Montag, 29. April 2019

Zeitlicher Rahmen zur Geltendmachung von Nachzahlungszinsen auf nachträglich festgesetzte Einkommensteuer


Die Eheleute wurden in 1995 bis 1997 und 1999 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Mit Bescheiden vom 19.07.2010 erließ das Finanzamt (FA) geänderte ESt-Bescheide für die benannten Streitjahre, gegen die die Eheleute Einspruch einlegten, der vom FA am 06.06.2011 zurückgewiesen wurde (ohne dass dieser Bescheid mit der Klage von den Eheleuten angefochten worden wäre). Am 10.02.2012 setzte das FA mit besonderen Bescheiden die auf die Nachzahlungsbeträge der ESt-Bescheide vom 19.07.2010 anfallenden Nachzahlungszinsen fest. Die dagegen von den Eheleuten eingelegten Einsprüche wurden vom FA zurückgewiesen. Die Klage zum Finanzgericht (FG) war erfolgreich. Die gegen das Urteil vom beklagten FA eingelegte Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.


Der BFH verwies darauf, dass die Festsetzungsfrist für Zinsen 1 Jahr betrage, § 239 Abs. 1 S. 2 AO. Ihr Lauf beginne mit den näher in § 239 Abs. 1 S. 2 AO benannten Umständen; in Fällen des § 233a AO beginne der Lauf mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt worden sei, § 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AO. Da hier der Fall der Änderung mit Bescheid vom 19.07.2010 vorliegt, habe mithin die Frist mit Ablauf des 31.12.2010 zu laufen begonnen und habe mit dem 31.12.2011 geendet, mithin vor Bekanntgabe des besonderen Bescheides.

Entgegen der Auffassung des FA habe das FG auch richtig entschieden, dass die Frist für die Festsetzung der Zinsen nicht nach § 171 Abs. 10 S. 1 AO bis zum Erlass der der Zinsbescheide über den 31.12.2011 hinaus gehemmt war. Die für einen Folgebescheid geltende Ablaufhemmung des § 170 Abs. 10 S. 1 AO würde bei der Festsetzung von Steuernachforderungs- und -erstattungszinsen nach § 233a AO grundsätzlich durch die spezielleren Regelungen in § 239 Abs. 1 AO verdrängt werden.

Auch wenn sich § 171 Abs. 10 S. 1 AO auf sogen. Folgebescheide bezöge und die Zinsbescheide hier Folgebescheide der ESt-Bescheide seien, bestünde vorliegend der Unterschied darin, dass es bei der Zinsfestsetzung (anders als bei den für § 171 Abs. 10 S. 1 SO typischen Folgebescheiden) lediglich zu einer punktuellen Ablaufhemmung („soweit“, § 171 Abs. 10 S. 1 AO) für die Zinsfestsetzung nicht kommen könne, da die Bindungswirkung des ESt-Bescheides in seiner Funktion als Grundlagenbescheid nicht einzelne Besteuergrundlagen des Zinsbescheides (Folgebescheid) beträfe, sondern sämtliche. Da der Zinsbescheid vollständig von den Feststellungen im Steuerbescheid abhängig sei, käme eine Teilverjährung von Zinsen solange nicht in Betracht, solange die Steuerfestsetzung nicht zulässigerweise geändert werden könne.

Der Gesetzgeber habe zudem mit den Regelungen in § 239 AO für Nachzahlungszinsen ein abgestimmtes und in sich geschlossenes System geschaffen, welche leer laufen würde, wenn die generelle Norm des § 171 Abs. 10 AO zur Anwendung kommen würde, da dies hier faktisch dazu führen würde, dass die kurze einjährige Festsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 S. 1 AO keinen Geltungsbereich mehr hätte sondern auf mindestens zwei Jahre ausgedehnt wäre. Die Motive des Gesetzgebers für die längere Auswertungsfrist des § 171 Abs. 10 AO ließen sich nicht auf das Verhältnis zwischen Steuer- und Zinsbescheid übertragen, da die Interessenslage (Berücksichtigung von möglichen vielseitigen Umständen [z.B. viele Grundlagenbescheide] längere Bearbeitungszeiten erforderlich sein könnten, was aber bei einer reiner (im Zweifel automatisierten) Zinsberechnung nicht der Falls sei. Damit könne bei der Berechnung der Frist für die Ablaufhemmung zur Festsetzung der Zinsen nur dann von der mindestens zweijährigen Frist des § 171 Abs. 10 S. 1 AO ausgegangen werden, wenn nicht (wie hier) Grundlage ein Einkommensteuerbescheid ist, sondern ein (gesonderter) Zinsgrundlagenbescheid.

Auch die Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen würden nicht zu einer anderen Betrachtung führen, da die durch die Einsprüche bewirkte Ablaufhemmung nach § 239 Abs. 1 S. 3 AO bereits durch die in Rechtskraft erwachsene Einspruchsentscheidung des FA geendet hatte, bevor die reguläre Festsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 S. 1 AO abgelaufen sei.

BFH, Urteil vom 16.01.2019 - X R 30/17 -

Sonntag, 28. April 2019

Bau-/Werkvertrag: Vorschussanspruch zur Mängelbeseitigung ohne vorherige Abnahme


Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) hatte bereits 2009 ein selbständiges Beweisverfahren gegen die beklagte Bauträgerin (von der sukzessive Eigentumswohnungen seit 2005 in dem 1904 errichteten und sanierten Gebäude Objekt verkauft wurden) wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum eingeleitet und forderte mit Schreiben ihrer Verwaltung vom 14.04.2011 die Beklagte zur Behebung der insoweit festgestellten Mängel auf. Mit Schreiben vom 06.07.2011 mahnte sie eine zügigere Tätigkeit an. 2013 erhob die WEG sodann Klage auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung der im selbständigen Beweisverfahren durch den dort beauftragten Sachverständigen Mängel. Das Landgericht gab der Klage unter Abweisung der Klage für einzelne Mängel, statt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.  Dabei machte sie u.a geltend, dass die Klägerin mangels Abnahme ihrer Leistungen nicht berechtigt sei, einen Kostenvorschuss zu fordern. Ferner machte sie geltend, zu bestimmten Arbeiten (so insbesondere zur Isolierung des Kellers im Altbestand) nicht verpflichtet zu sein.  

Die Berufung der Beklagten blieb im wesentlichen erfolglos. Insbesondere bejahte das Kammergericht (KG) als Berufungsgericht einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der festgestellten Mängel gem. §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB.

Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Zwar würde der Anspruch rechtlich den einzelnen Erwerbern zustehen, die die Verträge mit der Beklagten geschlossen hätten. Allerdings sei die Klägerin von den Erwerbern zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigt worden (sogen. Ansichziehen derartiger Ansprüche betreffend dem Gemeinschaftseigentum qua Beschluss der Eigentümergemeinschaft).

Es sei der Beklagten auch eine ausreichende Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden. Sollte die Werkleistung nicht abgenommen worden sein, könne sich die Pflicht zur Setzung der Nacherfüllungsfrist nicht aus § 637 Abs. 1 BGB herleiten lassen, da diese Rechte dem Besteller nach §§ 734 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB erst nach Abnahme  zustünden. Der Besteller könne zwar die in § 634 Nr. 2 bis 4 BGB aufgeführten Mängelrechte auch ohne vorherige Abnahme geltend machen, was aber erfordere, dass der Erfüllungsanspruch erloschen sei und sich der Vertrag in einem Abrechnungsverhältnis befände. Dazu käme es, wenn der Besteller vom Vertrag zurücktritt, die Vergütung mindere, Schadensersatz statt der Leistung geltend mache oder einen Vorschussanspruch begehre und zugleich die Leistung des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehne (BGH, Urteil vom  19.01.2017 - VII ZR 103/15 -). Damit aber setze die Berechtigung des Bestellers, das Vertragsverhältnis in en Abwicklungsverhältnis umzuwandeln, im Regelfall eine vorherige Nachfristsetzung voraus, die sich nicht aus den jeweiligen Vorschriften für die Rechtsfolgen ableiten ließe. Allerdings sei der Besteller aus den allgemeinen Regeln des Schuldrechts zu dieser vorbereitenden Nachfristsetzung befugt (BGH, Urteil vom 19.01.2017 - VII ZR 193/15 -), die alleine die Fälligkeit der Werkleistung voraussetzen (§ 281 Abs. 1 BGB bzw. § 323 Abs. 1 BGB). Daraus würde folgen, dass die entscheidende Hürde für die Geltendmachung von Sekundärrechten wegen Mängeln (mithin nicht: Mängelrechten) nicht die Abnahme, sondern die Fälligkeit der Werkleistung sei. Die dafür erforderliche Nacherfüllungsfrist sei ausreichend gesetzt worden.

Zunächst setzt sich das KG damit auseinander, dass wohl schon nach dem eigenen Vertragswerk der Beklagten die Abnahme als erfolgt anzusehen sei, auch wenn diese Regelung unwirksam sein dürfte, da sich die Beklagte als Verwenderin dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht auf deren Unwirksamkeit berufen könne (Anmerkung: Dies gilt nach der herrschenden Meinung aber nur, wenn auch der Vertragspartner die Regelung gegen sich gelten lässt). Aber auch für den Fall der Annahme einer Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung und davon ausgehend, dass damit keine Abnahme vorläge, würde der Anspruch auf Kostenvorschuss hier bestehen.

Könne der Besteller nicht mehr die (Nach-) Erfüllung des Vertrages verlangen, würde dies den Vertrag in ein Abrechnungsverhältnis überleiten. Die Entstehung des Abrechnungsverhältnisses ohne Abnahme erfordere, dass der Besteller dem Unternehmer wirksam eine Nacherfüllungsfrist zur Beseitigung der Mängel gesetzt habe, was möglich sei, wenn nach den allgemeinen Regeln des Schuldrechts die Werkleistung fällig geworden sei (§§ 281 Abs.1 BGB bzw. § 325 Abs. 1 BGB). Danach müsse eine Erklärung abgegeben werden, die rechtsgestaltend das Erfüllungsstadium des Vertrages beende. Wenn der Besteller nach Fristablauf Rücktritt oder Minderung erkläre oder verlange er Schadensersatz statt der Leistung, käme dieser Erklärung rechtsgestaltende Wirkung zu mit der Folge, dass das Erfüllungsstadium des Vertrages ende.

Das Vorschussverlangen habe aber keine rechtsgestaltende Wirkung; es käme auch nicht § 281 Abs. 1 BGB zur Anwendung. Es sei also, um die Wirkung herbeizuführen, bei dem Vorschussverlangen zu erklären, die Leistung des Unternehmers abzulehnen. Da aber die Erklärung nicht Voraussetzung sei, überhaupt Sekundärrechte geltend zu machen (die Hürde dafür sei die Fälligkeit), sondern es sich nur um eine spezielle Voraussetzung für den Vorschussanspruch handele, könne die Erklärung auch konkludent abgegeben werden.

Diese zumindest konkludente Erklärung, keinesfalls mehr mit der Klägerin zusammenarbeiten zu wollen, läge hier vor. Das Landgericht sei davon ausgegangen, dass die Erklärung in dem erstinstanzlichen Vorbringen läge. Die Partei müsse ihr eigenes Vorbringen nicht kritischer Hinterfragen als das (erstinstanzliche) Gericht. Selbst wenn das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, die Klägerin habe die Leistungen der Beklagten endgültig abgelehnt, hätte dies die Klägerin im Berufungsrechtszug nachholen können, was jedenfalls erfolgt sei.

KG, Urteil vom 19.02.2019 - 21 U 40/18 -

Donnerstag, 25. April 2019

Steuerrecht: Prozessuale Pflichten des Steuerpflichtigen bei Zeugen im Ausland


Das Finanzgericht (FG) hatte die vom Beschwerdeführer (BF) benannten Zeugen A., B. und C. nicht von Amts wegen geladen, mit denen der BF beweisen wollte, dass er über ein bestimmtes Konto bei einer Schweizer Bank nicht habe verfügen dürfen. Das Unterlassen sah der BFH allerdings nicht als Verstoß des FG gegen das in § 76 Abs. 1 FGO statuierte Sachaufklärungsprinzip an.

Das FG har gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, wobei es sich um den Ausfluss der in der dem Steuerprozess immanenten Offizialmaxime handelt, welches zwingend auch dazu führt, wie vom BFH festgehalten, dass dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 S. 2 FGO) zu erheben seien. Die Offizialmaxime bedingt auch, dass das Gericht nicht an Vorbringen und Beweisanträge der Parteien gebunden ist (§ 76 Abs. 1 S. 5 FGO), was aber, so der BFH, nur dann gelte, wenn das FG von sich aus auch Beweise erheben könne, die von den Verfahrensbeteiligten nicht angeboten worden seien (BFH, Beschlüsse vom 22.06.2016 - III B 134/15 – und vom 14.03.2018 - IV B 46/17 -).  Nicht erforderlich sei, auch fernliegenden Erwägungen nachzugehen. Auch sei die Sachaufklärungspflicht grundsätzlich von einer Mitwirkungsverpflichtung der Beteiligten gem. § 76 Abs. 1 FGO unabhängig. §§ 76 Abs. 1 S. 4 FGO iVm. 90 Abs. 2 AO sähen vor, dass ein im Ausland ansässiger Zeuge, der auch zu einem „ausländischen Sachverhalt“ aussagen soll, grundsätzlich von den Verfahrensbeteiligten zu stellen sei und nicht vom FG zu laden sei. Insoweit besteht mithin nach der Rechtslage, wie vom BFH festgehalten, eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten und mithin insbesondere desjenigen, der sich auf den oder die Zeugen zu seinen Gunsten beruft. Mit einer Rüge einer unterlassenen Sachaufklärung, wie sie hier vom BF in seiner Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH nach Abweisung seiner Klage durch das FG geltend gemacht wurde, müsse daher dargelegt werden, dass der Mitwirkungsverpflichtung, den Zeugen zu stellen, entsprochen worden sei. Käme nämlich der Beteiligte dieser erhöhten Mitwirkungspflicht aus § 90 Abs. 2 AO nicht nach, dürfe das FG ohne Berücksichtigung des Auslandszeugen den Sachverhalt nach eigner Überzeugung würdigen.

Zu den Zeugen B. und C. sei das FG schon deshalb nicht zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen verpflichtet gewesen, da diese nach eigenen Angaben des BF verstorben seien. Darüber hinaus habe der BFH auch nicht vorgetragen, dass er Bemühungen entfaltet habe, seiner Mitwirkungspflicht aus § 90 Abs. 2 AO bei der Beschaffung von sonstigen Beweismitteln in diesem Zusammenhang zu genügen. Auch zu dem Zeugen A. (dem ehemaligen schweizerischen Bankbetreuer) hätte dieser zu einem Sachverhalt angehört werden sollen, der sich im Ausland (Schweiz) zugetragen habe (nämlich zu der Behauptung, der BF habe über das in der Schweiz auf seinem Namen lautende Koto nicht verfügen können); auch insoweit habe er nicht dargelegt, sich bemüht zu haben, seiner Mitwirkungspflicht zu entsprechen, um den Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Hier ist auch die Beweisvorsorgeverpflichtung des Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 S. 4 AO zu berücksichtigen.

Anmerkung: Das Verfahren unterscheidet sich hier grundlegend von einem Prozess im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivilgericht), da in dem zivilrechtlichen Verfahren auch ein ausländischer Zeuge selbst dann vom Gericht zu laden ist, wenn es sich um einen Auslandssachverhalt handelt. Erscheint dieser Zeuge nicht, kann zwar - da sich die Prozesshoheit der deutschen Gerichte nicht auf das Ausland bezieht – kein Ordnungsgeld festgesetzt werden, ist aber gleichwohl durch das Gericht der Versuch einer Vernehmung im Ausland (vor einem dortigen Gericht bei entsprechenden Übereinkommen, ansonsten durch ein deutsches Konsulat) zu versuchen und letztlich noch der Versuch zu unternehmen, eine schriftliche Zeugenaussage zu erreichen.

BFH, Beschluss vom 13.02.2019 - VIII B 83/18 -

Montag, 15. April 2019

Nachträgliche Beteiligung des Betriebsrates bei Einstellung unwirksam


Der Betriebsrat beantragte die Aufhebung der Einstellung eines Arbeitsnehmers durch die Arbeitgeberin gem. § 101 BetrVG. Er wurde über die beabsichtigte Einstellung  lediglich nach § 105 BetrVG informiert, doch wurde keine nicht vor der Einstellung seine Zustimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingeholt. Im Anschluss an den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht unterrichte die Arbeitgeberin den Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG  („Vorsorgliche Anhörung zur Einstellung gem. § 991 Abs. 1 BetrVG“) und teilte darin mit, dass sie  beabsichtige, die näher benannte Person „rückwirkend zum 01.10.2015“ als Branch Manager in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzustellen. Dem stimmte der Betriebsrat mit Schreiben vom 25.02.2016 nicht zu. U.a. wurde geltend gemacht, die nachträgliche Unterrichtung zu einer bereits erfolgten Maßnahme sei nach § 99 BetrVG nicht zulässig. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt; auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts aufgehoben und der Antrag des Betriebsrates abgewiesen. Der Betriebsrat erhob dagegen Rechtsbeschwerde, aufgrund der das BAG den dem Antrag des Betriebsrates stattgebenden Beschluss des Arbeitsgerichts wieder herstellte.

Nach § 101 S. 1 BetrVG könne der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben eine personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG aufzuheben, wenn diese vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt worden sei. Damit könne der Arbeitgeber (bei Existenz eines Betriebsrates in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern) vor jeder Einstellung den Betriebsrat informieren und dessen Zustimmung einholen oder deren rechtskräftige Ersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG oder als vorläufige personelle Maßnahme unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG vornehmen (BAG, Beschluss vom 30.09.2014 - 1 ABR 32/13 -).

Die Voraussetzungen für eine notwendige Zustimmung des Betriebsrates wurden vom BAG (wie auch von den Vorinstanzen) bejaht. Das Landesarbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass eine nachträgliche Zustimmung deshalb vorläge, da der Betriebsrat seine Verweigerung im Rahmen der nachträglichen Anhörung nicht in beachtlicher Weise begründet habe.

Zwar sei richtig, dass eine Zustimmung durch den Betriebsrat auch dann als erteilt gelte, wenn diese seine Verweigerung nicht unter Angabe beachtlicher Gründe iSv. § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG erklären würde. Allerdings lägen die Voraussetzungen für eine derartige Zustimmungsfiktion hier nicht vor. Erforderlich wäre, dass der Betriebsrat nicht frist- oder formgerecht seine Verweigerung erkläre, wenn eine ordnungsgemäße Unterrichtung durch den Arbeitgeber vorläge. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sähe eine Unterrichtung und Zustimmung vor der geplanten Einstellung vor.  Zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts sei es grundsätzlich erforderlich, dass die Benachrichtigung zu einer Zeit erfolge, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen sei oder jedenfalls eine solche noch ohne Schwierigkeiten zu beseitigen sei. Eine wie hier erst nach Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb erfolgte Unterrichtung des Betriebsrates sei deshalb nicht frist- und ordnungsgemäß iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG und könne bereits deshalb auch keine Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 1 BetrVG bewirken. Es sei hier auch kein auch währen des Laufs des eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens möglicher neuer Besetzungsvorgang nach § 99 Abs. 1 BetrVG eingeleitet worden, was nur dann anzunehmen sei, wenn der Arbeitgeber von seiner ursprünglichen Maßnahme Abstand nähme und eine eigenständige neue Ersatzmaßnahme eingeleitet hätte, was ausweislich des Schreibens vom 22.02.2016 nicht der Fall gewesen sei.

BAG, Beschluss vom 21.11.2018 - 7 ABR 16/17 -

Samstag, 13. April 2019

Kfz-Haftpflichtversicherung: Direktanspruch aus § 115 VVG versus Haftungsprivilegierung nach SGB VII


Der Antragsteller, begehrte für die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges seines Arbeitsgebers Prozesskostenhilfe nach einem Verkehrsunfall, bei dem er als Beifahrer des bei diesem versicherten Fahrzeuges verletzt wurde. Sein Antrag wurde vom Landgericht ebenso zurückgewiesen, wie seine dagegen beim OLG Celle eingelegte Beschwerde. Sowohl das Landgericht wie auch das Oberlandesgericht gingen davon, aus, dass die Voraussetzung, dass die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg haben müsse, nicht vorläge (§ 114 Abs. 1 ZPO).

Dies wird auf § 104f SGB VII gestützt. Diese Norm enthält eine Haftungsprivilegierung für den Arbeitgeber, demzufolge dieser bei einem Schaden des Arbeitnehmers nur haftet, wenn er vorsätzlich gehandelt hat oder es sich um einen sogen. Wegeunfall iSv. § 8 SGB VII handelt, § 104 Abs. 1 SGB VII. Die Haftungsprivilegierung wirke für den Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG akzessorisch.  Damit könne der Versicherer dem Antragsteller auch die Ausschlusstatbestände des SGB VII entgegenhalten, die dem unmittelbar haftenden Versicherten oder Mitversicherten zustehen würden, auch wenn dieser ohne das Haftungsprivileg als Fahrzeughalter aus Gefährdungshaftung einstandspflichtig wäre.

Die Voraussetzungen für den Haftungsausschluss gem. § 104 SGB VII lägen vor.

So habe sich bei dem Verkehrsunfall bei dem der Antragsteller verletzt wurde, um einen nicht vorsätzlich verursachten Betriebswegeunfall gehandelt, also nicht um einen Wegeunfall iSv. § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII. Als betriebliche Tätigkeit sei grundsätzlich jede gegen Arbeitsunfall (im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung) versicherte Tätigkeit zu verstehen. Entscheidend dabei sei, ob die Tätigkeit betriebsbezogen gewesen sei, die dem unmittelbaren Schädiger (hier zunächst der Fahrer des Fahrzeuges) von oder für den Betrieb übertragen worden sei oder von diesem im im Betriebsinteresse ausgeführt worden sei. Bei dieser Beurteilung sei nicht entscheidend, ob der Schädiger selbst Betriebsangehöriger war, da der Begriff der betrieblichen Tätigkeit weit auszulegen sei. Erforderlich sei eine unmittelbare mit dem Zweck der betrieblichen Beschäftigung zusammenhängende und dem Betrieb dienliche Tätigkeit, wobei der Schaden in Ausführung der betrieblichen Tätigkeit und lediglich bei Belegenheit einer solchen entstanden sein müsse. Dies sei vorliegend zu bejahen. Die Fahrt erfolgte auf Anordnung des Arbeitgebers zu einem Kundenbesuch und das Fahrzeug, geführt von einem Arbeitskollegen des Antragstellers, sei von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden. Private Zwecke hätten darüber hinaus für die Fahrt nicht vorgelegen.

Auch läge kein Wegeunfall vor. Insoweit sei eine Angrenzung vorzunehmen. Es sei zu prüfen, ob nach dem Sinn und Zweck der §§ 104f SGB VII eine Haftungsbeschränkung geboten sei, da sich aufgrund der betrieblichen Gefahrengemeinschaft ein betriebsbezogenes Risiko verwirklicht habe, von dem der Arbeitgeber grundsätzlich freigestellt sein soll. Maßgeblich sei das Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger; insoweit müsse sich im Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten manifestiert haben. Damit scheide eine Haftungsprivilegierung dann aus, wenn der Unfall in keinem oder einem nur losen Zusammenhang mit dem Betrieb und der Tätigkeit des Antragstellers gestanden hätte. Es sei von einem Unfall auf einem Betriebsweg nur dann auszugehen, wenn die gemeinsame Fahrt selbst als Teil des innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs erscheine (BGH, Urteil vom 01.12.2003 - VI ZR 349/02 -). Im Gegensatz dazu sei der Weg nach und von der Tätigkeit (Weg zum Arbeitsplatz) ein unter § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII fallender Wegeunfall und kein Betriebsweg iSv. § 8 Abs. 1 SGB VII, wenn er nicht vom Arbeitgeber (z.B. durch Sammeltransporte) organisiert würde.

Vorliegend habe es sich um eine Betriebsfahrt gehandelt. An die Voraussetzungen einer solchen würden keine übersteigerten Voraussetzungen verlangt. Ausreichend sei die Zurverfügungstellung eines betriebseigenen Fahrzeuges als Teil der betrieblichen Organisatin. Die Kriterien, die einen Betriebswegeunfall begründen bzw. einen Wegeunfall ausschließen, seien schon nach den Vorgaben des Antragstellers erfüllt: Die Fahrt habe auf Anordnung des Arbeitsgebers mit mehreren Personen gemeinsam in einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Fahrzeug stattgefunden, um im Betriebsinteresse einen Kunden aufzusuchen, ohne dass die Fahrt zu privaten Zwecken unterbrochen worden sei oder aus sonstigen Gründen das Gepräge einer Arbeits- und Betriebsfahrt verloren habe.

OLG Celle, Beschluss vom 25.09.2018 - 14 W 34/18 -

Freitag, 12. April 2019

Zwangssicherungshypothek: Zu den Voraussetzungen zur Wahrung der bezifferten (kapitalisierten) Verzugszinsen


Das OLG wies das Grundbuchamt unter Abänderung von dessen Entscheidung an, den von den Beteiligten zu 1. gestellten Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek nicht aus den Gründen in den angefochtenen Beschlüssen zurückzuweisen. Dem lag zugrunde, dass der Beteiligte zu 1. Teileigentumseinheiten an die Beteiligte zu 2. veräußert hatte. Seitens des Beteiligten zu 1. Wurde unter Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde geltend gemacht, dass der Kaufpreis verspätet gezahlt worden sei und von daher ihm Verzugszinsen in Höhe von € 59.676,15 zustehen würden, wegen der er die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf den verkauften Teileigentumseinheiten beantragte. Im Rahmen der Beschwerde begehrte der Beteiligte zu 1. In erster Linie die Eintragung der Zinsen als Forderung, hilfsweise die nicht kapitalisierten Zinsen in Höhe von 8% aus dem zugrundeliegenden Betrag für einen bestimmten angegebenen Zeitraum einzutragen.

Das OLG setzte sich mit dem Hilfsantrag nicht auseinander, da es den Hauptantrag als zulässig ansah. Zwar soll nach § 866 Abs. 3 S. 1 ZPO eine Zwangssicherungshypothek nicht zulässig sein, wenn dem Gläubiger nur eine im Verhältnis zur Bedeutung der vorzubereitenden Vollstreckung nur maginale Hauptforderung (für die Wahrung einer Zwangssicherungshypothek muss die Hauptforderung mindestens € 750,00 betragen) zustünde, mögen als Nebenforderungen Zinsen in welcher Höhe auch immer gefordert werden können (OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.2009 - 15 Wx 291/08 -). Dies wäre am Vollstreckungstitel zu prüfen. Vorliegend allerdings würde ein solcher Fall nicht vorliegen, da die ursprüngliche Hauptforderung, aus der sich die Zinsen errechneten, gezahlt worden sei und von daher entfallen sei. Es stelle sich die Frage, ob die Zinsen dann weiterhin nur als Nebenforderung angesehen werden könnten oder als Hauptforderung. Mit dem Entfall der Hauptforderung würde die Zinsforderung zur (neuen) Hauptforderung, wenn die ursprüngliche Hauptforderung nur zum Teil entfallen würde würden die darauf beruhenden Zinsen zur neuen (weiteren) Hauptforderung . (hM., so u.a. OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.04.2014 - 15 W 665/14 -).  Umstritten sei lediglich, ob dies auch dann gelten würde, wenn die ursprüngliche Hauptforderung noch bestünde, nur nicht geltend gemacht werde.

Die Nebenforderung setze eine Hauptforderung voraus. Gibt es diese nicht mehr, wird aus der Nebenforderung ohne weiteres zur Hauptforderung. Das habe der BGH in seinem Beschluss vom 25.11.2004 - III ZR 325/03 – zur Frage der Bemessung von Streitwerten festgestellt; die Erwägungen hätten allerdings allgemeine Gültigkeit, denen Besonderheiten des Immobiliarsachenrechts nicht entgegen stünden. Die Vornahme der Kapitalisierung der Zinsen sei insoweit bedeutungslos (auch wenn durch Eintragung einer isolierten Zinszwangshypothek für mehr als zwei Jahre rückständige Zinsen ein Aufrücken von Rangklasse 8 (evtl.5) in Rangklasse 4 erreicht würde (§ 10 Abs. 1 ZVG). Entscheidend sei, dass hier (anders als in den von OLG München im Beschluss vom 30.09.2011 - 34 Wx 356/11 - behandelten Fällen) die Zinsforderung durch die Kapitalisierung nicht künstlich zur Hauptforderung gemacht wurde.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.02.2019 - 3 Wx 250/18 -

Mittwoch, 10. April 2019

Rechtsweg Zivil- oder Arbeitsgericht: Kündigung des angestellten Geschäftsführers


Die Parteien stritten über eine von der Beklagten ihrer angestellten Geschäftsführerin (Klägerin) gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung, gegen die der Kläger Klage zum Arbeitsgericht erhob. Auf die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit seitens der Beklagten stellte das Arbeitsgericht seine Zuständigkeit mit Beschluss fest, gegen die die Beklagte Beschwerde zum Landesarbeitsgericht einlegte. Dieses wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrte die Beklagte weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Landgericht. Das BAG folgte dem.

Das BAG verwies darauf, dass die Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b ArbGG ausschließlich für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses zuständig seien. Die Arbeitnehmereigenschaft bestimme sich nach § 5 ArbGG. Dabei sei von einem nationalen und nicht unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff auszugehen, da die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeit nationaler Gerichte nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle, ohne dass deshalb dem Dienstverpflichteten ein unionsrechtlicher Schutz versagt würde.

Eine Wahlfeststellung scheide (anders als die Vorinstanzen angenommen hätten) vorliegend aus. Zwar sei dies möglich, wenn die klagende Partei entweder Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person sei, was aber für die Klägerin nicht zuträfe. Die Klägerin sei von ihrem Amt als Geschäftsführerin mit sofortiger Wirkung abberufen worden. Das verschließe den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG. Der Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändere sich nicht durch die Abberufung und würde daher auch nicht deshalb zum Arbeitsverhältnis (BAG, Beschluss vom 15.11.2013 - 10 AZB 28/13 -) und der Organvertreter nicht zur arbeitnehmerähnlichen Person.

Es sei auch nicht alleine auf die Behauptung der Klägerin abzustellen, da auch zu berücksichtigen sei, dass über den engen Wortlaut des Antrages hinaus die Klägerin nach der Klagebegründung (die bei der Auslegung des Klageantrages zu berücksichtigen sei) unabhängig von der rechtlichen Einordnung die fristlose Kündigung aus allen rechtlichen Gründen heraus angreifen wolle.

Dass die nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligte Klägerin iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV als abhängig beschäftigt gilt (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R -) stünde einem freien Dienstverhältnis nicht entgegen, da der Begriff des Arbeitnehmers iSv. § 5 ArbGG nicht deckungsgleich sei mit dem des sozialversicherungsrechtlichem Dienstverhältnis.

Ebensowenig sei die Klägerin eine arbeitnehmerähnliche Person (§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG). Hier handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Revisionsgericht nur eingeschränkt prüfbar sei. Hier habe das Landesarbeitsgericht eine soziale Schutzbedürftigkeit angenommen. Danach müsste das Maß der Abhängigkeit einen Grad angenommen haben, wie er im Allgemeinen nur bei Arbeitsversverhältnissen vorkomme. Das sei bei der sozialen Stellung der Klägerin nicht der Fall. Der Geschäftsführer einer GmbH nehme Arbeitgeberfunktionen wahr, weshalb er nicht arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Person sei. Durch die nach außen nicht beschränkte Vertretungsmacht unterscheide er sich von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern einer GmbH.

Dies spiegele sich hier auch im Dienstvertrag, wonach die Klägerin uneingeschränkt Vertreterin der Arbeitgeberin und damit Gegenspielerin der Arbeitnehmerschaft sei.

Nach alledem handele es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei, § 13 GVG.

BAG, Beschluss vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18 -

Dienstag, 9. April 2019

Fiktiver Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers für Schaden am Leasinggegenstand ?


Die Klägerin machte gegenüber dem Haftpflichtversicherer (Beklagte) des Unfallgegners Schadensersatzansprüche in Form von fiktiven Reparaturkosten für ein von ihr geleastes Fahrzeug geltend. Dabei berief sie sich zur Berechtigung („Aktivlegitimation“) auf die ihrem Leasingvertrag zugrunde liegenden Bedingungen, denen zufolge sie im Schadensfall die erforderlichen Reparaturarbeiten unverzüglich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen lassen müsse.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht.

Der BGH wies darauf hin, dass auch der Besitz ein nach § 823 BGB geschütztes Rechtsgut sei, ebenso wie sich eine Haftung wegen Verletzung des berechtigten unmittelbaren Besitzes aus § 7 StVG ergeben könne, da § 7 StVG neben dem Eigentum u.a. auch den berechtigten unmittelbaren Besitz in seinen Schutzbereich einschließen würde.  Des Weiteren könne bei Schädigung eine sgeleastem Fahrzeuges der Schaden des Leasingnehmers neben dem evtl. Haftungsschaden auch im Entzug der Sachnutzung bestehen (BGHZ 116, 22, 26f).

Nicht entschieden sei bisher, ob der Leasingnehmer als berechtigter unmittelbarer Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch den Schaden an dem Leasinggegenstand wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Substanzschaden (die Reparaturkosten) geltend machen könne. Wolle man von einem Anspruch des Eigentümers als auch Besitzers ausgehen, würde sich das Problem der Anspruchskonkurrenz ergeben. Dies wie auch die Frage einer eventuellen Lösung der Anspruchskonkurrenz könne aber hier auf sich beruhen. Wenn, wie hier, der Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber für den Schadensfall die Pflicht übernommen habe, den Leasinggegenstand instand zu setzen, könne er im konkreten Schadensfall nicht ohne Zustimmung (§ 182 BGB) des Eigentümers gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen. Das Recht, statt der Herstellung die Herstellungskosten zu verlangen sei eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, die den Geschädigten davon befreien solle, die Schadensbeseitigung dem Schädiger anzuvertrauen. Es handele sich um eine Dispositionsfreiheit des Geschädigten, die Naturalrestitution in eigener Regie durchzuführen, was auch bedeute, dass es ihm freistehenden würde, ob er überhaupt eine Reparatur durchführen lasse oder Ersatzbeschaffung vornehme.  Diese Ersetzungsbefugnis könne bei Sachbeschädigungen nur einheitlich ausgeübt werden. Im Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer läge die Entscheidungsbefugnis, soweit es um den Substanzschaden gehen würde, bei dem Eigentümer als Inhaber des umfassenden Herrschaftsrechts über die Sache nach § 903 BGB. Damit könne der Leasingnehmer nicht ohne Einwilligung des Eigentümers die fiktiven Reparaturkosten verlangen. Dieses Recht sei ihm auch nicht übertragen worden; vielmehr sei er im Leasingvertrag verpflichtet worden, im Schadensfall eine Reparatur durchführen zu lassen.

Auch wenn die Klägerin einen Haftungsschaden geltend mache, würde dies keine Berechtigung zur Geltendmachung der fiktiven Reparaturkosten begründen. Da das Fahrzeug noch nicht repariert worden sei, bestünde weiterhin diese Verpflichtung gegenüber dem Leasinggeber (Eigentümer). Damit würde der Anspruch hier auf Schuldbefreiung gerichtet sein, wobei es dem Schuldner freistehen würde, wie er den Befreiungsanspruch erfüllt. Dieser Befreiungsanspruch sei (mit der Klage auf Zahlung der fiktiven Reparaturkosten) nicht geltend gemacht worden.

Nach der Zurückverweisung sei vom Landgericht zu prüfen, ob die Klägerin ihren Anspruch aus fremden Recht geltend machen könne, der von der Klägerin hilfsweise geltend gemacht worden sei.

BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 481/17 -

Sonntag, 7. April 2019

Werkvertrag: Abgrenzung von Schadensersatz neben der Leistung (bei Mangelfolgeschäden) und Schadensersatz statt der Leistung (bei Mangel der geschuldeten Leistung)


Der Beklagte, der eine Kfz-Werkstatt betrieb, war vom Kläger mit der Wartung seines PKW beauftragt worden. Im Zuge der Wartung wurden vom Beklagten u.a. Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen ausgetauscht worden und die entsprechende Rechnung vom Kläger gezahlt. Kurze Zeit später stellte der Kläger Probleme mit der Lenkung fest. Im Hinblick auf Betriebsferien des Beklagten verbrachte der Kläger sein Fahrzeug in die Werkstatt L., die feststellte, dass der Keilriemen nicht richtig gespannt worden sei. Dieser sei deshalb gerissen und habe sich um die Welle und das Gehäuse des Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens hätten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe gewickelt und diese beschädigt, da die Riemenscheibe brach und die Servolenkungspumpe beschädigt habe. Der Kläger ließ den Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine von der Werkstatt L. reparieren. Die Reparaturkosten in Höhe von € 1.715,57 forderte er vom Beklagten. Seine Klage und die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurden abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung zwecks Feststellung, ob die gerügten Mängel auf mangelhafte Arbeiten des Beklagten zurückzuführen sind.

Das Landgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 3, 280, 281 BGB oder auf Erstattung der Kosten der Selbstvornahme gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB kämen nur in Betracht, wenn vorher eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erfolge. Gleiches gelte, soweit der Kläger Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB fordere; auch wenn der Mangel zu einem Folgeschaden geführt habe, sei der beauftragte Unternehmer zur Nacherfüllung dieser Folgeschäden verpflichtet, die in einem unmittelbaren Zusammenhang stünden.

Dem folgte der BGH nicht. Auszugehen sei für das Revisionsverfahren von der Unterstellung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte im Rahmen der Wartung den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt habe und dies zu Schäden an der Lichtmaschine, der Servolenkungspumpe, dem Zahnriemen sowie dem Keilrippenriemen und dem Riemenspanner gekommen sei und deshalb eine Reparatur erforderlich geworden sei, bei der Teile hätten ausgetauscht werden müssen. Dass unter solchen unterstellten Umständen dem Kläger kein Schadensersatz für die Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe zustehen würden, da es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung fehle, sei allerdings unzutreffend.

Schadensersatz neben der Leistung könne gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB für Schäden begehrt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden seien und durch eine Nacherfüllung nicht beseitigt werden könnten. Erfasst seien mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtgütern des Bestellers oder seinem Vermögen eintreten. Nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sei zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. § 634 Nr. 4, 280, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 zu unterscheiden. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung trete an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfordere (vorbehaltlich im Gesetz genannter Ausnahmen) eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, um so den Unternehmer die letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung zu geben.  Demgegenüber handele es sich bei dem Schadenersatzanspruch neben der Leistung um solche, die über das Leistungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile beinhalten würden, also insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern. Für derartige Folgeschäden käme eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht in Betracht, da die Fristsetzung lediglich dazu diene, dem Unternehmer zu ermöglichen, die geschuldete Werkleistung zu erbringen und diene nicht dazu, die weiteren Schäden (Folgeschäden) zu beseitigen.

Zur Feststellung, welche Schäden Folgeschäden sein können, müsse im Wege der Vertragsauslegung die geschuldete Werkleistung (ggf. durch Vertragsauslegung) festgestellt werden. Hier handelte es sich um einen Wartungsvertrag über ein Kraftfahrzeug, bei dem regelmäßig dessen Überprüfung auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit und damit zur Aufdeckung möglicher Schäden der zu überprüfenden Bereiche im Vordergrund stünde, wobei auch der Austausch von Verschleißteilen gehören könne. Die Reparatur von im Rahmen der Wartung festgestellten Schäden sei nicht umfasst und sei daher nur bei gesonderter Vereinbarung durchzuführen. Vorliegend würden auch der Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens vom Vertrag erfasst, unabhängig davon, ob dies regelmäßig von Wartungsarbeiten umfasst sei, da jedenfalls diese Arbeiten konkludent durch Abholung des Fahrzeuges und Ausgleichung der Rechnung abgenommen und damit zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung der Parteien gemacht worden seien.

Demgegenüber würde es sich bei den Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe um Folgeschäden handeln, verursacht durch mangelhafte Werkleistungen des Beklagten. Diese könnten durch die Nacherfüllung der eigentlich geschuldeten Werkleistung nicht behoben werden; sie beträfen vielmehr zuvor unbeschädigte Bestandteile des Kraftfahrzeuges und nicht das geschuldete Werk. Das Berufungsgericht habe allerdings nicht hinreichend erwogen, ob vorliegend eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich gewesen sei. Solche Umstände nahm der BGH an, weshalb auch insoweit er einen Schadensersatzanspruch trotz fehlender Fristsetzung bejahte. Es habe, so der BGH, ein besonderes Interesse des Klägers an einer einheitlichen Reparatur bestanden, bei der die erforderlichen Austauscharbeiten im Zuge der Beseitigung der wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Folgeschäden an Lichtmaschine und Servolenkung miterledigt würden. Das Interesse des Beklagten an der Möglichkeit einer Nacherfüllung würde dahinter zurückstehen, wobei auch das aufwendige Verbringen des Fahrzeuges zum Beklagten im Anschluss an die Reparatur alleine der Folgeschäden zu berücksichtigen sei. Offen bleiben könne, ob bereits im Hinblick auf die Betriebsferien des Beklagten eine Fristsetzung zur Nacherfüllung  entbehrlich sein könnte.

BGH, Urteil vom 07.02.2019 - VII ZR 63/18 -

Donnerstag, 4. April 2019

Einsichtsrecht des Miterben ins Grundbuch im Allgemeinen und Wirkung der Bestellung eines Testamentsvollstreckers


Der Beteiligte und Beschwerdeführer war Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seinem Vater (Erblasser) geworden. Es bestand Testamentsvollstreckung. Vom Beteiligten wurde u.a. im Rahmen seines Antrags auf Erteilung von Grundbuchauszügen und Einsicht in Grundakten geltend gemacht, der Erblasser habe Wohnungen käuflich erworben (wobei er für seinen Vater den Kaufvertrag als Vertreter abgeschlossen habe und den Kaufpreis an den Verkäufer gezahlt habe), es seien für ihn auch Auflassungsvormerkungen gewahrt. Er benötige die Auskünfte im Zusammenhang mi einem Zivilrechtstreit mit dem Testamentsvollstrecker, in dem dieser ihn auf Zahlung angeblich durch ihn aus dem Nachlass entnommener Mieteinnahmen. Das Grundbuchamt teilte mit Schreiben vom 04.12.2018 mit, eine Auflassungsvormerkung sei nicht gewahrt und lehnte den Antrag des Beteiligten ab.

Der dagegen erhobenen Beschwerde half das Amtsgericht (Grundbuchamt) nicht ab. Das OLG wies die Beschwerde zurück.

Das Einsichtsrecht, welches auch Urkunden und den übrige Inhalt der Grundakten umfasse sowie die Übersendung von Abschriften, setze ein berechtigtes Interesse voraus, § 12 Abs. 1 S. 2 GBO. Dieses sei nicht nur gegeben, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse rechtlicher Natur habe (ihm namentlich ein - aktuelles - Recht am Grundstück zustünde), sondern auch, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan werde, das auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden könne. Das Einsichtsrecht sei begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert. Im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm, dass die Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen erfolgen kann, sei ein darauf bezogenes Interesse (abgesehen von Sonderfällen des Einsichtsrechts der Presse) erforderlich und habe unter diesem Gesichtspunkt das Grundbuchamt das Interesse an der Einsicht mit dem Recht des Betroffenen auf informelle Selbstbestimmung abzuwägen. Würden Ansprüche gegen den Eigentümer eines Grundstücks behauptet, so sei Einsicht zu gewähren, wenn die Ansprüche aus einem Recht des Einsichtnehmenden am Grundstück herzuleiten seien (z.B. des Mieters um festzustellen, ob dem Vermieter noch weiterer freiwerdender Wohnraum zur Verfügung stehe).

Diene die Grundbucheinsicht der Verwaltung eines Nachlasses, der einer Erbengemeinschaft zusteht, so sei dies von allen Miterben zu beschließen (arg. § 2038 BGB). Sei aber (wie hier) ein Testamentsvollstrecker eingesetzt, so stünde diesem nach § 2205 die Verwaltung des Nachlasses zu. Dies würde das Recht der Erbengemeinschaft verdrängen, die nur Rechte gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen könnten (z.B. Auskunft nach § 666 BGB). Auch soweit der Beteiligte auf einen Rechtstreit verweist, könne sich daraus kein Anspruch ableiten lassen. Denn er lege nicht dar, dass er selbst ein Recht am Grundstück habe, eigene Ansprüche mit einem Recht am Grundstück in Zusammenhang stünden oder Ansprüche durch ein Recht am Grundstück im Grundbuch abgesichert werden sollten. Von ihm behauptete Mieteinnahmen, die vom Testamentsvollstrecker eingefordert worden seien, würden kein eigenes Interesse an der Einsicht begründen können, da dieser nach seinem Vortrag für den Nachlass Zahlungen entgegen genommen hätte, die nach Beendigung des Amtes an die Erbengemeinschaft herauszugeben wären. Nicht vorgetragen worden sei vom Beteiligten, dass auch Dritte Rechte an den Mieteinnahmen geltend machen würden, weshalb er zur Prüfung der Berechtigung Einsicht in das Grundbuch benötige. Sollte es im Zivilrechtsstreit (wie nicht behauptet worden sei) auf Rechte an dem Grundstück ankommen, könnte Urkundsbeweis nach § 432 ZPO durch den Antrag angetreten werden, das Grundbuchamt um Mitteilung des Grundbuchauszugs zu ersuchen.

OLG München, Beschluss vom 27.02.2019 - 34 Wx 28/19 -

Mittwoch, 3. April 2019

Keine Klagezustellung bei fehlender Identifizierbarkeit der Beklagtenpartei


Der Kläger bestellte Ware in einem Online-Shop. Trotz Zahlung auf das Konto des vermeintlichen Betreibers (Mario Hummels) erhielt er die Ware nicht. Auf seine Strafanzeige erfuhr er, dass es sich bei Mario Hummels um einen Aliasnamen handele, allerdings auch die Staatsanwaltschaft bisher nicht ermitteln könne, wer tatsächlich dahinter stünde. Der Kläger, der nun Zahlungsklage gegen „Mario Hummels alias, unbekannten Aufenthalts“ erhob, beantragte die öffentliche Zustellung der Klage. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab. Mit einer (fehlerhaft) vom Einzelrichter beim Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wandte sich der Kläger gegen die Entscheidung des Landgerichts. Diese führte zwar zur Aufhebung, aber nur als prozessualen Gründen, nicht aus materiellen Gründen. Denn auch der BGH hält eine (damit auch öffentliche) Zustellung der Klage für unzulässig.

Grundsätzlich sei in der Klageschrift die verklagte Partei namentlich aufzunehmen, § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Nur in Ausnahmefällen sei eine Abweichung davon denkbar, wenn nämlich ohne Angabe des Namens die Bezeichnung so klar wäre, dass keine Zweifel an der Identität und Stellung aufkommen könnten, sich also diese Person für jeden Dritten ermitteln ließe. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da selbst die Staatsanwaltschaft nicht wisse, wer hier dem Alias-Namen Mario Hummels stünde. Die Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO könnten auch in Ansehung eines Falles wie vorliegend nicht gelockert werden. Ein „Titel gegen Unbekannt“ oder „gegen den, den es angeht“ sei mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar. Einen Verzicht auf die identifzierbare Bezeichnung eines Schuldners im Vollstreckungstitel könne lediglich der Gesetzgeber regeln.

Daran würde auch der Umstand nichts ändern, dass im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein  Konto als Vermögensgegenstand gesichert worden sei. Dies folge bereits daraus, da die Zulässigkeit einer Zahlungsklage unabhängig davon sei, ob und ggf. welches Vermögen späterhin für eine Zwangsvollstreckung zur Verfügung stünde, unabhängig davon, dass auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 750 Abs. 1 ZPO der Schuldner aus dem Titel sicher identifizierbar sein müsse. Im Rahmen einer Einziehung nach §§ 459h ff StPO (auch einer selbständigen nach § 76a StGB) bedürfe es nicht notwendig eine zivilrechtlichen Titels.

Anmerkung: Die Verjährungsfrist auf (Rück-) Zahlung des entrichteten Kaufpreises, die hier u.a. nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm. 263 StGB geltend gemacht werden könnte, würde erst mit Kenntnis der Person des Schuldners zu laufen beginnen, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

BGH, Beschluss vom 18.09.2018 - VI ZB 34/17 -

Montag, 1. April 2019

Kündigung durch den verbliebenen Mieteigentümer-Vermieter alleine ist unwirksam (keine Analogie zu § 566 Abs. 1 BGB)


Die Klägerin und ihr Ehemann waren Mieteigentümer eines Zweifamilienhauses. Sie vermieteten eine der Wohnungen an den Beklagten zu 1. (der dort dann mit seinem Sohn, den Beklagten zu 2. wohnte); in der weiteren Wohnung wohnte die Klägerin selbst. Zeitlich nach Begründung des Mietverhältnisses wurde die Klägerin durch Übertragung des Mieteigentumsanteils ihres Ehemanns Alleineigentümerin. Als solche kündigte sie das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten zu 1. und verlangte die Räumung und Herausgabe von den Beklagten.  Im Laufe des Rechtsstreits zogen die Beklagten aus und das Amtsgericht erlegte nach beidseitiger Hauptsacheerledigungserklärung den Beklagten die Kosten auf. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Dagegen legten die Beklagten die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Dieser hob den Beschluss des Landgerichts auf und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf.

Entgegen der Annahme des Landgerichts ging der BGH davon aus, dass ohne Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Klage abzuweisen gewesen wäre, weshalb eine Kostenentscheidung zugunsten der Beklagten hätte erfolgen müssen, § 91a ZPO. Fehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, wonach vorliegend § 566 Abs. 1 BGB analog anzuwenden sei.

§ 566 Abs. 1 BGB regelt den Fall der Veräußerung des Eigentums an der Mietsache an einen Dritten, wodurch der Dritte in das bestehende Mietverhältnis zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Mieter eintritt. Der BGH verwies darauf, dass nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB die Veräußerung an einen Dritten erfolgen müsse, was eine Personenverschiedenheit zwischen Eigentümer und Erwerber bedeute. Der Erwerber dürfe bis zum Erwerb nicht bereits Vermieter gewesen sein (BGH, Rechtsentscheid vom 06.07.1994 - VIII AZR 2/94 – zu der Vorgängerregelung in § 571 BGB a.F.). Eine Analogie, wie vom Landgericht angenommen, setze eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes und eine Vergleichbarkeit des zu beurteilenden Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, der vom Gesetzgeber geregelt worden sei, voraus, nach dem angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber hätte bei einer Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die ihn zur Gesetzessvorschrift geleitet hätten, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Es müsste sich also um ein unbeabsichtigtes Abweichen vom Regelungsplan handeln. Dies wurde vom BGH negiert.

Sinn und Zweck des § 566 BGB sei der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Wohnung im Falle der Veräußerung gegenüber einem neuen Erwerber. Dieser Schutzzweck sei aber von vornherein nicht tangiert, wenn nur einer von (hier) zwei Miteigentümern seinen Eigentumsanteil auf den anderen übertrage mit der Folge, dass dieser Alleineigentümer werde. Dieser sei weiterhin an den Mietvertrag gebunden, weshalb eine Gefährdung des Mieters von vornherein nicht bestünde.

Daraus schlussfolgert der BGH folgerichtig, dass hier das Mietverhältnis insgesamt durch die Übertragung des Mieteigentums an einen Miteigentümer nicht das Mietverhältnis tangiert und mithin auch nach der Übertragung der ehemalige Miteigentümer Mietvertragspartei bleibe. Da aber die Kündigung nur von der verbliebenen Eigentümerin (Klägerin) ausgesprochen wurde, war diese unwirksam, da die Kündigung von dem Vermieter auszusprechen ist, was bei einer Mehrzahl von Vermietern bedeutet, dass alle Vermieter die Kündigung aussprechen müssen.

BGH, Beschluss vom 09.01.2019 - VIII ZB 26/17 -