Die Parteien (Brüder) hatten
einen schriftlichen Mietvertrag mit einer Bruttomiete von € 562,42 vereinbart.
Nach Darstellung des Beklagten soll die Miethöhe mündlich reduziert worden
sein. Der Kläger kündigte fristlos wegen einer Mietdifferenz von € 162,42/Monat
für den Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2018 und machte die offene
Mietdifferenz von € 9.709,54 geltend. Die Klage wurde - auch im
Berufungsverfahren vor dem Landgericht - diesbezüglich abgewiesen, da die
Beweisaufnahme ergeben habe, dass eine Mietreduzierung vereinbart worden sei. .
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin hob der BGH das Urteil auf und verwies
den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts zurück, § 544 Abs. 9
ZPO.
Der BGH sah eine verfahrenserhebliche
Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) darin, dass das Landgericht das
Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt habe, dass auch bei Zugrundelegung
der Zeugenaussagen eine monatliche Mietdifferenz von € 12,42 vorliege. Es läge
daher eine nach seiner Ansicht ein nach § 573 Abs. 1 Nr. 2 BGB relevanter
Mietrückstand von (mehr als) einer Monatsmiete seit März 2017 vor, der auch bei
Ausspruch der Kündigung bestanden habe und bis zu diesem Zeitpunkt noch
angestiegen sei.
Das Gebot des rechtlichen Gehörs
erfordere vom erkennenden Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur
Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, ohne dass es allerdings gehalten
sei, sich ausdrücklich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu
befassen. Wenn allerdings im Einzelfall besondere Umstände vorlägen, aus denen
sich ergebe, dass tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei
der Entscheidung nicht erwogen worden seien, sei ein Verstoß gegen die Pflicht
aus Art. 103 Abs. 1 GG gegeben. Hier habe das Landgericht nicht den vom Kläger
geltend gemachten Umstand berücksichtigt, dass sich bei der Berechnung der Mietreduzierung
von € 562,42 um € 300,00 noch ein Betrag von € 312,42 ergäbe, nicht lediglich
von € 300,00, wie vom Beklagten gezahlt. Zudem wurde vom Kläger auf ein
Schreiben des Beklagtenvertreters verwiesen, demzufolge der Beklagtenvertreter
in einem Schreiben vom 17.09.2009 (unstreitig) eine geschuldete Miete von €
312,00 benannt habe und weder dort noch im Rahmen der Verhandlung vor dem
Amtsgericht erklärt hätte, warum er, wenn sich die Miete um € 250,00/Monat
reduziert habe, nicht den Differenzbetrag von € 312,42 sondern nur € 300,00
zahle. Zudem habe er geltend gemacht, dass ausgehend von einer Miete in Höhe
von € 312,00 im Zeitraum von Januar 2015 bis Januar 2018 ein Mietrückstand von
€ 444,00 bestünde und damit die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung
gerechtfertigt sei. Damit und mithin mit der Kernfrage des Rechtsstreits für
die (noch) rechtshängigen Ansprüche auf Räumung und Herausgabe und Zahlung von
rückständiger Miete) habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt, also
mit der Frage, welche konkrete Miete letztlich geschuldet würde. Es habe das
Vorbringen des Klägers ausgeblendet. Es
habe damit einen wesentlichen Punkt des Berufungsvorbringens des Klägers nicht
nur im Kern, sondern vollständig übergangen.
Dies sei aber sowohl für die
Berechnung des Zahlungsanspruchs für die Miete als auch für die am 23.01.2018
erklärte (ordentliche) Kündigung von Relevanz gewesen. Bei Beachtung dieses
Vorbringens hätte das Berufungsgericht nicht zur vollständigen Abweisung der
Berufung gelangen können. Ausgehend von einer Miete in Höhe von € 312,42 hätte
sich ein Mietrückstand für die Zeit Januar 2015 bis Januar 2018 von € 459,54
ergeben, was zwar für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Buchst. a und b BGB nicht ausreichend gewesen wäre, allerdings die Voraussetzungen
für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt hätte, die
hilfsweise ausgesprochen worden war, da bis zum Zugang der Kündigungserklärung
vom 23.01.2018 ab März 2017 ununterbrochen mehr als € 312,42 an Miete offen
gestanden habe (BGH, Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 -). Damit hätte das
Mietverhältnis mit Ablauf des 31.10.2019 geendet.
Der BGH ging auch auf die
Subsidiarität der Rüge der Gehörsverletzung ein. Danach hätten die
Prozessbeteiligten alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden
prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten
Gehörsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (z.B. BGH, Urteil
vom 09.02.2011 - VIII ZR 285/09 -). Dies entspräche dem sich aus § 295 ZPO
ersichtlichen Rechtsgedanken, wonach eine Gehörsverletzung nicht mehr gerügt
werden könne, wenn nach Erkennen derselben die verbliebene Möglichkeit einer
Äußerung nicht genutzt würde. Hier sei sie vom Kläger im Rahmen zulässig im Rahmen
der Berufung genutzt worden.
Es sei auch vorliegend nicht
auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrages
des Klägers, anders entschieden hätte, wenn es den Vortrag des Klägers zum
amtsgerichtlichen Urteil in Bezug auf die Diskrepanz im Beklagtenvortrag berücksichtigt
hätte, nach dem das Landgericht der Darstellung des Beklagten nach Beweisaufnahme
folgte, und nicht aufgeklärt und damit offen gelassen habe, ob nur € 281,21
(die Hälfte von € 562,42), € 300,00 (so die letzte Überweisung) oder € 312,42
(€ 564,42 abzüglich € 250,00) als Miete geschuldet würden.
Das Berufungsgericht sei schon
deswegen nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des
Amtsgerichts gebunden gewesen, da dieses nur unvollständig und zur Höhe der
geschuldeten Miete widersprüchlich (€ 562,42 abzüglich € 250,00 ergeben nicht
die Hälfte von € 562,42) sei. Selbst bei Zugrundelegung des vom
Berufungsgericht angenommenen, auf das Vorliegen von Rechtsfehlern iSv. § 286
Abs. 1 ZPO beschränkten Prüfungsmaßstabs gehalten gewesen sei, eigene
Feststellungen zu treffen. Zudem handele es sich bei dem Berufungsverfahren um
eine zweite Tatsacheninstanz, die das erstinstanzliche Urteil nicht nur auf
Rechtsfehler zu überprüfen habe. Auch als „eingeschränkte Tatsacheninstanz“
bestünde seine Aufgabe in der Gewinnung von „fehlerfreien und überzeugenden“
und damit „richtigen“ Entscheidungen (BGH, Urteil vom 26.05.2020 - VIII ZR
64/19 -).
BGH, Beschluss vom
10.11.2020 - VIII ZR 18/20 -