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Freitag, 22. Februar 2019

Prozessrecht: Überspannte Anforderungen zum Bestreiten mit Nichtwissen


Das Bestreiten gehört zum Prozessrecht: Wird der von der Gegenseite geschildert Lebenssachverhalt nicht eingeräumt, muss er bestritten werden. Handelt es sich um Umstände, die sich der eigenen Wahrnehmung entziehen, genügt grundsätzlich ein Bestreiten mit Nichtwissen; ansonsten ist ein anderweitiger Lebenssachverhalt zu schildern. Häufig wird von Gerichten geltend gemacht, es ermangele an einem (ausreichenden) substantiierten Bestreiten mit der Folge, dass das Bestreiten als unzulässig angesehen wird und der gegnerische Vortrag als zugestanden gilt. Und häufig hat der BGH Veranlassung, die instanzgerichtliche Entscheidungen aufzuheben, wie auch im vorliegenden Fall, in dem das OLG München die Auffassung vertrat, die Beklagte sei einem klägerischen Vortrag (durch viele Reisen und Gespräche mit Verantwortlichen der E.B.V. und deren Muttergesellschaft zwischen Februar und August 2015 die Bereitschaft zur Investition geschaffen zu haben, auf Grund der die Klägerin von der Beklagten Marklercourtage begehrt) nicht mit substantiierten Vortrag entgegengetreten, weshalb es der Klage statt gab.

Der BGH hielt die Anforderung des OLG München für ein zulässiges Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO für überzogen mit der Folge der Verletzung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 GG.  Die von der Klägerin behaupteten Tätigkeiten seien nicht Gegenstand eigener Wahrnehmungen der Beklagten gewesen. In diesem Fall würde die Erklärung mit Nichtwissen in ihrer Wirkung dem schlichten Bestreiten gleichstehen und würde die Zulässigkeit einer solchen Erklärung die Verpflichtung zum substantiierten Bestreiten ausschließen. Der eventuelle Versuch des Bestreitenden (wie hier der Beklagten, von einer aktiven Mitwirkung der Klägerin sei nichts zu spüren gewesen) führt selbst dann nicht zu einer Unbeachtlichkeit des zulässigen Bestreitens mit Nichtwissen, wenn die Behauptung ins Blaue hinein aufgestellt worden sei (bereits BGH, Urteil vom 07.07.1988 - III ZR 111/87 -). Das Verkennen dieser Grundlagen und die daraus sich ergebende Folge des Überspannens an eine Substantiierungsanforderung des Bestreitenden führt zur Verletzung Anspruchs auf rechtliches Gehör, da ein wirksames Bestreiten unberücksichtigt bleibe. Da hier nicht auszuschließen sei, dass bei Beachtung des Bestreitens die Entscheidung des OLG anders ausgefallen wäre, sei das Urteil aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen.

Der BGH weist darauf hin, dass nach §§ 296a Satz 2, 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Wiedereröffnung einer geschlossenen mündlichen Verhandlung vom erkennenden Gericht anzuordnen sei, wen es einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler, so insbesondere die Verletzung einer Hinweis- und Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO oder eine Verletzung rechtlichen Gehörs feststelle.

BGH, Beschluss vom 29.11.2018 - I ZR 5/18 -

Dienstag, 8. August 2017

Zum substantiierten Bestreiten der Wohnfläche

Die Klägerin hatte gegenüber dem Beklagten (Mieter) die die Miete nach § 558 BGB erhöht und als Wohnfläche die auch im Mietvertrag benannte Fläche von 92,54m² angesetzt. Der Beklagte bestritt die Richtigkeit der von der Klägerin zugrunde gelegten Fläche, ohne selbst Angaben zur Fläche zu machen. Er führte lediglich aus, dass er die Flächenangabe im Mietvertrag als auch die Angabe im Wohnungsinserat mit ca. 90m² bezweifle. Auf die Aufforderung des Amtsgerichts, nach dem einfachen Bestreiten des Beklagten die behauptete Fläche unter Beweis zu stellen, blieb die Klägerin untätig. Die Klage wurde ebenso wie die Berufung zurückgewiesen, da die Klägerin die behauptete Fläche trotz Bestreitens des Beklagten nicht unter Beweis gestellt und bewiesen habe.

Die (zugelassene) Revision führte zur Aufhebung der landgerichtlichen Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Grundsätzlich trage der Vermieter, der eine Mieterhöhung geltend mache, die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm behauptete Wohnfläche und für die Berechnung des Mietzinses in Ansatz zu bringende Wohnfläche. Wird  - wie hier -  eine bestimmte Fläche vorgetragen, so sei es nunmehr aber Sache des Mieters darauf zunächst substantiiert zu reagieren. Dazu zähle nicht ein „Bezweifeln“ bestimmter Angaben, sondern der Vortrag einer bestimmten Größe.

Ein substantiierter Gegenvortrag dürfe aber nur da zu erwarten sein, wo dies der Partei auch möglich und zumutbar sei. Dies sei anzunehmen, wenn es sich um Umstände im eigenen Wahrnehmungsbereich handele. Unabhängig davon, ob die Größe der Wohnung im Mietvertrag angegeben sei, könne der Mieter sie überschlägig selbst vermessen und das Ergebnis dem Gericht mitteilen. Dies sei auch einem Mieter (wie hier) einer Wohnung mit Dachschrägen möglich. Die Berechnung der Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung sei bei einer Wohnung mit Dachschrägen und Ecken  eventuell kompliziert; allerdings genüge für das Bestreiten eine laienhafte Vermessung ohne Berücksichtigung der Besonderheiten.

Soweit der Beklagte auf seinen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abstellte, verwies der BGH darauf, dass dies kein Sachvortrag sei sondern nur ein Beweisangebot, zudem der hier nicht beweisbelasteten Partei.


BGH, Urteil vom 31.05.2017 - VIII ZR 181/16 -

Samstag, 6. August 2016

Prozessrecht: Berücksichtigung eines Privatgutachtens und Verbot des Bestreitens mit Nichtwissen von behaupteten Angaben des beauftragten Untervermittlers

Das Gericht hat auch ein privates Sachverständigengutachten zu berücksichtigen, welches im Widerspruch zu dem gerichtlich eingeholten Gutachten steht. Und es hat Beratungsleistungen eines vom Verkäufer eingeschalteten Untervermittlers zu Lasten des Verkäufers zu berücksichtigen.


Nachdem der vom Verkäufer (Beklagten) eingeschaltete Untervermittler dem Kläger als potentiellen Käufer nach dessen Angaben ein Steuersparmodell mit Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgestellt hatte und einen bestimmten gewinn bei Veräußerung der Wohnung nach zehn Jahren versprach, erwarb der Kläger die Wohnung.  

Der BGH ging auf Grund der vorinstanzlichen Feststellungen davon aus, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kaufvertrag sittenwidrig sei und der Kläger einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung haben kann.

Die Sittenwidrigkeit des Vertrages leitet der BGH aus der Überhöhung des Kaufpreises um knapp 100% gegenüber dem Verkehrswert gem. dem vom Kläger vorgelegten Privatgutachten. Mit diesem hatte sich die Vorinstanz nicht auseinandergesetzt. Dies wäre aber nach Auffassung des BGH notwendig gewesen. Gegebenenfalls hätte es den von ihm bestellten Sachverständigen anhören müssen, ohne dass es dazu eines Antrages des Klägers bedurft habe. Auch hätte es eventuell, wenn die Anhörung noch keine endgültige Klärung bringt, einen weiteren Sachverständigen bestellen müssen.

Damit konnte entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht davon ausgegangen werden, dass keine Sittenwidrigkeit vorliegt. Die fehlende Berücksichtigung des Privatgutachtens stellt sich als Verletzung rechtlichen Gehörs dar.

Ferner hätte die Vorinstanz auch den klägerischen Vortrag zu dem Untervermittler beachten müssen. Zwar habe der Kläger für seine Behauptung keinen Beweis angeboten. Allerdings habe der Beklagte diesen Vortrag lediglich mit Nichtwissen bestritten. Da aber der Untervermittler von ihm eingeschaltet wurde und die Beratung für ihn übernahm, kam zum einen zwischen den Vertragsparteien ein Beratungsvertrag zustande. Liegt hier durch den Untervermittler ein Beratungsfehler vor (wie vom Kläger nach Auffassung des BBG schlüssig dargelegt wurde), geht dies zu Lasten des Beklagten. Dieser durfte die Angaben des Klägers nicht zulässig mit Nichtwissen bestreiten, § 138 Abs. 4 ZPO. Da er den Untervermittler eingeschaltet hatte, hätte er sich bei diesem auch kundig machen können und müssen.


BGH, Urteil vom 22.04.2016 – V ZR 256/14 -