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Samstag, 24. Juni 2023

COVID-19-bedingte fristlose Kündigung des Fitnessstudio-Vertrages durch Nutzer

Der BGH musste sich hier erstmals mit der Frage auseinandersetzen, ob die Coronapandemie den Nutzer das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung gibt, Corona also ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann, oder ob der Nutzer erst zum Ende der vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen kann. Dieses Recht hat der BGH sowohl in Ansehung der hoheitlichen Schließungsanordnungen, von hoheitlich angeordneten Nutzungsbeschränkungen für Sauna und Duschen, als auch der Möglichkeit der Ansteckung verneint.

Zum Sachverhalt: Der Nutzungsvertrag wurde am 06.12.2019 mit einer Laufzeit von 100 Wochen, beginnend 11.12.2019, geschlossen. Im ersten Lockdown vom 17.03.2020 bis Mitte Mai 2020 war das Studio geschlossen, zog aber die beklagte Betreiberin das Nutzungsentgelt weiterhin ein; sie einigte sich mit der klagenden Nutzerin darauf, dass dieser Zeitraum nach dem Lockdown dann kostenfrei sei. In einer Vereinbarung vom 31.05.2020 wurde eine Ruhezeit von zehn Wochen, um die sich der Vertrag nach dessen regulärer Laufzeit verlängern sollte (also bis zum 25.01.2022), festgehalten. Bei Wiedereröffnung des Studios nach dem 1. Lockdown gab es hoheitlich angeordnete Nutzungseinschränkungen (so für Duschen und Sauna). Vom 30.10.2020 bis 31.05.2021 musste das Studio infolge des 2. Lockdowns wieder schließen.  Am 25.11.2020 kündigte die Klägerin zum 30.11.2020, dem die Beklagte widersprach. Die Klägerin erhob Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass durch ihre Kündigung das Nutzungsverhältnis zum 30.11.2020, hilfsweise zum 16.11.2021, hilfs-hilfsweise zum 25.01.2022 endete. Das Amtsgereicht gab der Klage im Hinblick auf das Vertragsende 25.01.2022 statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision beantragte die Klägerin erfolglos weiterhin die Feststellung des Vertragsendes zum 30.11.2020.

Der BGH sh keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung vor dem Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten und auf den 25.01.2022 verlängerten Laufzeit zum 25.01.2022.

Es handele sich bei dem Nutzungsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis (BGH, Urteil vom 04.05.2016 - XII ZR 62/15 -). Unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag würde die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnis voraussetzen, dass es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden könne, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zuzuwarten (§§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB). Dies könne allgemein nur angenommen werden, wenn die die Kündigung rechtfertigenden Umstände in der Sphäre des Kündigungsgegners lägen.

Für das Mietrecht habe der BGH bereits entscheiden, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder in die Sphäre des Mieters noch des Vermieters fallen würden. Dies gelte auch für Fitnessstudioverträge. Keine der Vertragsparteien sei für die umfassenden Maßnahmen und staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie verantwortlich. Damit kämen Betriebsschließungen und -beschränkungen nur in Ausnahmefällen zur Begründung der außerordentlichen Kündigung in Betracht (Bacher, Die Coronapandemie und allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen, in MDR 2020, 514, 519).

Konkret verwies der BGH darauf, dass der Klägerin durch die Schließung keine wirtschaftlichen Belastungen entstünden, da sie während dieser Zeit von einer Zahlungspflicht befreit sei und evtl. erfolgte Zahlungen zurückfordern könne (bereits entschieden im Urteil des BGH vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 -). Sowohl der Betreiber des Studios als auch der Nutzer würden während dieser zeit leistungsfrei. Damit würde ein Festhalten am Vertrag zumutbar sein.

Auch dem Argument der Klägerin, sie sei an einem für sie sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und eine Umorientierung zu anderen sportlichen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen würde blockiert, schloss sich der BGH nicht an. Zwar läge der Zweck eines Fitnessstudiovertrages in der regelmäßigen sportlichen Betätigung, weshalb gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung sei. Dieser sei mit einer pandemiebedingten Schließung nicht mehr erreichbar und bei dem 2. Lockdown auch dessen Dauer nicht voraussehbar gewesen. Allerdings hätte die Klägerin auf andere Fitnessstudios nicht ausweichen können. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der (für die Schließungszeit entgeltlos gestellte Vertrag) andere sportliche Betätigungen zur Erreichung eines Fitnessziels entgegenstehen würde.

Richtig sei zwar, dass das Verlangen der Beklagten, die Schließungszeit an ein vorgesehenes Vertragsende anzuhängen (und damit die Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung zu verlängern), rechtlich nicht geschuldet würde und mit dem Verlangen die beklagte eine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt habe. Die Verletzung vertraglicher Pflichten würde aber bei einem Dauerschuldverhältnis nur eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie derart schwerwiegend sei, dass dadurch das Vertrauensverhältnis in einem Maß beeinträchtigt wird, dass dem Kündigendem ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar sei.  Ein solcher Fall könne hier nicht angenommen werden, da die instanzgerichtliche Rechtsprechung in der Zeit des 2. Lockdown verbreitet die Annahme vertrat, dass gemäß § 313 Abs. 1 BGB der Vertrag dahingehend angepasst werden könne, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung verlängert. Das Zueigenmachen dieser Rechtsansicht stelle keine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Dass der BGH mit Urteil vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 - diese Rechtsprechung zur Vertragsanpassung verwarf, würde nicht nachträglich in dem Verlangen eine schwerwiegende Vertragsverletzung begründen.

Aus Rechtsgründen sei auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Hygiene- und Abstandsregeln nicht für eine außerordentliche Kündigung als ausreichend ansah. Durch die Einhaltung derartiger regeln sei die Klägerin nicht so schwer belastet, dass ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar gewesen wäre. Auch wenn Duschen pandemiebedingt nicht nutzbar gewesen sein sollten, würde dies keine Kündigung rechtfertigen; in diesem Fall käme allenfalls ein angemessener Interessensausgleich durch Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (z.B. Herabsetzung des Entgelts), was eine außerordentliche Kündigung ausschließt.

Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf ein Ansteckungsrisiko berufen. Die Gefahr einer Infizierung mit dem Corona-Virus habe im November 2020 zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Die Klägerin habe auch davon ausgehen können, dass eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios erst erlaubt wird, wenn das Infektionsrisiko, ggf.- durch entsprechende Hygienemaßnahmen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Entschlösse sich die Klägerin dann aus Angst vor einer Infektion gleichwohl, das Studio nicht zu nutzen, würde die ihr Verwendungsrisiko betreffen.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - XII ZR 24/22 -

Montag, 5. Dezember 2022

Ausgleich des Mietrückstandes innerhalb der Schonfrist und ordentliche Kündigung

Die Beklagte (Mieterin) kam mit ihren Mietzahlungen in Verzug und die Klägerin (Vermieterin) kündigte deshalb das Mietverhältnis fristlos, vorsorglich hilfsweise ordentlich. Nach Zustellung der Klage glich die Beklagte die Mietrückstände aus. Das Amtsgericht gab der Räumungsklage auf der Grundlage der hilfsweise ausgesprochenen Kündigung statt. Das Landgericht (LG Berlin, Urteil vom 20.08.2021 - 66 S 98/20 -) hatte im Berufungsverfahren die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.

Der BGH verwies darauf, dass die auf die ausgebliebenen Mietzahlungen gestützte Kündigung der Klägerin infolge der Schonfristzahlung (Befriedigung der ausstehenden Zahlungen innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage, § 569 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 BGB) nicht unwirksam geworden sei. Diese Zahlung würde lediglich die Folgen einer fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) haben. Eine auf den zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand (zeitgleich) gestützte ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 S. 1m Abs. 2 Nr. 1 BGB bliebe von der Schonfristzahlung unberührt. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB sei hierauf weder direkt noch anlog anzuwenden.

Der anderweitigen, vom LG Berlin (so Urteil vom 01.07.2022 - 66 S 200/21 - vertretenen Ansicht widersprach der BGH. Das LG Berlin habe sich zur Begründung des anderweitigen Normverständnisses des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB insbesondere auf ein historisches Normverständnis und der jüngeren Gesetzgebungsgeschichte befasst. Auch wenn ein Schweigen des Gesetzgebers zur bisherigen Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht ohne Weiteres als ausreichender objektiver Anhaltspunkt für einen Bestätigungswillen angesehen werden könne (BVerfGE 78, 20, 25; Beschluss des BGH vom 15.07.2016 - GSSt 1/16 -) würde verkannt, das sich der hier zur Entscheidung berufene Senat des BGH nicht auf ein blo0es Schweigen des Gesetzgebers im Rahmen jüngerer Gesetzgebungsvorhaben abgestellt hat, insoweit er bereits früher die Schonfristzahlung als nicht die ordentliche Kündigung tangierend angesehen habe Urteil vom 13.10.2021 - VIII ZR 81/20 -), denn der Gesetzgeber habe die derzeitige Normanwendungspraxis des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB nach der langjährigen und ständigen Senatsrechtsprechung, welcher weit überwiegend die Instanzgerichte und die herrschende Meinung in der Literatur folgen würden nicht lediglich passiv unbeanstandet gelassen. Er habe vielmehr Gesetzesvorhaben, welche eine Erstreckung der Schonfristzahlung auch auf die ordentliche Kündigung beinhalten sollten,  nicht weiter verfolgt und mehrfach Gesetzesänderungen, die dies zum Ziel gehabt hätten, abgelehnt  (vgl. auch BT-Plenarprotokoll 19/236 S. 30739 zur Ablehnung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 19/20589). Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber das vom Senat aufgezeigte Normverständnis als weiterhin geltende Rechtspraxis ansehe. Auch Ansätze für eine Änderung im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung seien bisher nicht eingeleitet worden.

Von daher sei das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Insoweit wäre vom Berufungsgericht, sollte es nicht das Mietverhältnis als durch die ordentliche Kündigung beendet ansehen (was hier im Revisionsverfahren zu unterstellen war, da sich das Landgericht aus seiner Sicht nicht damit auseinandersetzen musste), auch darauf einzugehen, dass klägerseits die Kündigung auch auf einen „zumindest versuchten Prozessbetrug“ (dazu BGH, Beschluss vom 21.10.2021 - VIII ZR 91/20 -) der Beklagten gestützt wurde, worauf das Berufungsgericht nicht eingegangen sei.

BGH, Urteil vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21 -

Sonntag, 6. März 2022

Elektrofahrzeugbatterie: Mietbedingungen zur (Fern-) Abschaltung durch Vermieter bei fristloser Kündigung

Das OLG musste sich mit der Zulässigkeit einer Klausel in Mietbedingungen für eine Batterie  für Elektrofahrzeuge (ob gekauft oder geleast) auseinandersetzen, in der es hieß:

"Im Falle der außerordentlichen Vertragsbeendigung infolge Kündigung wird die Vermieterin die Sperre der Wiederauflademöglichkeit der Batterie zunächst mit 14-tägiger Frist vorher ankündigen. Die Androhung kann auch zusammen mit der Kündigung erfolgen. Die Vermieterin ist in diesem Fall nach Ablauf der Ankündigungsfrist berechtigt, ihre Leistungspflicht einzustellen und die Wiederauflademöglichkeit der Batterie zu unterbinden. Die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs bleibt hiervon unberührt."

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein. Die Klage war erstinstanzlich erfolgreich; die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Bei der Klausel handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, die der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB unterfalle und nach §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.

Voraussetzung dafür sei, dass die Interessen des Vertragspartners in einer vom Gesetz abweichenden Weise geregelt würden. Dies sei hier der Fall, da die Beklagte nach Beendigung des Vertrages aufgrund einer außerordentlichen Kündigung nach einer 14-tägigen Frist berechtigt sei, die Batterie mittels einen Fernzugriffs zu sperren und damit zu verhindern, dass der Mieter die Batterie laden kann.  Eine solche Möglichkeit sei vom Gesetz nicht vorgesehen. Zwar sei der Mieter nach der Kündigung verpflichtet die Batterie herauszugeben, §§ 546 iVm 985 BGB. Ein Zugriffsrecht des Vermieters im Wege der Selbsthilfe gem. § 229 BGB existiere aber nicht. Dieses Sperren stelle eine verbotene Eigenmacht der Beklagten nach § 858 Abs. 1 BGB dar. § 858 BGB verbiete die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers und diene dem Schutz des staatlichen Gewaltmonopols, indem es eigenmächtige Eingriffe im Besitz eines Dritten befindlicher Sachen, unabhängig von der schuldrechtlichen Rechtslage, unterbinde. Es solle sichergestellt werden, dass ein derartiger Eingriff nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels in einem geordneten Verfahren erfolgen dürfe.

Die Möglichkeit der Nutzung der Batterie sei Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft des Besitzers. Die dadurch begründete Einwirkungsmacht würde durch das Sperren der Auflademöglichkeit eingeschränkt.

Der BGH (Urteil vom 06.05.2009 - XII ZR 137/07 -) habe entschieden, dass die Einstellung der Versorgung mit Heizleistung und Warmwasser durch den Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses über Gewerberäume nach Kündigung des Mieters wegen Zahlungsverzugs keine Besitzstörung gegenüber dem Mieter darstelle, und zur Begründung darauf verwiesen, dass die zur Nutzung des Mietobjekts erforderliche Energielieferung nicht Bestandteil des Besitzes sei und daher nicht dem Besitzschutz der §§ 985ff BGB unterfalle. Die Beklagte würde hier bei der Vermietung der Batterie nicht noch zusätzlich zur Übergabe der Mietsache die Erbringung der weiteren (Versorgungs-) Leistungen schulden. Sie müsse lediglich dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der Batterie einräumen. Die Energie, die für das Aufladen der Batterie notwendig sei, müsse der Mieter selbst besorgen. Die Vorenthaltung der Batterie führe nicht dazu, dass der Beklagten ein weiterer Schaden drohe, wenn sie die Auflademöglichkeit nicht unterbinde. Anders als in dem vorgenannten Urteil des BGH, bei dem dem Vermieter durch den Gebrauch der Heiz- und Warmwasserleistung mangels von Vorauszahlungen darauf ein Schaden gedroht habe, was ihm nicht zumutbar sei, wäre hier ein solcher Schaden gerade nicht zu befürchten, wenn sie die Auflademöglichkeit nicht unterbinden würde. Soweit von der Beklagten geltend gemacht wurde, dass eine weitere Abnutzung der Batterie durch Aufladungen erfolge, läge darin lediglich das typische Risiko eines Vermieters bei Nichtrückgabe der Mietsache und Weiternutzung.

Zudem könne der Mieter nach Unterbindung der Auflademöglichkeit die Batterie nicht mehr bestimmungsgemäß zum Betrieb seines Elektrofahrzeugs nutzen, demgegenüber der Mieter der Gewerbeimmobilie diese weiterhin betreten und sich in ihr aufhalten könne. Für den Besitzer der Batterie würde der Besitz nach der Sperrung aber nutzlos. 

Auch das Recht der Mobilfunkanbieter im Rahmen von Mobilfunkverträgen (insbesondere im Prepaid-Bereich) Mobilfunkleistungen einzuschränken oder vollständig zu sperren, wenn der Mobilfunkkunde mir Zahlungen in Rückstand sei oder ein Kreditlimit überschritten habe, stehe hier der Annahme einer Besitzstörung nach § 858 BGB nicht entgegen. Zum Einen sei eine derartige Sperre durch Anbieter von Festnetztelefonleitungen gesetzlich vorgesehen (§ 62 Abs. 3ff TKG 2021) und diese Wertung des Gesetzgebers würde auch bei der Beurteilung auf Mobilfunkverträge übertragen (BGH, Urteil vom 17.02.2011 - III ZR 35/20 -). Zum Anderen würde der Mobilfunkanbieter davor geschützt, dem säumigen Kunden weiterhin kostenpflichtige Leistungen zur Verfügung zu stellen. Auch dieses Risiko bestünde bei der vermieteten Batterie nicht, da der Vermieter hier neben der Übergabe der Batterie keine weiteren Leistungen schulde.

Ob hier eine Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 BGB vorliege, bedürfe keiner Beurteilung, da alleine der Verstoß gegen § 858 Abs. 1 BGB verstößt bzw. eine unberechtigte Selbsthilfe iSv. § 229 BGB ermöglichen soll, sei sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen würde, unvereinbar.

Mittels der Einbeziehung der AGB in den Mietvertrag könne der Mieter auch nicht in die Sperrung und damit Besitzstörung einwilligen, da das Recht zur Selbsthilfe einer stark eingeschränkten Dispositionsbefugnis der Parteien unterliege (Reichsgericht, Urteil vom 30.01.1931 - II 219/30 - in RGZ 131, 213, 222). Selbst nähme man eine Zustimmung des Mieters bei Vertragsabschluss an, läge verbotene Eigenmacht vor, wenn bei dem Eingriff selbst in der Besitz der Wille des Besitzers, eine solche Maßnahme nicht zu gestatten, nicht mehr vorhanden sei (BGH, Urteil vom 06.07.1977 - VIII ZR 288/75 -).

Redaktioneller Nachtrag:

Die vom OLG zugelassene Revision war anhängig beim BGH zu XII ZR 89/21. Der BGH hat mit Urteil vom 26.10.2022 die Revision zurückgewiesen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2021 - 20 U 116/20 -

Montag, 3. Januar 2022

Rechtliches Gehör und Kündigung wegen geringer Mietdifferenz über längere Zeit

Die Parteien (Brüder) hatten einen schriftlichen Mietvertrag mit einer Bruttomiete von € 562,42 vereinbart. Nach Darstellung des Beklagten soll die Miethöhe mündlich reduziert worden sein. Der Kläger kündigte fristlos wegen einer Mietdifferenz von € 162,42/Monat für den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2018 und machte die offene Mietdifferenz von € 9.709,54 geltend. Die Klage wurde - auch im Berufungsverfahren vor dem Landgericht - diesbezüglich abgewiesen, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass eine Mietreduzierung vereinbart worden sei. . Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts zurück, § 544 Abs. 9 ZPO.

Der BGH sah eine verfahrenserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) darin, dass das Landgericht das Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt habe, dass auch bei Zugrundelegung der Zeugenaussagen eine monatliche Mietdifferenz von € 12,42 vorliege. Es läge daher eine nach seiner Ansicht ein nach § 573 Abs. 1 Nr. 2 BGB relevanter Mietrückstand von (mehr als) einer Monatsmiete seit März 2017 vor, der auch bei Ausspruch der Kündigung bestanden habe und bis zu diesem Zeitpunkt noch angestiegen sei. 

Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordere vom erkennenden Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, ohne dass es allerdings gehalten sei, sich ausdrücklich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen. Wenn allerdings im Einzelfall besondere Umstände vorlägen, aus denen sich ergebe, dass tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden seien, sei ein Verstoß gegen die Pflicht aus Art. 103 Abs. 1 GG gegeben. Hier habe das Landgericht nicht den vom Kläger geltend gemachten Umstand berücksichtigt, dass sich bei der Berechnung der Mietreduzierung von € 562,42 um € 300,00 noch ein Betrag von € 312,42 ergäbe, nicht lediglich von € 300,00, wie vom Beklagten gezahlt. Zudem wurde vom Kläger auf ein Schreiben des Beklagtenvertreters verwiesen, demzufolge der Beklagtenvertreter in einem Schreiben vom 17.09.2009 (unstreitig) eine geschuldete Miete von € 312,00 benannt habe und weder dort noch im Rahmen der Verhandlung vor dem Amtsgericht erklärt hätte, warum er, wenn sich die Miete um € 250,00/Monat reduziert habe, nicht den Differenzbetrag von € 312,42 sondern nur € 300,00 zahle. Zudem habe er geltend gemacht, dass ausgehend von einer Miete in Höhe von € 312,00 im Zeitraum von Januar 2015 bis Januar 2018 ein Mietrückstand von € 444,00 bestünde und damit die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung gerechtfertigt sei. Damit und mithin mit der Kernfrage des Rechtsstreits für die (noch) rechtshängigen Ansprüche auf Räumung und Herausgabe und Zahlung von rückständiger Miete) habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt, also mit der Frage, welche konkrete Miete letztlich geschuldet würde. Es habe das Vorbringen des Klägers ausgeblendet.  Es habe damit einen wesentlichen Punkt des Berufungsvorbringens des Klägers nicht nur im Kern, sondern vollständig übergangen. 

Dies sei aber sowohl für die Berechnung des Zahlungsanspruchs für die Miete als auch für die am 23.01.2018 erklärte (ordentliche) Kündigung von Relevanz gewesen. Bei Beachtung dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht nicht zur vollständigen Abweisung der Berufung gelangen können. Ausgehend von einer Miete in Höhe von € 312,42 hätte sich ein Mietrückstand für die Zeit Januar 2015 bis Januar 2018 von € 459,54 ergeben, was zwar für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a und b BGB nicht ausreichend gewesen wäre, allerdings die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt hätte, die hilfsweise ausgesprochen worden war, da bis zum Zugang der Kündigungserklärung vom 23.01.2018 ab März 2017 ununterbrochen mehr als € 312,42 an Miete offen gestanden habe (BGH, Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 -). Damit hätte das Mietverhältnis mit Ablauf des 31.10.2019 geendet. 

Der BGH ging auch auf die Subsidiarität der Rüge der Gehörsverletzung ein. Danach hätten die Prozessbeteiligten alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Gehörsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (z.B. BGH, Urteil vom 09.02.2011 - VIII ZR 285/09 -). Dies entspräche dem sich aus § 295 ZPO ersichtlichen Rechtsgedanken, wonach eine Gehörsverletzung nicht mehr gerügt werden könne, wenn nach Erkennen derselben die verbliebene Möglichkeit einer Äußerung nicht genutzt würde. Hier sei sie vom Kläger im Rahmen zulässig im Rahmen der Berufung genutzt worden. 

Es sei auch vorliegend nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrages des Klägers, anders entschieden hätte, wenn es den Vortrag des Klägers zum amtsgerichtlichen Urteil in Bezug auf die  Diskrepanz im Beklagtenvortrag berücksichtigt hätte, nach dem das Landgericht der Darstellung des Beklagten nach Beweisaufnahme folgte, und nicht aufgeklärt und damit offen gelassen habe, ob nur € 281,21 (die Hälfte von € 562,42), € 300,00 (so die letzte Überweisung) oder € 312,42 (€ 564,42 abzüglich € 250,00) als Miete geschuldet würden. 

Das Berufungsgericht sei schon deswegen nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gebunden gewesen, da dieses nur unvollständig und zur Höhe der geschuldeten Miete widersprüchlich (€ 562,42 abzüglich € 250,00 ergeben nicht die Hälfte von € 562,42) sei. Selbst bei Zugrundelegung des vom Berufungsgericht angenommenen, auf das Vorliegen von Rechtsfehlern iSv. § 286 Abs. 1 ZPO beschränkten Prüfungsmaßstabs gehalten gewesen sei, eigene Feststellungen zu treffen. Zudem handele es sich bei dem Berufungsverfahren um eine zweite Tatsacheninstanz, die das erstinstanzliche Urteil nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen habe. Auch als „eingeschränkte Tatsacheninstanz“ bestünde seine Aufgabe in der Gewinnung von „fehlerfreien und überzeugenden“ und damit „richtigen“ Entscheidungen (BGH, Urteil vom 26.05.2020 - VIII ZR 64/19 -). 

BGH, Beschluss vom 10.11.2020 - VIII ZR 18/20 -

Montag, 26. April 2021

Coronabedingte Ruhezeitvereinbarung bei Fitnessstudiovertrag und Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Die Klägerin betrieb ein Fitnessstudio und begehrt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Nutzungsentgelts aus einem Vertrag vom 11.03.2019 für 11 Monate. Nach dem Vertrag war die Zahlung eine Nutzungsentgelts von € 1.198,60 für die Vertragslaufzeit vereinbart, wobei der beklagten Nutzer diesen Betrag in monatlich jeweils zu Beginn eines Monats zu zahlenden Raten à € 49,40 zahlen konnte. Sollte allerdings der Nutzer mit mindestens zwei Raten in Verzug geraten, sollte der gesamte noch offene Restbetrag auf einmal zur Zahlung fällig sein. Am 01.04.2020 hatten die Parteien vereinbart, dass der Vertrag im Zeitraum vom 01.04. – 31.05.2020 ruht, die Klägerin während dieser Zeit auch keine Beiträge einzieht und die ursprünglich vereinbarte Erstlaufzeit entsprechend dieser Ruhezeit verlängert. Während dieser zeit war das Studio coronabedingt geschlossen. Die Klägerin buchte die Nutzungsentgelte für die zwei Monate gleichwohl ab (die Lastschriften wurden vom Beklagten zurückgerufen). Der Beklagte kündigte den Vertrag mit der Klägerin unter Verweis auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der Abbuchungen und im Hinblick auf die Ruhezeitvereinbarung. Die Klägerin widersprach der Kündigung und begehrte nach Verzug des Beklagten mit zwei Monatsbeiträgen die offenen Beiträge, berechnet bis zum Ende der (vereinbart verlängerten) Vertragslaufzeit.

Das Amtsgericht ging von einer unwirksamen Kündigung aus.

Unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis als Miet-, Dienst oder typengemischter Vertrag angesehen würde, handele es sich um ein Dauerschuldverhältnis, bei dem dem Kunden ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigen Grund zustünde (§§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 und 314 Abs. 1 BGB). Dieser wichtige Grund läge vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zumutbar sei (vgl. § 314 Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei trage allerdings der Kunde grundsätzlich das Risiko, die Einrichtung wegen Veränderungen in seinen persönlichen Verhältnissen nicht mehr nutzen zu können. Etwas anderes würde nur bei Gründen gelten, die er nicht beeinflussen könne und eine weitere Inanspruchnahme der Leistungen nicht mehr zumutbar sei. Das AG verweist hier auf die Entscheidung des BGH vom 08.02.2012 – XII ZR 42/20 -, in der allerdings der BGH darauf abstellte, dass die Kündigung aus wichtigem Grund verlange, dass es dem Kunden aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht mehr zumutbar sein müsse, weiter am Vertrag festzuhalten. Die mögliche Unzumutbarkeit des Bestandes des Vertrages lediglich für die kündigende Partei reiche nicht aus (Begr. RegEntwurf zu § 314 Abs. 1 S. 2 BGB in BT-Drs. 14/6040, S 148).

In Ansehung der Ruhezeitvereinbarung der Parteien könne auf sich beruhen, ob die coronabedingte Schließung des Studios dazu führte, dass keine Leistung vom Betreiber desselben verlangt werden könne oder ob die Gutscheinregelung des Art. 240 § 5 EGBGB zu Tragen käme.

Für die Ruhezeitvereinbarung läge auch keine Störung der Geschäftsgrundlage vor, § 313 BGB. Voraussetzung für § 313 BGB wäre, dass sich nach Vertragsschluss die Umstände so schwerwiegend geändert hätten, dass einem Teil das Festhalten an dem vertrag nicht mehr zumutbar sei und die Parteien bei Kenntnis diesen Vertrag nicht oder mit anderen Inhaltgeschlossen hätten. Vorliegend sei aber die Ruhezeitvereinbarung gerade im Hinblick auf die Unsicherheit im Rahmen der Corona-Krise abgeschlossen worden und für die Parteien sei auch zum Zeitpunkt des Abschlusses ersichtlich gewesen, dass der Gesetzgeber die Gutscheinregelung in Art. 240 EGBGB treffen würde, weshalb eine Unvorhersehbarkeit nicht vorläge. Zudem sei ein Festhalten an der Vereinbarung nicht unzumutbar. Die nach § 313 BGB erforderliche Grundlagenstörung verlange, dass ein Festhalten untragbar, mit Recht und Gerechtigkeit nicht vereinbar und der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zumutbar sein dürfe. Das sei nicht der Fall, da 98% der Mitglieder während der Schließung weitergezahlt hätten um später kostenfrei nachzutrainieren und dem Beklagten kein größerer wirtschaftlicher Schaden (gar eine Existenzvernichtung) drohe. 

Der Umstand, dass die Klägerin während der Ruhezeit von der Lastschrift-Einzugsermächtigung Gebrauch machte (der Beklagte nahm Rückbuchungen vor), rechtfertige hier auch nicht die fristlose Kündigung. Zwar könne die Zerstörung eines Vertrauensverhältnisses einen Grund darstellen. Doch begründe ein Fitnessstudiovertrag kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern, da es sich um ein Massengeschäft handele und gerade auch hinsichtlich der Zahlungspflicht kein besonderes vertrauens- oder Näheverhältnis bestünde. Es hätte auch kein bewusster Versuch der Irreführung durch die Klägerin vorgelegen. Nach der Kodifizierung der Gutscheinlösung habe sich die Klägerin berechtigt geglaubt, von der aus Kulanz getroffenen Ruhezeitvereinbarung mit dem Beklagten zurücktreten zu können. Da es hier in der Corona-Krise viele Unklarheiten gab, der Beklagte auch die Lastschriften nicht abmahnte, würden diese die fristlose Kündigung nicht rechtfertigen können.

AG Nürtingen, Urteil vom 27.11.2020 - 20 C 3606/20 -

Freitag, 19. Januar 2018

Mietrecht: Kündigung wegen Zahlungsverzugs und nicht vollständige Ausgleichung zum Zeitpunkt des Zugangs

Die Beklagte war mit der Zahlung von Miete im Rückstand (Verzug). Die Miete belief sich auf € 479,96/Monat. Für Oktober 2914 zahlte sie € 383,96, für November und Dezember 2014 und Januar 2015 jeweils € 287,96. Am 09.01.2015 nahm sie eine Teilzahlung von € 456,00 auf die Rückstände vor. Auf die Februarmiete zahlte sie eine Teilzahlung von € 407,96. Der Teilbetrag für März 2015 von € 402,96 wurde der Klägerin am 16.03.2015 gutgeschrieben. Mit einem am 17.03.2015 der Beklagten zugegangenen Schreiben der Klägerin vom 16.03.2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis u.a. fristlos wegen Zahlungsverzugs. Eine vollständige Ausgleichung des Zahlungsrückstands für Februar und März 2015 erfolgte nachfolgend weder innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 BGB noch danach.

Im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin u.a. ein Räumungs- und Herausgabebegehren auf Grund der fristlosen Kündigung geltend. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung wies das Landgericht die Klage ab. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin das Räumungs- und Herausgabebegehren weiter. Die Revision war erfolgreich.

Das Landgericht habe nach Auffassung des BGH verkannt, dass die Klägerin ein Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) BGB gehabt habe. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2a BGB stelle als wichtigen Grund auf einen Rückstand mit zwei aufeinanderfolgen Mieten oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete ab. Nicht unerheblich sei der Teil, wenn er die Miete für einen Monat übersteige. Der Wirksamkeit dieser Kündigung würde nicht entgegen stehen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung der Zahlungsverzug einen Monat nicht mehr übersteige. Sei durch den Rückstand in Höhe nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a oder b) BGB ein Kündigungsrecht des Vermieters entstanden, könne dieses nach § 543 Abs. 2 S. 2 BGB nur durch eine vollständige Zahlung des Rückstandes vor dem Zugang der Kündigungserklärung ausgeschlossen werden; würde, wie hier, der Rückstand nicht vollständig ausgeglichen, verbleibe es bei dem Recht.

Vorliegend war zu berücksichtigen, dass die Beklagte zur Mietminderung berechtigt war und das Landgericht eine Miete von € 455,96 nach Minderung (im Revisionsverfahren unstreitig) annahm. Statt dessen zahlte die Beklagte im Februar 2015 nur € 407,96; auf die Märzmiete zahlte sie erst am 16.03.2015 € 402,96. Damit habe sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit einem Gesamtbetrag von € 503,96 in Verzug befunden. Allerdings könne (anders als das Landgericht annahm) nicht für die Feststellung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a, 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 BGB auf die (berechtigterweise) geminderte Miete abgestellt werden; Bezugsgröße bleibe die im Mietvertrag vereinbarte Miete. Dies würde sich hier aber nicht auswirken.


BGH, Urteil vom 27.09.2017 - VIII ZR193/16 -

Dienstag, 26. September 2017

Kündigungsgrund fehlende Mietsicherheit und Eigentumswechsel nach Einleitung der Räumungsklage

Die Parteien hatten einen Mietvertrag über gewerbliche Räume geschlossen, nach dessen Regelungen die Klägerin als Vermieterin bei Nichtleistung der vereinbarten Mietsicherheit und schriftlicher Mahnung das Mietverhältnis von der Vermieterin gekündigt werden kann. Die Mietsicherheit sollte einen Monat vor der Übergabe der Mietsache geleistet werden. Diese wurde  - trotz schriftlicher Mahnung - nicht geleistet. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis außerordentlich und ordentlich und erhob Räumungsklage. Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils wurde die R.-R. Grundstücksgesellschaft als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im Berufungsverfahren wurde u.a. von der Beklagten die Aktivlegitimation der Klägerin gerügt, die ihren Klageantrag im berufungsverfahren auf Leistung an die Erwerberin umstellte.

Das OLG verwies darauf, dass nach §§ 566 Abs. 1, 578 BGB der Erwerber nach Überlassung der Räume an den Mieter mit der durch Auflassung im Grundbuch erfolgten Eigentumsübertragung gem. §§ 873, 925 BGB an Stelle des bisherigen Eigentümers in den Mietvertrag eintrete; ein vorheriges Datum scheide selbst dann aus, wenn sich die Parteien vertraglich entsprechend über einen Nutzungsübergang zu einem früheren Zeitpunkt geeinigt hätten. Damit hätten hier die Voraussetzungen des § 566 BGB (Eintritt des Erwerbers in d n Mietvertrag) erst mit Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegen.  Nicht entscheidend sei, dass bereits vorher gekündigt wurde; Der Eintritt in ein bestehendes Mietverhältnis scheide nur aus, wenn die Kündigung bereits vor dem grundbuchlichen Eigentumsübergang erfolgt wäre und zusätzlich auch vorher der Mieter bereits ausgezogen wäre. Sei dies, wie hier, nicht der Fall, trete der Erwerber in das Abwicklungsverhältnis ein und würde so Inhaber des Rückgabeanspruchs aus § 546 Abs. 1 BGB.

Das bedeute aber nicht, dass deshalb die Klägerin als ehemalige Eigentümerin und Vermieterin ihre Aktivlegitimation, also ihre Berechtigung zur Geltendmachung u.a. des Räumungsanspruchs, verliere. Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO habe die Veräußerung und der Eigentumsübergang an dem Grundstück, der sich während des Rechtsstreits vollzieht, grundsätzlich keinen Einfluss auf diesen. Lediglich müsse die Klägerin als ehemalige Eigentümerin nunmehr ihren Klageantrag auf Herausgabe an den Erwerber umstellen bzw., soweit bereits der Räumungsanspruch erstinstanzlich zugesprochen wurde, insoweit eine Neufassung beantragen.

Im übrigen sei die Klägerin zur Kündigung des Mietverhältnisses nach der vertraglichen Regelung berechtigt gewesen. Insbesondere könne sie nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Sicherheit klageweise einzufordern, zumal es sich um ein gewerbliches Mietverhältnis handele, in Ansehung der Bedeutung einer Sicherheitsleistung für das Mietverhältnis und den Umstand, dass die Beklagte auch nicht die ersten mieten gezahlt habe. Auf § 543 Abs. 1 BGB käme es nicht an, da es den Vertragsparteien frei stünde, weitere Gründe für eine (außerordentliche) Kündigung des Mietverhältnisses im Vertrag zu regeln. Die vertraglich vereinbarte schriftliche Mahnung mit Fristsetzung entspräche auch der Voraussetzung des § 543 Abs. 3 BGB.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2017 - 10 U 87/ 16 -

Samstag, 12. August 2017

Fitnessstudio: Ärztliches Attest zum Nachweis einer Erkrankung nicht ausreichend

In vielen AGB von Fitnessstudios war früher die Klausel enthalten, dass bei Vorlage eines (aussagekräftigen) Attestes eine fristlose Kündigung wegen Krankheit möglich sei. Dagegen hatte sich ein Nutzer erfolgreich mit dem Argument gewehrt, dies würde seine Privatsphäre tangieren. Der BGH gab ihm Recht. Er sah die Klausel als unzulässig an, verwies aber darauf, dass der Nutzer spätestens im Prozess seine Erkrankung darlegen und im Bestreitensfall nachweisen müsse (Urteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10 -).

Im vorliegenden Fall kündigte die Nutzerin (die Beklagte) ebenfalls wegen einer von ihm behaupteten, die Nutzung der Einrichtung des Fitnessstudios ausschließenden Erkrankung und legte die Kopie eines Attestes vor. Das Fitnessstudio erhob gleichwohl Zahlungsklage, der das Amtsgericht (mit Ausnahmen von Nebenforderungen) stattgab. Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie vertrat die Ansicht, dass das (in Kopie vorgelegte) Attest mit der Diagnose „rez. Lumbalgie“ ausreichend sei, den Nachweis der Unzumutbarkeit am Festhalten am Vertrag zu belegen. Weitergehende Auskünfte könne die Klägerin nicht fordern und im Übrigen stelle sich das Attest auch nicht als ergänzender Parteivortrag dar, sondern als Beweismittel.

Dem folgte das Landgericht nicht. Es erhob durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis und wies danach die Berufung als unbegründet zurück.  Die Beklagte habe den Beweis einer von ihr behaupteten, die Nutzung des Studios ausschließenden Erkrankung nicht erbracht.

Das Attest sei schon deshalb nicht als Beweismittel in Betracht gekommen, da es nur als Kopie und nicht als Original (Urkunde, § 420 ZPO) vorgelegt worden wäre und die Klägerin die Echtheit bestritten habe. Unabhängig davon könne mit Attesten als Privaturkunde iSv. § 416 ZPO auch lediglich die tatsächliche Abgabe der im Attest beurkundeten Erklärungen des behandelnden Arztes, nicht aber das Bestehen der beurkundeten Beschwerden bewiesen werden. Für das Bestehen könne allenfalls eine Vernutung bestehen. Auch aus der Entscheidung des BGH vom 08.02.2012 (s.o.) ließe sich entgegen der Annahme der Beklagten nicht herleiten, dass ein Attest zum Beweis genügen würde. Im Gegenteil ließe sich dieser Entscheidung entnehmen, dass bei Zweifeln über die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung dies in einem gerichtlichen Verfahren zu klären wäre, was aber gerade bedeuten würde, dass die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten und die Vorlage eines Attestes nicht als ausreichend angesehen werden könne.

Vorliegend habe zwar das von der Kammer eingeholte Gutachten eine Erkrankung an rez. Lumbalgien bei der Klägerin bestätigt, nicht jedoch, dass die Beklagte nicht mehr die Geräte im Fitnessstudio nutzen könne. Rezidivierende Lumbalgien würden zwar wohl vorliegen können, aber ohne klinischen Befund, da die Beklagte, ihren Angaben gegenüber dem medizinischen Sachverständigen zufolge, wieder ein Fitness-Training absolviere. Bei Phasen einer akuten Schmerzhaftigkeit wäre zwar eine Trainingsunterbrechung möglich, doch könne das Training ggf. mit gewissen Modifikationen durchgeführt werden. Nach den Angaben des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschloss, ist damit ein Gerätetraining für die Beklagte möglich. Alleine mögliche Phasen der Einschränkung der Trainingsmöglichkeit würden keinen Gründen für eine Kündigung wegen Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag nach § 314 Abs. 1 BGB begründen.


LG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.07.2017 - 2-01 S 283/15 -

Dienstag, 21. Juni 2016

Fitnessstudio: Berufsbedingter Umzug rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung – Grundsatzentscheidung des BGH

Lange Zeit wurde in Rechtsprechung und Literatur darum gestritten, ob der Umzug eines Nutzers in Ansehung der Entfernung des neuen Wohnortes zum Fitnessstudio eine fristlose Kündigung des Nutzungsvertrages rechtfertigt. Immer mehr Gerichte haben sich der von uns vertretenen Auffassung angeschlossen, ein Umzug, egal ob privat oder berufliche veranlasst, rechtfertige nicht die fristlose Kündigung. Dies hat nun der BGH bestätigt.

Maßgebliches Kriterium der Betrachtung eines möglichen Kündigungsrechts des Nutzers ist, in wessen Sphäre der Kündigungsgrund liegt. Grundsätzlich ist eine fristlose Kündigung nach §§ 314, 626 BGB nur möglich, wenn der Kündigungsgrund in der Sphäre des Kündigungsgegners liegt. Dies sei bei einem Wohnortwechsel nicht der Fall.

Der BGH verweist auf seine DSL-Entscheidung vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 -, die auch bisher schon häufig in den untergerichtlichen Entscheidungen zur Negation des Kündigungsrechts benannt wurde. Dort hatte der DSL-Anschlussteilnehmer sein Kündigungsbegehren mit der Begründung verfolgt, an seinem neuen Wohnort keinen DSL-Anschluss zu haben. In der Kritik dieser Entscheidungen wurde darauf verwiesen, der BGH habe einen Sonderfall aus dem Telekommunikationsbereich geregelt. Vorliegend stellt der BGH klar, dass er dort allgemein auf die zu beachtenden Sphären verwiesen habe. Soweit der Gesetzgeber in Ansehung seiner damaligen Entscheidung eines Änderung des Telekommunikationsrechts (Sonderkündigungsrecht nach § 46 Abs. 8 S. 3 TKG) vorgenommen habe, sei diese Norm nicht analog heranzuziehen. Für eine Analogie bedürfte es einer planwidrigen Regelungslücke. Diese sei nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe durch § 46 Abs. 8 S. 3 TKG lediglich den Verbraucherbeschwerden und den damit einhergehenden wettbewerbsmindernden Effekten im Bereich der Telekommunikation Rechnung tragen wollen (so BT-Drucks. 17/5707, S. 70).


BGH, Urteil vom 04.05.2016 – XII ZR 62/15 -