Freitag, 31. August 2018

Kaufvertrag: Zur Beweislast für das Fehlschlagen von Nachbesserungen


Der Kläger hatte von dem Beklagten am 16.11.2016 einen Gebrauchtwagen erworben. Er monierte im Frühjahr 2017 wiederholt Funktionsmängel am Verdeck (es ließ sich nicht öffnen und nicht schließen). Die Beklagte veranlasste im März, Mai und Juli 2017 Untersuchungen und Reparaturen des Öffnungs- und Schließmechanismus. Als der Kläger im Juli 2017 zum vierten Mal den Mechanismus reklamierte, veranlasste die Beklagte lediglich eine Untersuchung ohne Reparatur.

Der Kläger verklagte die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges. Das Landgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten zum OLG Bamberg wies dieses die Beklagte darauf hin, die Berufung nach § 522 ZPO zurückweisen zu wollen.

Das Landgericht sei zutreffend von einem Sachmangel ausgegangen. Der Käufer habe darzulegen und zu beweisen, dass ein Mangel bei Übergabe der Kaufsache vorlag (§§ 434 Abs. 1 S. 1 iVm. 446 S. 1 BGB) und dieser trotz Nachbesserungsversuchen des Verkäufers weiterhin vorhanden sei. Dabei genüge der Käufer seiner Darlegungs- und Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung bereits durch den Nachweis, dass das Mangelsymptom weiterhin auftrete (BGH, Urteil vom 09.03.2011 - VIII ZR 266/09 -).  Unstreitig sei hier, dass der Öffnungs-. Und Schließmechanismus weiterhin nicht funktioniere.

Soweit die Beklagte geltend gemacht hatte, sie habe bereits erstinstanzlich unter Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass mutmaßlich ein Steuerungsgerät defekt sei  und dieser Defekt bei Übergabe des Fahrzeuges noch nicht vorgelegen habe, sei dieser Vortrag unbeachtlich. Da die Beklagte drei Nachbesserungsversuche vorgenommen habe, hätte sie genügend Gelegenheit gehabt, die Ursache des Defekts zu eruieren, weshalb eine geäußerte Mutmaßung die hier notwendige konkrete Darlegung nicht habe ersetzen können.

Im Rahmen der Berufung wurde von der Beklagten Vortrag zu Wert- und Schadensersatz gehalten, der allerdings bereits in der 1. Instanz hätte erfolgen können und deshalb vom OLG nach § 531 ZPO zurückgewiesen wurde. Dabei wies das OLG auch darauf hin, dass das Landgericht die Parteien auf die Problematik des Wertersatzes hingewiesen habe, ohne dass die Beklagte darauf eingegangen wäre.

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 16.05.2018 - 3 U 54/18 -

Freitag, 24. August 2018

Schadensersatzpflicht des Zwangsverwalters (hier: Verweigerung der Herausgabe von Mietverträgen an Ersteher)


Die Klägerin, die eine in der Zwangsvollstreckung befindliche Immobilie ersteigerte, machte gegen die vormalige Zwangsverwalterin Schadensersatzansprüche für entgangenen Mietzins mit der Begründung geltend, Mieter seien von dieser ihr gegenüber unrichtig benannt worden. Das Landgericht wies die Klage ab, wobei es dahinstehen ließ, ob der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zustünde, da sie jedenfalls für einen Schaden beweisfällig geblieben sei.  Demgegenüber sah das OLG im Rahmen der von der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung einen Haftungsgrund  der beklagten Zwangsverwalterin als gegeben an.  Ein solcher Anspruch sei aus §§ 280 Abs. 1 BGB, 154 ZVG begründet.

§ 154 ZVG begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem heraus die beklagte Zwangsverwalterin  zur vollständigen Übergabe aller im Rahmen der Zwangsverwaltung erhaltenen Objektunterlagen an die Klägerin als Ersteherin im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens verpflichtet sei. Im Rahmen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses seien die allgemeinen Regeln der §§ 276, 249 BGB anwendbar (OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2012 - 12 U 30/11 -).

Zu den Verfahrensbeteiligten nach § 154 S. 1 ZVG würden über die formell am Zwangsveraltungsverfahren hinaus Beteiligten nach § 9 ZVG auch jene Personen zählen, denen gegenüber das Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) spezifische Pflichten auferlege (BGH, Urteil vom 13.10.2011 - IX 188/10 -). Ab dem Zuschlag würde dazu auch der Erwerber zählen (BGH, Urteil vom 11.10.2007 – IX ZR 156/06 -). Dieser trete mit dem Zuschlag in Bezug auf das Grundstück in die Rechtsstellung des Schuldners ein, auch wenn er das Eigentum originär und nicht als Rechtsnachfolger des Schuldners erwerbe. Da damit der Zwangsverwalter ab dem Zeitpunkt des Zuschlags, solange die Zwangsverwaltung fortdauere, nicht mehr Pflichten gegenüber dem Schuldner sondern dem Erwerber zu erfüllen habe, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestünden, wäre er nicht haftungsfrei sein, sondern würde nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung haften (BGH vom 11.10.2007 aaO.). Der Zuschlagsbeschluss liege zeitlich vor dem Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung, da der Zuschlagsbeschluss Voraussetzung für die Aufhebung der Zwangsverwaltung sei, was für die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses ausreichend sei.

Die Pflichten des Zwangsverwalters nach § 154 S. 1 ZVG würden auch nicht insgesamt mit der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses enden. Er bliebe über diesen Zeitpunkt hinaus zur Abwicklung der Zwangsverwaltung verpflichtet. Damit habe er nach rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss und Aufhebung der Zwangsvollstreckung das Grundstück und die mitbeschlagnahmten Gegenstände sowie die nach Zuschlagserteilung gezogenen Nutzungen an den Ersteher herauszugeben (BGH vom 11.10.2007 aaO.).  Diese Pflicht folge aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte verpflichtet sei, dem Auftraggeber alles, was er zur Auftragserfüllung erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe, herauszugeben, wozu auch Mietverträge und Zusatzvereinbarungen dazu zählen würden. Diese Urkunden habe der Zwangsverwalter zur Wahrung seiner Pflichten nach § 152 S. 1 ZVG, das Grundstück in seinem Bestand zu erhalten und zu benutzen, erlangt. Da der Ersteher originär als Vermieter in bestehende Mietverträge eintrete, entspräche die Herausgabepflicht der durch den Zuschlagsbeschluss entstehenden Interessenslage. Er würde diese Unterlagen (sowie Versicherungsunterlagen, Bauunterlagen) nicht für eine von ihm vorzunehmende Rechnungslegung nach § 154 S. 2 ZVG benötigen.

Anders verhalte es sich lediglich mit Belegen und Unterlagen, die für eine Betriebskostenabrechnung benötigt würden (diesbezüglich zur verneinenden Herausgabepflicht OLG Dresden, Urteil vom 23.11.2011 - 13 U 1137/11 -). Diese würde der Zwangsverwalter nach dem Zuschlag für die von ihm nach § 154 S. 2 ZVG vorzunehmende Rechnungslegung benötigen. Das begründe für den Ersteher keinen Nachteil, da das Gericht nach Prüfung dem Ersteher Kopien vorlegen oder die Einsichtnahme in die Akten ermöglichen müsse (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Aufl. § 154 Rn. 11), wodurch dem Ersteher die notwendigen Kenntnisse verschafft würden.

Durch die Pflichtverletzung sei der Klägerin ein Schaden entstanden, da sie in den Monaten Januar und Februar nur einen Mietzins von € 7,30/qm statt von € 11,00/qm erzielt habe. Die Differenz von € 3,70/qm stelle sich als Schaden nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB dar.

OLG Braunschweig, Urteil vom 11.05.2018 - 9 U 18/17 -

Mittwoch, 22. August 2018

Verkehrssicherungspflicht des Waschstraßenbetreibers


Die Beklagte betrieb eine Waschstraße.  Es handelte sich um eine vollautomatisierte Anlage, bei der das Fahrzeug in geringer Geschwindigkeit vom Schleppband gezogen wird. Die linken Räder befinden sich dabei in einer Fördereinrichtung, während die rechte Räder über den Boden laufen. Vor dem Fahrzeug des Klägers betätigte der Fahrer des dort geschleppten Fahrzeuges grundlos die Bremse, wodurch dessen Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehen blieb, demgegenüber das Fahrzeug des Klägers und hinter diesem befindliche Fahrzeuge weitergezogen wurden. Dadurch bedingt wurde das Fahrzeug des Klägers auf das liegengebliebene Fahrzeug und das hinter dem klägerischen Fahrzeug befindliche Fahrzeug auf das Fahrzeug des Klägers geschoben.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens dir Klage abgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene und vom Kläger eingelegte Revision hob der BGH die landgerichtliche Entscheidung auf und verwies den Rechtstreit an das Landgericht zurück.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten negierte das Landgericht im Hinblick darauf, dass es nur durch ein Fehlverhalten des Fahrzeugführers vor dem klägerischen Fahrzeug zu dem Schadensfall gekommen sei. Auch läge keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte vor, da die Waschanlage nach den Ausführungen des Sachverständigen den anerkannten Regeln der Technik entspräche und eine Sicherung gegen einen Vorgang wie hier sei weder üblich und aus technischer Sicht funktionell und auch unter Kostengesichtspunkten kaum möglich, wie auch eine ständige Videoüberwachung jedes einzelnen in der Anlage befindlichen Fahrzeugs nicht üblich sei.

Die Ansicht zu Frage der Schutzpflichtverletzung durch die Beklagte hält nach Ansicht des BGH einer Prüfung nicht stand. Insoweit habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass auch eine Schutzpflichtverletzung in Betracht zu ziehen sei, wenn die Beklagte gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung der Waschstraße nicht erfüllt habe. Seien (wie hier) Schädigungen durch zwar seltene, aber vorhersehbare nicht eingehaltene Verhaltensregeln durch Nutzer möglich, müsse der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass es nicht zu solchen Verhaltensfehlern kommt. Er müsse also die Nutzer in geeigneter und zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln informieren.

Mangels gegenteiliger Feststellungen durch das Landgericht müssen im revisionsverfahren davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den vor dem Kläger geleiteten Fahrzeugführer keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der beim Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahr erteilt habe.

Anmerkung: Die Entscheidung des BGH besagt leider nichts dazu, welche konkreten Hinweise dem Nutzer vom Betreiber einer entsprechenden Waschstraße konkret erteilt werden sollen und auf welche Art und Weise er dies dem Nutzer (verständlich) übermitteln soll. Da es viele Hinweise gibt, die zu beachten wären (nicht nur das Unterlassen vom Bremsen, sondern z.B. auch vom Lenken, Gasgeben), stellt sich schon die Frage, wie der Betreiber dem Kunden entsprechendes übermitteln soll, will der Nutzer doch nur hineinfahren, waschen fahren und weiterfahren können, und sich nicht länger mit Broschüre / Hinweisblättern auseinandersetzen. Dies unabhängig davon, dass es sich doch um an sich allgemein bekannte Umstände handelt, weshalb ein Verlangen der ausdrücklichen Übermittlung zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht uberspitzt erscheint.

BGH, Urteil vom 19.07.2018 - VII ZR 251/17 -

Sonntag, 19. August 2018

Lohnsteuerpauschalierung für betrieblich veranlasste Zuwendungen (§ 37b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG)


Die Klägerin führte in 2006 bis 1010 in mehreren Aktionszeiträumen ejn Verkaufsförderungsprogramm durch, an dem jeder (nicht bei der Klägerin beschäftigte) Fachverkäufer teilnehmen konnte. Die nach diesem Programm zu gewährenden Sachprämien und Gutscheine stellte die A-GmbH der Klägerin in Rechnung. Diese unterwarf in den streitigen Lohnzahlungszeiträumen  die in Rechnung gestellten Prämien der pauschalen Lohnbesteuerung mit 30%. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin erging ein Nachforderungsbescheid. Der Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde zurückgewiesen, der gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage gab das Hess. FG statt. Die Revision des Finanzamtes war erfolgreich.

Der BFH wies darauf hin, dass nach § 37b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ein Steuerpflichtiger die Einkommensteuer für alle innerhalb des Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht würden und nicht in Geld bestünden, mit einem Pauschalsatz von 30% erheben könnten. Allerdings sei dies auf Zuwendungen beschränkt, die beim dem Empfänger zu einkommensteuerpflichtigen Einnahmen führen würden. Weiterhin sei eine betriebliche Veranlassung Voraussetzung und dass die Zuwendung zusätzlich zu einer ohnehin geschuldeten Leistung / Gegenleistung erfolge. Es müsse sich also um eine Zuwendung handeln, die zusätzlich zur geschuldeten Leistung erbracht würde und nicht geschuldet würde, aber durch den Leistungsaustausch veranlasst sei. Nicht ausreichend sei, dass die Zuwendung des Steuerpflichtigen zu einer Leistung eines Dritten hinzutrete. Stets bedürfe es der Freiwilligkeit.

Die betriebliche Veranlassung könne hier nach Ansicht des BFH durch die Aktionsprogramme angenommen werden. Ebenso, dass die Zuwendungen bei den Empfängern zu steuerpflichtigen Einkünften führen würden.

Allerdings seien die Zuwendungen entgegen der Annahme des FG nicht zusätzlich erbracht worden. Es habe sich hier um eine ausgelobte Prämie gehandelt, die zu einem Rechtsanspruch der Teilnehmer gegen die Klägerin geführt hätten. Damit habe die Klägerin die Prämien nicht ohne Gegenleistung erbracht.

BFH, Urteil vom 21.02.2018 - VI R 25/16 -

Dienstag, 14. August 2018

Wirkung einer ausländischen Rechtshängigkeit vor einem Gericht in der EU auf eine Klageerhebung in Deutschland


Der klagende Rechtsanwalt hatte seinen Kanzleisitz in Österreich und vertrat 2013 u.a. den in Deutschland wohnhaften Beklagten in einem Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Hallein in Österreich. Sein Honorar machte er in Österreich gegen den Beklagten gerichtlich geltend. Die von ihm vor dem Bezirksgericht Hallstein erhobene Klage wurde von diesem an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen, welches sie am 27.02.2015 mangels internationaler Zuständigkeit abwies. Hiergegen legte der Kläger Rekurs (Berufung) zum Landgericht Salzburg ein. Dieses stellte nunmehr mit rechtskräftigem Beschluss vom 20.08.2015 die internationale Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg fest und verwies das Verfahren an dieses zurück, wo sich die Parteien am 06.10.2015 verglichen.

Im März 2015 hatte der Kläger allerdings auch bereits seine Forderung vor dem AG Groß-Gerau in Deutschland geltend gemacht. Dieses hatte das Verfahren bis zur Entscheidung der österreichischen Gerichte über ihre Zuständigkeit ausgesetzt, und, nachdem das Verfahren in Österreich beendet war, nach Hauptsacheerledigungserklärung des Klägers, dem sich der Beklagte nicht anschloss, die Klage kostenpflichtig für den Kläger abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers stellte das LG Darmstadt die Erledigung der Hauptsache fest und erlegte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. Auf die zugelassene Revision stellte der BGH das erstinstanzliche Urteil wieder her.  

Der BGH führt aus, die Rechtshängigkeit einer Streitsache vor einem Gericht habe in Deutschland die zivilprozessuale Wirkung, dass während der Dauer dieser Rechtshängigkeit die Streitsache bei keinem anderen Gericht geltend gemacht werden dürfe, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. So würde verhindert, dass sich mehrere Gericht mit derselben Sache beschäftigen müssten und (insbesondere) dass widerstreitende Urteile ergehen würden. Die fehlende weitere Rechtshängigkeit sei daher eine negative Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten sei. Deshalb sei eine spätere Klage während der anderweitigen Rechtshängigkeit von Anfang an unzulässig.

Allerdings regele § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nur die doppelte Rechtshängigkeit vor einem deutschen Gericht. Allerdings sei in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass die Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht der Rechtshängigkeit vor einem deutschen Gericht gleich komme, wenn das ausländische Urteil anzuerkennen sein würde.

Zudem sei die vor einem deutschen Gericht erhobene Klage nicht „zunächst“ zulässig. Art. 29 Abs. 1 und 3 EuGVVO sehe vor, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts fest stünde. Sobald dies fest stünde, habe sich das später angerufene Gericht zugunsten des zunächst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären; die doppelte Rechtshängigkeit würde mithin wie im deutschen Zivilprozessrecht auch im Verhältnis zwischen Gerichten verschiedener Staaten der Europäischen Union einer Sachentscheidung entgegenstehen. Die Regelung der EuGVVO habe Vorrang vor dme nationalen Prozessrecht, reiche aber über dessen Regelungen nicht hinaus. Mit der danach gebundenen Entscheidung, bei Feststellung der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, seine eigene Unzuständigkeit zu erklären, sei nichts über die prozessuale Erledigung nach nationalen Recht und die Kosten ausgesagt. Schon zu den früheren Regelungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 EuGVVO a.F. habe der BGH entschieden, dass in diesen Fällen entsprechend § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, wonach die Klage als von Anbeginn an als unzulässig anzusehen sei zu verfahren sei und mithin die Kosten dem Kläger aufzuerlegen seien.

Damit könnten die Kosten auch nicht über eine Erledigungserklärung auf die beklagte Partei abgewälzt werden.  Selbst würde man der vom LG Darmstadt vertretenen Rechtsansicht folgen, Art. 29 EuGVVO regele auch den Zeitpunkt, ab dem die später anhängig gemachte Klage unzulässig sei, würde die Rechtsansicht des Landgerichts nicht zutreffen, dass die spätere Klage bis zum Zeitpunkt der Zuständigkeit durch das ausländische Gericht zulässig sei. Dies könne nicht daraus abgeleitet werden, dass Art. 29 EuGVVO eine Aussetzung des späteren Verfahrens vorsähe. Die zwingende Aussetzung sei nach Art. 8 des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik 1989 aufgenommen worden, da eine mögliche Klageabweisung wegen Unzulässigkeit infolge doppelter Rechtshängigkeit als zu einschneidend angesehen wurde, da diese evtl. wegen drohender Verjährung erfolgt sei und bei Abweisung im ausländischen Staat wegen fehlender Zuständigkeit zu einem Rechtsverlust führen würde. Die Aussetzung besagt also nicht, daß die Klage vorläufig zulässig ist, sondern hindert nur eine Entscheidung über die Zulässigkeit, die bei Abweisung im Ausland wegen Unzulässigkeit nicht mehr bestehen würde.

BGH, Urteil vom 22.02.2018 - IX ZR 83/17 -

Freitag, 10. August 2018

Kaskoversicherung und Leistungspflicht bei Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)


Die Klägerin verlangte von ihrer Kaskoversicherung (Beklagte) nach einem Verkehrsunfall Entschädigung für den Schaden an ihrem Fahrzeug, den diese mit der Begründung eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort (es erging auch ein Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, § 142 StGB) und damit einer Obliegenheitspflichtverletzung nach E.1.6. der einschlägigen AKB versagte. Gegen das der Klage stattgebende Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Das OLG wies in seinem Beschluss darauf hin, dass die Berufung nur hinsichtlich eines Teils der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren Erfolg haben dürfte, in der Sache aber vom Landgericht zutreffend eine Zahlungspflicht der Beklagten bejaht habe.

Zutreffend habe das Landgericht eine zweifache Obliegenheitspflichtverletzung zu Lasten der Klägerin angenommen. Nach E.1.6. der maßgeblichen AKB 2008 habe der Versicherungsnehmer den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.  Es könne auf sich beruhen, ob die Klausel eine über § 142 StGB hinausgehende Verpflichtung statuiere, da jedenfalls auch die Pflicht aus § 142 StGB verletzt worden sei. Der Verkehrsunfall habe sich der Unfall zur Mittagszeit ereignet und nach dem Vorbringen der Klägerin habe eine Nachbarin den Unfall beobachtet, weshalb sie auch nach einer halbstündigen Wartezeit noch mit dem Eintreffen feststellungsbereiter Personen hätte rechnen müssen (ob dies nachts anders zu bewerten sei, könne dahinstehen). Weiterhin sei die Schadensanzeige nur unvollständig ausgefüllt worden; das unvollständige Ausfüllen derselben stelle sich wegen Verstoßes gegen die Regelung in E.1.6. der AKB ebenfalls als Obliegenheitspflichtverletzung dar.

Allerdings würden beide Obliegenheitspflichtverletzungen nach E.8.1. der AKB nicht zur Leistungsfreiheit führen, auch wenn diese (wie hier) vorsätzlich begangen würden. Nach E.8.2. S. 1 der AKB sei der Versicherer trotz der vorsätzlichen Obliegenheitspflichtverletzung zur Leistung verpflichtet, soweit der Versicherungsnehmer nachweise, dass die Pflichtverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich sei. Bliebe dies unklar, würde der Versicherungsnehmer beweisfällig bleiben mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers. Schaden würde nicht die generelle Gefährdung der Interessen des Versicherers; vielmehr sei auf die konkrete Kausalität abzustellen. Der Versicherungsnehmer müsse mithin den Nachweis erbringen, dass die Feststellungen im Ergebnis keinesfalls anders ausgefallen wären.

Das unvollständige Ausfüllen des Anzeigeformulars des Versicherers sei hier folgenlos geblieben, da der Versicherer auf anderen Weg ohnehin Kenntnis von der Straftat nach § 142 StGB erhalten habe, ebenso davon, dass die Polizei hinzugezogen worden sei. An der Kausalität der Obliegenheitspflichtverletzung fehle es daher, da dem Versicherer die Informationen ohnehin verfügbar gewesen wären.

Hinsichtlich der Obliegenheitspflichtverletzung des vorzeitigen Verlassens des Unfallortes habe die Klägerin den ihr obliegenden Kausalitätsgegenbeweis geführt.  

Soweit dies die Frage der schuldhaften Unfallverursachung betreffe, sei dies gegenüber der Polizei – nachdem diese den Versicherten aufgesucht habe, sofort eingeräumt worden.  Auch Nachteile in Bezug auf eine mögliche Haftungsquote hätten dem Versicherer nicht entstehen können, da der Unfall für den anderen Unfallbeteiligten, der sein Fahrzeug geparkt hatte, ersichtlich unabwendbar gewesen sei.

Der Einwand der Beklagten, dass aufgrund des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht mehr in gleicher Weise wie bei einem Verbleiben eine mögliche Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Alkoholisierung festgestellt werden könne, könne sie damit nicht durchdringen. Zwar habe der Versicherungsnehmer im Rahmen des Kausalitätsgegenbeweises auch negative Tatsachen zu beweisen (wie die fehlende Alkoholisierung). Allerdings würde nicht verlangt werden, dass bei einem Nachweis einer negativen Tatsache alle denktheoretisch möglichen oder vom Versicherer (ins Blaue hinein) aufgestellten Sachverhalte auszuschließen seien, da dies die Anforderungen an die Erbringung des Negativbeweises gem. § 286 TPO überspannen würde. Es könne nicht von Annahmen ausgegangen werden, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gebe. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass der Versicherte relativ kurz nach dem Unfall von der Polizei aufgegriffen wurde und diese offenbar keine Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung hatte. Denktheoretisch könnte sich zwar zwischen dem Unfall und dem Eintreffen der Polizei die Alkoholisierung so weit reduziert haben, dass seitens der Polizei keine Veranlassung mehr bestand, eine Feststellung dazu zu treffen; konkrete Anhaltspunkte dazu würden aber fehlen (der Unfall ereignete sich zur Mittagszeit und es nicht ersichtlich, dass vor dem Unfall eine Veranstaltung besucht worden wäre, auf der regelmäßig Alkohol konsumiert würde, wie auch Anhaltspunkte fehlen würden, dass der Versicherte ein Alkoholproblem hätte). Es gäbe keine allgemeine Annahme, dass bei einem unerlaubten Verlassen des Unfallortes eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Alkoholisierung oder eine betäubungsmittelbedingte Verkehrsuntüchtigkeit spräche (OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.02.2017 - 5 U 26/16 -).  Würde man in solchen Fällen den Kausalitätsgegenbeweis nicht als geführt ansehen wollen, würde die entsprechende Regelung in E.8.2. S. 1 der AKB ins Leere laufen.

Auch sei der Kausalitätsgegenbeweis nicht wegen Arglist ausgeschlossen (E.8.2. S. 2 der AKB). Arglist setze hier Bereicherungsabsicht voraus und läge schon vor, wenn die Obliegenheitspflichtverletzung bewusst begangen würde und dabei billigend in Kauf genommen würde, dass dies das Regulierungsverhalten des Versicherers möglicherweise beeinflussen würde.

Gegen eine Arglist beim Verlassen des Unfallortes spräche hier bereits, dass der Versicherungsnehmer gegenüber der Polizei einräumte, dass ein Nachbar den Unfall beobachtet habe und er zudem in unmittelbarer Nähe zum Unfallort gewohnt habe. Damit müssen ihm klar gewesen sein, dass bals Feststellungen getroffen würden. Zudem spräche die Lebenserfahrung dafür, dass ein Unfall häufig eine besondere Überforderung auslöse, weshalb der Schluss nicht nahe liege, dass auch ein Schädigung des Versicherers in das Vorstellungsbild aufgenommen worden sei. Verbleibende Zweifel gingen hier zu Lasten der Beklagten.

Da der Versicherungsnehmer seine Alleinverantwortung eingeräumt habe, könne er möglicherweise davon ausgegangen sein, dass der Sachverhalt ohnehin klar sei, weshalb auch das unvollständige Ausfüllen der Schadensanzeige nicht als arglistig zu bewerten sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 -

Mittwoch, 8. August 2018

Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gegen Insolvenzverwalter


Der Kläger machte gegen den beklagten Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche geltend. Dieser ist der Auffassung, Ansprüche gegen ihn wären verjährt. Dies folge aus der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB (10 Jahre von ihrer Entstehung an). Das OLG Koblenz  war anderer Auffassung. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde wandte sich der beklagte gegen diese Entscheidung. Der BGH nahm die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu Entscheidung an, da dies weder zur Fortbildung des Rechts  noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) notwendig sei.

Bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 62 InsO (der die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter wegen Pflichtverletzung regelt) ergäbe sich, dass § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB nicht greifen würde. Nach der ursprünglich § 852 Abs. 1 BGB aF (alte Fassung) nachgebildeten Fassung des § 62 S. 1 InsO verjährte der Anspruch auf Schadensersatzanspruch in drei Jahren, berechnet ab Kenntnis von Schaden und Umständen durch den Verletzten. Anders allerdings als in § 852 Abs. 1 BGB habe der Gesetzgeber allerdings in § 62 S. 2 InsO keine Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Begehung der Handlung vorgesehen, sondern eine Höchstfrist von drei Jahren ab der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens. Mit dem Anpassungsgesetz zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erhielt § 62 S. 1 InsO zum 01.01.2005 seine heutige Fassung (Art. 5 Nr. 2; BGBl I 2004, 3214), wonach sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) richte. § 62 S. 2 und S. 3 InsO wären unverändert gelassen worden; dies mit der Begründung, dass das Haftungsprivileg des Insolvenzverwalters erhalten leibe solle (BT-Drucks. 15/3652, S. 15). Damit hätten Ansprüche nicht längstens nach 30 Jahren ab Begehung verjähren sollen (§ 199 Abs. 3 BGB), sondern spätestens drei Jahre nach Aufhebung oder rechtskräftiger Einstellung des Insolvenzverfahrens; es handele sich hier um Sonderreglungen, die nach dem Spezialitätengrundsatz der Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgehen würden (Lex specialis derogat legi generali).

Dies führe vorliegend dazu, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien.

BGH, Beschluss vom 21.06.2018 - IX ZR 171/16 -

Montag, 6. August 2018

WEG: Zur Erzwingung einer korrekten, von dem Verwalter zu erstellenden Eigentümerliste durch das Gericht


Immer wieder stellt sich das Problem der fehlenden oder fehlerhaften Eigentümerliste in WEG-Verfahren. Vorliegend wurde vom Amtsgericht eine der Verwalterin gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage eines Wohnungseigentümers abgewiesen. Die Berufung des klagenden Wohnungseigentümers sah das Ladgericht als unbegründet, aber auch als unzulässig an und hat sie wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Revision, die zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht führte.

Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, der Kläger habe eine in der Klageschrift benannte Eigentümerliste nie zur Akte gereicht und er habe sich entgegen §§ 44 Abs. 1 S. 2 WEG iVm. 253 Abs. 2 ZPO auch nie dazu erklären können, wer konkret Eigentümer zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (13.12.2014) gewesen sei.  Zu einer auf Anforderung des Amtsgerichts vom Verwalter zu den Akten gereichten Eigentümerliste hatte der Geschäftsführer der Verwalterin vor dem Berufungsgericht erklärt, er gehe nicht davon aus, dass diese den Stand zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit widergebe, da bis zum Zeitpunkt der Erstellung sich Wechsel bei Eigentümern ergeben hätten. Hierauf bezogen nahm das Berufungsgericht die Unzulässigkeit an.

Dem folgte der BGH nicht.

Zwar sei mangels einer inhaltlich richtigen Eigentümerliste den Anforderungen des § 44 Abs. 1 S. 2 WEG nicht genügt worden und von daher die Klage unzulässig. Die verklagten Eigentümer müssten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mit ladungsfähiger Anschrift benannt werden. Dem habe die Eigentümerliste bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht entsprochen. Allerdings könne dies noch im Berufungsrechtszug, ohne dass die Voraussetzungen des § 353 ZPO gegeben sein müssten, nachgeholt werden, da dies keine Klageänderung in Form eines Parteiwechsels darstelle. Für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 WEG (Frist für die Anfechtungsklage) käme es auf die Beibringung der aktuellen Namensliste nicht an; § 44 Abs. 1 S. 2 WEG habe nur Relevanz für die verfahrensrechtliche Frage, ob die Klage durch Prozessurteil abgewiesen werden könne.

Auch wenn  danach die Voraussetzungen für ein Prozessurteil, nach dem die Klage als unzulässig abgewiesen werden konnte, vorgelegen hätten, hätte dies vorliegend nicht erfolgen dürfen.

Auch wenn es grundsätzlich Sache des Klägers sei die Eigentümerliste als Bestandteil einer ordnungsgemäßen Klageerhebung einzureichen, könne dies nur dann gelten, wenn er hierzu auch in der Lage sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Dass der Kläger über Erkenntnisquellen verfügt habe, die ihn in die Lage hätten versetzen können, die fehlerhafte Eigentümerliste, die von der Verwalterin eingereicht wurde, zu korrigieren, sei vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden. In dieser Situation folge aus der entsprechenden Anwendung des § 142 Abs. 1 ZPO, dass das Gericht auf entsprechende Anregung des Klägers, der Verwaltung die Vorlage der Eigentümerliste aufzugeben, tätig werden muss und die Vorlage vom Verwalter unter Fristsetzung verlangen muss, ohne dass dem Gericht ein Ermessenspielraum zustünde. Käme der Verwalter dem nicht fristgerecht nach, müsst er mit Ordnungsmittel  dazu angehalten werden (§§ 142 Abs. 2 S. 2 iVm. 390 ZPO analog). Ein Versäumnis des Verwalters dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen und damit nicht zur Abweisung der Klage führen.

Eine Garantie für die Richtigkeit könne vom Verwalter allerdings nicht verlangt werden; er müsse sie nur nach besten Wissen und Gewissen erstellen. Einen entsprechenden einschränkenden Hinweis könne er aufnehmen, ohne dass dies der Wirksamkeit der Eigentümerliste entgegenstünde. Wenn er aber selbst (wie hier) angebe, dass sie fehlerhaft sei oder Zweifel an deren Richtigkeit äußert und weder eine Korrektur vornimmt oder die Zweifel ausräumt, würde er seiner Verpflichtung nicht nachkommen. Hier sind Zwangsmittel geboten, wobei nur Ordnungsgeld, nicht aber eine Haftandrohung gehöre (für eine Haftandrohung genüge die analoge Anwendung der Norm nicht des Voraussetzungen des Art 104 Abs. 1 S. 1 GG).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts könne auch deshalb keinen Bestand haben, da die Klage auch als unbegründet angesehen worden sei. Eine gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung im selben Urteil sei wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen nicht zulässig, weshalb der Teil des Urteils, der sich mit der Sachabweisung befasse, als nicht geschrieben gelte (BGH, Urteil vom 19.03.1997 - XII ZR 277/95 -).  Vorliegend habe sich das Berufungsgericht zur Begründetheit auch nicht mit den Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, sondern nur auf die Entscheidung des Amtsgerichts verwiesen, weshalb es nicht als Grundlage einer eigenen Entscheidung des Revisionsgerichts genutzt werden könne (BGH aaO.).

BGH, Urteil vom 04.05.2018 - V ZR 266/16 -

Freitag, 3. August 2018

Zulässigkeit des Feststellungsantrages auf (künftigen) Schadensersatz


Die Beklagten haben dem Kläger aufgrund eines Unfalls, bei dem der Kläger einen Bruch des Schulterblattes erlitt, vorgerichtlich ein Schmerzensgeld gezahlt und auch bestimmte materielle Schäden ersetzt. Mit seiner Klage erhob der Kläger, soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse, auch eine Feststellungsklage, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung sämtlicher weiterer materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden anstrebte. Das Landgericht hatte den über das vorgerichtlich gezahlte Schmerzensgeld hinausgehenden Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie den Feststellungsantrag, diesen wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses als unzulässig,  abgewiesen. Die in Bezug auf die Abweisung des Feststellungsantrages eingelegte Berufung war erfolgreich.

Das KG führte aus, dass von einem ausreichenden Feststellungsinteresse auszugehen sei. Dieses sei anzunehmen, wenn dem subjektiven Recht hier auf Schadensersatz eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch drohe, dass der Beklagte es ernstlich bestreite und das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet sei, dieser Gefahr zu begegnen (BGH, Urteil vom 22.06.1977 - VIII ZR 5/76 -).

Zwar hätten vorliegend die Beklagten nicht ihre Verpflichtung bestritten, für den Schaden eintreten zu müssen. Allerdings hätten sie die Ansicht vertreten, über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus keine Zahlungen erbringen zu müssen. Insoweit würde das Entstehen weiterer Schäden bestritten wie auch die Möglichkeit, dass sich für den Geschädigten aus seiner Verletzung weitere nachteilige Folgen ergeben könnten, die mit den erbrachten Zahlungen nicht abgedeckt wären und damit den Schadensersatzanspruch wieder aufleben lassen könnten. Damit sei ein Feststellungsurteil geeignet, die Verpflichtung zur Leistung festzulegen wie auch eine zu erwartende Einrede der Verjährung zu verhindern.

Auch soweit der Kläger bereits jetzt Schadensersatzansprüche zur Höhe geltend machen könne, wäre er (obwohl die Leistungsklage der Feststellungsklage vorgeht) nicht gehindert, hier die Feststellungsklage zu erheben. Bei einer nicht abgeschlossenen Schadensersatzentwicklung sei der Kläger nicht verpflichtet, alle bereits feststehenden Einzelansprüche mit der Leistungsklage geltend zu machen (BGH, Urteil vom 20.02.1986 - VII ZR 318/84 -).

Es sei vorliegend auch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt von Folgeschäden auszugehen. Aus dem Arztbericht ergäbe sich, dass Dauerschäden aus dem Bruch des Schulterblattes nicht auszuschließen seien. Im übrigen sei das Schulterblatt Teil des Schultergelenks und bei Knochenverletzungen sei regelmäßig von Folgeschäden auszugehen (BGH , Urteil vom 19.03 1991 - VI ZR 199/90 -).

Auch käme es nicht darauf an, dass erstinstanzlich der Kläger nicht zum Feststellungsinteresse vorgetragen habe. Die Zurückweisung des Vortrages in 2. Instanz als neuer Vortrag nach § 531 ZPO komme nicht in Betracht, da die Norm hier nicht greife. Bei dem Feststellungsinteresse handele es sich um eine vom Gericht selbstätig zu prüfende Prozessvoraussetzung (BGH vom 11.10.1989 - IVa ZR 208/87 -).

KG, Urteil vom 16.04.2018 - 22 U 168/16 -

Donnerstag, 2. August 2018

Betriebskostenabrechnung: Maßgeblich ist die tatsächliche (Wohn-) Fläche, nicht eine vertraglich festgelegte Fläche


Die Parteien stritten über die Höhe von Betriebskosten, die die Klägerin als Vermieterin abrechnete. Im Mietvertrag war als Wohnungsgröße die als „mit 74,59m² vereinbart“ angegeben. Nachdem die Klägerin die Liegenschaft erwarb ergab sich eine tatsächliche Fläche von 78,22qm. Die Klägerin rechnete die Wirtschaftsjahre 2013 und 2014 nach den tatsächlichen Flächen ab, wohingegen sich die Beklagten als Mieter auf der im Mietvertrag festgelegten Größe weniger Kosten errechneten und mit einem danach vermeintlichen Erstattungsanspruch Mietzahlungen kürzten, die die Klägerin einklagte. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben und auf die zugelassene Berufung der Beklagten hatte das Landgericht diese zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Beklagten war ebenfalls nicht erfolgreich. 

Nach Darlegung des BGH enthalte die Wohnflächenangabe im Mietvertrag  eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Von daher würde der Senat auch in ständiger Rechtsprechung davon ausgehen, dass ein zur Minderung der Miete rechtfertigender Mangel dann vorläge, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% unter der im Mietvertrag benannten Wohnfläche läge. Allerdings ließe dies nicht den Rückschluss zu, dass in allen Fällen, in denen die Größe der Wohnung ein Beurteilungsmaßstab sei, die vertragliche Regelung zur Wohnfläche zugrunde zu legen sei. So habe der Senat bereits im Urteil vom 18.11.2015 - VIII ZR 266/14 - entschieden, dass bei einer Mieterhöhung die tatsächliche Fläche entscheidend sei, da nach dem tatsächlichen Willen des Gesetzgebers der objektive Wohnwert alleine entscheidend sei, nicht subjektive Vorgaben (wie Regelungen zur Wohnungsgröße). Mit der Entscheidung habe der Senat seine frühere Rechtsprechung, nach der auch bei Mieterhöhungen Abweichungen der Wohnfläche von bis zu 10% unbeachtlich sein sollten, aufgegeben. 

Auch soweit Betriebskosten (einschließlich von Heizkosten in dem insoweit eröffneten Anwendungsbereich)  nach Wohnfläche abgerechnet würden, würde der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung (so Urteil vom 31.10.2007 - VIII ZR 261/06 - nicht mehr festhalten, Abweichungen bei der Wohnfläche von bis zu 10% seien im Rahmen der Betriebskostenabrechnungen unbeachtlich. 

Zwar sei bei der Umlegung von Betriebskosten eine absolute Verteilergerechtigkeit nicht zu erreichen und würde dies vom Gesetz auch nicht verlangt. Allerdings erfordere eine angemessene und nach allen Seiten hin interessensgerechte Verteilung von Betriebskosten doch  grundsätzlich, dass objektiv entstandene und für eine Wirtschaftseinheit (hier mehrere Wohnungen im Haus) nach einem objektiven Abrechnungsmaßstab umgelegt werden, der für alle zur Wirtschaftseinheit zählende Nutzer gelte. Bei der Umlegung nach Wohnflächenanteilen würde es stets um die tatsächliche Wohnfläche der betroffenen Wohnung zur tatsächlichen Wohnfläche aller zur Wirtschaftseinheit gehörenden Wohnungen. Und auch der mehrfach in der Heizkostenverordnung verwandte Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ spräche dafür, dass die tatsächlichen Verhältnisse bei der Abrechnung nach Wohnflächen heranzuziehen sind.

Mittwoch, 1. August 2018

Festlegung der Kubatur in einem Vorhaben- und Erschließungsplan zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan


Das OVG hatte im Normenkontrollverfahren  die Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes der Antragsgegnerin festgestellt. Bei dem es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (BPlan) gem. § 13 BauGB handelte. Hierzu führte das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 15.11.2017 - 7 D 55/16.NE - u.a. aus:


„Andererseits steht der Gemeinde das Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht zur Verfügung, wenn sie nicht nur das konkret zur Realisierung anstehende Vorhaben ermöglicht, sondern von vornherein eine mehr oder weniger breite Palette unterschiedlicher baulicher Nutzungen eröffnet. Hiervon ausgehend erfordert der Vorhabenbezug, dass die Kubatur eines Gebäudes, das Gegenstand des Vorhabens ist – jedenfalls in wesentlicher Hinsicht – festgelegt wird. Daran ermangelt es vorliegend. Die Ausdehnung der durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zugelassenen Gebäude in der Höhe mag zwar noch hinreichend durch die Geschosszahlen festgelegt sein, obgleich die Festsetzungen zur Höhe üner Normalnull lediglich Maximalwerte enthalten. Unzureichend bestimmt ist aber jedenfalls die Ausdehnung der Gebäude in der Fläche. Der Bebauungsplan und … Vorhaben- und Erschließungsplan setzen im Wesentlichen nur Baugrenzen (vgl. § 23 BauNVO) fest, ohne die Kubatur hinsichtlich der überbaubaren Fläche in den wesentlichen Punkten anderweitig zu bestimmen. In den so festgesetzten Baufernstern sind deshalb Vorhaben Baufenstern sind deshalb Vorhaben wesentlich verschiedener Kubaturen zulässig.

Die Beigeladene, die den Antrag auf Einleitung des Bebauungsplanverfahrens gem. § 12 BauGB stellte, sah im Rahmen der von der Antragsgegnerin (Gemeinde) erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde als klärungsbedürftig an, § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so auszulegen ist, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendigerweise die Kubatur im wesentlichen Umfang zu erkennen gibt (Frage 1) und ob § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so ausgelegt werden könne, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne mit Darstellung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen sowie durch Festsetzungen zur Geschossigkeit, Bauweise und Höhenfestsetzungen ausreichend bestimmt sind (Frage 2).

Das BVerwG verneinte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ließ die Revision nicht zu. Die als klärungsbedürftig angesehenen Fragen würden an dem Inhalt des Urteils vorbeigehen und hier nicht klärungsbedürftig sein. Es sei zwischen dem (wenn auch in einer Urkunde zusammengefassten) Vorhaben- und Erschließungsplan und dem angefochtenen Bebauungsplan zu unterscheiden. Dies schließe die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Beschreibung im Vorhaben- und Erschließungsplan in ihrer Detailliertheit über die abstrakte Plandarstellung des vorhabenbezogenen BPlans hinausgehen müsse. Diese Differenzierung zwischen den Plänen habe die Beigeladene nicht nachvollzogen.  

Aber auch bei Unterstellung, dass die Beigeladene grundsätzlich geklärt wissen wolle, ob in einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Kubatur eines Vorhabens jedenfalls in ihrem wesentlichen Umfang festgelegt werden müsse, sei die Revision nicht zuzulassen. Diese Frage sei, ohne dass ein revisionsverfahren durchzuführen sei, zu bejahen. In diesem Plan würde nicht allgemein irgendeine Bebauung geregelt, sondern ein oder mehrere konkrete Vorhaben iSv. § 29 Abs. 1 BauGB. Es seien daher nicht nur die Art der baulichen Nutzung (mit einer gewissen Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten), sondern auch das Maß der baulichen Nutzung konkretisiert werden. Dem genüge nicht die Bestimmung eines Höchstmaßes. Auch eine Unterschreitung festgesetzter Maßfaktoren sei zu beachten. Sei diese Unterschreitung in einem Umfang möglich, welches die Identität des Vorhabens in Frage stelle und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedürfe es einer zusätzlichen Festsetzung von Mindestmaßen. Handelt es sich bei dem Vorhaben um ein „aliud“, beurteile sich dies nach den Umständen des Einzelfalls und entzöge sich dies einer grundsätzlichen Klärung. Eine Beschränkung des Maßes nach unten sei auch nicht deshalb entbehrlich, da die Nachbarschaft erfahren wolle, was maximal möglich sei. Die Konkretisierung läge im allgemeinen städtebaulichen Interesse. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass Vorhabenträger (wie die Beigeladene) schon im Eigeninteresse Baugrenzen ausschöpfen würden.

BVerwG, Beschluss vom 02.05.2018 - 4 BN 7.18 -