Posts mit dem Label pflichtverletzung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label pflichtverletzung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 26. März 2019

Darf sich der Anwalt auf Angaben des Mandanten zu Zugangsdaten (hier: Kündigungsschreiben) verlassen ?


Die Klägerin machte gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche (in Form von Verdienstausfall) aus einem zwischen ihnen ehedem abgeschlossen Anwaltsvertrag geltend, gemäß dem der Beklagte die Klägerin in einem arbeitsgerichtlichen Kündigungsrechtsstreit vertrat, in dem die Kündigungsschutzklage wegen Versäumung der Klagefrist zurückgewiesen wurde.

Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, das Oberlandesgericht als unbegründet. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung des Rechtsstreits.

Entgegen dem OLG ging der BGH davon aus, dass der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten verletzt habe. Er hätte die Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung bei der Klägerin erheben müssen, § 4 Abs. 1 S. 1 KSchG. Er hätte die Einreichung der Klage auf den 13.01.2012 nur dann aufschieben dürfen, wenn gesichert gewesen wäre, dass die Kündigung der Klägerin erst am 23.12.20111 zugegangen sei.

Der Ehemann der Klägerin habe ihm mitgeteilt, dass die Kündigung am 23.12.2011 zugestellt worden sei. Dies sah der BGH nicht als ausreichend an, die Frist zu berechnen. Die Pflicht des Rechtsanwalts zur richtigen und umfassenden Beratung des Mandanten setze voraus, dass der Anwalt zunächst durch Befragen des Mandanten den Sachverhalt kläre, auf den es für die rechtliche Beurteilung ankäme. Ist dieser unklar oder unvollständig, dürfe sich der Anwalt nicht mit der rechtlichen Würdigung des ihm Vorgetragenen begnügen, sondern müsse sich bemühen, durch Befragung des Ratsuchenden ein möglichst vollständiges und objektives Bild der Sachlage zu gewinnen (BGH, Urteil vom 21.11.1960 - III ZR 160/59 -; BGH, Urteil vom 19.01.2006 - IX ZR 232/01 -). Nachfragen seien dann und insoweit nicht notwendig, soweit der Anwalt die Unrichtigkeit der Angaben des Mandanten weder kenne erkennen müsse. Dies sei aber auf Informationen tatsächlicher Art beschränkt. Sie gelte nicht in Bezug auf Informationen, die nur scheinbar tatsächlicher Natur seien. Werden vom Mandanten insbesondere Rechtstatsachen mitgeteilt, habe der Anwalt diese durch Rückfragen in die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände und Vorgänge aufzulösen, oder, wenn dies keine zuverlässige Klärung ergebe oder erwarten lasse, weitere Ermittlungen anzustellen. Dieser Grundsatz sei hier verletzt worden.

Die Angaben des Mandanten über den Zugang eines Kündigungsschreibens seien wie Angaben über die Zustellung eines Urteils (dazu BGH, Beschluss vom 21.04.1994 - IX ZR 150/93 -) Rechtstatsachen. Der  gesetzlich verwandte Begriff des Zugangs werde rechtlich bestimmt. Ein Zugang unter Abwesenden setze voraus, dass die Willenserklärung so in den Bereich des Empfängers gelangt sei, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit habe, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Wird ein Brief in einen Briefkasten geworfen, sei der Zugang bewirkt, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei (BGH, Urteil vom 05.12.2007 - XII ZR 148/05 -). Erfolge der Einwurf zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs noch mit einer Entnahme am gleichen Tag zu rechnen sei, gelte der Zugang als bewirkt; erfolge der Einwurf nach dieser Zeit, würde der Zugang erst zu einem späteren Datum als bewirkt anzusehen sein.  

Damit hätte der Beklagte sich mit der Angabe eines Zugangs am 23.12.2011 nicht begnügen dürfen. Das Kündigungsschreiben habe auf den 22.12.2011 datiert und sei mit der Aufschrift „per Boten“ versehen worden. Damit sei in Betracht gekommen, dass das Schreiben noch am 22.12.2011 in den Briefkasten zu einer Tageszeit eingeworfen worden sei, zu der noch mit einer Entnahme am gleichen Tag gerechnet werden konnte. Diese Möglichkeit sei durch die Angabe des Ehemanns der Klägerin auch nicht auszuschließen gewesen; es wäre nur dann auszuschließen gewesen, wenn sich aus der Erklärung des Ehemanns ergeben hätte, dass am 22.12.2011 der Briefkasten zu einer Zeit geleert worden wäre nach dem Zeitpunkt, zu dem gewöhnlich noch mit einer Entleerung zu rechnen sei. Eine solche Erkenntnis wäre aber nur möglich, wenn sich der Ehemann erkennbar für den Anwalt der Kriterien bewusst gewesen wäre, die für den Zeitpunkt des Zugangs maßgeblich seien. Diese Kenntnis könne (anders als das OLG angenommen habe, nicht als allgemein vorausgesetzt werden noch seien Umstände aufgezeigt worden, nach denen der Beklagte sich hier Gewissheit über entsprechende Kenntnisse des Ehemanns beschafft hätte. Damit hätte der Anwalt bei der Klägerin und deren Ehemann nachfragen müssen und, wenn ein Zugang am 22. Oder 23.12.2011 nicht geklärt werden könnte, den sichersten Weg wählen müssen, indem die Kündigungsschutzklage bereits am 12.01.2012 eingereicht wird. Indem der Beklagte ungeprüft die Angabe des Ehemanns zugrunde gelegt habe, habe der Beklagte eine Pflichtverletzung begangen, wobei nichts dafür spräche, dass er diese nicht zu vertreten habe (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).  

Die Rückverweisung erfolgte, da die Klägerin nach dem Urteil des OLG nicht schlüssig vorgetragen habe, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten den Schaden verursacht habe. Erst das OLG habe dafür ein Erfordernis gesehen, es aber verabsäumt, die Klägerin gem. § 139 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 ZPO darauf rechtzeitig  hinzuweisen; der Hinweis sei erst in der Berufungsverhandlung erfolgt, ohne Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zu geben.

BGH, Urteil vom 14.02.2019 - IX ZR 181/17 -

Mittwoch, 8. August 2018

Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gegen Insolvenzverwalter


Der Kläger machte gegen den beklagten Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche geltend. Dieser ist der Auffassung, Ansprüche gegen ihn wären verjährt. Dies folge aus der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB (10 Jahre von ihrer Entstehung an). Das OLG Koblenz  war anderer Auffassung. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde wandte sich der beklagte gegen diese Entscheidung. Der BGH nahm die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu Entscheidung an, da dies weder zur Fortbildung des Rechts  noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) notwendig sei.

Bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 62 InsO (der die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter wegen Pflichtverletzung regelt) ergäbe sich, dass § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB nicht greifen würde. Nach der ursprünglich § 852 Abs. 1 BGB aF (alte Fassung) nachgebildeten Fassung des § 62 S. 1 InsO verjährte der Anspruch auf Schadensersatzanspruch in drei Jahren, berechnet ab Kenntnis von Schaden und Umständen durch den Verletzten. Anders allerdings als in § 852 Abs. 1 BGB habe der Gesetzgeber allerdings in § 62 S. 2 InsO keine Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Begehung der Handlung vorgesehen, sondern eine Höchstfrist von drei Jahren ab der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens. Mit dem Anpassungsgesetz zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erhielt § 62 S. 1 InsO zum 01.01.2005 seine heutige Fassung (Art. 5 Nr. 2; BGBl I 2004, 3214), wonach sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) richte. § 62 S. 2 und S. 3 InsO wären unverändert gelassen worden; dies mit der Begründung, dass das Haftungsprivileg des Insolvenzverwalters erhalten leibe solle (BT-Drucks. 15/3652, S. 15). Damit hätten Ansprüche nicht längstens nach 30 Jahren ab Begehung verjähren sollen (§ 199 Abs. 3 BGB), sondern spätestens drei Jahre nach Aufhebung oder rechtskräftiger Einstellung des Insolvenzverfahrens; es handele sich hier um Sonderreglungen, die nach dem Spezialitätengrundsatz der Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgehen würden (Lex specialis derogat legi generali).

Dies führe vorliegend dazu, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien.

BGH, Beschluss vom 21.06.2018 - IX ZR 171/16 -

Sonntag, 10. Juli 2016

Mietrecht: Kündigungsgrund erhebliche und schuldhafte Verletzung einer (Neben-) Pflicht

Der Miete rügte auftretende Schimmelbildung als Mangel und minderte die Miete. Gestützt auf  ein von ihm eingeholtes Gutachten  wandte der Kläger ein, dass die Schimmelbildung durch falsches Lüftungs- und Heizverhalten verursacht wurde und machte die Kosten des Gutachtens und diejenigen der Schadensbeseitigung (Schimmelbeseitigung) geltend.  Das Amtsgericht verurteilte den beklagten antragsgemäß, wobei es sich auf das Privatgutachten des Vermieters stützte. Gegen das Urteil wurde ein Rechtsmittel nicht eingelegt.

Der Beklagte kam seiner Zahlungspflicht aus dem Urteil nicht nach; er bezog zwischenzeitlich vom Jobcenter Arbeitslosengeld II. Nachdem der Beklagte die Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO abgegeben hatte, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos, vorsorglich fristgerecht, und berief sich zum einen auf die Nichtzahlung des Urteilsbetrages, ferner darauf, dass der Beklagte weiterhin eine Schimmelbildung wie zuvor als Mangel behaupte und seinen Heiz- und Lüftungspflichten nicht nachkommen würde. Im Verfahren stützte sich der Vermieter sodann nur noch auf die ordentliche Kündigung und das Amtsgericht gab der Räumungsklage statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das Landgericht die Klage ab. Die (zugelassene) Revision des Vermieters führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Der BGH lies offen, ob die Nichtzahlung der titulierten Schadensersatzforderung als solches die ausgesprochene Kündigung und damit den Räumungsanspruch rechtfertigen könnte. Im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit, ausgehend von der nicht in Frage gestellten Richtigkeit der Vermögensauskunft, läge wohl ein Verschulden nicht vor. Es müsse allerdings nicht entschieden werden, ob dies hier den Tatbestand des § 573Abs. 2 Nr. 1 BGB (schuldhafte Verletzung von Pflichten durch den Mieter) erfülle. Denn aus einem anderen, vom Landgericht nicht berücksichtigten Rechtsgrund, wäre die Klage erfolgreich.

Auf Grund des Verhaltens des Beklagten nach der Rechtskraft des die Schadensersatzpflicht des beklagten begründenden Urteils wäre hier der Vermieter zu (ordentlichen) Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Dies gilt in Bezug auf die weitere Geltendmachung von vom Vermieter zu vertretener Schimmelbildung als auch im Hinblick auf die pflichtwidrige und schuldhafte Vernachlässigung von Mieterpflichten in Bezug auf Heizen und Lüften. Indem der Beklagte wegen Mängeln, die nach dem rechtskräftigen Urteil im Schadensersatzprozess in der Sphäre des Mieters liegen, unberechtigt mindert und seine Verantwortlichkeit weiterhin trotz der rechtskräftigen Entscheidung leugne, liegt eine schwerwiegende und auch schuldhafte Vertragsverletzung vor, die Anlass für den Vermieter gibt anzunehmen, der Mieter werde seinen vertraglichen Pflichten zur Obhut der Wohnung und zur vollständigen Mietzahlung nicht nachkommen. Dieser Umstand würde die Kündigung rechtfertigen.


BGH, Urteil vom 06.04.2016 – VIII ZR 78/15 -