermögenstrennung sowie das alleine Sorgerecht des Erblassers; dies ließe aber nicht belegen, dass der Erblasser die beteiligte zu 2. im Falle einer kommenden Trennung nicht auch als Erbin eingesetzt hätte, vielmehr würde damit eher das Gegenteil angedeutet. Wenn im Erbvertrag seitens der Parteien ihr Vermögen akribisch trennen und auch sonst ihre nachehelichen Regelungen getroffen haben, läge die Vermutung nahe, dass sie auch den Erbvertrag aufgehoben hätten. Allerdings gäbe die Akte nichts dafür her, dass der Erblasser dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Daher hielt es das OLG für überwiegend wahrscheinlich, dass der Erblasser, wenn er bei Abschluss des Erbvertrages die Trennung vorhergesehen hätte, auch keine dem § 2007 Abs. 1 BGB nachgebildete Klausel aufgenommen hätte.,

Anmerkung: Dieser Erbenstreit verdeutlicht, dass sich die die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Partner bei Errichtung eines Testaments bzw. Abschluss eines Erbvertrages Gedanken für den Fall einer Trennung, auch für den Fall einer möglicherweise anschließenden Heirat und nachfolgender Scheidung , machen sollten und dies mit in das Testament  bzw. den Erbvertrag aufnehmen sollten. Nur so können Folgerungen, wie sie hier das OLG versuchte, ausgeschlossen werden, die evtl. nicht dem Willen des Erblassers entsprechen.

OLG Rostock, Beschluss vom 13.07.2021 -3 W 80/20 -

Donnerstag, 9. Dezember 2021

(Un-) Zulässige Einziehung einer Forderung aus Forderungskauf / Abtretung (Darlegungslast)

Die Klägerin klagte aus abgetretenen Recht einer Bank einen offenen Saldo der beklagten auf einem bei der Bank geführten Kreditkartenkonto ein. Von der Beklagte wurde u.a. die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin eingewandt, da die Abtretung gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoße.

Dem folgte das OLG, anders als zuvor das Landgericht. Die Abtretung des Anspruchs nach §§ 675, 670, 398 BGB verstoße gegen ein gesetzliches Verbot und sei daher nach § 134 BGB nichtig. Die Klägerin würde die Einziehung fremder bzw. zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen als eigenständiges Geschäft und damit eine Rechtsdienstleistung gem. § 2 Abs. 2 RDG betreibe, ohne die dafür nach § 3 RDG erforderliche Befugnis zu haben.

Unstreitig sei, dass die Klägerin nicht über eine nach § 10 RDG erforderliche Registrierung verfüge. Lediglich ein mit ihr verbundenes Unternehmen habe die Registrierung. Auch wenn die Beklagte für die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot darlegungs- und beweispflichtig sei und damit nachzuweisen habe, dass die Klägerin entgegen deren Behauptung die Forderungen von der Bank nicht im Rahmen eines echten Forderungskaufs erworben sind und damit eine Inkassodienstleistung und keine bloße Inkassozession vorliegt, würde hier eine Ausnahme gelten. Habe die primär darlegungsbelastete Partei (wie hier die Beklagte) Keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung, während der Prozessgegner (wie hier die Klägerin) alle wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm unschwer möglich sei, nähere Angaben zu machen, treffe den Prozessgegner die sekundäre Darlegungslast. Im Rahmen dieser habe er auch zumutbare Nachforschungen zu betreiben. Genüge der Prozessgegner (hier die Klägerin) seiner sekundären Darlegungslast nicht, so würde die Behauptung der Gegenpartei (hier der Beklagten) als nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden gelten (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 367/19 -).

Da damit feststehen würde, dass die Beklagte keine näheren Kenntnisse habe, anders als die Klägerin, müsse die Klägerin als Erwerberin der Forderung den Nachweis ihrer Forderungsinhaberschaft darlegen und damit darlegen, dass die die Forderung vollwirksam und nicht lediglich zu Einziehungszwecken erworben habe. Damit sei der zugrundeliegende Kaufvertrag offenzulegen.

Auf den Hinweis des Senats habe die Klägerin den Forderungskaufvertrag nur unvollständig und teilweise geschwärzt vorgelegt. Damit sei die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Die Beklagte habe darauf hingewiesen, dass die Anlage 1 zu dem Kaufvertrag fast vollständig geschwärzt sei und sie davon ausgehen würde, dass dort abstrakt-generell geregelt sei, wer das wirtschaftliche Risiko trage, wie sich auch aus den Schwärzungen der §§ 11 und 12 der Schluss ergebe, dass es sich nicht um einen echten Forderungskauf handele, sondern um den geschäftsmäßigen Einzug fremder Forderungen. Dem sei die Klägerin nicht hinreichend entgegengetreten und habe insbesondere nicht den ungeschwärzten Vertrag vorgelegt.

Einer Beweisaufnahme durch Einvernahme der von der Klägerin benannten Zeugin habe es nicht bedurft. Die Frage, ob es sich um einen echten Forderungskauf handele sei eine Rechtsfrage und entziehe sich des Zeugenbeweises. Es sei daher davon auszugehen, dass die geschwärzten Passagen erheblich seien und auf das Vorliegen einer Inkassotätigkeit schließen ließen. Erschwerend käme hinzu, dass nach § 2 Abs. 2 des Vertrages die Vertragsparteien davon ausgegangen seien, dass die Klägerin über eine Erlaubnis zum geschäftsmäßigen Einzug von fremden Forderungen verfüge, was tatsächlich nicht der Fall sei.

Folglich sei davon auszugehen, dass die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, weshalb die Klage auf die Berufung hin abzuweisen sei.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.08.2021 - 24 U 171/20 -

Montag, 6. Dezember 2021

Schriftformerfordernis (§ 550 BGB) bei wesentlicher Änderung des Mietvertrages ?

Der Rechtsstreit der Mietvertragsparteien erledigte sich im Rahmen des Revisionsverfahrens in der Hauptsache und der BGH hatte nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung hat auch im Revisionsverfahren, worauf der BGH hinwies, gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu erfolgen. Danach seien die Kosten des Verfahrens hier der Klägerin aufzuerlegen, da sie mit ihrem Räumungs- und Herausgabeanspruch der Mietsache, der auf einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB gestützt wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durchgedrungen wäre.

Grundlage des Rechtstreits war § 550 BGB, demzufolge ein für einen längeren Zeitraum als einem Jahr abgeschlossener Mietvertrag der Schriftform bedarf. Der Zweck der Norm bestehe darin, einen Erwerber des Grundstücks vor der Gefahr zu schützen, an einen Mietvertrag, dessen Inhalt er nicht zuverlässig kennt, länger als ein Jahr gebunden zu sein (BGH, Urteil vom 12.03.2003 - XII ZR 18/00 -). Ferner würde die Norm auch dazu dienen, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese auch vor einer unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -). Der Gesetzgeber habe mit der Vorgabe, dass die Schriftform für Verträge über eine Laufzeit von mehr als einem Jahr geltend würde, gleichzeitig postuliert, bis zu welchem Zeitpunkt nicht von einer langfristigen  Bindung auszugehen sei.

Nach dem benannten Zweck der Norm würde das Schriftformerfordernis auch für vertragswesentliche Vereinbarungen (wie z.B. Miethöhe) gelten, wenn diese länger als ein Jahr gelten sollen. Daraus ergäbe sich, dass die Jahresfrist er mit Abschluss einer nicht formgerechten Änderungsvereinbarung zu laufen beginne, die die Schriftform des ursprünglich formwirksamen Vertrages entfallen ließe (BGH, Urteil vom 25.01.2017 - XII 69/16 -), weshalb sich die Vertragsparteien (einschließlich eines evtl. eintretenden Erwerbers) selbst bei einem Schriftformverstoß bei der Änderungsvereinbarung erst nach Ablauf eines Jahres aus der vertraglichen Bindung lösen könnten.

Vorliegend ging es um zwei Vereinbarungen der Vertragsparteien zur Minderung der Miete infolge eines Minderungsgrundes und der Dauer der möglichen Minderungen. Vorliegend käme es nicht darauf an, ob die Vereinbarung zur Minderung der Schriftform unterliege, wenn die Dauer an das Bestehen des Minderungsgrundes geknüpft sei. Die Minderungen hätten jeweils eine Dauer von unter einem Jahr gehabt. Auch wenn beide Minderungen mit 15 Monaten die Jahresfrist überschritten hätten, käme es darauf nicht an, da die Laufzeit jeweils in Bezug auf die einzelne Abrede betrachtet werden müsse. Der von der Klägerin aus den beiden Vereinbarungen abgeleitete Schriftformverstoß des bis zum 31.08.2020 befristeten und mit zwei je fünfjährigen Verlängerungsoptionen für den Mieter versehene Mietvertrag habe mithin nicht an einem Schriftformverstoß gem. § 550 BGB gelitten, weshalb die darauf beruhende Kündigung und damit das gerichtliche Räumungs- und Herausgabeverlangen unberechtigt seien.

BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - XII ZR 60/20 -

Samstag, 4. Dezember 2021

Unzulässige Polizeiklausel in AGB eines Kfz-Vermieters

In den AGB der klagenden gewerblichen Autovermietung hieß es unter der Überschrift „Wesentliche Pflichten des Mieters“

„Der Mieter hat jeden Diebstahl oder Verlust (oder gegebenenfalls jeden Unfall) sofort der Polizei anzuzeigen und den Vermieter unverzüglich in Textform über die Anzeige zu unterrichten.“

Der Beklagte hatte einen Unfall nicht sofort der Polizei angezeigt. Die Kosten der Reparatur, die der Beklagte nur in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung zahlte, waren Streitgenstand. Nach seiner Ansicht kann sich der Autovermieter nicht auf die benannte Klausel berufen, um die weiteren Reparaturkosten von ihm zu fordern, da diese Klausel AGB-widrig sei.

Das Landgericht schloss sich der Rechtsansicht des Beklagten an.

Der Klägerin stünde zwar wegen Verletzung einer Obhutspflicht ein Schadensersatzanspruch zu, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17 -). Dieser Anspruch sei hier aber auf die gezahlte Selbstbeteiligung begrenzt. Unabhängig davon, ob die Klausel bereits wegen Mehrdeutigkeit nach § 305c Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB nicht greife, sei sie jedenfalls nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Danach seien Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, wenn sie den Vertragspartners des Verwenders der AGB entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, wobei sich eine Unangemessenheit auch daraus ergeben könne, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich sei.

Grundsätzlich bestünden keine Bedenken gegen eine sogen. Polizeiklausel (BGH, Urteil vom 01.12.2009 – XII ZR 117/09 -). Vorliegend weiche die Klausel aber von jener, die der BGH zu beurteilen hatte ab.

Schon die in Klammern gesetzte Formulierung „gegebenenfalls jeden Unfall“ sei nicht klar und verständlich. Die Formulierung „gegebenenfalls“ würde vom Kunden dahingehend verstanden werden können, dass die Verpflichtung nur eingeschränkt gilt. Verstärkt würde dies noch dadurch, dass dies in Klammern gesetzt wurde, demgegenüber die beiden weiteren Ereignisse, die sofort der Polizei zu melden seien (Diebstahl oder Verlust) ohne Klammern genannt seien.

Dieser Eindruck des typischerweise angesprochenen Kunden zu einem Stufenverhältnis zwischen Unfall und Diebstahl/Verlust würde sich würde sich auch dadurch verfestigen, dass es in demselben Paragrafen, einen Abschnitt darüber hieß: „Der Mieter hat dem Vermieter den Unfall, Diebstahl oder Verlust unverzüglich – gleich auf welche Weise – anzuzeigen.“ Da dort die Ereignisse gleichberechtigt nebeneinander genannt wurden, vermute der typischerweise angesprochene Mieter einen Unterschied zu der Polizeiklausel. Ansonsten hätte es heißen können: „Der Mieter hat jeden Diebstahl, Verlust oder Unfall sofort der Polizei anzuzeigen und den Vermieter unverzüglich in Textform über die Anzeige zu unterrichten.“

Es sei auch nicht fernliegend, einen Unterschied zwischen Diebstahl/Verlust und Unfall zumachen. Da Diebstahl eine Straftat sei und auch der Verlust eines Fahrzeugs fast immer auf einer Straftat beruht, mithin die Hinzuziehung der Polizei eine natürliche Erstreaktion sei, sei es bei kleineren Unfällen ohne Personenschaden, bei denen auch keine Verkehrsstraftat (z.B. § 142 StGB, § 315b StGB) in Betracht käme, oder – wie wohl vorliegend – kein Dritter beteiligt war, untypisch die Polizei hinzuzuziehen.

Die Konsequenz der Unwirksamkeit sei, dass sich das Verhältnis der Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften orientiere, § 306 Abs. 2 BGB. Hier allerdings würde die Obliegenheit für den Mieter eines Fahrzeugs, die Polizei bei einem Unfall sofort zu informieren, nicht bestehen. Anderes könne auch nicht aus § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VVG abgeleitet werden, denn diese Normen setzen eine wirksame und ausdrückliche vertragliche Vereinbarung der Anzeigenobliegenheit voraus, an der es hier in Ansehung der Unwirksamkeit der Polizeiklausel ermangele.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.08.2021 - 2-13 O 333/20 -

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Grenzen der Vollstreckung mit elektronisch übermittelten Vollstreckungsbescheiden

Der Gläubiger hatte gegen die Schuldnerin einen Vollstreckungsbescheid erwirkt. Auf dem elektronischen Weg erteilte er bei Amtsgericht einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher, bei dem er zugleich die Abnahme der Vermögenauskunft bei der Schuldnerin und, falls die Schuldnerin dem Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleiben würde, den Erlass eines Haftbefehls gegen sie beantragt. Dem Antrag lag der Vollstreckungsbescheid als elektronische Dokument bei und es wurde versichert, dass das Original des Titels nebst Zustellungsbescheinigung vorläge und die Forderung gemäß dem Vollstreckungsauftrag noch bestünde.  Die Schuldnerin erschein zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt nicht. Das Amtsgericht forderte nunmehr vom Gläubiger das Original des Vollstreckungsbescheides zur Prüfung des Erlasses des beantragten Haftbefehls an. Da dem der Gläubiger nicht nachkam, wies es den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurück. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers wurde zurückgewiesen. Im Verlauf des (vom Beschwerdegericht zugelassenen) Rechtsbeschwerdeverfahrens beglich die Schuldnerin die Forderung und die Hauptsache wurde für erledigt erklärt. Der BGH sah in der Sache die Rechtsbeschwerde nicht als erfolgversprechend an und erlegte dem Gläubiger die Kosten des Verfahrens auf.

Der BGH verwies darauf, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 802g Abs. 1 S. 1 ZP= oder § 802c ZPO zur Erzwingung der Abgabe des Vermögensverzeichnisses ein Haftbefehl erlassen werden könne. Das Vollstreckungsgericht habe dann zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Zum Nachweis könne das Vollstreckungsgericht die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen. Es müsse sich nicht, anders als der Gerichtsvollzieher bei der Abnahme der Vermögensauskunft, nicht mit der Vorlage einer Abschrift des Vollstreckungsbescheides als elektronisches Dokument begnügen. Die Regelung des § 754a ZPO zum elektronischen Vollstreckungsauftrag sei nicht auf das richterliche verfahren zum Erlass eines Haftbefehls anwendbar. Auch der Umstand, dass der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls bereits mit dem elektronisch möglichen Vollstreckungsauftrag möglich sei, beute nicht, dass deshalb § 754a ZPO hier auch anwendbar sei. Der Gesetzgeber habe mit § 754a ZPO eine Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens für geringwertige Forderungen (titulierter Anspruch von max. € 5.000,00 einschl. Nebenforderungen und Kosten) beabsichtigt, keine weiteren – außer dem elektronisch vorgelegten Vollstreckungsbescheid - Urkunden vorgelegt werden müssten. Demgegenüber handele es sich bei einem Haftbefehl, der vollzogen wird, um einen einschneidenden Grundrechtseingriff durch die freiheitsentziehende Maßnahme.

§ 754a Abs. 1 ZPO richte sich ausschließlich an den Gerichtsvollzieher im Hinblick auf dessen Vollstreckungsauftrag, nicht auch an das Vollstreckungsgericht gerichtete Anträge. Das folge bereits aus dem Wortlaut des § 754a Abs. 2 ZPO, der als Vollstreckungsorgan den Gerichtsvollzieher benennt. Ferner spreche die systematische Stellung des § 754a ZPO für dessen Unanwendbarkeit für das Vollstreckungsgericht. Es sei eine Reglung am Ende der Reglungen zur Zuständigkeit von Gerichtsvollziehern. Ferner enthalte § 829a ZPO eine ähnliche Regelung wie § 754a ZPO, allerdings in Bezug auf die elektronische Übermittlung des Vollstreckungsbescheides an das Vollstreckungsgericht zur Erwirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 829, 835 ZPO). Für den Haftbefehl nach § 802g Abs. 1 ZPO fehle eine solche Regelung.

Sinn und Zweck würden hier auch keine erweiternde Auslegung des § 754a ZPO gebieten. In diesem Zusammenhang wies der BGH auf der - trotz Schutzmechanismen wie in § 754a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ZPO - bestehenden Missbrauchsgefahr hin, weshalb der Gesetzgeber das elektronische Auftragsverfahren auf bestimmte Fälle beschränkt habe.

BGH, Beschluss vom 24.09.2021 - 16 W 28/21 -