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Sonntag, 22. September 2024

Reparaturanspruch bei Defekt des nicht mitvermieteten Geschirrspülers

Die Klägerin mietete von der Beklagten eine Wohnung an, in der sich u.a. auch in der vorhandenen Einbauküche ein Geschirrspüler befand. Im Mietvertrag war (als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB [AGB], also nicht individuell vereinbart) eine Klausel aufgenommen, dass die technischen Geräte der Einbauküche „als nicht mitvermietet [gelten]“ (§ 2 Z. 2 Abs. 5 AVB).  Der Klage auf Instandhaltung durch die Beklagte wurde stattgegeben, die dagegen eingelegte Berufung sah das Landgericht in einem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO als offensichtlich unbegründet an.

Der Beklagte sei gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, den defekten Geschirrspüler zu reparieren oder auszutauschen. Er sei zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses in der Wohnung vorhanden und funktionstüchtig gewesen, weshalb dies den vertraglich geschuldeten Zustand entspräche (BGH, Urteil vom 10.05.2006 - XII ZR 23/04 -). Dem würde auch die Klausel in § 2 Z. 2 Abs. 5 AVB nicht entgegenstehen.

Nach dem Wortlaut der Klausel würde diese keine Beschaffenheitsvereinbarung darstellen. Das verwandte Wort „gelten“ erweise sich als eine Einschränkung. Unklar bliebe, welche Rechtsfolgen sich aus der Klausel „als nicht als mietvermietet [gelten]“ ergeben sollen.

Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen fände die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen würden.  Eine Unklarheit läge vor, wenn zwei oder mehr mögliche Bedeutungen in Betracht kämen, wobei bei der Auslegung nur theoretisch denkbare, praktisch aber fernliegende und bei dem fraglichen Geschäft typischerweise nicht ernstlich in Betracht kommende Auslegungen nicht zu berücksichtigen seien (BGH, Urteil vom 05.05.2022 – VII ZR 176/20 -).

Neben der Möglichkeit, dass sich die Beklagte von einer Instandsetzungspflicht freizeichnen wollte, wäre auch dankbar, dass für die benannten Gegenstände neben dem Grundmietzins kein gesonderter Mietzins geschuldet würde, dem Mieter aber die Gewährleistungsrechte nach §§ 535 ff BGB verbleiben sollten. Beide Auslegungsergebnisse seien vertretbar. Da es nicht darauf ankomme, ob die Auslegung  richtig sei, reiche dies zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB und zur Auslegung im Wege der sogenannten kundenfreundlichsten Auslegung aus (BGH, Urteil vom 12.05.2016 - VII ZR 171/15 -).

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

Anmerkung: In vielen Mietverträgen lässt sich die Klausel finden, dass für namentlich benannte technische Geräte kein gesonderter Mietzins zu entrichten sei und im Falle eines Defekts der Mieter keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Reparatur oder Austausch habe.

LG Berlin II, Hinweisbeschluss vom 30.06.2024 - 67 S 144/24 -

Donnerstag, 15. August 2024

Feststellung der sachlichen Zuständigkeit bei Mietrechtsstreit

Die Klägerin verlangte von den Beklagten die Räumung und Herausgabe von zwei Räumen in einem Büropark sowie Miete. Im Mietvertrag wurden die angemieteten Räume als Büroräume bezeichnet. In 2020 bis 2023 leistete die Beklagte keine Mietzahlungen; eine Kündigung des „Gewerbemietvertrages“ (so die Angabe im Kündigungsschreiben) erfolgte mit Schreiben vom 07.09.2020 und wurde mit der 2023 erhobenen Klage wiederholt.  Die Beklagten wandten ein, die Parteien seien bei Mietvertragsabschluss übereingekommen, dass die Räume zu einer Wohnung ausgebaut werden; sie hätten sich über die Falschbezeichnung als „Geschäftsräume“ im Vertrag keine Gedanken gemacht.

Das Landgericht wies die Parteien auf die von ihm angenommene fehlende sachliche Zuständigkeit hin und wies mangels eines Verweisungsantrages der Klägerin (auf Verweisung an das Amtsgericht, § 23 Nr. 2a GVG) als unzulässig ab. Die dagegen erhobene Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Landgericht, da dieses ausschließlich zuständig sei.

Unabhängig vom Streitwert ist nach § 23 Nr. 2a GVG, § 29a Abs. 1 ZPO das Amtsgericht für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis und über Streitigkeiten über das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses ausschließlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Wohnraum befindet. Die sachliche Zuständigkeit, so das OLG als Berufungsgericht, beruhe auf dem zweistufigen ortsnahen Instanzenzug, wie er regelmäßig nur durch die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Eingangsgericht und des Landgerichts als Rechtsmittelinstanz gewährleistet erscheine (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2005 - I-24 W 20/05 -). Damit korrespondiere die örtliche Zuständigkeit nach § 29a Abs. 1 ZPO.

Die Klärung, ob für die Zuständigkeit ein Wohnraum- oder ein Geschäftsraummietverhältnis zugrunde zu legen ist, ist in den Fällen zu klären, in denen der Streitwert des Verfahrens den Wert von € 5.000,00 überschreitet, § 23 Abs. 1 GVG. Dies war vorliegend der Fall. In diesem Fall käme es für die Zuständigkeitsbestimmung auf den schlüssigen Sachvortrag des Klägers, nicht dessen Rechtsauffassung, an, da sich danach der Streitgegenstand bestimme (so die hM, so z.B. KG, Beschluss vom 06.03.2008 - 2 AR 12/08 -). Ein Bestreiten des entsprechenden Sachvortrags durch den Beklagten sei insofern unbeachtlich, da dies ohne Einfluss auf den Streitgegenstand bleibe. Der dem entgegenstehenden Rechtsansicht des OLG Düsseldorf (im Beschluss vom 08.11.2007 - 24 U 117/07 -) schloss sich das OLG ausdrücklich nicht an. Das OLG Düsseldorf sah in der schlüssigen Geltendmachung von Gegenrechte aus einem Wohnraummietverhältnis die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG als begründet an. Vom OLG wurde im vorliegenden Verfahren (zutreffend) darauf verwiesen, dass dann, wenn die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen eine doppelrelevante Tatsache ist, also diese zugleich auch Voraussetzung für die Begründetheit der Klage, das Vorbringen des Klägers über die Zulässigkeit der Klage als wahr zu unterstellen sei (RGZ 29, 371m 373 f; BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93 -). Diese „Erleichterung für den Kläger“ für den Kläger sei gerechtfertigt, da für den Fall, dass sich das Vorbringen des Beklagten als wahr erweise und die (auch) die zuständigkeitsbegründende Tatsache nicht vorliege, die Klage als unbegründet abzuweisen sei. Letztlich würde so der Kläger nicht gänzlich von seiner Beweislast bezüglich (auch) der zuständigkeitsbegründenden Tatsache befreit, vielmehr beschränke sich sein Vorteil nur darauf, dass er an einem für ihn (Anm.: zumindest nach seiner subjektiven Auffassung) günstigeren Gerichtsstand streiten dürfe. Zudem wäre es auch für den Beklagten von Nachteil, wenn die Klage nur als durch Abweisung wegen Unzulässigkeit als klageabweisendes Prozessurteil statt als klageabweisendes Sachurteil ergehen würde.

Erhebe also der Kläger wie vorliegend eine Räumungsklage vor dem Landgericht mit der Behauptung der wirksamen Kündigung eines Geschäftsraummietvertrages und wendet der Beklagte ein, es bestünde ein nicht (wirksam) gekündigter Wohnraummietvertrag, läge eine doppelrelevante Tatsache vor. Es müsse sowohl zur Zulässigkeit als auch zur Begründetheit geprüft werden, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliege.

Vor diesem Hintergrund sei das Vorbringen der Klägerin für die Zuständigkeit als wahr zu unterstellen. Da die Klägerin bestritten hebe, es habe niemals ein Wohnraummietverhältnis vorgelegen, ermangele es an einem Vortrag in Bezug auf ein Wohnraummietverhältnis und ergäbe sich damit auch keine amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG. Der Vortrag der Beklagten könne nur dann zu einer Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnungsmietsachen führen, wenn die Klägerin dem nicht entgegen getreten wäre (OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015 – 1 U 16/14 -), was hier allerdings erfolgt sei.

Das Amtsgericht würde auch nach § 23 Nr. 2a GVG nicht zuständig, da das Bestehen eines Mietverhältnisses (Geschäfts- oder Wohnraum) geprüft werden müsse. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Beklagten führen, da dieser dem Kläger durch unrichtige Behauptungen einen bestimmten Gerichtsstand aufzwingen könne. Eines entsprechenden Schutzes bedürfe der Beklagte auch nicht, da die Klage im falschen Gerichtsstand zur Abweisung der Klage als unbegründet führe.

Anmerkung: Auch wenn eine Räumungsklage z.B. Kündigung wegen Zahlungsrückständen erhoben wird, ist es von Bedeutung, ob es sich um einen Geschäftsraum oder um Wohnraum handelt, da z.B. der Gewerberaummieter keinen Rechtsanspruch auf die Einräumung einer Räumungsfrist nach § 771 ZPO hat.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13.02.2024 - 3 U 96/23 -

Mittwoch, 29. November 2023

Beweislast für befristetes Mietverhältnis (hier: Gewerberaum)

Der Kläger kündigte das Mietverhältnis des Beklagten über Gewerberäume mit der gesetzlichen Kündigungsfrist. Im Räumungsverfahren wurden diverse Mietverträge vorgelegt, unter anderem zwei Mieterträge datierend auf den 25.03.2014, bei dem der eine ein unbefristetes Mietverhältnis (ein Original, von dem der Beklagte behauptete, es sei eine Fälschung), der andere ein bis zum 31.12.2044 befristetes Mietverhältnis (eine vom Beklagten vorgelegte Kopie eines Mietvertrages) betraf. Das Landgericht gab der Räumungsklage statt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob die Kündigung (mit gesetzlicher Kündigungsfrist) zur Beendigung des Mietverhältnisses führte und damit den Räumungsanspruch des Klägers begründete, kam es darauf an, wer für welche Tatsachenbehauptung darlegungs- und beweisbelastet war. Entscheidend war, ob die (vom Beklagten behaupteten) Befristungen des Mietverhältnisses bis zum 31.12.2044 bestand oder aber (so der Kläger) das Mietverhältnis unbefristet begründet wurde und von daher jederzeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist beendet werden konnte.  

Der vom Kläger vorgelegte Mietvertrag vom 25.03.2014 enthalte unter § 3.3 keine längere Kündigungsfrist (also keine Befristung, wie vom Beklagten für das Mietverhältnis behauptet). Dies vorausschickend wies das OLG darauf hin, dass dem Beklagten die Beweislast für seine Behauptung der Befristung bis zum 25.03.2014 treffe und er ihn nicht geführt habe. Der von ihm eine Befristung enthaltene Vertrag sei von dem Beklagten nur als Kopie, nicht als Original vorgelegt worden. Zwar habe der Beklagte erklärt, er werde zum Beweis dafür, dass der klägerseits unter dem Datum des 25.03.2014 eingereichte Mietvertrag erst Jahre später ausgefertigt worden sei und es sich um eine Fälschung handle, Antrag auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens stellen. Diesem Antrag müsse aber nicht nachgegangen werden. Denn auch wenn mit dem Beklagten unterstellt würde, dass der klägerseits vorgelegte Mietvertrag eine Fälschung sei, verbliebe es bei dem unstreitigen Vortrag der Parteien zu einen Vertragsabschluss am 25.03.2014 (mit einem ab dem 01.04.2014 laufenden Mietverhältnis). Selbst bei Annahme einer Fälschung des keine Befristung enthaltenen Mietvertrages würde sich daraus nicht der Rückschluss ergeben, dass das Mietverhältnis befristet gewesen sei. Von daher sah das OLG keine Veranlassung, den Beweis zu erheben.

Ferner behauptete der Beklagte, er habe das Original des die Befristung enthaltenen Mietvertrages dem Kläger ausgehändigt und benannte dazu Zeugen. Wäre der Vortrag zutreffend, so das OLG, wäre verständlich, weshalb der Beklagte diesen nicht (mehr) vorlegen könne. Doch hätten die benannten Zeugen nicht vernommen werden müssen, da der Beklagte erklärt habe, diese könnten zwar die Übergabe eines Dokuments durch ihn an den Kläger bestätigen, würden aber keine Kenntnis von dem Inhalt des Dokuments haben. Dann aber könnte sie auch nicht bestätigen, dass es sich bei dem Dokument um das Original des beklagtenseits benannten Mietvertrages gehandelt habe.

Anmerkung: Das OLG geht hier (zutreffend) von der prozessualen Grundregel aus, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen habe, soweit sie für die Entscheidung erheblich seien und (wie hier) keine gesetzliche Beweislastregelung existiert. Die Anwendung der Beweislastregeln zur Streitentscheidung stellt eine ultima ratio dar, die zum Tragen kommt, wenn vom Gericht alle zulässigen Beweismöglichkeiten ohne Erfolg ausgeschöpft sind und weitere Feststellungen nicht möglich erscheinen (BGH, Urteil vom 07.02.2017 – VII ZR 274/17 -), weshalb hier der Entscheidung des OLG zuzustimmen ist, nachdem auch die Anhörung der Parteien (§ 141 ZPO) vorliegend nicht die Feststellung iSv. § 286 ZP ermöglichte, ob der Mietvertrag unbefristet (so der Kläger) oder unbefristet (so der Beklagte) abgeschlossen wurde. Da eine Befristung eines Mietverhältnisses von länger als einem Jahr notwendig der Schriftform bedarf (§ 550 BGB), musste hier der sich gegen die Zulässigkeit der Kündigung wendende beklagte Mieter den Nachweis erbringen, dass eine Befristung in einem (schriftlichen) Mietvertrag vereinbart wurde, da ohne diese Schriftform der befristete Mietvertrag unabhängig von der vereinbarten Dauer der Befristung jedenfalls nach Ablauf eines Jahres ordentlich kündbar ist (BGH, Urteil vom 29.10.1986 - VII ZR 53/85 -). Da es sich hier bei der Befristung des Mietverhältnisses um einen Umstand zugunsten des sich gegen die Räumungsklage wendenden Beklagten handelte, war dieser beweisbelastet und musste unterliegen, da er den Beweis nicht führen konnte.

OLG Dresden, Urteil vom 12.07.2023 - 5 U 255/23 -

Freitag, 26. August 2022

(Un-) Selbständiger Stellplatzmietvertrag neben Wohnraummietvertrag

Die Klägerin zu 1. mietete zunächst eine Wohnung vom Rechtvorgänger des Beklagten an. In dem Mietvertrag befand sich auch eine Regelung, wonach dem Mieter die jederzeit widerrufliche Nutzung eines PKW-Stellplatzes auf dem Grundstück. Dieses Recht wurde durch den Beklagten widerrufen, der einen Stellplatz an die Kläger gegen einen Mietzins von € 23,00. Die Beklagte kündigte 2019 unter Beachtung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist den Stellplatzmietvertrag. Die Kläger begehrten die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und Fortbestand des Stellplatzmietvertrages.  Die Klage wurde ab- und die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision bot dem BGH noch einmal die Möglichkeit, seine Rechtsprechungsgrundsätze zu diesem Komplex  darzulegen.

Beide Verträge würden sich als AGB-verträge darstellen, also als Verträge, die vorformuliert sind für eine Vielzahl von Fällen, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei der Auslegung der Klausel eines solchen Vertrages sei der gesamte Inhalt des Formularvertrages zu berücksichtigen und dürfe eine Klausel nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Entgegen der Annahme des Landgerichts würde es sich hier aber nicht um eine Klauselinterpretation handeln. Vielmehr würde es darum gehen, ob der Stellplatzmietvertrag aus 2005 mit zu dem regelungskomplex des Wohnraummietvertrages aus 1988 zähle, es sich also bei den beiden Verträgen in Wirklichkeit um einen Vertrag handele.

[Anmerkung: Wird die Regelung zum Stellplatz nebst gesondertem Mietzins für diesen in einem Wohnraummietvertrag mitgeregelt, ist - auch bei abweichender Bestimmung in dem Wohnraummietvertrag, der Stellplatzmietvertrag nur zusammen mit der Wohnung kündbar und sind die Kündigungsschutzvorschriften des Wohnraumrechts zu berücksichtigen].

Der BGH verwies auf seine dezidierte Rechtsprechung zu der streitentscheidenden Frage, ob ein einheitlicher vertrag vorliegt.

Würden der schriftliche Wohnraummietvertrag und der schriftliche Stellplatz-/Garagenmietvertrag in separaten Mietverträgen abgeschlossen, spräche eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der Vereinbarungen. In diesem Fall müsste derjenige, der sich gegen die rechtliche Selbständigkeit wendet die Vermutung durch Darlegung (und evtl. Beweis) besonderer Umstände des Einzelfalls widerlegen (so z.B. BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 251/10  -; BGH, Beschluss vom 09.04.2013 - VIII ZR 245/12 -).

[Anmerkung: Widerlegen ließe sich die Vermutung, wenn in dem späteren Vertrag auf die Regelungen in dem Wohnraummietvertrag verwiesen wird und dieser so auch zum Bestandteil des Stellpatz-/Garagenvertrages gemacht würde. Auch wenn in dem Stellplatz-/Garagenmietvertrag ein Kündigungsrecht des Mieters davon abhängig gemacht würde, dass auch der Wohnraummietvertrag gekündigt wird, dürfte die gewollte Einheitlichkeit gegeben sein, auch wenn sich der Vermieter ein - dann unzulässiges - Sonderkündigungsrecht für den Stellplatz vorbehält. Es müsset auch möglich sein, ggf. durch Zeugenbeweis nachzuweisen, dass die Parteien den späteren Stellplatz-/Garagenmietvertrag als Einheit mit dem Wohnraummietvertrag verstanden wissen wollten.]

Vorliegend lagen zwei getrennte schriftliche Verträge vor. Besondere Gründe, die der Vermutung entgegenstehen würden, hätten auch nicht vorgelegen. Zwar könnte der Umstand, dass beide Mietobjekte auf dem gleichen Grundstück lägen, dass die Vermietung des Stellplatzes nach dem Willen der Parteien in den Wohnraummietvertrag mit einbezogen werden sollte (BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 251/10 -). Dies sei aber dann nicht zwingend, wenn andere Umstände vorlägen, die die Vermutung für zwei Mietverträge bekräftigen würden. Hier sei im Stellplatzmietvertrag an keiner Stelle auf den Wohnraummietvertrag Bezug genommen worden, und der Stellplatzmietvertrag könne auch nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie der Wohnraummietvertrag gekündigt werden. Zwar sei die Kündigungsmöglichkeit für den Mieter identisch, nicht aber für den Vermieter, da der Vermieter kein berechtigtes Interesse (§ 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB) für die Kündigung des Stellplatzmietertrages benötige. Dass lasse auf den fehlenden Willen der Parteien zu einer Einheitlichkeit schließen.

Nach dem Hinweis durch den BGH wurde die Revision zurückgenommen.

BGH, Beschluss vom 14.12.2021 - VIII ZR 95/20 -

Sonntag, 6. März 2022

Elektrofahrzeugbatterie: Mietbedingungen zur (Fern-) Abschaltung durch Vermieter bei fristloser Kündigung

Das OLG musste sich mit der Zulässigkeit einer Klausel in Mietbedingungen für eine Batterie  für Elektrofahrzeuge (ob gekauft oder geleast) auseinandersetzen, in der es hieß:

"Im Falle der außerordentlichen Vertragsbeendigung infolge Kündigung wird die Vermieterin die Sperre der Wiederauflademöglichkeit der Batterie zunächst mit 14-tägiger Frist vorher ankündigen. Die Androhung kann auch zusammen mit der Kündigung erfolgen. Die Vermieterin ist in diesem Fall nach Ablauf der Ankündigungsfrist berechtigt, ihre Leistungspflicht einzustellen und die Wiederauflademöglichkeit der Batterie zu unterbinden. Die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs bleibt hiervon unberührt."

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein. Die Klage war erstinstanzlich erfolgreich; die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Bei der Klausel handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, die der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB unterfalle und nach §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.

Voraussetzung dafür sei, dass die Interessen des Vertragspartners in einer vom Gesetz abweichenden Weise geregelt würden. Dies sei hier der Fall, da die Beklagte nach Beendigung des Vertrages aufgrund einer außerordentlichen Kündigung nach einer 14-tägigen Frist berechtigt sei, die Batterie mittels einen Fernzugriffs zu sperren und damit zu verhindern, dass der Mieter die Batterie laden kann.  Eine solche Möglichkeit sei vom Gesetz nicht vorgesehen. Zwar sei der Mieter nach der Kündigung verpflichtet die Batterie herauszugeben, §§ 546 iVm 985 BGB. Ein Zugriffsrecht des Vermieters im Wege der Selbsthilfe gem. § 229 BGB existiere aber nicht. Dieses Sperren stelle eine verbotene Eigenmacht der Beklagten nach § 858 Abs. 1 BGB dar. § 858 BGB verbiete die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers und diene dem Schutz des staatlichen Gewaltmonopols, indem es eigenmächtige Eingriffe im Besitz eines Dritten befindlicher Sachen, unabhängig von der schuldrechtlichen Rechtslage, unterbinde. Es solle sichergestellt werden, dass ein derartiger Eingriff nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels in einem geordneten Verfahren erfolgen dürfe.

Die Möglichkeit der Nutzung der Batterie sei Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft des Besitzers. Die dadurch begründete Einwirkungsmacht würde durch das Sperren der Auflademöglichkeit eingeschränkt.

Der BGH (Urteil vom 06.05.2009 - XII ZR 137/07 -) habe entschieden, dass die Einstellung der Versorgung mit Heizleistung und Warmwasser durch den Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses über Gewerberäume nach Kündigung des Mieters wegen Zahlungsverzugs keine Besitzstörung gegenüber dem Mieter darstelle, und zur Begründung darauf verwiesen, dass die zur Nutzung des Mietobjekts erforderliche Energielieferung nicht Bestandteil des Besitzes sei und daher nicht dem Besitzschutz der §§ 985ff BGB unterfalle. Die Beklagte würde hier bei der Vermietung der Batterie nicht noch zusätzlich zur Übergabe der Mietsache die Erbringung der weiteren (Versorgungs-) Leistungen schulden. Sie müsse lediglich dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der Batterie einräumen. Die Energie, die für das Aufladen der Batterie notwendig sei, müsse der Mieter selbst besorgen. Die Vorenthaltung der Batterie führe nicht dazu, dass der Beklagten ein weiterer Schaden drohe, wenn sie die Auflademöglichkeit nicht unterbinde. Anders als in dem vorgenannten Urteil des BGH, bei dem dem Vermieter durch den Gebrauch der Heiz- und Warmwasserleistung mangels von Vorauszahlungen darauf ein Schaden gedroht habe, was ihm nicht zumutbar sei, wäre hier ein solcher Schaden gerade nicht zu befürchten, wenn sie die Auflademöglichkeit nicht unterbinden würde. Soweit von der Beklagten geltend gemacht wurde, dass eine weitere Abnutzung der Batterie durch Aufladungen erfolge, läge darin lediglich das typische Risiko eines Vermieters bei Nichtrückgabe der Mietsache und Weiternutzung.

Zudem könne der Mieter nach Unterbindung der Auflademöglichkeit die Batterie nicht mehr bestimmungsgemäß zum Betrieb seines Elektrofahrzeugs nutzen, demgegenüber der Mieter der Gewerbeimmobilie diese weiterhin betreten und sich in ihr aufhalten könne. Für den Besitzer der Batterie würde der Besitz nach der Sperrung aber nutzlos. 

Auch das Recht der Mobilfunkanbieter im Rahmen von Mobilfunkverträgen (insbesondere im Prepaid-Bereich) Mobilfunkleistungen einzuschränken oder vollständig zu sperren, wenn der Mobilfunkkunde mir Zahlungen in Rückstand sei oder ein Kreditlimit überschritten habe, stehe hier der Annahme einer Besitzstörung nach § 858 BGB nicht entgegen. Zum Einen sei eine derartige Sperre durch Anbieter von Festnetztelefonleitungen gesetzlich vorgesehen (§ 62 Abs. 3ff TKG 2021) und diese Wertung des Gesetzgebers würde auch bei der Beurteilung auf Mobilfunkverträge übertragen (BGH, Urteil vom 17.02.2011 - III ZR 35/20 -). Zum Anderen würde der Mobilfunkanbieter davor geschützt, dem säumigen Kunden weiterhin kostenpflichtige Leistungen zur Verfügung zu stellen. Auch dieses Risiko bestünde bei der vermieteten Batterie nicht, da der Vermieter hier neben der Übergabe der Batterie keine weiteren Leistungen schulde.

Ob hier eine Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 BGB vorliege, bedürfe keiner Beurteilung, da alleine der Verstoß gegen § 858 Abs. 1 BGB verstößt bzw. eine unberechtigte Selbsthilfe iSv. § 229 BGB ermöglichen soll, sei sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen würde, unvereinbar.

Mittels der Einbeziehung der AGB in den Mietvertrag könne der Mieter auch nicht in die Sperrung und damit Besitzstörung einwilligen, da das Recht zur Selbsthilfe einer stark eingeschränkten Dispositionsbefugnis der Parteien unterliege (Reichsgericht, Urteil vom 30.01.1931 - II 219/30 - in RGZ 131, 213, 222). Selbst nähme man eine Zustimmung des Mieters bei Vertragsabschluss an, läge verbotene Eigenmacht vor, wenn bei dem Eingriff selbst in der Besitz der Wille des Besitzers, eine solche Maßnahme nicht zu gestatten, nicht mehr vorhanden sei (BGH, Urteil vom 06.07.1977 - VIII ZR 288/75 -).

Redaktioneller Nachtrag:

Die vom OLG zugelassene Revision war anhängig beim BGH zu XII ZR 89/21. Der BGH hat mit Urteil vom 26.10.2022 die Revision zurückgewiesen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2021 - 20 U 116/20 -

Montag, 6. Dezember 2021

Schriftformerfordernis (§ 550 BGB) bei wesentlicher Änderung des Mietvertrages ?

Der Rechtsstreit der Mietvertragsparteien erledigte sich im Rahmen des Revisionsverfahrens in der Hauptsache und der BGH hatte nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung hat auch im Revisionsverfahren, worauf der BGH hinwies, gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu erfolgen. Danach seien die Kosten des Verfahrens hier der Klägerin aufzuerlegen, da sie mit ihrem Räumungs- und Herausgabeanspruch der Mietsache, der auf einen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB gestützt wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durchgedrungen wäre.

Grundlage des Rechtstreits war § 550 BGB, demzufolge ein für einen längeren Zeitraum als einem Jahr abgeschlossener Mietvertrag der Schriftform bedarf. Der Zweck der Norm bestehe darin, einen Erwerber des Grundstücks vor der Gefahr zu schützen, an einen Mietvertrag, dessen Inhalt er nicht zuverlässig kennt, länger als ein Jahr gebunden zu sein (BGH, Urteil vom 12.03.2003 - XII ZR 18/00 -). Ferner würde die Norm auch dazu dienen, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese auch vor einer unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -). Der Gesetzgeber habe mit der Vorgabe, dass die Schriftform für Verträge über eine Laufzeit von mehr als einem Jahr geltend würde, gleichzeitig postuliert, bis zu welchem Zeitpunkt nicht von einer langfristigen  Bindung auszugehen sei.

Nach dem benannten Zweck der Norm würde das Schriftformerfordernis auch für vertragswesentliche Vereinbarungen (wie z.B. Miethöhe) gelten, wenn diese länger als ein Jahr gelten sollen. Daraus ergäbe sich, dass die Jahresfrist er mit Abschluss einer nicht formgerechten Änderungsvereinbarung zu laufen beginne, die die Schriftform des ursprünglich formwirksamen Vertrages entfallen ließe (BGH, Urteil vom 25.01.2017 - XII 69/16 -), weshalb sich die Vertragsparteien (einschließlich eines evtl. eintretenden Erwerbers) selbst bei einem Schriftformverstoß bei der Änderungsvereinbarung erst nach Ablauf eines Jahres aus der vertraglichen Bindung lösen könnten.

Vorliegend ging es um zwei Vereinbarungen der Vertragsparteien zur Minderung der Miete infolge eines Minderungsgrundes und der Dauer der möglichen Minderungen. Vorliegend käme es nicht darauf an, ob die Vereinbarung zur Minderung der Schriftform unterliege, wenn die Dauer an das Bestehen des Minderungsgrundes geknüpft sei. Die Minderungen hätten jeweils eine Dauer von unter einem Jahr gehabt. Auch wenn beide Minderungen mit 15 Monaten die Jahresfrist überschritten hätten, käme es darauf nicht an, da die Laufzeit jeweils in Bezug auf die einzelne Abrede betrachtet werden müsse. Der von der Klägerin aus den beiden Vereinbarungen abgeleitete Schriftformverstoß des bis zum 31.08.2020 befristeten und mit zwei je fünfjährigen Verlängerungsoptionen für den Mieter versehene Mietvertrag habe mithin nicht an einem Schriftformverstoß gem. § 550 BGB gelitten, weshalb die darauf beruhende Kündigung und damit das gerichtliche Räumungs- und Herausgabeverlangen unberechtigt seien.

BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - XII ZR 60/20 -

Montag, 18. Oktober 2021

Wohnfläche – Zum Unterschied für die Annahme eines Mangels und bei Geltendmachung einer Mieterhöhung

Im Mietvertrag der Beklagten vom August 2006 über eine Wohnung in Bonn wurde in § 1 zum Mietgegenstand angegeben, dass eine Wohnung im Erd-, Unter- und Zwischengeschoss mit einer Größe von ca. 180qm vermietet werde. Anlässlich einer Mieterhöhung in 2010 legte der Rechtsvorgänger der Klägerin als Vermieter eine Wohnfläche von 177qm zugrunde. Im Rahmen der aktuell geltend gemachten Mieterhöhung legte die Klägerin auch 177qm Wohnfläche zugrunde und ferner Betriebskosten geltend gemacht und machte diesen Anspruch klageweise geltend. Die Beklagten erhoben mit der Behauptung, die Wohnfläche betrage nur 144,50qm Widerklage auf Rückzahlung von nach ihrer Ansicht dadurch bedingter Zuvielzahlung in Höhe von € 47.493,50 mit der Begründung, es liege ein Mangel der Mietsache vor..

Das Amtsgericht hat der Klage zu den Betriebskosten teilweise stattgegeben, ansonsten Klage und Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung beider Parteien zurückgewiesen. Im Rahmen der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Widerklageantrag weiter.

Ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wegen überzahlter Miete bestünde nicht. Die Zahlungen seien von den beklagten mit Rechtsgrund erfolgt, da ein von ihnen angenommener Mangel einer zu geringen Wohnfläche (die zur Mietminderung führen würde) nicht bestünde.

Die Wohnflächenangabe im Mietvertrag sei keine unverbindliche Beschreibung, sondern als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen mit der Folge, dass eine Abweichung von mehr als 10% einen Mangel der Mietsache darstelle (BGH, Urteil vom 24.03.2004 - VIII ZR 295/03 -). Dabei käme es nicht darauf an, ob die Wohnfläche (wie hier) mit „circa“ angegeben sei (BGH, Urteil vom 17.04.2019 - VIII ZR 33/18 -).

Der Begriff der Wohnfläche sei aber auslegungsbedürftig. Eine verbindliche Regelung zur Berechnung von Flächen bei preisfreiem Wohnraum fehle. Grundsätzlich könnten auch bei frei finanzierten Wohnraum (mangels anderweitiger Vereinbarung und mangels einer anderen ortsüblichen oder naheliegenden Berechnungsmethode) die für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen herangezogen werden.

Danach sei ein Rechtfehler bei der Entscheidung des Landgerichts nicht zu erkennen. Dieses habe auch das Untergeschoss berücksichtigen dürfen. Der Umstand, dass dieser nach Behauptung der Beklagten wegen unterdurchschnittlicher Beleuchtung wegen der daraus folgenden eingeschränkten Nutzbarkeit nicht als Wohnraum genehmigungsfähig sei, würden die Beklagten verkennen, dass die öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung mangels Einschreitens der Behörde keine Mietminderung begründen könne (BGH, Urteil vom 16.09.20ß9 - VIII ZR 275/08 -). Es sei den Parteien unbenommen, Flächen als Wohnfläche zu vereinbaren, die nach der II. BVO oder der Wohnflächenverordnung an sich nicht oder nicht vollständig berücksichtigungsfähig seien.

Der Umstand, dass die Wohnfläche im Rahmen der Mieterhöhung anders behandelt würde als im Rahmen der Mietminderung wegen behaupteter Mängel, sei auch nicht widersprüchlich. Es sei der Unterschied zwischen einem Sachmangel, bei dem es für die Frage des Vorliegens eines solchen auf die Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Wohnfläche ankäme, und einer Mieterhöhung nach dem Vergleichsmietverfahren (§ 558 BGB) zu beachten. Die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien enthalte die Regelung, welche Flächen in die Wohnfläche einzubeziehen seien, während bei dem Mieterhöhungsbegehren nur die objektiv festgestellten Flächen einbezogen werden dürfen und eine davon abweichende Vereinbarung in diesem Fall unwirksam wäre, § 558 Abs. 6 BGB (vgl. auch BGH, Urteile vom 18.11.2015 - VIII ZR 266/14 - und vom 27.02.2019 - VIII ZR 255/17 -).

BGH, Beschluss vom 22.06.2021 - VIII ZR 26/20 -

Sonntag, 20. Juni 2021

Lagervertrag oder Mietvertrag: Abgrenzung der Vertragstypen im Hinblick auf die Obliegenheitspflicht

Die Parteien stritten wegen der Beschädigung von Wohnmöbeln und -accessoires. Die im Eigentum der Streithelferin der Klägerin (ein Möbel-Transport-Unternehmen) befindlichen Gegenstände sollten von der Klägerin eigelagert werden. Die Klägerin nahm die Gegenstände entgegen, konnte sie aber bei sich selbst nicht einlagern und vereinbarte mit der Beklagten (einem Umzugsunternehmen), dass diese in einer von dieser angemieteten Halle abgestellt werden können. Bei Abholung durch die Klägerin in der Halle waren diese durchfeuchtet und zum Teil ausgequollen. Die Streithelferin rügte die Schäden, die ein Sachverständiger im Auftrag der Klägerin mit € 8.300,00 bezifferte. Die Streithelferin verlangte von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 12.800,00 den auch die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Beklagte geltend machte.

Während die Klägerin von einem Lagervertrag gem. § 467 HGB ausging, bei dem die Beklagte ihrer Obhutspflicht nicht nachgekommen sei, ging die Beklagte von einem Mietvertrag aus und führte aus, dass die Halle ordnungsgemäß und das Dach intakt gewesen sei, nur die Verpackung er Klägerin (Wellpappe) anstelle von Paletten nicht fach- und sachgerecht gewesen sei.

Das Landgericht ging von einem Mietvertrag aus und wies die Klage ab.

Das Oberlandesgericht sah in dem Vertrag auch einen Mietvertrag. Miet- und Lagervertrag würden sich dadurch unterscheiden, dass bei Lagervertrag der Lagerhalter oder ein von ihm beauftragter Dritter die Lagerung und Aufbewahrung selbst besorge, während beim Mietvertrag (über die Lagerfläche) der Mieter selbst lagern und aufbewahren würde. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal wäre damit, ob im Rahmen der Vereinbarung eine Obhuts- und Verwahrungspflicht als Hauptpflicht übernommen würde.  Nach diesem Kriterium sei nach §§ 133, 157 BGB der Vertrag als Mietvertrag über eine Lagerfläche anzusehen.

Das Lagerübernahmeprotokoll sei kein Kriterium für die Annahme eines Lagervertrages. Es spräche sogar dagegen, da in ihm keine Liste der eingelagerten Gegenstände aufgenommen worden sei. An dieser Aufnahme würde aber der Lagerhalter ein wesentliches Interesse haben, da sich daran Art und Umfang seiner Obhutspflicht orientiere. Hier enthalte die Liste lediglich eine oberflächliche Beschreibung der Art der von der Klägerin mitgebrachten Gegenstände, nicht aber eine Lager-/Inventarliste.

Auch der fehlende eigene Zugang der Klägerin zur Lagerhalle begründe nicht die Annahme eines Lagervertrages. Zwar sei kennzeichnend für den Mietvertrag, dass der Mieter die Mietsache ausschließlich, unter Ausschluss des Vermieters benutzen könne; allerdings spiele dies in einem Fall wie dem Vorliegenden keine Rolle, da sich die überlassene Fläche innerhalb eines anderen Gebäudes befände als Teilfläche der Halle. Die alleinige Nutzung der Teilfläche würde nicht dadurch vereitelt, dass der Zugang nur mit Mitwirkung des Vertragspartners möglich sei. Die Zugangsregelung sei erkennbar dem Umstand geschuldet, dass abgesichert wird, dass die Klägerin den Zugang nur zur Nutzung der überlassenen Fläche nutzt. Dies sei vergleichbar mit einem Bankschließfach (bei dem auch Mietrecht angenommen würde, bei dem der Mieter häufig nur mit Hilfe des Vermieters die Möglichkeit habe, Zugriff auf das eigene Schließfach zu nehmen.

Entscheidend seien hier auch die Umstände unter denen die Vereinbarung zustande kam. Auch wenn die Klägerin selbst mit der Streithelferin einen als Mietvertrag bezeichneten Vertrag geschlossen habe, ergäbe sich doch aus den Umständen des Vertragsabschlusses, dass die Klägerin die Obhutspflicht für die Gegenstände als Hauptpflicht übernommen habe. So habe die Streithelferin die Gegenstände an die Klägerin zum einlagern übergeben, ohne dass bereits eine bestimmte Lagerfläche, die hätte vermietet werden können, in Aussicht genommen worden sei. Es sei sogar in der Vereinbarung ein Lager der Klägerin vorgesehen gewesen. Zu der Vereinbarung mit der beklagten sei es lediglich wegen fehlender eigener Lagerkapazitäten der Klägerin gekommen. Die Klägerin habe dann der Beklagten auch nicht die Gegenstände in vergleichbarer Weise wie die Streithelferin ihr anvertraut, sondern nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten zu der betreffenden Halle verbracht und auf die ihr bezeichnete Fläche abgestellt. Damit bestünde kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die von ihr übernommene Obhutspflicht (im Rahmen eines Lagervertrages) an die Beklagte weitergegeben habe. Dazu passe auch die Preisgestaltung (sie selbst verlangte von der Streithelferin ein Entgelt von € 6,00/m², die Beklagte nur von € 4,50/m²), was nicht erklärlich sei, wenn die Beklagte auch die Obhutspflicht übernommen hätte.

Da ein Mangel der Mietsache nicht vorgelegen habe (die Rauluftfeuchte würde sich hier nicht als Mangel darstellen) und auch keine Nebenpflicht nicht verletzt worden sei, sei der Anspruch nicht begründet.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 08.03.3032 - 5 U 2247/20 -

Sonntag, 2. Mai 2021

Wahrung der Schriftform durch eine Nachtragsurkunde oder (nachträgliche) Anlage zum Mietvertrag

Die Klägerin (die aus abgetretenen Recht klagte) nahm die Beklagte auf Räumung und Herausgabe einer zur Aufstellung einer zum Betrieb eines Geldautomaten vermieten Gewerbefläche in Anspruch. Der Mietvertrag wurde am 31.07.2015 auf die Dauer von fünf Jahren (mit Verlängerungsklausel) geschlossen. Auf der Vorderseite des Vertragsformulars der Beklagten waren u.a. Angaben zu den Vertragsparteien, dem Standort der Gewerbefläche und zur Höhe der Miete; die Unterschrift erfolgte durch die Mietparteien auf der Vorderseite im Anschluss an die o.g. Angaben. Auf der Rückseite befanden sich allgemeine Vertragsbedingungen, in denen unter § 1 Abs. 1 auf eine Anlage verwiesen wurde, einem Lageplan, in dem die konkrete Mietfläche in einem „Lageplan/Fotomontage“ für den Geldautomaten markiert sein sollten. Die Vertragsdauer nebst der Verlängerungsklausel wurden dort unter § 2 benannt.  Später unterzeichneten die Vertragsparteien eine mit „Anlage 1“ bezeichnete Urkunde, in der in der Überschrift diese als Anlage 1 „zum Mietvertrag zwischen … und …“ und ausgeführt wurden „Das eingezeichnete Objekt kennzeichnet die Mietfläche nach § 1.1 des Vertrags“. Eine Fotomontage zeigte den von außen bedienbaren Geldautomaten in einer Ansicht der Hausfassade. Der Gelautomat wurde am 29.11.2016 in Betrieb genommen.

Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 14.08.2017 ordentlich zu, 31.03.2018.

Das Landgericht wies die Räumungsklage ab. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das OLG die Beklagte antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe. Die Revision der Beklagten führte zur Wiederherstellung der landgerichtliche Entscheidung.

Ein Mietvertrag von einer Mietdauer von über einem Jahr bedarf der Schriftform, § 550 BGB. Dies gilt auch für Räume, die keine Wohnräume sind, § 578 Abs. 2 BGB. Der BGH führte aus, dass ein Vertrag, bei dem sich der Vermieter verpflichtet, dem Mieter gegen ein monatliches Entgelt eine Teilfläche zur Aufstellung eines Geldautomaten zur Verfügung zu stellen, rechtlich als Mietvertrag zu qualifizieren sei, da dieser Vertrag durch die typischen mietvertraglichen Hauptleistungspflichten der Überlassung des Mietobjekts zur vertragsgemäßen Nutzung gegen Zahlung eines Entgelts (§ 535 Abs. 1 und 2 BGB) geprägt sei. Damit sei auf ihn auch § 550 BGB anwendbar, wenn der Vertrag auf die Dauer von mehr al einem Jahr geschlossen wird.

Anders als das OLG sah der BGH das Schriftformerfordernis als erfüllt an.

Die Schriftform des § 550 BGB sei nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus der von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergäbe. Zu diesen notwendigen Angaben gehören Benennung der Vertragsparteien, der konkrete Mietgegenstand, der Mietzins und die Vertragsdauer. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln der Auslegung unterfallen würden, reiche es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestimmbar sei. Würden wesentliche vertragliche Vereinbarungen in Anlagen zum Vertrag ausgelagert, müssten die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Diese Kenntlichmachung müsse nicht durch körperliche Verbindung erfolgen; ausreichend sei eine bloß gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck gebracht werden müsse (BGH, Urteil vom 26.02.2020 - XII ZR 51/19 -).  Weiterhin würde zur Schriftform die Unterschrift der Vertragsparteien gehören, die den gesamten Vertragsinhalt decken müsse und den Vertragstext räumlich abschließen, also unterhalb des Textes stehen und damit die urkundliche Erklärung abschließen müsse (BGH, Urteil vom 04.11.2020 - XII ZR 104/19 -).

Diese Voraussetzungen erfüllte der Mietvertrag vom 31.07.2015 nicht. Der BGH verwies darauf, dass dieser nur auf der Vorderseite unterschrieben worden sei und damit nicht den vollständigen Vertragsinhalt, der auch aus den rückseitig abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen bestünde, abdecken würde. Auf der Vorderseite sei auch kein verweis auf die rückseitigen Allgemeinen Vertragsbedingungen aufgenommen worden, aus dem sich entnehmen ließe, dass diese von den Unterschriften mitumfasst wären.

Allerdings sei es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde (hier der Mietvertrag vom 31.07.2015) selbst alle Schriftformerfordernisse erfülle. Es genüge vielmehr, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt würde. Dabei könne es nach den Umständen des Einzelfalls auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben würde, wenn in dieser Anlage hinreichend deutlich würde, auf welchen vertrag sie sich beziehe. Auch hier sei eine körperliche Verbindung zwischen dem Mietvertrag und der Anlage nicht erforderlich, vielmehr genüge es wie bei einer Nachtragsvereinbarung zur Einhaltung der Schriftform, dass zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung bestünde, die erkennen ließe, dass beide Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden. Es sei daher ausreichend, wenn die Anlage die Mietvertragsparteien bezeichne, hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nähme und ersichtlich sei, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleibe (BGH, Urteil vom 04.11.2020 - XII ZR 104/19 -).

Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die nach Abschluss des Mietvertrages gefertigte Anlage nenne die Vertragsparteien und würde den streitgegenständlichen Vertrag sowie den Mietgegenstand benennen. Weiterhin würde Bezug genommen auf § 1 der auf der Rückseite des Mietvertrags vom 31.07.2015 abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen. Aus dieser Bezugnahme würde die gesamte Vertragsurkunde des Mietvertrages vom 31.07.2015 und die nachträgliche Anlage zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrages ergäbe. Es sei deshalb nicht erforderlich, dass in der nachträglichen Anlage die weiteren Vertragsbedingungen nicht mehr ausdrücklich aufgeführt worden seien und auch kein klarstellender Hinweis auf die Fortgeltung der in der Vertragsurkunde abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen aufgenommen worden sei. Mithin sei die Schriftform nach § 126 Abs. 1 und 2 S. 1 BGB gewahrt.

BGH, Urteil vom 10.02.2021  - XII ZR 26/20 -

Dienstag, 9. Februar 2021

Erfasst vereinbarte Umsatzsteuer auf (Gewerberaum-) Miete auch die Nebenkosten ?

Im Gewerberaummietvertrag der Parteien wurde der Mietzins mit € 10.500,00 „zzgl. der jeweils gültigen Umsatzsteuer“ vereinbart. Weiterhin wurde vereinbart, dass die Mieterin (Beklagte die öffentlichen und privaten Lasten des Grundbesitzes, so u.a. Grundsteuer, Versicherungsprämien zu tragen hat. Für 2018 erteilte die Klägerin eine Nebenkostenabrechnung über Grundbesitzabgaben und Versicherungsprämien zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer von 19%. Das Amtsgericht wies die Klage ab, soweit die Klägerin Umsatzsteuer begehrte. Das Landgericht gab der Berufung der Klägerin statt und erkannte ihr auch die geltend gemachte Umsatzsteuer zu. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Betriebskosten seien Bestandteil der Miete. Die von dem Mieter zu erbringenden Leistungsentgelte (Grundmiete und Nebenkosten) seien die Gegenleistung für die von dem Vermieter zu erbringende Gesamtleistung. Es könne auch vereinbart werden, dass der Mieter und Nebenkosten Umsatzsteuer auf die zu zahlende Miete übernimmt. Das Landgericht habe den Vertrag nach §§ 133, 157 BGB so ausgelegt, dass die Beklagte die Umsatzsteuer sowohl auf die Grundmiete wie auch die Betriebskosten, auch in Form von Grundbesitzabgaben und Versicherungsprämien, zu tragen habe. Diese Auslegung sei rechtsfehlerfrei vorgenommen worden.

Die Klägerin habe vorliegend gem. § 9 UstG zur Umsatzsteuer im Rahmen der Vermietung optiert. Damit sei die Umsatzsteuer auf den gesamten Umsatz entstanden, mithin auf Grundmiete und Nebenkosten (OFD Köln, DB 1985, 2227). Der Umstand, dass auf Versicherungsbeiträge bereits Versicherungssteuer erhoben würde, stünde einer Umsatzsteuerpflicht nach § 10 Abs. 2 S. 2 Hs.1 UStG nicht entgegen. Versicherungssteuer sei keine Umsatzsteuer iSd. Umsatzsteuergesetzes (BFH, Beschluss vom 23.11.2010 - V B 119/09 -). Die Steuerpflicht entfalle nicht anteilig insoweit, als einzelne Nebenkosten nicht mit Vorsteuer belastet seien (OFD Köln aaO.). Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Bestandteile des Umsatzes einschl. derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden würden, derart eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden würden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Es würde sich auch bei den Positionen Grundbesitzabgaben und Versicherungsbeiträge nicht um solche handeln, die eine umsatzsteuerrechtliche Sonderrolle einnehmen würden und als „durchlaufende Posten“ nicht zum Entgelt gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 UstG gehören würden. Dies könne nur angenommen werden, wenn der Unternehmer (hier Vermieter) nur als Mittelsperson fungieren würde, ohne selbst Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden (hier Mieter) zu haben und auch selbst nicht zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet zu sein. Daran ermangele es hier, da in der direkten Leistungsbeziehung nicht die Mieterin, sondern die Vermieterin verpflichtet sei.

Der Beklagten sie die Umsatzsteueroption der Klägerin bekannt gewesen, was schon aus der Vereinbarung ersichtlich sei, dass die Miete „zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer“ vereinbart worden sei. Damit aber se der Beklagten auch bewusst gewesen, dass sie eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erhält (vgl. § 14 UstG) und den Vorsteuerabzug nutzen könne. In Ansehung der Einheitlichkeit der Leistungsentgelte Grundmiete und Nebenkosten würde damit feststehen, dass die Klägerin auch auf die Umlage der Grundbesitzabgaben und Versicherungskosten Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen habe und damit in ihren Rechnungen auszuweisen habe. diese an das Finanzamt abzuführen habe.

Würde man den Vertrag so auslegen, dass auf die Nebenkosten keine Umsatzsteuer geltend gemacht werden kann, würde dies für die Klägerin als Vermieterin einen ersichtlich nicht gewollten Verlust darstellen, da sie dann nur die Nettobeträge erhalten würde, davon aber an das Finanzamt Umsatzsteuer abführen müsse (zudem dies gegenüber der Mieterin zum Zwecke des Vorsteuerabzugs auch ausweisen müsse).

BGH, Urteil vom 30.09.2020 - XII ZR 6/20 -

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Voraussetzungen für einen konkludenten Mietvertragsabschluss über Gewerberaum

 

Die Klägerin erhob negative Feststellungsklage mit dem Begehren festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten kein Mietvertrag über bestimmte, näher bezeichnete Räumlichkeiten vorläge und verlangt Rückzahlung von ihr angezahlter Kaution. 

Die Klägerin hatte einen Mietvertragsentwurf unterzeichnet, in dem das OLG einen Antrag auf Abschluss eines Gewerberaummietvertrages iSv. § 145 BGB sieht, der von der Beklagten nicht innerhalb der vereinbarten Annahmefrist (§ 21 Abs. 6 des Vertragsentwurfs) angenommen worden sei.

Allerdings wurden in der Folge auch die Räumlichkeiten tatsächlich an die Klägerin übergeben. Entscheidend sei die Auslegung des Verhaltens im Rahmen der Übergabe gem. §§ 133, 157 BGB. Auszugehen sei dabei hier darauf, wie die Klägerin die Willenserklärungen des Mitarbeiters der Hausverwaltung der Beklagten nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste.

Auszugehen sie vom Wortlaut der Erklärung. Er soll erklärt haben, er wolle den von der Klägerin unterzeichneten Vertragsentwurf an die Beklagte übersenden und sodann der Klägerin in unterzeichnetes Exemplar zukommen lassen. Damit aber habe er zu erkennen gegeben, nicht selbst eine Erklärung auf das Vertragsangebot der Klägerin abgeben zu wollen, weshalb er auch eine Annahmeerklärung nicht konkludent mit der Übergabe der Räume abgegeben habe. Unabhängig aber von dieser Erklärung könne auch die Übergabe der Räume (ohne die Erklärung) nicht als konkludenten Vertragsannahme angesehen werden; dagegen habe bereits § 21 Abs. 6 des Mietvertrages gestanden. Danach sollte der Vertragsabschluss in der Weise erfolgen, dass innerhalb von drei Wochen der von der anderen Partei bereits unterzeichnete Entwurf angenommen werden sollte. Auch wenn die Annahme nicht notwendig der Schriftform bedarf und die vertragliche Schriftformklausel nur Änderungen des Vertrages betreffe, wurde doch in § 21 Abs.6 doch deutlich, dass für den Regelfall von einer schriftlichen Annahme ausgegangen wurde. Nach dem maßgeblichem Empfängerhorizont war das Verhalten des Mitarbeiters der Hausverwaltung, der den Mietvertragsentwurf mitnahm, deshalb dahin zu verstehen, dass er diesen an die Beklagte zur Entscheidung über die Annahme weiterleitet. Daher hätte es für den Fall, das es anders verstanden werden sollte, einer ausdrücklichen Erklärung des Mitarbeiters der Hausverwaltung bedurft, dass es bereits mit der Übergabe der Räume zum Vertrag käme. Zudem sei hier nach § 2 ein längerfristiger Vertrag beabsichtigt gewesen, der nach § 550 BGB ohnehin der Schriftform bedurft habe.

Ob zudem dem Schriftformerfordernis entsprochen wurde, bedürfe keiner Entscheidung. Ein Verstoß gegen die Schriftform würde nur dazu führen, dass keine Bindungswirkung von mehr als einem Jahr bestünde.

Danach habe das Landgericht der Klage der Klägerin zutreffend stattgegeben.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 30.09.2020 - 5 U 1275/20 -

Montag, 23. November 2020

Rechtfertigt die staatlich angeordnete (coronabedingte) Ladenschließung Nichtzahlung der Miete oder eine Anpassung des Mietvertrages ?

Streitig war der von der beklagten Mieterin nicht gezahlte Mietzins für das aufgrund der Corona-Epidemie nach Verordnung zu schließende angemietete Ladenlokal der Beklagten für April 2020. Die verordnungsbedingte Schließung dauerte vom 18.03. bis 20.04 2020. Von der beklagten wurde geltend gemacht, sie habe bei allen Filialen bundesweit gegenüber 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzverlust von 54%, im April 2020 von 41% gehabt und die Schließung der Filialen führe zu einer erheblichen Liquiditätslücke, weshalb sie die Miete April nicht zahlen könne. Si e nutze die Kurzarbeit; staatliche Unterstützung erhalte sie nicht. Sie sei daher zur Mietzahlung nicht verpflichtet.

Das Landgericht gab der Zahlungsklage der vermietenden Klägerin statt.

Weder sei die Beklagte nach §$ 536 Abs. 1 S. 1 BGB von einer Mietzahlungsverpflichtung befreit noch nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Herabsetzung der Miete berechtigt. Denn die staatlich angeordnete Maßnahme stelle sich nicht als Mangel der Mietsache nach § 536 BGB dar. Ein Mangel sei die Abweichung der Ist- von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit. Zwar könnten auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse einen Mangel bewirken, doch setze dies voraus, dass die Beschränkung der konkreten Mietsache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt habe und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Hoheitliche Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen würden, würden in den Risikobereich des Mieters fallen. Der Vermieter sei nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur verpflichtet, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehen Nutzung ermögliche, wobei das Verwendungsrisiko bei dem Mieter verbliebe. Damit aber scheide ein Sachmangel aus, da die hoheitliche Maßnahme dem Schutz der Bevölkerung gedient habe und nicht an die Beschaffenheit der Mietsache als solche anknüpfe.

Eine Befreiung von der Mietzahlungsverpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 326 Abs. 1 S. 1 iVm. § 275 Abs. 1 BGB da durch die staatlich verordnete Schließung kein Fall der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch den Vermieter vorläge. Die Schließung stelle sich als Verwendungsrisiko dar, welches alleine bei dem Mieter läge.

Letztlich könnte der Mieter auch nicht auf der Grundlage des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eine Anpassung des Mietzinses verlangen. Es sei dazu nicht einmal klar, ob die Parteien den Vertrag (abgeschlossen 2015) nicht oder anders abgeschlossen hätten, wenn sie sich damals bewusst gemacht hätten, dass die Verkaufsstätte auf Grund staatlicher Maßnahmen für einen Monat geschlossen würde. Darauf käme es aber auch nicht an, da jedenfalls der Beklagten das Festhalten am bisherigen Vertrag nicht unzumutbar sei.

Die Vertragsanpassung habe zur Voraussetzung, dass dies zur Vermeidung eines ansonsten untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheine. Dies sei hier nicht der Fall. Zu berücksichtigen sei bei der Abwägung die vertragliche Risikoverteilung. Die Mieterin trage danach das Verwendungsrisiko. Dieses Risiko könne sie nicht, abgesehen von extremen Ausnahmefällen, über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise abwälzen.

Dass die staatlich erzwungene Schließung hier zu existenziell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt habe, sei von dieser nicht dargelegt. Es würden lediglich Liquiditätsengpässe benannt, denen hier Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung trage, insoweit der Mieter vor Kündigungen geschützt wird, soweit er (in einem bestimmten Zeitraum, nämlich 01.04. – 30.06.2020) seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande gewesen sei. Zudem habe die Schließung nur einen Monat angedauert und in dieser Zeit habe die beklagten durch Kurzarbeit Kosteneinsparen können und nach Ablauf des Monats ihren Geschäftsbetrieb wieder ohne wesentliche Einschränkungen aufnehmen können. Es sei auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte immer noch einen Liquiditätsengpass habe.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.10.2020 - 2-15 O 23/20 -

Montag, 9. März 2020

Der vom Wohnraummietvertrag isolierte Stellplatzmietvertrag und die Krux mit der Schriftform


Im Kern streiten die Parteien um die Frage, ob die Kündigung eines Stellplatzmietvertrages bei nicht schriftlicher vereinbarter Vertragsdauer mit ordentlicher Kündigungsfrist möglich ist. Hintergrund (verkürzt wiedergegeben) war der Mietvertrag aus 1990 des (inzwischen verstorbenen) Ehemanns der Beklagten mit seinem damaligen Vermieter der Wohnung über einen Einstellplatz. Die Beklagte heiratete den Mieter 1993 und zog mit in die Wohnung ein. In 2005 verstarb der Ehemann der Beklagten.  Die Beklagte blieb in der Wohnung wohnen und nutzte den Stellplatz weiter, zahlte auch dafür das zuvor mit ihrem Ehemann bereits vereinbarte Entgelt. Die Klägerin erwarb in  2016 eine Eigentumswohnung, die mit dem Sondernutzungsrecht zu der hier fraglichen Stellplatz verbunden war. Sie kündigte den Stellplatzmietvertrag und begehrte das Unterlassen der Nutzung durch die Beklagte. Ihre Klage war im Berufungsrechtszug erfolgreich; die (zugelassene) Berufung der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Grundsätzlich würde gelten: Für den Fall, dass der Vermieter eines in einem einheitlichen Vertrag vermieteten Stellplatzes und einer Wohnung ist, einen Teil des Mietobjekts abtrennt und veräußert, tritt der Erwerber des Stellplatzes ebenfalls in den Mietvertrag ein. Gleiches gilt, wenn der Mieter von vornherein mittels zweier voneinander getrennter Verträge mit dem gleichen Vermieter von die Wohnung und den Stellplatz anmietet und sodann der Vermieter Wohnung und Stellplatz getrennt veräußert.  

Der BGH ging davon aus, dass es sich bei dem Stellplatz um jenen im schriftlichen Mietvertrag mit dem Ehemann der Beklagten handeln würde. Allerdings würden hier Wohnraummietvertrag und Stellplatzmietvertrag keine rechtliche Einheit bilden, weshalb der Übergang des Wohnraummietvertrages auf die Beklagte gem. § 563 BGB (Eintrittsrecht bei Tod des Mieters) nicht auch zu einem Übergang des Stellplatzvertrages geführt habe. Zwar sei nach dem Tod des Ehemanns der Beklagten von einem konkludenten Abschluss eines Stellplatzvertrages zwischen dem Vermieter und der beklagten auch zu den Bedingungen des Stellplatzvertrages auszugehen, da weiterhin eine Nutzung erfolgte und die Miete gezahlt worden sei und die Beklagte auch als Mieterin angeschrieben worden sei. Allerdings sei der Stellplatzmietvertrag gem. §§ 578, 576 BGB gesondert von der anderweitig zugeordneten Wohnung auf die Klägerin übergegangen (nicht die Wohnung). Es habe sich um einen vom Wohnraummietvertrag isolierten Stellplatzvertrag zwischen dem verstorbenen Ehemann der Beklagten und dem damaligen Vermieter gehandelt; eine Verbindung beider Verträge sei nicht vereinbart gewesen.

Zwar sei der ursprüngliche schriftliche Mietvertrag über den Stellplatz über eine längere Zeitdauer als ein Jahr abgeschlossen gewesen, wie die Staffelung des Mietzinses in dem Vertrag zeige. Der mit der Beklagten konkludent neu abgeschlossene Mietvertrag wahre aber nicht die Verträge mit einer Vertragslaufzeit von mehr als einem Jahr vorgesehene Schriftform, §§ 578, 550 BGB, mit der Folge, dass er ordentlich nach § 580a BGB kündbar sei. Der Umstand, dass davon auszugehen sei, dass der neue Vertrag der Beklagten mit dem Vermieter nach dem Ableben ihres Ehemanns die gleichen Bedingungen enthalte, wie der Vertrag mit ihrem Ehemann, ändere daran nichts. Es ermangelt an einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde. Die Beklagte habe erst (und damit verspätet und unbeachtlich) im Revisionsverfahrens geltend gemacht, sie sei Erbin ihres verstorbenen Ehemanns geworden und als solche Rechtsnachfolgerin von ihm im (schriftlichen) Mietvertrag über den Stellplatz.

BGH, Urteil vom 15.01.2020 - XII ZR 46/19 -

Montag, 18. November 2019

Gartenpflege und (nicht genehmigtes) Entfernen von Bäumen durch Mieter


In einem schriftlichen Mietvertrag zwischen den Klägern als Vermieter und den Beklagten als Mieter über ein Einfamilienhaus war vorgesehen, dass die Beklagten auch die Gartenpflege übernehmen, ohne dass allerdings dort Art und Umfang näher bestimmt worden wären. Insbesondere war dort auch nicht dazu geregelt, ob die Beklagten Bäume entfernen könnten, was durch diese erfolgte.  Die Kläger wollten deshalb Schadensersatz. Das Amtsgericht wies die Klage ab; auf die Berufung hob das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil auf, und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht (zur Beweisaufnahme) zurück.

Problematisch war im vorliegenden Fall (wie häufig im Zusammenhang mit entsprechenden mietvertraglichen Regelungen) eine hinreichend klare Bestimmung, was im Einzelnen die Mieter zur Gartenpflege tun mussten resp. auch nicht tun durfte. Das Landgericht betrachtete dies im Licht des § 305c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregelung zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Im Allgemeinen würde man den Mieter nicht als befugt ansehen können, ohne ausdrückliche Genehmigung Pflanzen (Bäume) im Rahmen der übernommenen Gartenpflege zu entfernen, so das Landgericht. Es kann sogar vom Gegenteil ausgegangen werden: Der Mieter ist grundsätzlich nur zu einfachen Arbeiten bei übernommener Gartenpflege, wird nichts weiteres vereinbart, verpflichtet, wie Unkrautjäten, Rasenmähen, Laub rechen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2004 – 10 U 70/04 -). Der Umfang möglicher Verpflichtungen des Mieters ist aber gegenüber dem Recht des Mieters getrennt zu betrachten. Das Landgericht stellt auf § 10 des Mietvertrages ab, in dem zur „Benutzung der Mietsache“ zwar einige Verhaltenspflichten im Detail benannt und geregelt seien, ferner allgemein von „Um-, An- und Einbauten sowie Installationen oder andere Veränderungen der Mietsache“ spräche ohne konkret die Gartenpflege zu benennen, könne im Umkehrschluss auch eine Erlaubnis zur Beseitigung von (jedenfalls optisch störenden ) Gehölzen angenommen werden.  Es könne auf sich beruhen, ob diese Auslegung zutreffend sei, da es für die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zu Gunsten des Mieters (da der AGB-Mietvertrag vom Vermieter gestellt wurde) ausreiche, wenn zwei unterschiedliche vertretbare Auslegungsvarianten existieren würden (BGH, Urteil vom 19.12.2018 - VIII ZR 254/17 -).

Wenn auch danach die Klageabweichung durch das Amtsgericht an sich gerechtfertigt wäre, ergab sich vorliegend die Besonderheit, dass nach (bestrittenen aber klägerseits unter Beweis gestellten) Vortrag der Kläger vor Unterzeichnung von diesen den beklagten mehrfach erklärt worden sei, da0ß weder Efeu an der Hauswand noch Bäume ohne Zustimmung der Kläger entfernt oder gefällt werden dürften. Es sei damit auch hier nach §§ 133, 157 BGB bei der Auslegung der Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien unter Berücksichtigung des objektiven, am Wortlaut auszumachenden Willens zu klären. Diese Begleitumstände habe das Amtsgericht nicht berücksichtigt, was nachzuholen sei.

LG Berlin, Urteil vom 25.06.2019 - 67 S 100/19 -

Samstag, 13. Juli 2019

Wohnraumzweckentfremdung: Wann liegt „Wohnen“ und wann „Fremdbeherbung“ vor ?

In diesem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) ging ist um die Frage, wann  noch eine Wohnnutzung vorliegt und wann von einer Zweckentremdung auszugehen ist. Während die Verwaltung von Berlin und auch das VG Berlin eine Zweckentfremdung angenommen hatten, sah dies das OVG Berlin-Brandenburg anders.

Die Antragstellerin (AS) war Mieterin einer 3-Zimmer-Wohnung in Berlin. Mit einem Vertrag vom 23.05.2017 untervermietete sie ihre möblierte Wohnung vom 31.07.2017 bis 31.07.2918 (verlängert mit Vertrag vom 28.06.2018 um ein Jahr) an die FSP, die diese Wohnung zur Unterbringung von von ihr für ihre Veranstaltungen engagierten Artistinnen für die Dauer deren Engagements. In den Arbeitsverträgen war u.a. unter „Vergütung“ geregelt, dass die GSP ihnen für die Dauer von deren Engagement eine 2-Zimmer-Wohnung nach Auswahl durch FSP und auf deren Kosten zur Verfügung stelle.  Mit dem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Bezirksamtes Mitte forderte dieses von der AS, die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, da es den Tatbestand der Zweckentfremdung als gegeben ansah.

In Berlin darf Wohnraum nur mit Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden (§ 1 ZwVbG iVm § 1 Abs. 1 S. 1 ZwVbVO). Eine Zweckentfremdung liegt nach Ansicht des OVG vor, wenn Wohnraum zum Zweck der widerholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder Fremdbeherbung, insbesondere einer Zimmervermietung oder Einrichtung von Schlafstellen, verwendet würde (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG). Anders als noch das VG nahm allerdings das OVG an, dass hier die Räume nicht zum Zweck einer Fremdbeherbung, sondern zu Wohnzwecken genutzt würden.

Ohne dass es auf subjektive Vorstellungen oder Bedürfnisse der Benutzer ankäme, sei Wohnen die Gesamtheit der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen Tätigkeiten. Der objektive Begriff fordere ein Mindestmaß an Abgeschlossenheit der räumlichen Verhältnisse zur eigenständigen Gestaltung des häuslichen Lebens unter Einschluss einer gewissen Rückzugsmöglichkeit. Es müsse mindestens ein Raum dem oder den Wohnungsinhaber(n) während des gesamten Tages zur privaten Verfügung stehen und die Möglichkeit bieten, darin den Tätigkeiten und Nutzungsweisen nachzugehen, die zum Begriff des Wohnens gehören. Es müsse den Bewohnern die Möglichkeit gegeben werden, sich von der Außenwelt in einen Privatbereich zurückzuziehen (OVG Berlin, Urteil vom 26.07.1990 - OVG 5 B 64.89 -).

Eine Fremdbeherbung läge vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt würden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könnten. Es würde dort idR. an einer Kochmöglichkeit ermangeln und sie würden sich häufig mangels genügender Sitz- und Essmöglichkeiten eher nicht für längere Aufenthalte eignen. Ggf. würde auch Nebenleistungen (wie Frühstück) angeboten.

Daran gemessen sei hier in Bezug auf die jeweiligen Bewohnerinnen (jeweils zwei) von einer Wohnnutzung auszugehen. Sie hätten jeweils ein eigenes Schlafzimmer, was hinreichend Rückzugsmöglichkeit biete; es stünden ein Wohnraum, Küche Bad und Flur zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Die Räume seien auch nicht derart unzureichend ausgestattet, dass dort ein längerer Aufenthalt (auch tagsüber) nicht möglich sei.  Die gemeinsame Nutzung eines Wohnraums, Küche, Bad und Flur würde dem „Wohnen“ nicht entgegenstehen; vielmehr sei die Wohngemeinschaft als Zusammenleben einer Gruppe von Personen, die eine Wohnung gemeinsam bewohnen, ohne miteinander verwandt zu sein, nicht ungewöhnlich und erfülle zweifelslos den Begriff des Wohnens, wobei jede der zwei Bewohnerinnen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könne.

Zwar vergäbe die Antragstellerin die Räume nur zur vorübergehenden Nutzung. Jedoch überschreite die Dauer des Aufenthalts der jeweils untergebrachten Künstlerinnen das Maß der „ständig wechselnden Gäste“, wie es für Fremdenbeherbungen üblich sei. Auch wenn sich „Wohnen“ und „Fremdenbeherbung“ nicht über das Zeitmaß abgrenzen ließe, stelle es doch ein Indiz dar und es sei auch ersichtlich, dass die Künstlerinnen für die Dauer ihres längerfristigen Engagements bei der FSP ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegt hätten.

Der vom VG als streitentscheidend angesehene Gesichtspunkt, dass es an einem Vertrag zwischen der FSP und den Nutzerinnen fehle, der ihnen ein Nutzungsrecht an dem Wohnraum als Grundlage einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit einräume, könne ein Abgrenzungskriterium nicht darstellen, da die Nutzung hier gerade nur für eine begrenzte Zeit und nicht auf Dauer angelegt war, was allerdings an der vorliegenden Erfüllung des Begriffs des Wohnens nichts ändere. Auch sei der Begriff des Wohnens nicht an eine Rechtsform gebunden, so insbesondere auch nicht an einem Wohnraummietvertrag. Die hier getroffene Vereinbarung zwischen den FSP und den Nutzerinnen genüge, im letzteren die Führung eines eigenständigen Haushalts zu ermöglichen. Auch wenn nach dem Vertrag die FSP gegenüber den Künstlerinnen ein Zuweisungsrecht habe, diese also den Künstlerinnen also im Bedarfsfall auch eine andere Wohnung zuweisen könnte, stünde dieser von der FSP benötigten Flexibilität bei der Zuweisung von Wohnung und Mitbewohner (z.B. für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Engagement-Vertrages) jedenfalls nicht der Annahme entgegen, die Künstlerinnen würden in den fraglichen Räumen wohnen. Dagegenspräche auch nicht die Möblierung, die es den Künstlerinnen vereinfache, in Berlin zu wohnen und ein später ohne großen Umzug ein Engagement in einem anderen Ort anzunehmen.

Zwar sei vorliegend auch von einer erheblichen Gewinnspanne für die Antragstellerin (auch unter Berücksichtigung der Möblierung durch die Antragstellerin) auszugehen (eigene Miete € 9,00qm, Untermiete € 30,00/qm, jeweils brutto). Dies sei zwar sicherlich auch ein (weiteres) Indiz für die Abgrenzung von Wohnen zur Fremdbeherbung. Lägen aber, wie hier, alle Voraussetzungen für ein Wohnnutzung vor, käme es darauf nicht mehr an. Auch wenn nach dem Konzept der AS (möbliertes Apartment, Verbot der Untervermietung, erhebliche Gewinnspanne, Vereinbarung über die Übernachtungssteuer) vieles für den Zweck der Fremdbeherbung spräche, käme es darauf nach dem Gesetzeszweck nicht an, der eine Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken verhindern wolle. Lägen wie hier die Kriterien für die Wohnnutzung vor, käme es auf das Konzept des Vermieters nicht an.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.04.2019 - OVG 5 S 24.18 -

Mittwoch, 4. Juli 2018

Schriftform bei einer wesentlichen Mietvertragsänderung (hier: Zustimmung zur Erhöhung der Miete)


Einer der Sreitpunkte in dem Verfahren war gewesen, ob das Mietverhältnis üner Büroräume, welches mit Vertrag vom 04.09.2006 abgeschlossen wurde und dort fest bis zum 31.12.2017 vereinbart wurde, durch die beklagten Mieter, zwei Rechtsanwälten, mit Schreiben vom 12.02.2014 (einer fristlosen Kündigung) jedenfalls ordentlich vor dem 31.12.2017 gekündigt werden konnte. Vor dieser Kündigung der Beklagten hatte die klagende Vermieterin mit Schreiben vom 27.12.2012 unter Berufung auf eine vertraglich vereinbarte Indexklausel  die Beklagten darum gebeten, die monatliche Grundmiete ab dem 01.04.2013 auf € 2.273,60 anzupassen. Dem kamen die Beklagten (durch Zahlung) nach.

Das Oberlandesgericht hatte die von den Beklagten als fristlose Kündigung ausgesprochene Kündigung gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet. Das, so der BGH, sei nicht zu beanstanden. Zwar könne auf Grund der unterschiedlichen Rechtsfolgen eine solche Umdeutung nicht stets vorgenommen werden, fehlt es wie hier an einen Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung. Sei allerdings für den Erklärungsempfänger unmissverständlich klar, dass der Erklärende auf jeden Fall zum nächstmöglichen Termin das Vertragsverhältnis beenden wolle, sei die Umdeutung möglich. Vorliegend hätte den beklagten die Räume bereits aufgegeben und seien umgezogen gewesen, eine Untervermietung für den Rest der Vertragslaufzeit nicht absehbar gewesen und zudem hätte die Beklagten ihren Beendigungswillen bei den Vertragsverhandlungen auch klar zum Ausdruck gebracht.

Der ordentlichen Kündigung hätte damit nur noch die Vertragslaufzeitvereinbarung im Vertrag vom ß4.09.2006 entgegengestanden. Allerdings kam hier den beklagten zugute, dass es bei Mietverträgen zwingend der Schriftform bedarf, wenn dieser über eine Laufzeit von mehr als einem Jahr geschlossen wird. An dieser Schriftform ermangelte es hier.

Die Mieterhöhung vom 27.12.2017 habe, so der BGH, nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB genügt (anwendbar auf gewerberäume gem. § 578 BGB). Die dort geforderte Schriftform sei nur gewahrt, wenn sich die Einigung der Parteien zu den wesentlichen Bedingungen, mithin zu Mietgegenstand, Miete sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses aus einer von den Parteien unterschriebenen Urkunde oder aus gleichlautenden, jeweils von einer Partei unterzeichneten Urkunde ergäbe. Nicht der Schriftform bedürften lediglich untergeordnete Punkte der Einigung. Diese Regelung zum Ursprungsvertrag gelte auch für Vertragsänderungen, wenn sie – wie die Miete, wenn die Änderung für mehr als ein Jahr erfolge und nicht vom Vermieter jederzeit widerrufen werden könne  – von wesentlicher Bedeutung seien. Die Wesentlichkeit der Miete ergäbe sich daraus, dass sie sich auf einen Zahlungsverzug auswirke und damit auf die Kündigunsgmöglichkeit durch den Vermieter (BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -).  Diese Schriftform sei bei der Änderung der Miete nicht eingehalten. Es käme nicht darauf an, dass der Vermieter von einem vertraglich vorgesehenen Recht zum einseitigen Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch gemacht habe, sondern darauf, dass durch die Zahlung der Beklagten konkludent eine vertragliche Vereinbarung der Parteien zustande gekommen sei. Vorliegend war im Mietvertrag bestimmt, dass jede Vertragspartei eine Abänderung der Miete bei einer bestimmten Änderung des Index verlangen könne und, wenn sich die Parteien nicht auf eine Miete einigen würden, dass die IHK einen Sachverständigen bestimmen solle, der die Miete bindend feststellen solle.

In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass bei Regelungen im Mietvertrag, die direkt eine Änderung bewirken würden, im Hinblick auf diese Änderung nicht ein gesondertes Schriftformerfordernis gelten würde. Die dadurch bedingte Änderung sei nicht laufzeitschädlich. Dies sei z.B. der Fall bei Ausübung eines Optionsrechts zur Vertragsverlängerung, einseitige Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen und auch in den Fällen, in denen eine Mietanpassung bei Änderung des Index führe, wenn die Klausel selbst dem Schriftformerfordernis genüge.

Hier aber habe keine Automatik der Anpassung bestanden. Danach habe jede Vertragspartei nur eine Änderung der Miete bei einer bestimmten Indexänderung verlangen können, über deren Höhe es einer zusätzlichen Einigung bedurfte. Diese Einigung aber unterfalle dem Schriftformerfordernis, welches mit der konkludenten Zustimmung qua Zahlung nicht erfüllt sei.

Da damit dem Schriftformerfordernis nicht (mehr) genügt war, führte die als ordentliche Kündigung zu wertende fristlose Kündigung der Beklagten zur Vertragsbeendigung innerhalb der für die ordentliche Kündigung vorgesehenen Frist.

Die im Vertrag enthaltene Scriftformheilungsklausel sei unwirksam und die Klägerin könne sich deshalb nicht auf diese berufen (dazu auch BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -).

BGH, Urteil vom 11.04.2018 - XII ZR 43/17 -

Freitag, 27. April 2018

Die Einhaltung der Schriftform im Mietvertragsrecht: § 550 BGB vs. § 126 BGB


Der Kläger schloss am 05.03.2012 mit dem damaligen Eigentümer der Liegenschaft einen „Nutzungsvertrag“ (für eine Photovoltaikanlage)  über eine Laufzeit von 30 Jahren. Der schriftliche Vertragsentwurf des Klägers wurde vom damaligen Eigentümer unterschrieben und sodann per Telefax dem Kläger übermittelt, der nun das Fax unterschrieb und dieses sodann an den ehemaligen Eigentümer zurück faxte. Die im Original unterschriebenen Exemplare verblieben damit bei dem jeweiligen Unterzeichner.


Am 04.10.2012 kündigte der ehemalige Eigentümer den Vertrag. In der Folge verkaufte er das Grundstück an A., der am 11.03.2013 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Die Beklagte kaufte von A. am 27.02.2013 das Grundstück und wurde am 10.06.2013 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die beklagte verweigerte dem Kläger ab 15.03.2013 den Zugang zum Grundstück. Der Kläger beantragte die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis durch die Kündigung vom 04.10.2012 nicht beendet wurde sondern weiter fortbesteht und die Beklagte ihm gegenüber wegen Verweigerung des Zutritts schadensersatzpflichtig sei, da die beklagte das Grundstück einen Dritten überließ und von daher eine Besitzeinräumung an den Kläger nicht mehr möglich sei.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen haben die Einhaltung der notwendigen Schriftform gem. §§ 550, 126 BGB. Erforderlich sei, dass die Vertragsparteien dieselbe Urkunde eigenhändig unterschreiben würden, was hier nicht der Fall gewesen sei.

Der BGH folgt hier der Annahme der Vorinstanzen, dass es sich nicht um einen Pachtvertrag sondern um einen Mietvertrag handeln würde, wies aber auch darauf hin, dass dies in Ansehung der Antragsstellung ohne Belang sei, da im Hinblick auf die gesetzliche Kündigungsfristen bei Miet- und Pachtverträgen dies nur den Zeitpunkt der Beendigung zum nächsten Kündigungszeitpunkt  bei fehlender Wahrung der Schriftform des über einen längeren Zeitraum als ein Jahr abgeschlossenen Vertrages betreffen würde.

Richtig habe das OLG darauf hingewiesen, dass keine Urkunde existiere, auf der beide Vertragsparteien im Original unterschreiben hätten. Damit lägen die Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nicht vor. Allerdings würde die Nichteinhaltung der materiell-rechtlichen Anforderung des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nicht der Wahrung der Schriftform für Miet-/Pachtverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr entgegenstehen. Das Schriftformerfordernis könne gem. § 126 Abs. 2 S. 2 BGB auch dadurch erfüllt werden, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen würden und jede Partei die für die andere Partei vorgesehene Urkunde unterzeichne.  Aber auch diese Voraussetzung läge nicht vor, da jede Partei nur das Original der von ihr selbst unterschriebenen Urkunde habe.

Die Schriftform des § 550 S. 1 BGB würde nur erfordern, dass die Erklärungen schriftlich niedergelegt sind (äußere Form), wobei der Abschluss des Vertrages auch mündlich oder konkludent erfolgen könne. § 550 BGB würde in erster Linie dem Informationsbedürfnis eines Erwerbers dienen, sich in genügender Form über den Inhalt eines Vertrages zu informieren. Damit aber sei es ausreichend, wenn, wie hier, die Vertragsparteien gleichlautende Urkunden unterzeichnen, wobei es auf den Zugang der Urkunden bei dem jeweils anderen Vertragspartner nicht ankäme.

§ 126 Abs. 2 S. 2 BGB verlange allerdings, dass das jeweils unterzeichnete (gleichlautende) Vertragsexemplar für die andere Partei bestimmt sein müsse. Nicht zwingend sei allerdings, daraus abzuleiten, dass im Rahmen des § 550 S. 1 BGB die gleichlautenden Urkunden in den Besitz des jeweiligen Vertragspartners gelangt seien. § 126 Abs. 2 S. 2 BGB würde den der Schriftform genügenden Vertragsschluss und damit die Form der empfangsbedürftigen Willenserklärung regeln, demgegenüber es für die Einhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB nicht darauf ankomme, ob die beurkundete Erklärung den Vertragsparteien zugegangen sei, da der Vertragsschluss sowohl durch sie als auch auf andere Weise möglich sei. Es käme hier lediglich auf die äußere Form an, weshalb alleine die Existenz der die vertraglichen Regelungen dokumentierenden und unterschriebenen Urkunde entscheidend sei. Der Zugang sei daher ebenso ohne Belang wie die Frage, wo sich die Urkunden befinden oder ob sie zum Zeitpunkt einer gerichtlichen Prüfung der Formgemäßheit des Mietvertrages noch existieren würden.

BGH, Urteil vom 07.03.2018 - XII ZR 129/16 -