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Montag, 11. April 2022

Haftungsausschluss des Tierhalters entsprechend § 840 Abs. 3 BGB bei Schädigung des Reiters

Landgericht und Oberlandesgericht hatten sich mit einem Reitunfall vom 17.01.2016 zu befassen. Die Klägerin war ihrer Behauptung zufolge mit einem Pony des Rechtsvorgängers der Beklagten verunglückt und machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 S. 1 BGB (mithin aus der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung des Rechtsvorgängers der Beklagten) geltend. Das Landgericht wies die Klage nach Beweisaufnahme wegen Mitverschuldens der Klägerin ab, da das Mitverschulden der Klägerin die Haftung der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger zurücktreten lasse.

Von Grundsatz ging das OLG davon aus, dass grundsätzlich auch der Reiter gegen den Halter eines Pferdes einen Schadensersatzanspruch aus § 833 S. 1 BGB haben könne. Würde aber (wie hier) dem Reiter das Pferd aus Gefälligkeit überlassen, gebiete es die Interessenslage, dem Verletzten gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB aufzuerlegen (so bereits BGH, Urteil vom 09.06.1992 - VI ZR 49/91 -). Der Entlastungsbeweis sei der Klägerin nicht gelungen. Nach der Beweisaufnahme habe das Landgericht in nicht zu beanstandender Würdigung festgestellt, dass der Klägerin dieser Entlastungsbeweis nicht gelungen sei und mithin nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Reitunfall auf einer Unachtsamkeit der Klägerin bei der Führung des Ponys beruhe. Ferner habe das Landgericht festgestellt, dass das Pony insgesamt unruhiger sei als andere Tiere und man dies dadurch in den Griff bekäme, dass man das Pferd vor dem Reiten longiere und so seinen Bewegungsdrang befriedigt habe. Auch die Klägerin habe das Longieren vor dem Reiten als Notwendigkeit erkannt, damit dieses sich vor dem Reiten erst einmal austoben könne. Dies aber habe der Rechtsvorgänger der Beklagten der Klägerin verboten. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin die weitere Arbeit mit dem Pferd ablehnen müssen und sie habe sich bewusst einer Gefahr ausgesetzt, indem sie das Pony gleichwohl (ohne es zuvor zu longieren) ritt. Damit habe die von dem Ponys ausgehende Tiergefahr, die zu dem Unfallgeschehen geführt habe, gegenüber dem Verschulden der Klägerin, das hinsichtlich des unmittelbaren Geschehens gemäß § 834 BGB zu vermuten sei und hinsichtlich der vorgelagerten Verantwortung nachgewiesen sei, nach der entsprechend § 840 Abs. 3 BGB zurückzutreten und keinerlei Bedeutung mehr.

Das OLG stellt mithin nicht darauf ab, ob das vermutete und festgestellte Verschulden so erheblich sei, dass dieses die reine Tiergefahr verdrängen würde, für welche die Beklagte haften würde. Vielmehr bezieht sich das OLG auf die Norm des § 840 Abs. 3 BGB. Diese Norm regelt im Verhältnis von Gesamtschuldnern (Schuldner, die gemeinschaftlich gegenüber einem Dritten aus Delikt haften) den Innenausgleich dahingehend, dass in ihrem Verhältnis derjenige nicht haftet, der alleine nach der Gefährdungshaftungsnorm des § 833 S. 1 BGB dem Dritten gegenüber haftet, wenn dem Dritten gegenüber der weitere Gesamtschuldner aus (nachgewiesenen) Verschulden haftet. Vom OLG wird unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 25.10.1994 - VI ZR 107/94 -; so auch OLG Hamm, Urteil vom 08.02.1990 - 6 U 143/89 -, LG Limburg, Urteil vom 29.01.2010 - 3 S 271/08 -) ausgeführt, dass die Norm nicht nur im Verhältnis zum geschädigten Dritten gelte (Anm.: was sie nicht tut; nach dem Wortlaut gilt sie nur im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander) greife, sondern auch dann nach ihrem Sinngehalt, wenn es um den eigenen, von dem Tier mitverursachten Schaden des Tierhalters gehe.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.04.2022 - 6 U 95/19 -

Donnerstag, 18. August 2016

Tierhalterhaftung: Haftungsverteilung bei Hunderangelei

Der Kläger ging mit seinem angeleinten Hund (Labrador-Mischling) nachts spazieren, wobei er die Hundeleine um sein Handgelenk gewickelt hatte. Aus einem Grundstück zwängte sich der Golden Retriever der Beklagten durch die Hecke und es kam zu einem Gerangel der Hunde, in deren Verlauf der Kläger, der sich nicht von der Leine lösen konnte, vom Hund der Beklagten gebissen wurde. Der BGH geht von einer wechselseitigen Haftung der Parteien nach § 833 S. 1 BGB aus, wobei sich der Kläger seine eigene Tierhalterhaftung entsprechend § 254 BGB (Mitverschulden) zurechnen lassen müsse. Allerdings wäre zu prüfen, ob nicht der Beklagten in Ansehung des Umstandes, dass sein Hund unbeaufsichtigt das Grundstück verlassen konnte, Verschulden nach § 823 BGB treffe, da dann gem. § 840 Abs. 3 BGB die Beklagte alleine haften würde.

Fehlerhaft, so der BGH, hatte das Berufungsgericht lediglich auf die Haftung der Beklagten nach § 833 S. 1 BGB abgestellt. § 833 S. 1 BGB stellt sich als verschuldensunabhängige Haftungsnorm gegen den Tierhalter dar. Kommt es durch ein Tier zu einen Schaden, haftet der Halter des Tieres, ohne dass ihn an dem Schadensfall ein Verschulden treffen müsste (da es sich hier nicht um ein Nutztier nach § 833 S. 2 BGB handelte, war die Frage einer möglichen Exkulpation des Tierhalters nicht zu prüfen). Allerdings habe sich auch die Tiergefahr des Hundes des Klägers ausgewirkt. Insoweit ist darauf abzustellen, dass sich auch bei dem Hund des Klägers ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbständiges Verhalten verwirklichte, wobei auf ein anderes Tier einwirkende reize ausreichend sind. Da sich hier der Hund des Klägers nicht passiv verhielt, vielmehr ein Gerangel und Kampf zwischen den Hunden stattfand, handelte es sich u eine Interaktion zwischen den Hunden,  die ihrer tierischen Natur gemäß aufeinander eingewirkt haben. Von daher habe sich die Bissverletzung als adäquat kausale Folge dieses Verhaltens dargestellt, was eine Mithaftung des Klägers entsprechend § 254 BGB begründe. Für die Begründung der Mithaftung käme es nicht darauf an, was Auslöser war und welcher Hund eine über- oder untergeordnete Rolle eingenommen habe; dies sei lediglich im Rahmen der Quotelung zu berücksichtigen.

Weiterhin habe das Berufungsgericht nicht geprüft, ob gegebenenfalls auch eine Haftung des Beklagten nach § 823 BGB vorliege. Schon der Umstand, dass sich der Golden Retriever durch die Hecke gezwängt habe, lege die Frage nahe, ob die Beklagte die Gesundheit des Klägers fahrlässig verletzt habe. Dies wäre vom Berufungsgericht noch zu prüfen. Bejahendenfalls würde der Tiergefahr des Hundes des Klägers dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend keine Bedeutung zukommen.

Der BGH hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.


BGH, Urteil vom 31.05.2016 – VI ZR 465/15 -