Freitag, 31. März 2023

Rückwärtsfahrt aus Garagenausfahrt und Mithaftung des Vorbeifahrenden

Die Klägerin, deren Geschäftsführer aus einer Garagenausfahrt rückwärts auf die verkehrsberuhigte Straße auffuhr und dort mit dem vorbeifahrenden Beklagtenfahrzeug kollidierte, machte Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend. Nach Behauptung der Klägerin sei das Beklagtenfahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit in ihr Fahrzeug hineingefahren, nach Vortrag der Beklagten habe das Beklagtenfahrzeug zunächst gestanden, es sei (da eine Personen im anderen Fahrzeug gesehen wurde, die beabsichtigte aus der Grundstück rückwärts herauszufahren) gehupt worden und langsam wieder angefahren worden; das klägerische Fahrzeug sei dann in das Beklagtenfahrzeug hineingefahren.

Das Amtsgericht (AG) wies die Klage ab. Auf der Berufung wurde ihr zu einem geringen Teil stattgegeben. Richtig sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass beide Parteien grundsätzlich nach §§ 7, 17, 18 StVG für den Unfall einzustehen hätten, da beide Fahrzeuge im Betrieb waren und der Unfall auch nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen sei, ferner der Unfall auch für beide Parteien kein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle.

Zu Lasten der Klägerin sei zudem ein Sorgfaltsverstoß beim Rückwärtsfahren einzustellen. Das Berufungsreicht ließ offen, ob dies unmittelbar aus § 9 Abs. 5 StVO (beim Rückwärtsfahren ist eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen)  abgeleitet werden könne, da es sich um eine verkehrsberuhigten Bereich handele (§ 42 StVO, Zeichen 325.1/325.2), oder in einem solchen ähnlich wie auf einem Parkplatz entsprechendes aus dem Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO abzuleiten wäre. Auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 StVO greife ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden (BGH, Urteil vom 11..10.2016 - VI ZR 66/16 -). Ferner sei zu Lasten der Klägerin ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht aus § 10 StVO (der aus  einem Grundstück Herausfahrende hat sich so zu verhalten hat, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet) zu berücksichtigen.

Ein Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit in einem verkehrsberuhigten Bereich durch das Beklagtenfahrzeug sie nicht festzustellen. Nicht berücksichtigt habe das AG allerdings, dass  der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs die Gefahr erkannt habe: Das mit einer Person besetzte Fahrzeug und dass dieses über kurz oder lang rückwärts ausfahren würde. Deshalb sei auch gehupt worden. Allerdings hätte in dieser Situation das Klägerfahrzeug weiter beobachtet werden müssen, um bei dessen Zurücksetzen sofort anhalten zu können. Die Beobachtung wurde beim Losfahren unterlassen, weshalb es auch vorkollisionär nicht zum Stillstand des Beklagtenfahrzeugs gekommen sei.

Damit sei ein Zurücktretend er Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hinter dem Verschulden der Klägerseite ausgeschlossen. Dahinstehen könne, ob - wie auf Parkplätzen- im verkehrsberuhigten Bereich die Betriebsgefahr regelmäßig nicht zurücktrete, da Sorgfaltspflichten stärker einander angenähert seien,, indem Kraftfahrer jederzeit auf bevorrechtigten Fußgängerverkehr Rücksicht zu nehmen hätten, was nur bei Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit und ständiger Bremsbereitschaft möglich sei. Der festgestellte leichte Sorgfaltsverstoß führe zu einer unfallursächlichen Erhöhung der allgemeinen Betriebsgefahr und rechtfertige eine Mithaftung von 20% (§ 17 Abs. 1 StVG).

LG Saarbrücken, Urteil vom 20.01.2023 - 13 S 60/22 -

Dienstag, 28. März 2023

Wer kann vom WEG-Verwalter Auskunft / Einsichtnahme in Unterlagen verlangen ?

Noch immer besteht in großen Umfang Unkenntnis über doch gravierende Änderungen, die die letzte umfassende Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 01.12.2020 bewirkte. Dies gilt auch zum Umfang der Rechte der Wohnungseigentümer. Gegenständlich war das Begehren der klagenden Wohnungseigentümerin, die von der Beklagten (der bis kurz vor Klageerhebung Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft war) Einsicht in Kontoauszüge der Jahre 2018 bis 2020. Das Amtsgericht wies die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation ab; die dagegen gerichtete Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Eine Rechtsbeziehung zwischen dem Wohnungseigentümer und dem Verwalter würde nicht bestehen und von daher könne nicht der einzelne Wohnungseigentümer Ansprüche, wie hier, gegen den Verwalter geltend machen, sondern nur (noch) der Verband (LG München, Beschluss vom 16.02.2022 - 36 T 1514/22 -). Die rechtliche Eigenständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (des Verbandes) wird immer deutlicher.

Auch könne die Klägerin hier keine Ansprüche aus dem Rechtsinstitut eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier der Wohnungseigentümer) herleiten. Aus diesem Rechtsinstitut würden sich keine hier geltend gemachte Leistungsansprüche herleiten lassen. Von daher könne hier auf sich beruhen, ob der Wohnungseigentümer in den Schutzbereich des Verwaltervertrages entsprechend einbezogen sei. Das Argument der Klägerin, das Einsichtnahmerecht geltend machen zu können, der Verwalter verwalte Fremdgelder, greife nicht, da das Verwaltungsvermögen schon nach der Rechtslage vor dem 01.12.2020 dem Verband zugeordnet gewesen sei und sich daran nichts geändert habe (§ 10 Abs. 6 WEG a.F., § 9a Abs. 3 WEG n.F.) und dies auch die Instandhaltungsrücklage beträfe.

Das Einsichtnahmerecht des Wohnungseigentümers in die Verwaltungsunterlagen sei abschließend in § 18 Abs. 4 WEG geregelt. Dieses Recht richte sich nach dem Wortlaut gegen den Verband („…kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen“). Den Verband habe die Klägerin hier aber nicht verklagt. Nach Angaben der Klägerin könne dieser auch den Anspruch nicht erfüllen, da der alte (von ihr verklagte) Verwalter die Unterlagen nicht an den aktuellen Verwalter herausgegeben habe. Auch dies begründe kein eigenes Recht der Klägerin. Der Herausgabeanspruch stünde dem Verband zu.

Zwar bestünde auch nach der jetzigen Rechtslage ein Rechenschaftsanspruch gegenüber dem (alten) Verwalter (trotz Streichung des § § 28 Abs. 2 WEG a.F., LG Dortmund, Urteil vom  01.0.2022 - 1 S 172/21 -), doch sei Gläubiger auch hier der Verband.

Auch konnte die Klägerin mit dem Argument, die anderen Wohnungseigentümer hätte kein Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung und würden gegen den ehemaligen Verwalter keine Ansprüche geltend machen wollen, nicht durchdringen. Das Landgericht verwies darauf, dass in diesem Fall die Klägerin entsprechende Beschlüsse der Gemeinschaft herbeiführen müsse und im Falle ihrer Ablehnung ggf. durch eine Beschlussersetzungsklage dagegen vorgehen müsse.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.10.2022 - 2-13 S 59/22 -

Donnerstag, 23. März 2023

Schadensersatz bei Schaden durch Explosion der (ausgebauten) E-Fahrzeug-Batterie ?

Der Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung brachte seinen E-Roller (nach Typenangabe in dem Urteil kein Tret-Elektroroller, sondern wohl ein dreirädriger Roller mit 45 km/h) zur Inspektion in eine Werkstatt. Ein Monteur entnahm sie dort zum Aufladen. Als dieser bemerkte dass die Batterie stark erhitzte, legte er sie nach Trennung vom Stromnetz zum Abkühlen auf den Boden, wo sie dann explodierte. Der dadurch am Werkstattgebäude entstandene Schaden wurde vom Gebäudeversicherer bei der Beklagten als Versicherer des Rollerhalters geltend gemacht.

Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos, ebenso die vom Berufungsgericht zugelassene Revision. Letztlich handelt es sich um die Frage, wieweit die in § 7 Abs. 1 StVG sanktionierte Betriebsgefahr greift. Das Berufungsgericht hatte entschieden, die Explosion sei nicht bei dem Betrieb (Betrieb iSv. § 7 Abs. 1 StVG) des Elektrorollers eingetreten.  Nur wenn man eine Zurechnung zum Betrieb annehmen wollte, wäre die Klage (jedenfalls dem Grunde nach) begründet gewesen.

Der BGH verwies zunächst darauf, dass Voraussetzung der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG sei, dass „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ Rechtsgüter verletzt oder beschädigt wurden. Die umfassende Haftung dort sein der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges (erlaubt) eine Gefahrenquelle eröffnet würde. Dies sei dann der Fall, wenn das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt sei. Es müsse sich allerdings um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr schadlos gehalten werden soll, für die also die Norm erlassen wurde. Dies erfordere einen nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 319/18 -).

Dass Dritte durch einen Defekt einer Betriebseinrichtung (hier: Batterie) eines Kraftfahrzeuges einen Schaden erleiden, würde zu den speziellen Auswirkungen derjenigen Gefahren zählen, vor denen § 7 Abs. 1 StVG den Verkehr schadlos halten wolle. Gleichgültig sei dabei, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach der Fahrt eintrete. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG könne nicht auf die Schadensfolgen durch Fahrbetrieb oder seine Nachwirkungen begrenzt werden, da die Norm dann in Fällen nicht greifen würde, in denen unabhängig vom Betriebsvorgang ein technischer Defekt einen Schaden verursache.

Vorliegend war zwar eine Betriebseinrichtung des E-Rollers ursächlich (Batterie), weshalb an sich dem Anspruch der Klägerin stattgegeben werden müssen  -  wäre da nicht der Ausbau der Batterie gewesen. Es sei von der Klägerin nicht dargelegt worden, dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung iSv. § 7 Abs. 1 StVG gestanden habe; Die Batterie sei zu diesem Zeitpunkt bereits ausgebaut und ohne Verbindung zum Kraftfahrzeug (E-Roller) gewesen.  Sie sei also nicht mehr Teil der Betriebseinrichtung gewesen (Anm.: wenn auch nur in Erwartung eines vorübergehenden Ausbaus), ebenso wie bei beabsichtigten Einbau einer Batterie die noch nicht eingebaute Batterie nicht Betriebseinrichtung sei.

Der bloße Ausbau der Batterie führt mithin nach dieser Entscheidung des BGH dazu, dass diese nicht mehr Betriebseinrichtung des E-Rollers war und damit deren zeitlich spätere Explosion nicht mehr dem Betrieb des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StrVG zugerechnet werden kann.

BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 1234/20 -

Mittwoch, 22. März 2023

Gerichtliche Entscheidung während der Aussetzung des Verfahrens

Das Amtsgericht hatte den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet. Gegen diesen Beschluss legte durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde ein. Die Begründungsfrist für die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) bis zum 12.10.2021 verlängert. Da der Antragsgegner gegen die Antragstellerin Strafanzeige wegen Prozessbetruges erstattet hatte, setzte das OLG das Verfahren mit Beschluss vom 17.09.2021 „bis zur Erledigung des Ermittlungsverfahrens“ aus. Mit Schriftsatz vom 11.10.2021 beantragte der Antragsgegner eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist und wies darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt habe, er aber dagegen Beschwerde eingelegt habe; gleichzeitig stellte er einen neuen Aussetzungsantrag. Die Antragstellerin, der der Schriftsatz zur Stellungnahme überlassen wurde, stimmte der weiteren Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nicht zu. Das OLG verwarf nunmehr die Beschwerde wegen fehlender Begründung.

Die dagegen vom Antragsgegner eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung.

Entgegen der Annahme des OLG sei das Verfahren zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch ausgesetzt gewesen. Ergäbe sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat, könne das erkennende Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Strafverfahrens aussetzen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG iVm. § 149 ZPO). Sollte das Gericht dies nicht aufheben (§ 150 S. 1 ZPO), ende die Aussetzung automatisch mit rechtskräftigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens (BGHZ 106, 295, 298).

Die Aussetzung führe nach § 113 FamFG Abs. 1 S. 1 FamFG iVm. § 149 Abs. 1 ZPO dazu, dass der Lauf jeglicher Frist aufhöre und erst nach Beendigung wieder zu laufen beginne, ohne dass die vor Aussetzung verstrichene Frist angerechnet würde oder es einer 8neuen) Fristsetzung bedürfe (BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 22/19 -).  Prozesshandlungen einer Partei während der Unterbrechung oder Aussetzung (durch Parteien oder Gericht) blieben ohne rechtliche Wirkung, § 149 ZPO. Allerdings seien gerichtliche Entscheidungen, die trotz Unterbrechung oder Aussetzung ergehen würden, nicht nichtig, müssten vielmehr mit den gegebenen Rechtsmitteln angefochten werden.  

Der Fortbestand der Aussetzung ergäbe sich vorliegend daraus, dass das Ermittlungsverfahren mit dem Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft wegen der (auch nach der Rechtmittelbelehrung auf dem Einstellungsbeschluss) erfolgten Beschwerde noch nicht seine Erledigung gefunden habe. Damit hätte die Aussetzung des Verfahrens erst mit der weiteren Einstellungsverfügung vom 09.12.2021der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO geendet. Hier begann erst die Beschwerdebegründungsfrist wieder zu laufen. Die Beschwerde hätte also am Tag der Zurückweisung der Beschwerde noch nicht begründet gewesen sein müssen.

Allerdings hätte der Antragsgegner seiner Beschwerde unbeschadet des Verwerfungsbeschlusses des OLG seine Beschwerde fristgerecht begründen müssen, was evtl. nicht erfolgte. Es sei dem Antragsgegner zuzumuten, sich so zu verhalten, als habe die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfungsentscheidung Erfolg (BGH, Beschluss vom 12.12.100ß - XII ZB 64/90 -). „Rechtsbeschwerderechtlich“ sei aber gleichwohl davon auszugehen, dass der Antragsgegner seine Beschwerde fristgerecht begründet habe. Er habe behauptet, diese am 25.10.2021 per Telefax eingehend beim OLG begründet zu haben. Diese wurde nicht mehr aufgefunden; aus den Akten ergäbe sich aber ein Eingang eines Schriftsatzes, der an den Antragsgegner zurückgesandt worden sei. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerde nicht fristgerecht begründet wurde; dem Gericht zuzurechnende Fehler, Unklarheiten und Versäumnisse könnten keine Verfahrensnachteile begründen.

BGH, Beschluss vom 11.01.2023 - XII ZB 538/21 -

Sonntag, 19. März 2023

Wettbewerbsrecht: „Keine doppelten Kosten“ bei Werbung für Wechsel des Telekommunikationsunternehmens

Die Antragsgegnerin des einstweiligen Verfügungsverfahrens, eine Telekommunikationsanbieterin,  bot Verbrauchern einen „Wechselservice“ an, in dessen Rahmen sie den Neukunden bis zum Ende der Laufzeit des Altvertrages (längstens 12 Monate) das Grundentgelt für den Neuvertrag erließ.  In Printmedien und im Internet bewarb sie dies mit „Schutz vor doppelten Kosten“ bzw. „ohne Risiko und doppelte Kosten“. Die Antragstellerin sah dies als irreführend iSv. § 5 UWG an, da der verkehr davon ausgehen würde, dass durch den Wechsel keine zusätzlichen Kosten anfallen würden, hier aber Anschlussgebühren anfallen und zudem die Begrenzung auf 12 Monate stattfinde.  Der Untersagungsantrag der Antragstellerin war vor dem Landgericht erfolgreich. Das OLG hob das stattgebende Urteil des Landgerichts auf und wies den Antrag ab.

Das OLG hielt die Angaben in den Werbeanzeigen nicht für irreführend (§ 5 UWG). Sie würden sich lediglich auf die wegen der Vorzeitigkeit des Wechsels bei noch laufenden Altverträgen zusätzlich (also „doppelt“ anfallenden) Grundentgelte, nicht dagegen auf sonstige Kostenbestandteile, die auch bei einem normalen Wechsel anfallen, beziehen. Problematisch sei für den Kunden der Wechsel bei noch laufenden Vertrag wegen der Pflicht, bis zum Vertragsende die Grundgebühren an den alten Anbieter zu zahlen. ; bei einem Ende des Aktvertrages sei der Wechsel unproblematisch und es würden ohnehin die Anschlussgebühren anfallen, weshalb auch nicht ersichtlich sei, weshalb darauf verzichtet werden sollte, da diese nicht doppelt anfallen.

Die Begrenzung der Übernahme auf 12 Monate stelle sich als eine Einzelheit dar, die erst (wie erfolgt) im sogenannten Kleingedruckten erscheinen müsste. Diese Einschränkung würde nur eine Minderzahl der Fälle betreffen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2022 - I-20 U 93/21 -

Donnerstag, 16. März 2023

Zugang der (Wohnraum-) Kündigung bei Einwurf in Wohnungsbriefkasten und mündliche Information

Nach einem beendeten Mietverhältnis stritten die Parteien u.a. darüber, ob die Kündigungserklärung der Mieterin (Klägerin) rechtzeitig dem Vermieter (Klägerin) zugegangen ist. Die Mieterin hatte gegen den Vermieter eine Kautionsrückzahlungsklage erhoben, gegen die der Beklaget u.a. Aufrechnung  mit einer Mietforderung Mai 2020 mit der Begründung erklärte, die Kündigung sei ihm wirksam erst am 05.02.2020 zugegangen, weshalb das Mietverhältnis erst am 31.05.2020 geendet habe. Das Amtsgericht hat der Klage teilwiese stattgegeben, wobei es u.a. die Aufrechnungserklärung des Beklagten zu Lastend er Klägerin berücksichtigte. Die Berufung der Klägerin war, in Bezug auf die erklärte Aufrechnung, nicht erfolgreich.

Das Landgericht (LG) hat in seinem Berufungsurteil zunächst auf die allgemeine Regelung hingewiesen, derzufolge eine Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Monats zum Ablauf des übernächsten Monats in Schriftform (§ 568 BGB) erfolgen muss (§ 573a Abs. 1 S. 1 BGB). Die Wirksamkeit hängt von deren Zugang bei dem Kündigungsempfänger ab (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Strittig war der Zeitpunkt des Zugangs.

Nach der (vom Beklagten bestrittenen) Behauptung der Klägerin will diese die Kündigung am 04.02.2020 um 22.30 Uhr in den Briefkasten der Wohnung des Beklagten geworfen haben und diesen unmittelbar vor dem Einwurf über die Gegensprechanlage über den Einwurf die Kündigungsschreiben informiert haben. Das LG  ließ es dahinstehen, ob es zu der behaupteten Information durch die Klägerin kam, da auch in diesem Fall der Zugang nicht vor dem 05.02.2020 erfolgt sei.

Zwar mag eine nicht verkörperte Willenserklärung über eine Gegensprechanlage ähnlich wie im Rahmen eines Telefonats als solche nach Annahme des LG als eine Willenserklärung unter Anwesenden zu beurteilen sein. Daraus folge aber nicht, dass eine verkörperte Willenserklärung (wie hier das Schreiben) alleine durch die vorherige Kontaktaufnahme zum Empfänger mittels Gegensprechanlage oder Telefon zu einer solchen unter Anwesenden würde. Vielmehr verbliebe es in diesem Fall dabei, dass unabhängig von der Kontaktaufnahme es dem Empfänger nicht möglich sei, die verkörperte Willenserklärung (das Schreiben) im unmittelbaren Kontakt zum Absender (hier Beklagten) in seinen Machtbereich zu verbringen.

Eine verkörperte Willenserklärung müsse gegenüber einem Anwesenden genauso zugehen wie verkörperte Willenserklärungen unter Abwesenden. In beiden Fällen käme § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zum Tragen. Damit müsse die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass damit zu rechnen sei, der Empfänger könne von ihr Kenntnis nehmen. Bei Anwesenden würde die Abgabe der Willenserklärung und die erwartbare Kenntnisnahme zusammenfallen. Dies sei aber hier bei Abwesenden nicht der Fall, da die in Schriftform zufassende Kündigungserklärung durch Einlegung um 22.30 Uhr nicht trotz der telefonischen Information nicht entsprechend in den Machtbereich des Empfänger gelangt sei.

Vielmehr sei dem Beklagten am 3. Werktag, dem 04.02.2020, nur durch mündliche Information über den Einwurf des Kündigungsschreibens mitgeteilt worden, was als Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 568 BGB nicht ausreichend sei.

Zwar sei die Kündigungserklärung durch Einwurf in den Briefkasten in den Machtbereich des Beklagten gelangt. Wann aber unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme vom Inhalt durch den Beklagten zu rechnen sei, richte sich danach, wann nach den gewöhnlichen Verhältnissen mit einer Leerung desselben zu rechnen sei. Dabei sei nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern es sei im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (BGH, Urteil vom 21.01.2004 - XII ZR 214/00 -). Bis 18.00 Uhr werde in der Rechtsprechung danach noch ein Zugang am Tag des Einwurfs angenommen (BayVerfGH vom 15.10.1992 - Vf. 117-VI-91 -); erst erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in einen Wohnungsbriefkasten eingeworfene Schreiben würden erst als am nächsten Tag zugegangen gelten (BAG, Urteil vom 08.12.1983 - 2 AZR 337/82 -). Damit sei der beklagte nicht um 22.30 Uhr verpflichtet zu prüfen, ob bei ihm in den Wohnungsbriefkasten eine rechtserhebliche Erklärung in seinem Machtbereich eingegangen ist.

Auch durch die Mitteilung über die Gegensprechanlage ändere sich daran nichts. Dem Empfänger einer Erklärung sei zuzugestehen, sich zur Nachtzeit der Kenntnisnahme des Inhalts rechtserheblicher Erklärungen zu entziehen, auch wenn er darauf hingewiesen wird. Dies würde (in der Literatur) auch für via SMS eingehende Erklärungen angenommen, auch wenn der Empfänger einer SMS in der Regel durch einen Hinweiston auf einen Eingang einer Nachricht hingewiesen würde. Hier hätte der Beklagte zur Kenntnisnahme seine Wohnung verlassen müssen, also einen erheblichen Mehraufwand als gegenüber der Öffnung einer SMS betreiben müssen, was der Absender nicht erwarten könne.

LG Krefeld, Urteil vom 21.09.2022 - 2 S 27/21 -

Montag, 13. März 2023

Obligatorisches Schlichtungsverfahren vor Klage und Verletzung der persönlichen Ehre

Der Beklagte verschaffte sich zu einem WhatsApp-Chatverkauf seiner jetzt von ihm getrennt lebenden Ehefrau mit deren Freundin (der Klägerin) Zugriff, den er mindestens zwei Personen zum Lesen überließ. Die Klägerin verlangte wegen Eingriffs in ihrer Intimsphäre eine Geldentschädigung. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig zurück; dem folgte das Landgericht im Berufungsverfahren. Im Rahmen der zugelassenen Revision wurde die Entscheidungen aufgehoben und der Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Hintergrund war § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW, wonach für bestimmte Verfahren ein Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung zwingend vorgeschrieben ist. Wird dieses nicht durchgeführt, ist die Klage unzulässig. Ein Schlichtungsverfahren wurde vorliegend nicht durchgeführt, weshalb Amts- und Landgericht die Zulässigkeitsvoraussetzungen als nicht gegeben angesehen haben. Ansprüche, die sich inhaltlich auf eine Ehrverletzung im strafrechtlichen Sinne beziehen würden, würden in den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen. Die Annahme des BGH (im Urteil vom 02.03.2012 - V ZR 169/11 -), in NRW seien alle Geldforderungen schlichtungsfrei gestellt, greife nicht, da  der BGH sich auf die Entstehungsgeschichte berufen habe und diese für den Bereich der persönlichen Ehre diesen Schluss nicht zulasse.

Diesen Erwägungen der Instanzgerichte folgte der BGH nicht. Vorliegend würde es sich nicht um eine Streitigkeit über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre iSv. § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EFZPO iVm. 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW handeln. Dabei könne auch auf sich beruhen, ob nicht sogar eine Zahlungsklage vorläge, für die das Schlichtungsverfahren ohnehin nicht erforderlich sei, da ein auf Geld gerichteter Anspruch auch dann eine Zahlungsklage sei, wenn der Geldanspruch auf eine Ehrschutzverletzung beruhe (das Schlichtungsverfahren verneinend BGH aaO.). Dem schließt sich der Verfasser dieses Artikels an: Unabhängig davon, welche Grundlage die Zahlungsklage hat, erfordert sie (bei Streitwerten von über € 750,00 nie ein vorheriges Schlichtungsverfahren, da es sich dann immer um eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung handelt, unabhängig davon, dass (auch bis zu € 750,00) das Schlichtungsverfahren umgangen w erden könnte, indem nicht gleich Klage erhoben wird, sondern ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet wird (§ 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EGZPO). Ist ein Schlichtungsverfahren zwingend vorgeschrieben, so kann dieses nach Klageerhebung nicht zur Heilung nachgeholt werden (BGH, Urteil vom 23.11.2004 - VI ZR 336/03 -).

In der hier besprochenen Entscheidung ließ dies der BGH dahingestellt, da eine „Verletzung der persönlichen Ehre“ nicht Grundlage des Anspruchs sei.  Davon seien nicht alle Ansprüche aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst; § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG lehne sich eng an die Öffnungsklausel des § 15a Abs. 1 S. 1Nr. 3 EGZPO an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht würde nicht nur die persönliche Ehre sondern auch das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit umfassen (BGH, Urteil vom 23.11.2004 aaO.).

Abzustellen sei hier auf die Entstehungsgeschichte der Normen. Der Rechtsausschuss des Bundestages habe die Einbeziehung von Ehrschutzklagen in den Anwendungsbereich des § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO vor dem Hintergrund für sachgerecht gehalten, da für die strafrechtliche Verfolgung ebenfalls ein Sühneverfahren vorgeschaltet sei (§ 308 StPO). § 380 StPO sehe bei Privatklagen u.a. wegen Beleidigung (§ 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO iVm. 185 bis 189 StGB, auch vor, dass zunächst eine Vergleichsbehörde die Sühne erfolglos versuchen müsse. Diese Beschränkung der Öffnungsklausel des § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO auf Ehrverletzungen iSv. §§ 185 ff StGB, die sich auf unwahre Tatsachenbehauptungen und herabwürdigende Werturteile stütze, habe zwar das Berufungsgericht auch gesehen. Es habe dann aber nur festgestellt, dass der Beklagte einen höchstpersönlichen Chatverlauf bestimmten Dritten offenbart habe, um die Klägerin in ihrem Ansehen oder ihrem Ruf zu diskreditieren. Gegenstand des Verfahrens sei damit kein nach §§ 185 ff StGB strafbares Handeln.

BGH, Urteil vom 25.10.2022 - VI ZR 258/21 -

Donnerstag, 9. März 2023

Kostenhaft für Eigentumsumschreibung im Grundbuch

Für die (nur) von der Erwerberin beantragte Eigentumsumschreibung wurden die Gerichtskosten nach GNotKG KV Nr. 14110 bei der Beteiligten zu 1. geltend gemacht, die in dem notariellen Vertrag unter § 2 (gegenüber der Erwerberin) erklärte, die Kosten und Gebühren des Vertrages nebst seiner Durchführung zu tragen. Die dagegen von der Beteiligten zu 1. Eingelegte Beschwerde hatte Erfolg.

Eine Haftung nach § 22 Abs. 1 GNotKG schied aus, da die Beteiligte zu 1., wie das OLG feststellte, nicht Antragstellerin war. Den Antrag auf Eigentumsumschreibung im notariellen Vertrag hatte lediglich die Erwerberin gestellt.

Eine Haftung der Beteiligten zu 1. scheide auch auf der Grundlage des § 27 Nr. 2 GNotKG aus. In der in § 2 aufgenommenen Erklärung der Beteiligten zu 1. läge eine Erklärung nur gegenüber der Erwerberin, für die Kosten aufzukommen; darin läge keine wirksame Erklärung zur Haftung für die Gerichtskosten gegenüber dem Gericht.  § 27 Nr. 2 GNotKG verlange aber, dass die Erklärung gegenüber dem Gericht abgegeben wird oder diesem mitgeteilt habe. Das ergäbe sich aus der gleichlautenden Norm des § 3 Nr. 2 KostO, zu der der BGH bereits festgestellt habe, dass eine im Notarvertrag geregelte Übernahme von Notarkosten lediglich im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern Wirkung entfalte; für eine Wirkung auch gegenüber dem Notar bedürfe es einer nach außen hin wirkenden Erklärung mit Wissen und Wollen des in Anspruch genommenen (BGH, Urteil vom 20.01.2005 - III ZR 278/04 -).

Kostenregelungen in einem Vertrag würden in der Regel nur das Rechtsverhältnis der Vertragsparteien zueinander berühren, nicht aber Ditte begünstigen. Diesen gegenüber müsste eine Haftung direkt übernommen oder erklärt werden, was in der allgemeinen Kostenregelung im Kaufvertrag nicht zu sehen sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2023 - 15 W 27/23 -

Dienstag, 7. März 2023

Unterschied zwischen Kostenregelung im gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleich

Zwar sollte zwischen den Parteien zunächst ein Vergleich geschlossen werden, der im laufenden Rechtsstreit vom Gericht protokolliert wird. Allerdings erfolgte dies dann nicht, und der Vergleich wurde außerhalb des Verfahrens geschlossen. In diesem außergerichtlichen Vergleich trafen sie eine Regelung über die „Kosten des Rechtsstreits“, die eine Kostenentscheidung des Gerichts vorsah. Dieses erlegte nach übereinstimmender Erledigungserklärung des Rechtsstreits gemäß den Vorgaben im außergerichtlichen Vergleich der Klägerin 37%, der Beklagten 63% der „Kosten des Rechtsstreits“ auf. Im Rahmen der Kostenausgleichung und -festsetzung wurde die Einigungsgebühr zu Lasten der Beklagten festgesetzt, die dagegen erfolgreich Rechtsmittel einlegte.

Das OLG kam bei der Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Einigungsgebühr bei beiden Parteien nicht zu berücksichtigen sei und mithin zu Lasten keiner der Parteien im Rahmen der Kostenausgleichung festgesetzt werden könne. Der Tenor der Kostenentscheidung des Landgerichts auf der Grundlage des § 91a ZPO (Erledigung der Hauptsache) laute auf eine Quotelung der „Kosten des Rechtsstreits“, wie es auch im außergerichtlichen Vergleich vorgesehen war.  

Grundsätzlich sind die Kosten des Vergleichs auch „Kosten des Rechtsstreits“. Auf der Grundlage des § 98 ZPO hatte das OLG Hamburg (Beschluss vom 24.07.2014 - 4 W 83/14 -) entscheiden, dass dann, wenn in einem gerichtlich protokollierten Vergleich von den Kosten des Rechtsstreits gesprochen würde, die Parteien damit alle Kosten, also auch jene des Vergleichs meinen würden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass die Parteien diese mit in die Kostenregelung (entgegen § 98 S. 1 ZPO, welcher eine wechselseitige Aufhebung der Kosten des Prozessvergleichs vorsieht) einbeziehen wollten. Entsprechendes könne regelmäßig bei einem gerichtlichen Vergleich angenommen werden, da diese Kosten mit zu dem Prozessgeschehen zählen würden (so bereits BGH, Beschluss vom 25.09.2008 - V ZB 66/08 -).

Grundsätzlich sieht § 98 S. 1 ZPO bei einem Prozessvergleich die wechselseitige Aufhebung der Kosten des Vergleichs vor. Das, so das OLG Frankfurt, würde auch für die den außergerichtlichen Vergleich gelten, wenn dieser (wie hier) zur Prozessbeendigung führe (BGH, Beschluss vom 15.03.2011 - VI ZB 45/09 -). Eine davon abweichende Regelung läge durch die den Prozess beendende Vereinbarung der Parteien nicht vor. Zwar sei zunächst ein Prozessvergleich mit der Regelung „Kostend es Rechtsstreits und dieses Vergleichs“ beabsichtigt gewesen, doch sei dann außergerichtlich nur über die „Kosten des Rechtsstreits“ eine Vereinbarung geschlossen worden. Angesichts dieser Änderung der Wortwahl könnten vorangegangene Erwägungen nicht mehr uneingeschränkt Grundlage einer Auslegung werden. Damit würden die Erwägungen des BGH wieder greifen und die Kosten des Vergleichs nicht entgegen § 98 S. 1 ZPO als Kosten des Rechtsstreits bei der Quotelung berücksichtigt werden.

Als Fazit ergibt sich, dass durch die Beschränkung im außergerichtlichen Vergleich auf die Kosten des Rechtsstreits die Partei, die nur mit einer Kostenquotelung von 37% beteiligt sei, durch den Wegfall der Quotelung der Vergleichs-/Einigungskosten finanziell benachteiligt wird gegenüber einer Regelung, dass die Quotelung auch für den Vergleich gilt (wie ursprünglich von den Parteien für den gerichtlichen Vergleich angedacht).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.08.2022 - 28 W 1/22 -

Donnerstag, 2. März 2023

Unerwünscht: Das Abstellen u.a. von Hausschuhen vor der Wohnungstür

Es ist (leider) keine Ausnahme, dass Mieter in Mehrfamilienhäusern bestimmte Gegenstände nicht in der angemieteten Wohnung abstellen, sondern vor der Wohnungstür im Treppenhaus (so Schuhe, Schirme). So auch in dem vom AG Frankfurt am Main entschiedenen Fall: Hier stellte der beklagte Mieter seine Schuhe vor der Wohnungstür zu seiner Wohnung ab du wurde von der Vermieterin auf Unterlassung verklagt. Während der Klage räumte er die Schuhe weg, weshalb die Parteien insoweit übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärten. Im Übrigen verurteilte das Amtsgericht den Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes antragsgemäß, es zu unterlassen, Schuhe vor der Wohnungstür seiner Wohnung abzustellen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten insgesamt auferlegt.

Das Amtsgericht stützte seine Entscheidung auf § 541 BGB, wonach der Vermieter bei vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache durch den Mieter nach dessen Abmahnung auf Unterlassung in Anspruch nehmen könne. So würde bereits im Mietvertrag eine Regelung enthalten sein, nach der Gegenstände jeglicher Art in gemeinschaftlichen Räumen, am Haus oder auf dem Grundstück nur mit Zustimmung der Klägerin aufgestellt werden dürften. Aus der im Mietvertrag einbezogenen Hausordnung ergäbe sich, dass das Abstellen von Gegenständen im Treppenhaus untersagt sei; dieses Verbot sei aus Gründen des Brandschutzes erforderlich, da Flucht- und Rettungswege von Gegenständen freizuhalten seien. Da hier keine Zustimmung der Klägerin zum Abstellen der Schuhe im Treppenhaus vorläge, sei die Klage bereits begründet gewesen.

Das Amtsgericht wies aber darauf hin, dass die Klage auch ohne die entsprechenden Regelungen im Mietvertrag begründet gewesen wäre. Treppenhäuser, Aufgänge und Laubengänge seien Gemeinschaftsflächen, die der Mieter mitbenutzen dürfe, um zu der angemieteten Wohnung zu gelangen, die aber nicht mitvermietet seien. Das Abstellen irgendwelcher Gegenstände in diesem Bereich sei von der benannten zweckgebundenen Nutzung nicht umfasst und gehöre daher nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch. Schuhe könnten, unabhängig von den Witterungsverhältnissen, auch vor der Wohnungstür ausgezogen und sodann in der Wohnung (so in einem Schuhschrank) aufbewahrt werden. Sie könnten dann ebenso schnell aus- und wieder angezogen werden wie beim Abstellen vor der Wohnungstür. Eine unangemessene Benachteiligung des Mieters ergäbe sich daraus nicht. Da die Klägerin den Beklagten mehrfach abgemahnt habe, hätten bei Klageerhebung die Voraussetzungen nach § 541 BGB vorgelegen; der Beklaget sei seiner Pflicht zur Entfernung erst im Laufe des Rechtstreits nachgekommen.

Die Kosten waren dem Beklagten aufzuerlegen, da er im Hinblick auf den Unterlassungsantrag unterlegen war und die Beseitigungsklage, wäre keine Hauptsacherledigung eingetreten, erfolgreich gewesen wäre.

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.04.2022 - 33 C 2354/21 (55) -

Mittwoch, 1. März 2023

Erfüllungswirkung bei Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung ?

Kann der Schuldner seine Zahlungsverpflichtung erfüllen, wenn er seine Leistung unter einem Vorbehalt erbringt ? Nur um diese Frage ging es noch im Berufungsverfahren: Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hatte im Zusammenhang mit einer Schadensersatzforderung der Klägerin an diese € 19.187,08 gezahlt und dabei im Abrechnungsschreiben ausgeführt, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ und „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ erfolge. Die Klägerin meinte, dies stelle keine ordnungsgemäße Erfüllung dar und beantragte in dem Schadenersatzprozess gegen den Versicherungsnehmer als Beklagten die Feststellung, dass dieser keinen Rückforderungsanspruch habe. Das Landgericht hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) folgte dem im Ergebnis, negierte allerdings bereits ein Feststellungsinteresse der Klägerin iSv. § 256 ZPO.

Richtig sei im Grundsatz, dass infolge des von der Klägerin gegen den beklagten Versicherungsnehmer geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ein Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin (hier infolge des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 116 SGB X) bestünde. Würde mithin der beklagte den von seinem Versicherer gezahlten Betrag von der Klägerin zurückfordern, würde dieser ein Vermögensschaden drohen.  Allerdings habe der Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Für die hier erhobene negative Feststellungsklage sei erforderlich, dass hier der Beklagte als Schuldner eine entsprechende Bestandsbehauptung (“Berühmen“) der von der Klägerin verneinte und gegen ihn gerichteten Ansprüche aufstellen würde. Fehle es daran bei Klageerhebung oder entfalle dies im Laufe des Prozesses, sei bzw. würde die negative Feststellungsklage unzulässig. Die Klägerin habe ein solches Berühmen durch den Beklagten selbst nicht behauptet. Sie befürchte vielmehr eine Rückforderung durch den Versicherer des Beklagten, der die Zahlung leistete. Ob dies für ein „Berühmen“ ausreiche könne auf sich beruhen, da sich die negative Feststellungsklage nicht gegen den Versicherer richte und etwaige Rückforderungsansprüche auch nur dem Versicherer, nicht dem Beklagten zustehen würden.

Das Feststellungsinteresse würde aber der Klägerin bereits deshalb fehlen, da die auf die Klägerin übergegangenen, vom Versicherer gezahlten Schadensersatzansprüche durch Erfüllung erloschen seien, § 362 BGB. Nur wenn durch den erklärten Vorbehalt eine Erfüllung nicht eingetreten sei, würde ein rechtlich anerkanntes Feststellungsinteresse an der Nichtberechtigung zur Rückforderung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bestehen, damit durch Beseitigung des Vorbehalts tatsächlich Erfüllung eintrete.

Bei dem Vorbehalt sei zu unterscheiden:

Will der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegenwirken und damit die Wirkung des § 814 BGB ausschließen mit der Möglichkeit, das Gezahlte gem. § 812 BGB zurückfordern zu können, würde dies die Erfüllung nicht in Frage stellen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/05 -). Der Gläubiger habe nach § 362 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch auf Erfüllung der Leistung, nicht aber auf ein Anerkenntnis des Bestehens der Forderung.

Leiste der Schuldner allerdings in der Weise unter Vorbehalt, dass dem Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsstreit auch die Beweislast für das Bestehen der Forderung treffe, würde dies die Schuldentilgung in der Schwebe halten und eine Erfüllung nach § 362 BGB ausschließen. Dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits (z.B. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel) leiste und einen Rechtsstreit gleichwohl fortsetze. Bei einer vorgerichtlichen Zahlung (wie hier) sei bei einem entsprechenden Vorbehalt keine Erfüllungswirkung anzunehmen, wenn der Schuldner zur Abwendung eines empfindlichen Übels leiste oder unter der Voraussetzung, dass die Forderung zu Recht besteht (BGH aaO.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).

Es sei bei der nach §§ 133, 157 BGB erforderlichen Auslegung der Erklärung im Zweifel davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gemeint ist. Dies sei auch hier der Fall. Die Ausführung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ solle klarstellen, dass die Forderung nicht anerkannt würde; mit der Formulierung „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ würde klargestellt, dass der streitige Anspruch zwar (teilweise) erfüllt würde, damit aber nicht die Anerkennung des Anspruchs verbunden sei sowie der erfüllte Anspruch möglicherweise unbegründet sei. Der Haftpflichtversicherer wollte mithin für den Fall einer etwaigen Rückforderung die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den Rückforderungsausschluss des § 814 BGB vermeiden, was zulässig sei. Die Beweislast für den Bestand der Forderung sollte im Falle einer Rückforderung mithin nicht auf den Gläubiger verlagert werden, sondern verblieb bei der Versicherung.

Die Gläubigerin hätte die Annahme der Leistung durch den Versicherer auch nicht ablehnen können, ohne in Annahmeverzug zu geraten, da sie zwar einen Anspruch auf die Leistung hatte, nicht aber auf ein Anerkenntnis. Damit fehle es hier der Klägerin an einem Feststellungsinteresse.

Selbst wenn man sich vorstehender Ansicht nicht anschließen sollte, würde es hier der Klägerin an einem Feststellungssinteresse ermangeln, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre, da die Zahlung von dem Versicherer geleistet wurde. Bei der Zahlung durch den Versicherer handele es sich, wie in dem Anweisungsfällen, in deren Rahmen die Leistungskondiktion in den jeweiligen Leistungsbeziehungen (Deckungs- und Valutaverhältnis) zu erfolgen habe und nicht im Wege der Direktkondiktion zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger.  Bei der Zahlung des Versicherers an den Gläubiger des Versicherungsnehmers handele es sich um die Leistung eines Dritten gem. § 267 BGB, weshalb der Kondiktionsanspruch dem Versicherer zustehe (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XIII ZR 130/89 -), da dieser nach § 267 BGB eine fremde Verbindlichkeit in Erfüllung seiner Freistellungspflicht gegenüber dem beklagten geleistet habe. Es läge hier auch keine Anweisung des Versicherungsnehmers an den Versicherer vor, da der Versicherungsnehmer den Schadensfall an den Versicherer gemeldet habe,  damit dieser etwaige berechtigte Ansprüche des Geschädigten für ihn erfülle.

Die Anspruchsinhaberschaft des Rückforderungsanspruchs sei eine doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Hier sei ein Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten und damit ein rechtliches Intereses an der Feststellung des Nichtbestehens dieses Anspruchs gegen den Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden; die doppelrelevante Tatsache sei bereits bei der Zulässigkeit relevant. Denn mit dem erstrebten Urteil gegen den Beklagten würde die Gefahr einer Rückforderung durch den Versicherer nicht beseitigt, da das Urteil für diesen keine Rechtswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte.

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -