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Samstag, 24. Februar 2024

Verjährungsfrist für Vergütungsanspruch des Bauträgers

Am 20.06.2014 führte die Bauträgerin (Klägerin) unter Beteiligung der Beklagten eine Begehung der gekauften Wohnung mit Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls durch, nach dessen Inhalt die Übernahme/Abnahme gemäß Kaufvertrag erfolgt sei. Am 06.11.2014 erklärten die Beklagten die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Mit Schreiben vom 24.11.2014 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung der letzten Kaufpreisrate auf. Am 28.12.2017 beantragte die Klägerin einen Mahnbescheid in Bezug auf diese Rate gegen die Beklagten. Die Beklagte hatten im Verfahren die Einrede der Verjährung erhoben und beriefen sich zudem auf ein Zurückbehaltungsrecht für von ihnen gerügte Mängel. Einen kleinen Betrag davon akzeptierte die Klägerin und reduzierte insoweit ihre klageweise geltend gemachte Forderung. Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil wurden zurückgewiesen. Von der Klägerin wurde die vom Berufungsgericht (OLG) zugelassene Revision eingelegt. Diese führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und zur Zurückverwesung des Rechtstreits an dieses. 

Das OLG ging in seinem Urteil von der Regelverjährung des § 185 BGB aus (3 Jahre). Die Anwendung von § 196 BGB schloss es aus, da zwar die streitgegenständliche Forderung Teil des Entgelts dafür sei,, dass die Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück übertragen habe und die errichtete Wohnung „lediglich“ wesentlicher Bestandteil des Miteigentumsanteils sei, sei § 196 BGB nicht anzuwenden. Es würde sich hier auch um die Gegenleistung für die Erbringung von Bauleistungen handeln. Der Vergütungsanspruch sei nicht aufteilbar zwischen Eigentum und Bauleistung, weshalb die Verjährung einheitlich nach der Leistung zu beurteilen sei, die bei weitem überwiegend das Vertragsverhältnis charakterisiere. Der Charakter über den Kauf würde durch den Bau der Wohnung geprägt, weshalb insoweit der Vergütungsanspruch teilwiese im Werkvertragsrecht (§ 631 BGB) geregelt sie. An der Übertragung des Miteigentumsanteils ohne Bauleistung hätten die Parteien kein Interesse gehabt.  Damit greife die 10-jährie Verjährungsfrist des § 196 BGB nicht. 

Dem folgte der BGH nicht, der vorliegend entgegen dem OLG § 196 BGB anwandte mit der Folge, dass die Forderung noch nicht verjährt sei. 

Richtig sei, dass sich die Bauträgervergütung nicht aufteilen ließe in einen Teil für den Kaufpreis des Grundstücksanteils und einen Teil für die Bauleistungen. Es läge ein einheitlicher Vertrag vor. Bei Bauträgerverträgen sei hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks Werkvertragsrecht, hinsichtlich der Übertragung von Eigentum Kaufrecht anzuwenden. Eine Aufteilung der Bauträgervergütung käme aber nur bei einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien in Betracht, die nicht vorläge. Für den einheitlichen Vergütungsanspruch gelte aber nicht die Verjährungsregelung des § 195 BGB, sondern jene des § 196 BGB.  Dies ergäbe eine Auslegung des § 196 BGB, der als speziellere Regelung § 195 BGB verdränge. 

Nach § 196 BGB würden Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in 10 Jahren verjähren. Die Annahme, das § 106 BGB für den  Vergütungsanspruch des Bauträgers gelte, lasse sich allerdings nicht aus dem Wortlaut ableiten, das die Vergütung die Gegenleistung sowohl für die Übertragung des Eigentums als auch für die Errichtung des Bauwerks sei. Die Errichtung des Bauwerks sei aber von § 196 BGB im Wortlaut nicht erfasst. Aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten sei es aber gerechtfertigt, § 196 BGB als speziellere Regelung des Vergütungsanspruchs des Bauträgers anzuwenden. Da der Vergütungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliege, könne er sich nur nach § 195 BGB oder § 196 BGB richten. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 196 BGB (BT-Drs. 14/7052 S. 179) ergäbe sich, dass mit der Einbeziehung der Ansprüche auf die Gegenleistung in § 196 BGB über die dieser Vorschrift bereits unterfallenden Ansprüche auf Eigentumsübertragung an einem Grundstück hinaus ein in der Sache nicht gerechtfertigtes Ergebnis vermieden werden sollte, das bestehen könnte, wenn derartige Verträge bei Geltung der Regelverjährung nach § 195 BGB für die Ansprüche auf die Gegenleistung nicht beendet werden könnten. Dies greife auch bei Bauträgerverträgen. Da der einheitliche Vergütungsanspruch auch eine Gegenleistung für die von ihm – neben der Bauwerkserrichtung – geschuldete Übertragung des Eigentums an dem Grundstück und damit eine Gegenleistung iSv. § 196 BGB darstelle, sei es gerechtfertigt, insoweit einheitlich die speziellere Verjährungsregelung des § 196 BGB anzuwenden. 

Dem stünde das Urteil des BGH vom 12.10.1978 – VII ZR 288/77 – schon deswegen nicht entgegen, da es auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 12.10.1978 beruhe. Im Übrigen würde der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhalten. 

Damit musste der BGH das Urteil zurückweisen, da das OLG nunmehr neu im Hinblick auf das von den Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht zu entscheiden hat. 

BGH, Urteil vom 07.12.2023 - VII ZR 231/22 -

Donnerstag, 15. Februar 2024

Verspätete Einrede zur Vorleistungspflicht des Verbrauchers (§ 357 Abs. 4 BGB)

Der Kläger erhob gegen die Beklagte Klage auf Rückzahlung des im Voraus entrichteten Kaufpreises für ein Kfz in Höhe von € 59.270,00, nachdem er zuvor wirksam den Widerruf vom Vertragsabschluss erklärt hatte. Im Prozess machte die Beklagte die Vorleistungspflicht des Klägers nach § 357 Abs. 4 BGB (Rücksendung der Ware) geltend. Das Landgericht hatte der Beklagten, da ein Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit (d.h. Zustellung der Klage bei der Beklagten) weggefallen war und  nunmehr der Kläger die Klage zurückgenommen hatte, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO), da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe. Die Beschwerde der Beklagten wurde vom Kammergericht (KG) zurückgewiesen.

Ein Anlass zur Klage iSv. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestünde jedenfalls dann, , wenn diese zum Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig und begründet war (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -) und ferner der Kläger vernünftigerweise habe davon ausgehen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - V ZB 93/13 -).

Der Kläger habe am 29.01.2023 gem. §§ 312c, 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) BGB wirksam den Rücktritt erklärt und am 06.03.2023 die Klage auf Rückzahlung bei Gericht eingereicht. Fällig sei der Rückzahlungsanspruch binnen 14 Tagen nach Zugang der Widerrufserklärung geworden, §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, sie habe nach § 357 Abs. 4 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, da § 357 Abs. 4 BGB eine Vorleistungspflicht des Klägers begründe. Dies halb sei die Klage von Anfang an derzeit unbegründet gewesen, da der Kläger seiner Vorleistungspflicht (so die Rücksendung der Ware) nicht nachgekommen wäre. Das KG bejahte die Vorleistungspflicht des Klägers in Bezug auf die von der Beklagten geltend gemachten Unterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung), dass sich der Anspruch des § 357 Abs. 4 BGB nicht nur auf das Fahrzeug als solches bezöge, sondern auf die Rückgewähr der ebenfalls zur Hauptleistung des Verkäufers gehörenden Zulassungsbescheinigung (BGH, Urteil vom 15.06.1983 - VIII ZR 131/82 -). Bei dem Leistungsverweigerungsrecht des § 357 Abs. 4 BGB, auf welches sich die Beklagte schriftsätzlich bezogen habe, handele es sich jedoch nicht anders als in dem Fall des § 320 BGB, welches zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führe, um eine echte Einrede, woraus folge, dass in Ermangelung einer vorgerichtlichen Einrede die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung noch begründet gewesen sei.

Weiterhin habe die Beklagte auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ebenso wie ein Schuldner, der auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderungen sein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht ausübe (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VIII ZB 3/04 -), könne der Schuldner Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes Leistungsverweigerungsrecht nicht vorprozessual geltend mache. Der Umstand, dass sich der Schuldner in Ermangelung der Vorleistung wirtschaftlich noh nicht als leistungsverpflichtet ansehen müsse, da der Verzug mit der Einredeausübung rückwirkend entfalle, ändere daran nichts. Erst die Einredeerhebung sei das den Rechtsstreit erledigende Ereignis (ähnlich zur Einrede der Verjährung BGH, Urteil vom 27.01.2010 - VIII ZR 58/09 -, und zur Aufrechnungserklärung BGH, Urteil vom 17.07.20003 – IX ZR 268/02 -). Entscheidend sei daher, ob nach dem Verhaltend es Schuldners der Gläubiger mit der Einredeerhebung habe rechnen müssen (BGH, Urteil vom 27.01.2010 aaO.).

Vorliegend habe der Kläger nicht mit der Einredeerhebung rechnen müssen sondern habe zur Überzeugung kommen müssen, dass er ohne Klage nicht zu seinem Recht käme. Die Beklagte habe nämlich nach Eingang des Widerrufs sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den Widerruf bestätigt und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die Erstattung des Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine Vorleistungspflicht es Klägers habe sie sich nicht berufen. Auf eine anwaltliche Zahlungsaufforderung des Klägers vom 16.02.2023 mit einer Wochenfrist habe sie nicht reagiert und auch diese nicht zum Anlass genommen, auf die Vorleistungspflicht hinzuweisen. Damit habe das Verhalten der Beklagten die Annahme des Klägers begründen können, die Beklagte würde die Rückzahlung des erheblichen Vorauszahlungsbetrages ohne sachliche Gründe hinauszögern, ohne sachliche Einwende zu haben oder vorbringen zu wollen.

Anmerkung: Gleiches gilt auch in dem Fall, dass der Verkäufer nicht zahlt, sondern sich im Prozess nunmehr (wirksam rückwirkend) auf die Vorleistungspflicht des Käufers beruft., Erklärt nunmehr der Käufer die Hauptsache für erledigt, sind dem Verkäufer die Kosten aufzuerlegen, § 91a ZPO.

Kammergericht, Beschluss vom 28.08.2023 - 8 W 34/23 -

Sonntag, 21. Januar 2024

Sachmangelhaftung: Arglistiges Verschweigen trotz Unkenntnis der Mangelursache

Die Kläger erwarben von den Beklagten mit notariellem Vertrag ein Grundstück mit Einfamilienhaus; die Sachmängelhaftung wurde ausgeschlossen. Bereits vor dem Vertragsabschluss war es wiederholt zu Wassereintritten auf die im Maklerexposé benannte überdachte Terrasse sowohl im Bereich des von den Beklagten selbst errichteten Kunststoffdaches als auch in dem von dem dachpfannengedeckten Hausdach überdachten Bereich gekommen, wobei die Beklagten wiederholt Reparaturen versuchten. Die Kläger leiteten ein selbständiges Beweisverfahren ein, welches zwei Ursachen für den Wasseraustritt aus den Deckenverkleidungen ergaben. Die Kläger begehrten die Schadensbeseitigungskosten gemäß dem im Sachverständigengutachten im Beweisverfahren benannten Kosten sowie weitere Kosten für eine Notreparatur. Das Landgericht sprach den Klägern einen Teilbetrag der geltend gemachten (fiktiven) Reparaturkoste und die Kostend er Notreparatur sowie die anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Auf die Berufung der Kläger sprach das OLG diesen einen weiteren betrag auf die geltend gemachten Reparaturkosten und anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Mit ihrer Revision begehren die Kläger die weiteren, nicht zugesprochenen Reparaturkosten, vorgerichtlichen Anwaltsgebühren und die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche künftigen Schäden aufgrund der Undichtigkeit.

Der BGH hob das Urteil des OLG unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses auf. 

Zutreffend habe das OLG festgestellt, dass den Klägern wegen des vereinbarten Ausschlusses der Sachmängelhaftung in der nach Art. 229 § 58 BGB bis zum 31.12.2021 noch anwendbaren Fassung gemäß §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1, 3 BGB zustünde, wenn die Beklagten einen Mangel arglistig iSv. § 444 BGB verschwiegen hätten. Dies sei der Fall, da die Wassereintritte nach § 434 Abs. 1 BGB a.F. einen Sachmangel und nicht nur ein Mangelsymptom darstellen würden; das regelmäßige Eindringen von Wasser stelle sich nicht nur als ein Symptom eines Mangels, sondern selbst als Sachmangel dar. Ein Mangelsymptom läge nur dann vor, wenn die Merkmale eines Sachmangels iSv. § 434 Abs. 1 BGB a.F. (noch) nicht erfüllt seien. So seien Feuchtigkeitsflecken in einem Keller, die auf einen feuchten Keller schließen ließen, nur ein bloßes Mangelsymptom (BGH, Urteil vom 16.03.2012 – V ZR 18/11 -).

Das OLG hatte eine Arglist der Beklagten verneint. Dem folgte der BGH nicht. Kläre der Verkäufer den Käufer eines Hausgrundstücks nicht über Wassereintritte durch ein Terrassendach auf, handele er arglistig, auch wenn er deren Ursache (nicht) nicht oder nur teilweise kennen würde.

Arglist verlange Eventualvorsatz; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genüge ebenso wenig wie ein bewusstes Sichverschließen. Arglistiges Verschweigen sei danach dann anzunehmen, wenn der Verkäufer den Mangel kenne (wobei es ausreichend ist, wenn er Kenntnis von der Abweichung von einer üblichen Beschaffenheit habe, ohne dies einem Mangel zuzuordnen) oder ihn zumindest für möglich halte und zugleich weiß oder jedenfalls damit rechne und billigend in Kauf nehme, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abschließen würde. Wenn es sich nicht um einen einer Besichtigung zugänglichen und ohne weiteres erkennbaren Mangel handele, den der Käufer bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen könne, müsse der Verkäufer den Käufer aufklären und dürfe sein konkretes Wissen nicht zurückhalten (BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 73/18 -).

Dabei käme es nur darauf an, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kenne, nicht aber (auch) darauf, dass er daraus den Schluss auf das Vorliegen eines Sachmangels ziehe (BGH, Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11 -). Der BGH wies ergänzend darauf hin, dass eine entsprechende Offenbarungspflicht zudem auch bei Vorliegen von Mangelsymptomen bestehen könne, die für den Käufer nicht ohne weiters erkennbar seien BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 274/16 -). Im Übrigen käme es nicht darauf an, ob der Verkäufer die Mangelursache kenne oder er nur eine von mehreren Ursachen kenne. 

Damit sei vorliegend von Arglist auszugehen. Die Wassereintritte seien den Klägern von den Beklagten, denen sie bekannt waren, nicht offenbart. Ob - wie im selbständigen Beweisverfahren festgestellt – die Ursache nicht nur auf eine Undichtigkeit im Bereich des Anschlusses des Kunststoffdaches zum Traufbereich des Hausdaches beruhte, sondern auch auf die durch Abrisse bedingte Undichtigkeit der unter den Dachpfannen verlegten Folie in den Anschlussbereichen zum Traufbereich und zu den Dachfenstern zurückzuführen war, sei dabei unerheblich.

Auch sei die Revision im Hinblick auf den Feststellungsantrag begründet. Ob über die geltend gemachten Zahlungsansprüche eine hinausgehende Haftung der Beklagten in Betracht käme, sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Feststellungsklage. Die Begründetheit könne in Ansehung der Ausführungen zum Schadensersatzanspruch nicht verneint werden. Es bestünde auch - schon in Ansehung der durch die fiktive Geltendmachung des Schadensersatzes  bei Durchführung der Arbeiten zu zahlenden Umsatzsteuer - ein Feststellungsinteresse, um den Anspruch nicht verjähren zu lassen. 

BGH, Urteil vom 27.10.2023 - V ZR 43/23 -

Samstag, 13. August 2022

Immobilienkaufvertrag: Zeitpunkt der Kenntnis von Mängeln bei vollmachtloser Vertretung

In dem notariellen Kaufvertrag war ein Ausschluss für Sachmängelhaftung vereinbart worden. Der Beklagte, der Käufer war, wurde von dem Makler (Kläger), der von der Verkäuferin (Drittwiderbeklagten) auf Zahlung der Maklergebühren verklagt. Vom Beklagten wurde gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagte Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben.

Bei dem Vertragsabschluss sind sowohl der Käufer wie auch die Verkäuferin durch vollmachtlose Vertreter vertreten worden. Die Verkäuferin ließ ihre Genehmigungserklärung durch ihren Geschäftsführer am 15.04.2019 notariell beglaubigen.  Am 06.05.2019 erfuhr der Käufer spätestens, dass die vermietete Wohnfläche statt 1.703,41 m², wie im Exposé angegeben, nur 1.412,41 m² beträgt, die Fläche eines Hinterhofgebäudes statt 153 m² nur 55,27 m². Mit Schreiben vom 29.05.2019 sandte der Käufer dem Notar die am 15.04.2019 beglaubigte Genehmigungserklärung mit der Angabe im Anschreiben, die Überlassung erfolge „ohne Präjudiz und unbeschadet etwaiger Ansprüche gegenüber dem Verkäufer und/oder Makler u.a. wegen unzutreffender Angaben zum Kaufgegenstand“ erfolge. Mit der Widerklage begehrte der Käufer Schadensersatz, da die Wohnfläche geringer sei als im Exposé angegeben.  

Der Klage des Maklers wurde stattgegeben, die Widerklage zurückgewiesen. Die vom Käufer eingelegte Berufung wurde vom OLG im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Der BGH wies mit Urteil die vom Käufer eingelegte Revision zurück. Ein Schadensersatzanspruch des Käufers gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB bestünde nicht.

Da das OLG offen ließ, ob die vorhandene Wohnfläche im Hinblick auf die Angaben im Exposé einen Mangel darstelle, unterstellte dies der BGH im Sinne des noch bis zum 3.12.2021 anwendbaren § 434 Abs. 1 BGB (Art, 229 § 58 EGBGB), da für den Käufer günstig, als gegeben, ebenso, dass der Käufer bis zur Beurkundung des Kaufvertrages keine Kenntnis von der geringeren Wohnfläche hatte. Der Wirksamkeit des Kaufvertrages stünde auch die Erklärung des Käufers gegenüber dem Notar nicht entgegen, mit der dieser diesem die Genehmigungserklärung überließ, da er sich nicht gegen den Kaufvertrag als solchen wandte, sondern sich nur seine Rechte habe vorbehalten wollen. Allerdings scheitere der Anspruch des Käufers daran, dass er vor der Übersendung der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung Kenntnis von der Flächenabweichung gehabt habe; dies ergäbe sich aus § 442 Abs. 1 S. 1 BGB.

§ 442 Abs. 1 S. 1 BGB schließe Rechte des Käufers wegen eines Mangels, der er bei Vertragsschluss kenne, aus. Zu Stande gekommen sei der Kaufvertrag noch nicht mit dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages, da der Käufer und die Verkäuferin durch vollmachtlose Vertreter handelten und damit nach § 177 Abs. 1 BGB und den ergänzend getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Kaufvertrag erst mit dem Zugang der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung des Käufers bei dem Notar zu Stande gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt aber kannte der Käufer den Mangel. Zwar habe der Käufer bereits zuvor über einen Messengerdienst dem Notar eine Ablichtung der Genehmigung überlassen; im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte öffentlich beglaubigte Form der Genehmigungserklärung habe dies aber für eine wirksame Genehmigung nicht ausgereicht. Ein konkludenter Formverzicht, wenn er überhaupt möglich sein sollte, wäre nicht gegeben, da diese Korrespondenz nur zwischen dem Käufer und dem Makler geführt worden sei, nicht zwischen den Kaufvertragsparteien.

Allerdings komme es für das endgültige Wirksamwerden des schwebend unwirksamen Vertrages bei einer Genehmigung der Erklärung eines vollmachtlosen Vertreters nicht an. Es sei eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Maßgeblich sei bei einem so zustande gekommenen Vertrag die Kenntnis des Käufers zum Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung. Werden das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages und dessen Annahme zeitlich versetzt beurkundet, sei § 442 Abs. 1 S. 1 BGB einschränkend dahingehend auszulegen, dass dem Käufer nur die Kenntnis von einem Sachmangel im Zeitpunkt der Beurkundung seines Angebots schade, es auf den Zeitpunkt dessen Annahme durch den Käufer nicht ankomme. Dem läge der Gedanke zugrunde, dass der Käufer nicht in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht würde, wenn er den Kauf trotz des Mangels gewollt habe (BGH, urteil vom 15.06.2012 - V ZR 198/11 -). In diesem Fall sei er nicht schutzwürdig, da er sich mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechte in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten stellen würde, das Angebot trotz Kenntnis von dem Mangel anzunehmen.

Würde wie hier der Käufer durch einen vollmachtlosen Vertreter bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages vertreten, komme es für seine Kenntnis vom Mangel iSv. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an. Er sei in gleicher Weise schutzwürdig wie im Falle eines gestreckten Vertragsabschlusses, wenn ihm die Mängel erst nach Abgabe der Genehmigungserklärung bekannt würden. Die Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB sei dabei unbeachtlich, da es der Käufer bis zur Genehmigung in der Hand habe, den Vertrag abzuschließen. Abgegeben sei die empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie mit dem Willen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gebracht worden sei. Solange dies nicht erfolge, müsse er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen.

Der Fall sei auch nicht vergleichbar mit der Konstellation, bei der der Käufer erst nach Vertragsabschluss von Mängeln erfährt und gleichwohl bei der Heilung eines formnichtigen Vertrages mitwirkt bzw. dies nicht verhindert, da er damit nur verdeutliche, dass er sich nicht auf einen Formmangel berufen möchte.

Der Käufer, der a, 15.04.2019 die Genehmigungserklärung notariell habe beurkunden lassen, dies aber erst am 28.05.2019 absandte, hatte damit jedenfalls Kenntnis von dem Mangel vor Übersendung der Genehmigungserklärung und müsse dies gegen sich gelten lassen.

Die Widerklage gegen den Makler sei abzuweisen, da der Käufer nicht hätte nachweisen können, dass er den Kaufvertrag nicht zu denselben Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn ihm die Flächenabweichungen bekannt gewesen wären. Hier sei für die Kausalität auf die Absendung der Genehmigungserklärung abzustellen, die erst zur Wirksamkeit des Kaufvertrages geführt habe.

Die Maklercourtage sei vom Käufer zu zahlen, da er den Vertragsabschluss trotz Kenntnis aller Umstände herbeigeführt habe.

BGH, Urteil vom 06.05.2022 - V ZR 282/20 -

Donnerstag, 30. September 2021

Vorteilsausgleichung: Anrechnung zugesprochener Prozesszinsen auf Schadensersatz wegen Darlehenszinsen

Die Klägerin und deren Ehemann erwarben von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Eigentumswohnung. Zum Kauf schlossen sie einen Darlehensvertrag mit einer Bank über € 141.300,00 mit Zinsfestschreibung bis zum 31.03.2017. Aus hier nicht relevanten Gründen klagten sie (auch aus abgetretenen Recht ihres Ehemanns) auf Zahlung von € 141.300,00 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2012 Zug um Zeug gegen Rückübertragung der Eigentumswohnung an die Beklagte und Feststellung, dass die Beklagte zum Ausgleich weiterer Vermögensschäden aus dem Erwerb der Eigentumswohnung verpflichtet ist. Der Klage wurde am 23.07.2019 stattgegeben. Im Mai 2017 vereinbarten die Klägerin und ihr Mann mit der Bank zur Ablösung des Darlehens eine Zwischenfinanzierung. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte die Klageforderung einschließlich der geltend gemachten Prozesszinsen von € 27.453,07. Im vorliegenden Verfahren verlangte die Klägerin (auch aus abgetretenen Recht ihres Ehemanns) Zahlung der für das Darlehen aufgewandten Zinsen und die für die Zwischenfinanzierung, der das Landgericht in Höhe von € 35.924,72 stattgab. Auf die Berufung bestätigte das OLG unter Abweisung der Klage im Übrigen das Urteil in Höhe von € 34.191,81. Mit der zugelassenen Revision begehrte die Beklagte die Abweisung der Klage in Höhe weiterer € 27.453,07 (Zinsen des Darlehens) nebst anteiligen Zinsen darauf. Der BGH hob das Urteil in Höhe von € 8.509,13 nebst anteiliger Zinsen auf und verwies insoweit den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Nach dem rechtskräftigen landgerichtlichen Urteil des Vorprozesses sei die Beklagte zum Ausgleich des weiteren auf dem Erwerb beruhenden Vermögensschadens verpflichtet. Diese auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch umfasse auch die für die Finanzierung des Erwerbs aufgewandten Kreditkosten. Diese seien der Höhe nach ebenso unstreitig wie die von der Klägerin vorgenommenen Abzüge für Mieteinnahmen. Allerdings wolle die Beklagte die in Höhe von € 27.453,07 von ihr gezahlten Prozesszinsen auf die Darlehenszinsen in Anrechnung bringen und insoweit abziehen. Der Ansicht des OLG, dass insoweit eine Anrechnung in Form der Vorteilsausgleichung nicht in Betracht käme, der der BGH nicht folgte.

Die Schadensberechnung sei nach der Differenzhypothese vorzunehmen und es kämen dafür die allgemeinen Grundsätze der Schadenszurechnung und der Vorteilsausgleichung zur Anwendung. Vorteile, die durch das schädigende Ereignis adäquat kausal verursacht worden seinen und deren Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzverpflichtung entsprächen und weder den Geschädigten unzumutbar belasten und den Schädiger und unbillig begünstigen würden, seien zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 14.09.2004 - VI ZR 97/04 -). Daraus folge, dass dem Gläubiger neben dem Anspruch auf Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB aus einem überlassenen Geldbetrag nicht kumulativ ein Anspruch auf Prozesszinsen für den überlassenen Betrag zustehe. Diese Zinsen hätten die Funktion, einen Nachteil des Gläubigers auszugleichen, den er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Geldbetrages habe. Durch die Herausgabe gezogener Nutzungen sei dieser Nachteil ausgeglichen. Mit der Zubilligung zusätzlicher Prozesszinsen würde der Gläubiger ohne Grund bessergestellt als bei rechtzeitiger Zahlung (BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 341/17 -). Daher könnten Prozesszinsen und Verzugszinsen nicht nebeneinander geltend gemacht werden, da ansonsten der Vorenthaltungsschaden doppelt entschädigt würden. Für denselben Zeitraum könne daher nur der Nutzungsersatz oder der Anspruch auf Prozesszinsen geltend gemacht werden, je nachdem, welcher für den Gläubiger günstiger sei. Vor diesem Hintergrund seien die bis zum 05.05.2017 gezahlten Prozesszinsen auf die der Klägerin erstatten Zinsen für das erste Darlehen anzurechnen.

Auch wenn vorliegend die Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht im Wege des Bereicherungsausgleichs sondern im Wege des Schadensersatzes wegen fehlerhafter Beratung gemäß § 280 Abs. 1 BGB erfolgt sei, würden keine anderen Grundsätze gelten. Es handele sich um einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch mit dem der Zustand geschaffen werden soll, der (hypothetisch) der Vermögenslage ohne das schädigende Ereignis entspräche, § 249 Abs. 1 BGB. Würden die Prozesszinsen bei dem Schadensersatz wegen der Darlehenszinsen außer Betracht bleiben, würde der unzutreffende Zustand eintreten, als habe die Klägerin die Erwerbskosten aus eigenen Mitteln finanziert.

Die Vorteilsausgleichung sei durch die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils aus dem Vorprozess auch nicht ausgeschlossen. Die Rechtskraft erstrecke sich auf die Tatsachen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorlagen und hätten eingewandt werden können, soweit die das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen. Dies gelte aber nur, soweit es um die grundsätzliche Verpflichtung des Schuldners zum Ersatz des Schadens geht. Ob und in welcher Höhe ein Schaden eingetreten ist, würde von dem Feststellungsurteil nicht umfasst. Dies sei, wie hier, in dem Folgeprozess zu klären. Hier sei die Höhe des Schadens zu bestimmen; es handele sich um den haftungsausfüllenden Tatbestand der im Vorprozess mit dem Feststellungsurteil festgestellten Haftung dem Grunde nach. Die Zuerkennung von Prozesszinsen im Vorprozess sage daher nichts darüber aus, ob diese auf den weiter geltend gemachten Schaden anzurechnen sind.

Auf Darlehenszinsen seien daher Prozesszinsen anzurechnen, soweit sie den gleichen Zeitraum betreffen. Von daher seien vorliegend nicht alle Prozesszinsen anzurechnen. Eine Kongruenz bestünde für den als Prozesszinsen zugesprochenen Zeitraum vom 21.12.2012 bis zum 04.05.2017, nicht für gezahlte Darlehenszinsen im Zeitraum bis 20.12.2012, da die Prozesszinsen nur ab dem 21.12.2012 zugesprochen worden seien. Gleiches gelte auch für die für den Zeitraum ab dem 05.05.2017 zugesprochenen Prozesszinsen (€ 1.770,93). Bedingt durch die Zwischenfinanzierung seien ab dem 05.05.2017 keine Darlehenszinsen mehr gezahlt worden; die Kosten der Zwischenfinanzierung seien nicht Gegenstand der beschränkt eingelegten Revision.  Das Landgericht habe diesen Betrag bei dem auf die für die Zwischenfinanzierung in Anrechnung gebracht. Sie könnten nicht noch einmal bei den Darlehenszinsen, wie von der Beklagten auf die für das Darlehen gezahlten Zinsen verrechnet werden.

Der Betrag von € 8.509,13 setze sich aus zwei Teilbeträgen zusammen: € 6.738,74 aus der Differenz des vom OLG zugesprochenen Betrages von € 34.191,81 und der nur in Höhe von € 24.453,07 eingelegten Revision. € 1.770,39, in dessen Umfang das OLG die Prozesszinsen bereits mit den Kosten der Zwischenfinanzierung verrechnet habe. Insoweit sei die Revision unbegründet.

In Höhe des verbleibenden Betrages von € 25.682m68 sei das Urteil zur neuen Verhandlung und Entscheidung durch das OLG aufzuheben und zurückzuverweisen. Das OLG habe insoweit keine Feststellung dazu getroffen, ob im Zeitraum 21.12.2012 bis 04.05.2017 Darlehenszinsen in dieser Höhe gezahlt wurden. Eine Anrechnung käme bei der Feststellung in Betracht, dass die Darlehenszinsen hinter dem für den gleichen Zeitraum gezahlten Prozesszinsen zurückblieben, und zwar in Höhe der Differenz.

BGH, Urteil vom 02.07.2021 - V ZR 95/20 -

Dienstag, 27. Juli 2021

Kaufvertragliches Gewährleistungsrecht und Rückabwicklungsanspruch bei Mängeln durch Nachbesserung

Der Kläger hatte bei einem von ihm bei der Beklagten gekauften Gebrauchtwagen einen Mangel in Form von Ölverlust geltend gemacht. Das Fahrzeug war bei der Beklagten zur Reparatur, bei der auch das Automatikgetriebe ausgebaut und der Vorderachsträger gelöst werden mussten. Nach Durchführung der Arbeiten teilte der Kläger der beklagten mit, dass zwar kein Ölverlust mehr bestünde, machte aber nunmehr Mängel geltend, die bei der Nachbesserung eingetreten sein sollen. Darauf berufend begehrte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Das Landgericht (LG) wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Mangel Ölverlust beseitigt worden sei und die weiterhin neu benannten Mängel nicht nachgewiesen seien, jedenfalls aber noch nicht fehlgeschlagen seien iSv. § 440 S. 2 BGB (erfolgloser zweiter Nachbesserungsversuch).

Zwar sollte das Oberlandesgericht (OLG) die Berufung gemäß dem Hinweisbeschluss zurückweisen, folgte aber der vom LG benannten Begründung in einem entscheidenden Punkt nicht: Es war nicht der Ansicht, dass die Rückabwicklung für den Fall, dass bei der Nachbesserung des Mangels Ölverlust ein zweiter Nachbesserungsversuch nach § 440 S. 2 BGB ermöglicht werden müsste.

Ein Rücktrittsrecht aus dem Sachmängelgewährleistungsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 323, 440 BGB käme nicht in Betracht, da dies zur Voraussetzung habe, dass ein Mangel iSv. § 434 BGB bei Gefahrübergang vorlag und eine Nacherfüllung, wie sie in § 439 BGB vorgesehen sei, entweder ausgeschlossen sei (§ 275 Abs. 1 BGB), fehlgeschlagen (§ 440 S. 2 BGB) oder verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) worden sei.  

Der Ölverlust sei ein Sachmangel, der bei Gefahrübergang vorgelegen habe. Dieser sei unstreitig behoben worden. Ein Rücktrittsrecht könne sich daher darauf nicht beziehen. In den jetzt benannten Mängeln (fehlerhafte Einstellung der Spur pp.) läge auch kein Fehlschlagen der Nacherfüllung. Ein Fehlschlagen der Nacherfüllung sei alleine danach zu beurteilen, ob der dem Nacherfüllungsverlangen zugrunde liegende Mangel behoben worden sei. Die nunmehr geltend gemachten Mängel hätten allerdings auch nicht bei Gefahrübergang vorgelegen und beträfen andere Bauteile des Fahrzeugs.  Diese eventuellen neuen Mängel seien bei Gelegenheit der Nacherfüllung verursacht worden. Damit sei nicht das Äquivalenz- bzw. Erfüllungsinteresse des Klägers (Beseitigung des Mangels), sondern sein Integritätsinteresse (Mangelverursachung an einer zuvor mangelfreien Sache) betroffen. Es könne deshalb nicht die Kaufpreisrückzahlung als Schadensersatz statt der Leistung mit der Rückabwicklungsfolge der §§ 282 Abs. 5, 346 bis 348 BGB verlangt werden. Geltend gemacht werden könne nur Schadensersatz neben der Leistung aus § 280 Abs. 1 BGB; dieser Anspruch sei aber nur auf Beseitigung des neuen Schadens gerichtet, nicht aber auf Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Der bei einer Nachbesserung einen neuen Schaden verursachende Verkäufer verletze idR. die aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende Nebenpflicht, auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen und könne ggf. ein Rücktrittsrecht nach § 324 BGB bzw. einen Anspruch aus Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 282 BGB begründen. Eine Analogie nach §§ 282 Abs. 5, 346 bis 348 BGB scheide aus.

Selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihm ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar sei. Es habe eine Interessensabwägung zu erfolgen. Danach sei eine besonders schwerwiegende Schutzpflichtverletzung des Verkäufers erforderlich. Die benannten, bei der Mängelbeseitigung Ölverlust angeblich verursachten Mängel ließen sich folgenlos beheben und das Fahrzeug sei auch weiterhin nutzbar und sei vom Kläger auch genutzt worden (13.000 km).

OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.04.2021 - 2 U 46/20 -

Donnerstag, 10. Juni 2021

Arglistiges Verschweigen durch Testamentsvollstrecker bei fehlender Offenbarung von Denkmalschutz ?

Die Denkmalschutzeigenschaft eines Gebäudes, welches Kaufobjekt ist, kann sich als Sachmangel iSv. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellen. Ein Käufer einer Immobilie darf grundsätzlich davon ausgehen, dass diese nicht unter Denkmalschutz steht, da Denkmalschutz die Ausnahme von der Regel ist. Mit dem Denkmalschutz sind Verpflichtungen und Beschränkungen für den Eigentümer verbunden, die einer öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung gleichkommen. So bedarf es bei Veränderungen der Genehmigung der zuständigen Behörde und das Denkmal ist in einem denkmalgerechten Zustand zu erhalten. Häufig sind sowohl Umbau wie auch Erhaltungsmaßnahmen nur unter (die Kosten erhöhenden) denkmalschutz-rechtlichen Auflagen möglich. Offen ist, ob das Gebäude in das Verzeichnis der geschützten Denkmäler aufgenommen sein muss, oder ausreichend ist, dass es in ein Verzeichnis von erkannten Denkmälern aufgenommen ist (so die Unterscheidung nach dem vorliegend zur Anwendung gekommenen Hamburger Denkmalschutzgesetz). 

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein notarieller Kaufvertrag vom 21.12.2009, mit dem der Beklagte als Testamentsvollstrecker (der Erbengemeinschaft gehörten der Testamentsvollstrecker, sein Bruder und seien Schwester an) aus einem Nachlass seines 1999 verstorbenen Vaters ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in Hamburg an eine KG unter Ausschluss der Sachmängelhaftung veräußerte. Weiter hieß es in dem Kaufvertrag, dass der Verkäufer darauf hinweise, dass nach seiner Kenntnis das Objekt nicht in der Denkmalschutzliste eingetragen sei, „es jedoch aus Sicht des Denkmalpflegers erhaltenswerte Bauelemente gibt“. Tatsächlich war das Objekt in die Liste der erkannten Denkmäler aufgenommen worden und das diesbezügliche Informationsschreiben der Schwester des Testamentsvollstreckers am 17.05.2006 durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden sowie an den beklagten Testamentsvollstrecker und seinen Bruder an die Grundstücksverwaltung gesandt worden. Der Kläger beabsichtigte das Haus zu sanieren und einer ursprünglichen Nutzung als Einfamilienhaus zuzuführen. In 2012 erhielt er im vereinfachten Verfahren eine Baugenehmigung. In 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen, woraufhin das Denkmalschutzamt einen Baustopp erließ. Für die geänderte Planung erhielt der Kläger eine Baugenehmigung unter Auflagen. Mit seiner Klage begehrte er als Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen rund € 2,8 Mio. und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden. Der Klage wurde, nachdem das Landgericht sie abgewiesen hatte, auf die Berufung des Klägers hin vom OLG stattgegeben. Die Revision zum BGH führte zur Aufhebung des Urteils des OLG.

Auch wenn hier das Haus zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses noch nicht in die Liste der Denkmäler eingetragen war, so war es doch in der Liste der erkannten Denkmäler eingetragen. Den Verkäufer treffe nach Ansicht des BGH eine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung seien und deren Mitteilung der Käufer nach der Verkehrsauffassung erwarten dürfe. Dies würde auch für die Eintragung in die Liste der erkannten Denkmäler gelten. Sie löse auch nach dem Hamburger Denkmalschutzgesetz (in der Fassung bei Kaufvertragsabschluss) die bußgeldbewehrte Pflicht aus, alle beabsichtigten Veränderungen dem Denkmalschutzamt anzuzeigen, woraufhin das Denkmalschutzamt prüfen könne, ob es ein Unterschutzstellungsverfahren einleite. Eine Unterschutzstellung sei wahrscheinlich, da es sich mit der Eintragung in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler um ein Gebäude handele, wessen Erhaltung im öffentlichen Interesse läge. Vor diesem Hintergrund käme ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht. Voraussetzung wäre, da es sich bei der Eintragung in das Verzeichnis erkannter Denkmäler um einen Sachmangel handele, für den hier eine Haftung vertraglich ausgeschlossen sei, dass der Beklagte vorsätzlich arglistig gehandelt habe, § 444 BGB, und setze, wegen der Sperrwirkung der Sachmängelhaftung, eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht voraus.  

Eine Arglist des Beklagten negierte - anders als das OLG - der BGH.

Abzustellen sei auf den Beklagten, da dieser die Immobilie in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker veräußert habe und damit selbst Vertragspartner des Klägers geworden sei. Nur seine Person sei, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch Kenntnis oder Kennenmüssen von Umständen beeinflusst würden, entscheidend. Nicht abgestellt werden könne auf den Fall (BGH, Urteil vom 08.04.2016 - V ZR 150/15 -), bei dem sich keiner der Verkäufer gem. § 444 Alt. 1 BGB auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen könne, wenn einer der Mitverkäufer einen Mangel arglistig verschweige. Der für den Nachlass handelnde Testamentsvollstrecker bilde mit den (hier weiteren) Erben keine Verkäufermehrheit. Mithin wäre eine eigene positive Kenntnis des Verkäufers erforderlich oder dass ihm die Kenntnis eines Wissensträgers analog § 166 BGB zugerechnet werden könne. Beides sei nicht der Fall.

Vorliegend habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass das Haus unter Beobachtung des Denkmalschutzes stünde. Dass er Kenntnis von einer Eintragung in eine Liste erkannter Denkmäler gehabt habe, ist nicht bewiesen. Die Kenntnis seiner Schwester sei ihm nicht zuzurechnen, das er als Testamtsvollstrecker alleine der Verkäufer war; eine Zurechnung über das Institut der „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustauschs“ käme daher hier nicht in Betracht. § 166 BGB sie hier nicht einschlägig, da nach den Feststellungen des OLG nicht davon auszugehen sei, dass der Beklagte seine Schwester damit betraut habe, bestimmte Aufgaben in Bezug auf das Grundstück zu erledigen. Auch die Rechtsprechung, dass eine Organisation im Rahmen des ihr zumutbaren sicherstellen müsse, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen würden, greife nicht, da eine derartige Situation zwischen dem Beklagten und seinen Geschwistern nicht vorläge. Der Erbe sei nicht kraft Erbenstellung in die Organisation des Testamentsvollstreckers eingebunden, vielmehr beschränke die Testamentsvollstreckung die Erbenstellung. Auch könne dem Beklagten nicht das Wissen der Grundstücksverwaltung zugerechnet werden, da nicht vorgetragen wurde, dass diese in die Veräußerung des Hauses einbezogen worden sei. Die Wissenszurechnung aus den Grundsätzen „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustauschs“ scheide auch hier aus, da diese im Verhältnis zwischen einem Grundstücksverkäufers und einer nur mit der Verwaltung beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbständigen Verwaltung nicht stattfinde.

BGH, Urteil vom 19.03.2021 - V ZR 158/19 -

Samstag, 28. November 2020

Zur Abgrenzung von Verschleiß zu Sachmangel beim Gebrauchtwagenkauf

 

Der Kläger kaufte von der gewerblich als Gebrauchswagenhändlerin tätigen Beklagten einen neun Jahre alten Peugeot 307 CC mit einer Laufleistung von 84.820km, der bereits mehrere Vorbesitzer hatte. Im Kaufvertrag wurde „TÜV/AU neu“ vereinbart. Der Kaufvertrag wurde am 11.01.2014 abgeschlossen; die beanstandungsfreie Hauptuntersuchung erfolgte am 14.01.2014. Am 17.01.2014 erfolgte die Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger. Der Kläger machte in der Folgezeit mehrere Mängel geltend, u.a. eine starke Geräuschentwicklung am Auspuff. Im Dezember erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, das Fahrzeug sei von Anfang an – insbesondere am Auspuff – mangelbehaftet gewesen. Die Beklagte berief sich auf einen typischen Verschleiß; Schweißarbeiten, die sie in Ansehung der Rügen des Klägers am Auspuff vorgenommen habe, seien wegen des Verschleißes, nicht aber wegen Mängeln bei Übergabe erfolgt.

Die Wandlungsklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Entgegen der Annahme des Klägers ging auch der BGH nicht davon aus, dass ein Mangel an der Auspuffanlage vorlag. Der Kaufgegenstand sei mangelfrei, wenn er die vereinbarte Beschaffenheit aufweise. Sei eine Beschaffenheit nicht vereinbart, sei die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne und eine Beschaffenheit aufweise, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten dürfe (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).

Die Vereinbarung „TÜV(AU neu“ stelle sich bei interessengerechter Auslegung als stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend dar, dass sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten, verkehrssicheren Zustand befindet. Dies sei hier mangels anderweitiger Feststellungen der Fall.

Das Fahrzeug habe sich auch für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder für die gewöhnliche Verwendung geeignet. In beiden Alternativen käme es darauf an, ob der (ältere) Gebrauchtwagen zur Verwendung als Fahrzeug im Straßenverkehr nicht oder nur eingeschränkt geeignet sei. Dabei habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass ein normaler Verschleiß an der Auspuffanlage eines Gebrauchtwagens keinen Sachmangel darstelle, da bei der Beurteilung zu berücksichtigen sei, dass Verschleißteile eines Kraftfahrzeuges in Abhängigkeit von Alter, Laufleistung, Anzahl der Vorbesitzer, Art der Vorbenutzung und Qualität des Fahrzeuges einer kontinuierlichen Abnutzung, so auch durch Rosterscheinungen, unterliege. Währen bei sicherheitsrelevanten Teilen (wie Bremsanlage) eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit mit der Folge der fehlenden Eignung zur Verwendung im Straßenverkehr und damit ein Sachmangel vorläge,  sei bei einem Verschleiß im Übrigen nicht von einem Sachmangel auszugehen. Dies selbst dann, wenn sich daraus in absehbarer Zeit ein Erneuerungsbedarf ergäbe. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass bei einem zehn Jahre alten Gebrauchswagen mit vielen Vorbesitzern und einer Laufleistung von über 80.000km (nicht sicherheitsrelevante) Durchrostungen an der Auspuffanlage einen „normalen Verschleiß“ darstellen würden, sei nicht zu beanstanden.

Auch aus der Vermutung des§ 476 BGB a.F. (heute: § 477 BGB) ließe sich nichts anderes ableiten. Zwar greife die Vermutung zugunsten des Käufers bereits dann, wenn diesem der Nachweis gelinge, dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt habe, der die Haftung des Verkäufers wegen Abweichung von einer Beschaffenheit begründe, unterstellt die Ursache des Zustandes lägen in einem dem Verkäufer zurechenbaren Umstand.  Die Vermutungswirkung führe dazu, dass ein in den ersten sechs Monaten zutage getretener mangelhafter Zustand als bei Gefahrübergang bestehend angenommen würde. Allerdings sei hier ein mangelhafter Zustand in den ersten sechs Monaten nicht aufgetreten. Die beanstandete Geräuschentwicklung mag zwar mehr oder minder starke Durchrostungen aufgewiesen haben, doch sei dies ein normaler verschleiß und damit kein mangelhafter Zustand.

BGH, Urteil vom 09.09.2020 - VIII ZR 150/18 -

Freitag, 4. September 2020

Beweislast für fehlende Aufklärung offenbarungspflichtiger Umstände bei einem Grundstückskaufvertrag


Die Kläger verkauften den Beklagten mit notariellem Kaufvertrag ein Grundstück unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Das Grundstück war mit einem Wochenendhaus nebst einer Motorradgarage bebaut, wobei die Garage als Wohnraum mit genutzt wurde. Nach Eigentumsübergang wandte sich die Bauaufsicht an die Kläger und wies darauf hin, dass die Garage nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe und ein Rückbau angedacht sei. Die Kläger haben daraufhin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Kaufpreis (Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums) verlangt. Auf die Berufung wurde der Klage stattgegeben, da das Berufungsgericht von einer unterlassenen Aufklärung durch die Beklagten ausging. Dem folgte der BGH nicht, der das Urteil aufhob und den Rechtsstreits an das Berufungsgericht zurückverwies.

Von Grundsatz her kann auch nach Auffassung des BGH bei arglistiger Täuschung und wirksamer Anfechtung des Vertrages von den Klägern die Rückabwicklung des Vertrages (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) und Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Haftung bei Vertragsschluss (§ 280 Abs.1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) in Betracht kommen. Auch sei vom Berufungsgericht richtig davon ausgegangen worden, dass die arglistige Täuschung objektiv angenommen werden kann, wenn Räume als Wohnräume angepriesen würden, obwohl eine dafür erforderliche baurechtliche Genehmigung nicht vorliege. Dies deshalb da die Baubehörde die Nutzung jedenfalls bis zur Erteilung einer Genehmigung untersagen könne (BGH, Urteil vom 27.06.2014 – V ZR 55/13 -).

Die subjektive Seite des arglistigen Handelns bei der unterlassenen Aufklärung erfordere, dass der Verkäufer den Fehler jedenfalls für möglich hält und weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem Inhalt abgeschlossen hätte.

Allerdings würden die beklagten als Verkäufer nicht die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung tragen. Allerdings trage derjenige, der einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechte, die Darlegungs- und Beweislast für alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen. Dazu gehöre bei der Täuschung durch Verschweigen die fehlende Offenbarung. Da es sich dabei um eine negative Tatsache handele, kämen daher dem Käufer die Grundsätze der sekundären Beweislast zugute. Damit müsse der Verkäufer substantiiert in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht eine Aufklärung darlegen und es wäre Sache des Käufers, dies zu widerlegen.

Alleine die notarielle Form des Vertrages rechtfertige hier keine abweichende Sicht. Auch wenn hier im Vertrag aufgenommen worden sei, dass den Verkäufern unsichtbare Mängel nicht bekannt seien, würde dem kein Beweiswert in Bezug auf eine von den Verkäufern behauptete Aufklärung zulassen. Denn bei Aufklärung läge bereits kein „unsichtbarer“ Mangel mehr vor.

Anders als das Berufungsgericht, welches von einer Umkehr der Beweislast auf Grund der Bestimmungen im Kaufvertrag ausging, negierte der BGH eine Umkehr der Beweislast.  Die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Kaufvertragsurkunde erstrecke sich nicht auf bei Besichtigungen und Vertragsverhandlungen erteilte Informationen, die als solche nicht der notariellen Form bedürften (BGH, Urteil vom 15.07.2011 – V ZR 171/10 -).

Auch aus der Regelung im notariellen Kaufvertrag, der Grundbesitz werde in dem Zustand verkauft, in dem er sich bei der letzten Besichtigung befunden habe, würde sich keine Rechtfertigung für eine Beweislastumkehr herleiten lassen. Daraus würde sich nichts zu eine Zulässigkeit als Wohnraumnutzung vor Vertragsabschluss ergeben.

Die Rückverweisung durch den BGH erfolgte, da sich das Berufungsgericht nicht damit auseinandersetzte, ob es den Klägern gelungen sei, die beklagtenseits behauptete Aufklärung zu widerlegen.

BGH, Urteil vom 06.03.2020 - V ZR 2/19 -

Montag, 28. Januar 2019

Sozialbindung der Wohnung als (Rechts-) Mangel


In dem notariellen Kaufvertrag der Parteien hieß es: „Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Wohnungseigentums sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn, der Verkäufer handelt vorsätzlich. Der Kläger (Käufer) verlangte von der Beklagten (Verkäuferin) die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Feststellung, dass die Beklagte ihm zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet sei. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Auf die (zugelassene) Revision hob der  BGH das Urteil auf du verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.

Der BGH stellte fest, dass die Wohnung einen Mangel iSv. § 435 S. 1 BGB aufweise. Die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung stelle einen Rechtsmangel dar , da der Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen eingeschränkt würde (so Eigennutzung, §§ 6 WoBindG, 27 Abs. 4 WoFG, als auch Fremdnutzung, §§ 4ff WoBinfG, 25ff WoFG). Dieser Mangel ließe sich auch nicht mit der Begründung verneinen, vom Kläger sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung über die Sozialbindung und seinem Kaufentschluss nicht dargelegt worden, und es könne offen bleiben, ob der im Vertrag benannte Haftungsausschluss auch die Haftung für Rechtsmängel umfasse.

Würde man die Haftung für Rechtsmängel mit der vertraglichen Formulierung nicht als ausgeschlossen ansehen wollen, käme es, so der BGH, von vornherein nicht auf die Frage der Kausalität für den Kaufentschluss an, da die Beklagte nach §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1 und 437 BGB ohne weiteres für Rechtsmängel einzustehen habe.

Aber auch dann, wenn der vertragliche Haftungsausschluss Rechtsmängel umfassen würde, käme es auf die Kausalität nicht an. Denn die Beklagte könne sich nach § 444 BGB auf den Haftungsausschluss nicht berufen, wenn sie den in der Sozialbindung liegenden Rechtsmangel arglistig verschwiegen habe. Dies habe das OLG offen gelassen, weshalb das Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen sei.  
Zunächst würde das Berufungsgericht den Umfang der Freizeichnungsklausel zu prüfen haben, wobei es zu berücksichtigen habe, dass eine Freizeichnungsklausel als Abweichung vom dispositiven Recht stets eng auszulegen sei. Negiere das OLG die Anwendbarkeit auf Rechtsmängel, wäre der Klage stattzugeben. Sollte der Schadensersatzanspruch nach den zu treffenden Feststellungen des OLG ausgeschlossen sein, käme es darauf an, ob die Beklagte Kenntnis hatte, da sie dann den Kläger hätte aufklären müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Kläger die Wohnung besichtigt habe. Zwar würde für bei Besichtigung frei zugänglichen und damit ohne weiteres erkennbaren Mängeln keine Offenbarungspflicht bestehen (BGH, Urteil vom 09.02.2018 - V ZR 274/16 -). Dies gelte aber nicht für die Sozialbindung, da der Rechtsmangel nicht einer Besichtigung zugänglich sei.

Sollte danach die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen haben, müsse das OLG die Verjährungsproblematik klären. Die Verjährung beginne nach 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kläger als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erstmals Kenntnis erlangt habe oder (ohne grobe Fahrlässigkeit) hätte erlangen müssen.

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 165/17 -

Mittwoch, 28. November 2018

Arglistiges Verschweigen eines Rechtsmangels und Kausalität für einen Kaufvertragsabschluss


In dem notariellem Kaufvertrag war aufgenommen, dass Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Wohnungseigentums ausgeschlossen seien. Die gelte auch (/mit Ausnahme bei Vorsatz) für Ansprüche auf Schadensersatz. Da die Beklagte als Verkäuferin ihn als Käufer nicht darüber aufgeklärt habe, dass es sich bei der Wohnung um öffentlich geförderten Wohnraum handele und Mieter einen Berechtigungsschein benötigen würden, verlanget der Kläger im Rahmen des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Klage und Berufung blieben der Erfolg versagt. Auf die (zugelassene) Revision erfolgte durch den BGH eine Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits.

Das Berufungsgericht hatte es auf sich beruhen lassen, ob die benannten Umstände einen Mangel der Wohnung darstellen würden und bejahendenfalls, ob (was zwischen den Parteien streitig war) Kenntnis des Klägers bei Kaufvertragsabschluss bestand. Einen die Klage rechtfertigenden Schadensersatzanspruch habe der Kläger bereits deshalb nicht, da er nicht geltend gemacht habe, dass er bei Kenntnis die Wohnung nicht gekauft hätte und es von daher an einer Kausalität zwischen einer behaupteten fehlenden Aufklärung und dem Kaufentschluss ermangele.

Dem folgt der BGH nicht. Für den Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB wegen der bestehenden Sozialbindung der Wohnung käme es auf die Frage der Kausalität für den Kaufentschluss nicht an.

Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die Sozialbindung einen Rechtsmangel darstelle, bejahte der BGH. Die Bindung würde eine Einschränkung der rechtlichen Befugnisse des Eigentümers sowohl zur Eigen- als auch Fremdnutzung bedeuten.

Ansprüche des Klägers könnten nicht mit der Begründung der fehlenden Kausalität verneint werden. Offen bleiben könne, ob der vertragliche Haftungsausschluss auch Rechtsmängel erfasse. Wolle man davon ausgehen, dass die Haftung für Rechtsmängel nicht ausgeschlossen sei, käme es von vornherein nicht darauf an, ob sich die Beklagte arglistig verhalten habe, da die die Beklagte dann ohne weiteres für Rechtsmängel gem. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1, 437 BGB einzustehen habe. Aber auch dann, wenn der vertragliche Haftungsausschluss Rechtsmängel erfasse, käme es auf eine Kausalität der behaupteten unterlassenen Aufklärung für den Kaufentschluss nicht an. Auf den Haftungsausschluss könne sich die Beklagte nach § 444 BGB nicht berufen, wenn sie dem Kläger den in der Sozialbindung liegenden Rechtsmangel arglistig verschwiegen habe. § 444 BGB solle den Käufer alleine vor einer unredlichen Freizeichnung des Verkäufers von der Mängelhaftung schützen. Eine unredliche Freizeichnung  läge aber vor, wenn der Verkäufer arglistig handle. Weitere Voraussetzungen seien nicht benannt, namentlich nicht die Ursächlichkeit für den Kaufentschluss (BGH, Urteil vom 15.07.2011 - V ZR 171/10 -, BGHZ 190, 272).

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 165/17 -

Freitag, 14. September 2018

Kauf- oder Werkvertrag: Lieferung und Montage einer (Einbau-) Küche


In der Regel wird sich der Kunde keine Gedanken über die Rechtsnatur eines Vertrages machen, mit dem er die Anlieferung und Montage einer als Einbauküche bezeichneten Küche bestellt. Kommt es dann allerdings zur Frage, ob und welche Gewährleistungsansprüche (noch) bestehen, wird die Frage des Vertragstyps bedeutsam.

Das LG hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, es könne auf sich beruhen, ob ein von der Klägerin behaupteter Mangel bestünde, da die Klägerin die Küche jedenfalls in Kenntnis dieses Mangels (Farbe der Arbeitsplatte)  vorbehaltlos abgenommen habe, § 640 Abs. 2 BGB.  Das LG ließ die Revision gegen seine Entscheidung zu. Der BGH hob diese  auf und verwies den Rechtsstreit an das LG zurück.

Nach Ansicht des BGH könne nicht aufgrund der vorinstanzlichen Feststellungen beurteilt werden, ob der Vertrag als Werkvertrag (so das LG) oder als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung (§ 433 Abs. 2 BGB) einzuordnen sei. Entscheidend sei, wenn sich der Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Sache verpflichte, auf welcher Leistung der Schwerpunkt liege. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund stünde und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen würden, desto eher sei die Annahme eines Kaufvertrages mit Montageverpflichtung geboten. Läge allerdings der Schwerpunkt auf der Montage- und Bauleistung, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeiten, und den damit verbundenen individuellen Erfolg, läge ein Werkvertrag vor.

Der BGH verweist darauf, dass diese Grundsätze zur rechtlichen Einordnung von Verträgen über die Lieferung und Montage einer Sache im Einklang mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter stünden, die bei der Auslegung zu berücksichtigen seien.

Das Amtsgericht sei von einem Kaufvertrag ausgegangen (wofür einiges spräche), das Landgericht von einem Werkvertrag, bei dem entscheidend die Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB sei, die im Kaufrecht keine Entsprechung fände.

Anmerkung: Wird eine Küchenzeile bestellt, die aufgebaut werden soll, kann man nach der vorliegenden Entscheidung des BGH dann von einem Kaufvertrag ausgehen, wenn der Aufbau ohne sonstige bauliche Anpassungen erfolgen soll. Ist aber die Küchenzeile an die örtlichen Verhältnisse anzupassen, so insbesondere Freiräume zu Wandabständen seitlich und/oder zur Decke hin zu verblenden, läge darin eine bauliche Maßnahme, die für die Anwendung des Werkvertragsrechts sprechen würde.

BGH, Urteil vom 19.07.2018 - VII ZR 19/18 -

Freitag, 31. August 2018

Kaufvertrag: Zur Beweislast für das Fehlschlagen von Nachbesserungen


Der Kläger hatte von dem Beklagten am 16.11.2016 einen Gebrauchtwagen erworben. Er monierte im Frühjahr 2017 wiederholt Funktionsmängel am Verdeck (es ließ sich nicht öffnen und nicht schließen). Die Beklagte veranlasste im März, Mai und Juli 2017 Untersuchungen und Reparaturen des Öffnungs- und Schließmechanismus. Als der Kläger im Juli 2017 zum vierten Mal den Mechanismus reklamierte, veranlasste die Beklagte lediglich eine Untersuchung ohne Reparatur.

Der Kläger verklagte die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges. Das Landgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten zum OLG Bamberg wies dieses die Beklagte darauf hin, die Berufung nach § 522 ZPO zurückweisen zu wollen.

Das Landgericht sei zutreffend von einem Sachmangel ausgegangen. Der Käufer habe darzulegen und zu beweisen, dass ein Mangel bei Übergabe der Kaufsache vorlag (§§ 434 Abs. 1 S. 1 iVm. 446 S. 1 BGB) und dieser trotz Nachbesserungsversuchen des Verkäufers weiterhin vorhanden sei. Dabei genüge der Käufer seiner Darlegungs- und Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung bereits durch den Nachweis, dass das Mangelsymptom weiterhin auftrete (BGH, Urteil vom 09.03.2011 - VIII ZR 266/09 -).  Unstreitig sei hier, dass der Öffnungs-. Und Schließmechanismus weiterhin nicht funktioniere.

Soweit die Beklagte geltend gemacht hatte, sie habe bereits erstinstanzlich unter Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass mutmaßlich ein Steuerungsgerät defekt sei  und dieser Defekt bei Übergabe des Fahrzeuges noch nicht vorgelegen habe, sei dieser Vortrag unbeachtlich. Da die Beklagte drei Nachbesserungsversuche vorgenommen habe, hätte sie genügend Gelegenheit gehabt, die Ursache des Defekts zu eruieren, weshalb eine geäußerte Mutmaßung die hier notwendige konkrete Darlegung nicht habe ersetzen können.

Im Rahmen der Berufung wurde von der Beklagten Vortrag zu Wert- und Schadensersatz gehalten, der allerdings bereits in der 1. Instanz hätte erfolgen können und deshalb vom OLG nach § 531 ZPO zurückgewiesen wurde. Dabei wies das OLG auch darauf hin, dass das Landgericht die Parteien auf die Problematik des Wertersatzes hingewiesen habe, ohne dass die Beklagte darauf eingegangen wäre.

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 16.05.2018 - 3 U 54/18 -

Montag, 16. Oktober 2017

Geltendmachung und Bewertung von Nutzungsvorteilen bei Rücktritt vom Kaufvertrag

Der Beklagte, der vom Kläger ein Wohnhaus in Form von Wohnungseigentum erwarb, trat vom Kaufvertrag zurück, da die Terrasse nicht genehmigt war.  Nach dem auf Rückzahlung des Kaufpreises  und weiterer vom Beklagten geltend gemachter Schadenspositionen (so die Vertragskosten) Zug um Zug gegen Rückübereignung geführten Prozess (das Urteil erging auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2013) der Parteien und Rückgabe (30.12.2013) verklagte nun der Kläger den Beklagten auf Ersatz der Nutzungsvorteile. Dabei ermittelte er diesen zeitanteilig linear aus dem ursprünglich vereinbarten Erwerbspreis von € 124.000,00 und einer 25-jährigen Restnutzungsdauer mit € 12.400,00. Das Landgericht hatte ein Gutachten über den Mietwert eingeholt. Nach Vorlage des Gutachtens hatte der Kläger die Klage auf den angenommenen objektiven Mietwert von € 26.862,00 erhöht. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht (OLG) hat auf die Berufung des Beklagten die Klage bis auf einen Betrag von € 1.421,00 abgewiesen. Mit der vom OLG zugelassenen Revision begehrte der Kläger seine vom Landgericht zugesprochene Forderung weiter.


Das OLG hatte in dem rechtskräftigen Vorprozess eine Präklusion des Klägers gesehen. Dem folgt der BGH nicht. Zwar könne eine rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zu einer Tatsachenpräklusion führen. Allerdings würden die tatsächlichen Feststellungen in einem Vorprozess nicht in Rechtskraft erwachsen. Allerdings dürfe die Rechtskraft des im Vorprozess  erhobenen Anspruchs nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, dieses Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen (BGHZ 123, 137, 140). Hat mithin ein Gericht den Streitgegenstand eines bereits rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, müsse es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seiner eigenen Entscheidung zugrunde legen. Diese Präklusionswirkung träte ein, unabhängig davon, ob die Tatsachen im Vorprozess vorgetragen und/oder bekannt seien; ausgenommen seien nur Tatsachen, die nach der mündlichen Verhandlung im Erstprozess entstanden seien.

Dass aber bedeute, dass die Tatsachenpräklusion nicht weiter gehe als die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess. Damit sei vorliegend der begehrte Nutzungsersatz nicht erfasst. Außerhalb des Streitgegenstandes bestehe keine Präklusion, auch wenn mit der Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt werde und sich die Tatsachen überschneiden würden. Tatsachen des Vorprozesses, die Gegenstand des Lebenssachverhalts gewesen seien, seien nur insoweit betroffen, als sie den Anspruch betreffen, über dem im Vorprozess entschieden wurde. Damit würde ein Verkäufer eine rechtskräftige Verurteilung zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung  eines nichtigen Kaufvertrages gehindert, in einem Folgeprozess von ihm im Vorprozess nicht geltend gemachte Vorteile zu verlangen, die der Käufer aus dem Kaufvertrag erlangt habe. Dies deshalb, da bei der Rückabwicklung des nichtigen Vertrages nur ein einziger Anspruch auf den Saldo der wechselseitigen Vor- und Nachteile  bestünde.  Dies würde aber nicht gelten, wenn erstmals ein selbständiger Anspruch aus dem gleichen Sachverhalt, wie er Gegenstand des Vorprozesses gewesen sei, geltend gemacht würde.  

Vorliegend handele es sich um einen selbständigen Anspruch aus dem identischen Sachverhalt.

Nach dem nach der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 geltenden § 325 BGB wurde eine Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz aufgehoben. Damit konnte nicht mehr statt Rücktritt Schadensersatz (der im Falle des großen Schadensersatzes zur automatischen Saldierung führte)  verlangt werden. Mithin könne nunmehr nicht nur neben den Rücktritt Schadensersatz verlangt werden, sondern hätte die Änderung auch dazu geführt, dass der Nutzungsausgleich nicht mehr schadensersatzrechtlich sondern rücktrittsrechtlich ausgestaltet sei. Das Begehren auf Rückabwicklung sowie Zahlung eines darüber hinaus gehenden Schadens begründe den Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers nach § 346 Abs. 2 BGB, der nicht im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sei. Gleiches würde auch dann gelten, wenn der Käufer die Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung betrieben hätte, §§ 437 Nr. 3 iVm. 281 Abs. 5, 346ff  BGB.

Der Höhe nach sei der Nutzungsersatzanspruch des Klägers zeitlich auf den die Zeit zwischen der mündlichen Verhandlung im Vorprozess vom 12.07.2013 bis zur Rückgabe am 30.122013 und im übrigen zeitanteilig linear aus dem dem Erwerbspreis abzuleitenden Wert der Nutzung zu berechnen. abzuleiten. Nach dem Mietwert könne sich der Nutzungsvorteil des Käufers nicht berechnen, wenn dieser im Wege des Schadensersatzes seine Investitionsentscheidung rückgängig mache. Dies sei nur der Fall, wenn sich der Käufer nicht auf die Rückforderung des Kaufpreises und die mit dem Vertragsabschluss verbundenen Nebenkosten beschränke, sondern darüber hinaus Herausgabe der vom Verkäufer aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen und/oder Ersatz von Finanzierungs- und/oder Betriebskosten verlange, was hier nicht der Fall gewesen sei.

BGH, Urteil vom 30.06.2017 - V ZR 134/16 -

Montag, 11. September 2017

Die Übertragung von „Rechten und Pflichten“ vor Eigentumsübergang beinhaltet die Abtretung von Mieten

Der Kläger verkaufte die Mietsache an einen Dritten und vereinbarte mit diesem, dass sämtliche Rechte und Pflichten mit Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen. Er klagte gleichwohl Mietzins ein, nachdem der Kaufpreis gezahlt war, allerdings vor Wahrung der Auflassung (Eigentumsübertragung) auf den Erwerber im Grundbuch.

Die Klage wurde abgewiesen. Das OLG führte aus, dass grundsätzlich der Erwerber erst mit grundbuchlicher Wahrung seines Eigentums in das Mietverhältnis eintreten würde und bis zu diesem Zeitpunkt die Rechte beim Veräußerer blieben, § 566 BGB. Allerdings sei schuldrechtlich auch eine anderweitige Regelung möglich. Eine solche anderweitige Regelung läge vor, wenn zwischen Veräußerer und Erwerber anderweitiges vereinbart würde und eine Abtretung der Ansprüche durch den Veräußerer an den Erwerber zu einem früheren Zeitpunkt erfolge.

Die Regelung in dem Kaufvertrag sei eine entsprechende Regelung und beinhalte auch die Abtretung der Mietzinsansprüche ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Kaufpreisforderung. Diese Abtretung entfalte aber nur Wirksamkeit zwischen den Kaufvertragsparteien; der Veräußerer bleibe weiterhin Vertragspartner des Mieters (BGH, Urteil vom 02.07.2003 - XII ZR 34/02 -). Bei wirksamer Abtretung könne der Mieter schuldbefreiend an den Erwerber zahlen. Der Mieter sei nach §§ 404, 409, 410 BGB geschützt. Er müsse nur zahlen gegen Vorlage der Abtretungsurkunde, und wenn diese unwirksam sei, aber die Abtretung vom bisherigen Eigentümer angezeigt würde, würde auch bei Zahlung an den Erwerber gleichwohl von seiner Schuld befreit. Seine Rechte aus seinem Verhältnis zu Erwerber (so z.B. eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Veräußerer) blieben erhalten.

Da die Abtretung dem Mieter mitgeteilt wurde, habe dieser schuldbefreiend an den Erwerber zahlen dürfen.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2017 - 24 U 103/16 -

Montag, 21. August 2017

Schadensersatz statt Nachbesserung der Kaufsache bei Nichtzahlung eines Transportkostenvorschusses

Die in Schleswig-Holstein wohnhafte Klägerin kaufte am 14.05.2015 von der in Berlin geschäftsansässigen Beklagten über deren Internetportal zum Preis von € 2.700,00 einen gebrauchten PKW. Am 10. Und neuerlich am 12.05.2015 wandte sich die Klägerin an die Beklagte wegen eines von ihr behaupteten Motordefekts, um die Vorgehensweise zur Schadensbehebung im Rahmen der Gewährleistung zu klären. Nachdem die Beklagte nicht reagierte, forderte die Klägerin am 19.05.2015 unter Fristsetzung zum 30,05.2015 die Beklagte zur Nachbesserung auf. Daraufhin bot die Beklagte der Klägerin die Mängelbeseitigung an ihrem Sitz in Berlin an. Hierfür forderte die Klägerin unter Aufrechterhaltung der von ihr gesetzten Frist mit Schreiben vom 21.05.2015 einen Transportkostenvorschuss von € 280,00 zwecks Transports des nach ihrer Behauptung nicht fahrbereiten PKW bzw. dessen Abholung durch die Beklagte auf deren Kosten. Da sich die Beklagte neuerlich nicht meldete, setzte die Klägerin der Beklagten unter dem 02.06.2015 eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung zum 10.06.2015. Da sich die Beklagte neuerlich nicht meldete, machte die Klägerin am 17.06.2015 Schadensersatzansprüche für eine von ihr selbst zu veranlassende Reparatur dem Grunde nach geltend. Nach einer Reparatur durch die Klägerin bei einem Unternehmen in Kassel forderte sie von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von € 2.332,32 nebst Zinsen; der betrag setzte sich aus den Reparaturkosten sowie Verbringungskosten nach Kassel (Transport- und Reisekosten) zusammen.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und zur neuen Entscheidung zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob ein Mangel vorlag. Die Klägerin habe kein wirksames Nacherfüllungsverlangen gestellt. Die Nacherfüllung habe am Geschäftsort der Beklagten in Berlin stattzufinden, § 269 BGB, weshalb sie keinen Anspruch auf Übernahme der Transportkosten durch die Beklagte, wie von ihr geltend gemacht, habe. Auch aus Art. 3 Abs. 2, 3 der Richtlinie 1999/44/EG lasse sich ein Nacherfüllungsort am Wohnsitz der Klägerin nicht herleiten.

Dem folgt der BGH nicht. Richtig sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass  - bei unterstellten Mangel -  der Schadensersatzanspruch nur unter den Voraussetzungen der §§ 281, 440 BGB zustehe. Dies erfordere entweder eine angemessene Frist für die Nacherfüllung oder ausnahmsweise eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung.

Anders als vom Berufungsgericht angenommen, sei allerdings für die Wirksamkeit der Nachfristsetzung eine vorbehaltlose Bereitschaft zur Übernahme der Transportkosten des Fahrzeuges nicht erforderlich gewesen. Es wäre hier ausreichend gewesen, dass die Klägerin zeitnah (wenn auch erfolglos) einen ersichtlich nicht unangemessenen Transportkostenvorschuss anfordert und alternativ die Abholung auf eigene Kosten der Beklagten durch diese anbiete. Der Rechtsansicht, die Richtlinie 1999/44/EG verlagere bei Verbrauchsgütern den Erfüllungsort an den Ort des Käufers, sei nicht zu folgen. Der nationale Gesetzgeber in Deutschland habe die Richtlinie dergestalt umgesetzt, dass er dem Käufer im Falle der Unzumutbarkeit gem. § 430 S. 1 3. Alt. BGB sogleich Sekundärrechte (Rücktritt, Minderung und Schadensersatz) an die Hand gegeben habe, um sich nicht auf eine unerwünschte Form der Nacherfüllung einlassen zu müssen, die für ihr, da mit Unannehmlichkeiten verbunden, unzumutbar sei. Die Unentgeltlichkeit der Nachbesserung sei urch § 439 Ans. 2 BGB sichergestellt, die zum Schutzzweck des Verbrauchers einen Vorschussanspruch einschließe. Dies entspräche auch der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 16.06.2011 C-65/09 – und Urteil vom 17.04.2008 –C404/06 -).

Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen umfasse die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Sache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrüge zur Verfügung zu stellen. Dadurch solle dem Verkäufer die Möglichkeit gegeben werden, festzustellen, ob ein Mangel bestünde, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestanden habe, auf welcher Ursache er beruht und auf welcher Weise er beseitigt werden könne. Vor der Ermöglichung der entsprechenden Prüfung müsse sich der Verkäufer nicht auf ein Nacherfüllungsverlangen einlassen.

Dagegen habe aber die Klägerin nicht verstoßen. Sie sei, ohne Nachteile für ihr Nachbesserungsverlangen befürchten zu müssen, nicht gehalten gewesen, das Fahrzeug der Beklagten an deren Geschäftssitz ohne vorherige Zahlung des (abrechenbaren) Transportkostenvorschusses zur Verfügung zu stellen.

Nicht entschieden werden müsse vorliegend, ob sich bei einem fahrtüchtigen PKW dies anders dargestellt hätte, auch nicht, ob sich dies dann anders dargestellt hätte, wenn Aufwand und Risiko sich in einem Rahmen gehalten hätten, die einem Käufer üblicherweise nicht von einer sofortigen Vorstellung seines Fahrzeugs zwecks Geltendmachung von Nacherfüllungsrechten abgehalten hätten (BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 -).

Nach der Zurückverweisung müsse nun das Berufungsgericht das Vorliegen des Mangels und die Höhe des Schadens prüfen.


BGH, Urteil vom 19.07.2017 - VIII ZR 278/16 -

Mittwoch, 22. März 2017

Voraussetzungen für Rücktritt und Nacherfüllungsverlangen

Der Kläger kaufte bei der Beklagten einen PKW. Er hatte verschiedene Reparaturen (im Rahmen von Inspektionen und außerhalb derselben) durchführen lassen. Sodann teilte der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers mit, dass gemäß "§ 438 Abs. 2 BGB der zweiten Alternative zustehende Recht auf Lieferung einer mangelfreien Sache geltend" für den Kläger geltend zu machen. Gleichzeitig forderte er die Beklagte mit Schreiben vom ß3.021.2008 auf, das Fahrzeug zurückzunehmen und ein mangelfreies Fahrzeug zu liefern, wobei er Bezug nahm auf eine Liste von angeblichen Mängeln. Die Beklagte bat um einen Termin zur Prüfung der behaupteten Mängel. Sie würde dann eine Kalkulation vorlegen, wonach die Nachlieferung "unverhältnismäßig und damit nicht zumutbar sein dürfte". Darauf erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine  Rücktritt vom Kaufvertrag nicht vorliegen würden, §§ 3433 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB. Voraussetzung wäre eine bestimmte und eindeutige Nacherfüllungsforderung. Eine Anforderung zur oder über die Leistungsbereitschaft genüge nicht. In dem Schreiben 03.01.2008 sei dies nicht zu sehen, wie sich auch daraus ergäbe, dass dort eine Frist zur Rücknahme des Fahrzeuges gesetzt wurde. Selbst wenn man dies Schreiben so nicht interpretieren wollte, wäre zu berücksichtigen, dass die Beklagte ein Recht zur eigenen Prüfung der behaupteten Mängel habe, welches die die Beklagte mit ihrem Antwortschreiben bekundet habe.

Der Kläger war hier auch nicht ausnahmsweise berechtigt, diesem Verlangen zu widersprechen, da er die Mängel dargelegt habe und von daher die Beklagte zur Berechnung in der Lage gewesen wäre. Dieses würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen, dem Schuldner die Möglichkeit einer eigenen Prüfung zu geben.

Auch der bereits erfolgte Fristablauf zum Zeitpunkt der Reaktion durch die Beklagte stand dem nach Ansicht des OLG nicht entgegen. Anerkannt sei vielmehr sogar, dass ein Verkäufer sich vor Erklärung des Rücktritts unabhängig von einem bereits gegebenen Fristablauf zur Mangelbeseitigung noch auf die Einrede des § 439 Abs. 3 BGB berufen könne (BGH MDR 2014, 26).

Damit käme es vorliegend nicht darauf an, ob Mängel vorlagen. Maßgeblich wäre dies nur dann, wenn eine Nacherfüllung durch Nachlieferung unmöglich wäre oder aber eine Verweigerung vorläge. Dann bliebe nur die Mängelbeseitigung durch Nachbesserung und nur dann gäbe es keine Nacherfüllung mehr, die gegenüber dem Rücktritt vorrangig wäre. Eine Verweigerung der Mängelbeseitigung sei aber im Schreiben der Beklagten nicht zu sehen, da diese nur schrieb, dass die Nachlieferung überschlägig unverhältnismäßig und damit nicht zumutbar sein „dürfte“.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2016 – 5 U 49/15 -