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Sonntag, 15. Januar 2023

Der Erdrutsch in der Wohngebäudeversicherung

Der Kläger machte gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung geltend, die auch auf Elementarschäden wie Erdrutsche deckte. In den Versicherungsklauseln hieß es dazu „Erdrutsch ist ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen.“ Das klägerische Grundstück lag am vorderen Rand einer vor ca. 80 Jahren aufgeschütteten Terrasse. In 2018 zeigte der Kläger der Beklagten Rissbildungen an seinem Wohnhaus an, die sich durch eine Rutschung des Untergrundes verursacht würden. Die Beklagte lehnte einen versicherungsvertraglichen Anspruch ab. Klage und Berufung blieben erfolglos; auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an dieses zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hatte das Vorliegen eines die Beklagte leistungsverpflichtenden Erdrutsches negiert, da darunter ein sinnlich wahrnehmbarer Vorgang und nicht, wie hier nach Vortrag des Klägers, eine sich langsam über Jahre vollziehende Erdbewegung zu verstehen sei. Dem folgte der BGH nicht. Vielmehr würden mit der Klausel auch Schäden gedeckt, die durch allmähliche, nicht augenscheinlich naturbedingte Bewegungen von Gesteins- oder Erdmassen verursacht würden.

Der BGH wies darauf hin, dass in Rechtsprechung und Literatur streitig sei, ob eine Klausel wie vorliegend unter „Erdrutsch“ ein mit Geschwindigkeit ablaufendes Ereignis verlange, dass dies sinnlich wahrnehmbar sei, oder auch ein über längere Zeit unmerkliches Verlagern von Bodenbestandteilen. Der letzteren Ansicht gab der BGH den Vorzug. Dies ergäbe sich aus der Auslegung.

Allgemeine Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstünde, ohne dass versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse vorhanden sein müssten (BGH, Urteil vom 26.01.2022 - IV ZR 144/21 -).

Dieser Versicherungsnehmer würde, wenn sich Bodenbestandteile über einen längeren Zeitraum verlagern und hierdurch Schäden in Form von Rissbildungen am versicherten Gebäude verursachen, zunächst vom Wortlaut der Bedingungen ausgehen, wobei für ihn der tägliche Sprachgebrauch und nicht etwa die Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist, maßgebend sei (BGH, Urteil vom 29.03.1017 - IV ZR 533/15 -). Es käme damit entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht auf eine terminologische Unterscheidung in der Geologie an. Ausgangspunkt sei für den maßgeblichen durchschnittlichen Versicherungsnehmer die in der Klausel enthaltene Definition für Erdrutsch, nach der er erkennen würde, dass der versicherte Tatbestand mit einem naturbedingten Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen zwei unterschiedliche Vorgänge einschließe. Nach denen sei zwar mit dem Begriff des „Abstürzens“ ein plötzliches Ereignis gegeben, in der Alternative des „Abgleitens“ aber nicht gefordert würde. Unter „Abgleiten“ sei nach allgemeinen Sprachgebrauch (Duden) ein Haftungs- und Haltverlust und eine unbeabsichtigte Bewegung seitwärts und nach unten umschrieben. In Ermangelung entsprechender Klarstellung würde sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus der Klausel auch nicht entnehmen lassen, dass sich die sinnlich nicht wahrnehmbare Erdbewegung über einen längeren Zeitraum nicht unter den Tatbestand falle. Was unter „Rutschen“ nach allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, sei in Ansehung der eigenständigen Definition des Begriffs „Erdrutsch“ nicht entscheidend. Dass die Klausel ein Abgleiten oder Abstürze von Gesteins- oder Erdmassen verlange, führe nicht dazu, dass dies eine Mindestgeschwindigkeit haben müsse, also Kriechvorgänge vom Versicherungsschutz ausgenommen wären.

Auch aus dem Sinn und Zweck des Leistungsversprechens ergäbe sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nichts anderes. Durch einen Vergleich mit anderweitigen Regelungen in der Elementarversicherung (wie z.B. Überschwemmung, Rückstau, Vulkanausbruch, Erdbeben, Erdfall, Schneedruck, Lawinen) könne er nicht die Erkenntnis erlange, nur deutlich wahrnehmbare Vorgänge seien versichert. Eine Plötzlichkeit sei - mit Ausnahme für den Vulkanausbruch - nach dem Wortlaut der Bedingungen dort gerade nicht gefordert.

Die Zurückverweisung erfolgte, da Feststellungen zur Ursächlichkeit der Rissbildungen bisher nicht getroffen wurden.

BGH, Urteil vom 09.11.2022 - IV ZR 62/22 -

Freitag, 23. September 2022

Gebäudeversicherung: Gebäudeschaden durch Abriss von Efeubewuchs bei Sturm

Die Kläger unterhielten (jedenfalls einer der Kläger, was offen bleiben konnte) bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung. Nach dem klägerischen Vortrag sei der Efeu, mit dem die Fassade bewachsen gewesen sei, bei Sturm mit Gewalt von der Gebäudefassade abgerissen worden und hatte diese dabei beschädigt. Das Landgericht wies die Klage gegen den Versicherer, der eine Regulierung abgelehnt hatte, ab; auf die eingelegte Berufung der Kläger wies das OLG darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, woraufhin sie zurückgenommen wurde.

Das OLG hielt unter Bezugnahme auf die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Wohngebäude (VGB 2017) fest, dass der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen leiste, die durch einen Sturm zerstört oder beschädigt würden oder infolge des Sturms abhanden kämen (Nr. 4.1.3 VGB 2017). Der Sturm müsse entweder unmittelbar auf die versicherte Sache (Gebäude) einwirken oder es müssten sonstige Gegenstände auf die versicherte Sache geworfen werden (Nr. 7.2.1. und 7.2.2 VGB 2017) und es müsste dadurch zu dem Schaden am Gebäude kommen. Der Sturm habe hier ersichtlich keine Gegenstände auf das Gebäude geworfen, weshalb für einen Anspruch aufgrund der Schäden nur die erste Variante in Betracht käme.

An einer unmittelbaren Einwirkung des Sturms würde es hier aber fehlen. Eine unmittelbare Einwirkung läge vor, wen Luft (als Sog oder als Druck) auf diese einwirke und zur Beschädigung führe. Vorliegend aber habe der Sturm auf das Efeu eingewirkt und dieses von der Fassade mit Gewalt abgerissen; durch das Abreißen sei es zur Beschädigung an der Gebäudefassade gekommen. Der Efeu sei keine versicherte Sache, wie Nr. 1.3.4 VGB 2017 klarstelle, demzufolge Pflanzen nicht zu den versicherten Bestandteilen in der Versicherung zählen würden. Auch würde es sich bei dem Efeu nicht um versichertes Zubehör iSv. Nr. 1.3.3 VGB 2017 handeln; auch wenn der Efeu nach dem Vortrag der Kläger dazu diene, die Fassade vor „normalen“ Witterungseinflüssen zu schützen, sei dieser doch dauerhaft mit dem Boden verbunden und daher kein Bestandteil des Gebäudes sondern des Grundstücks. Das Efeu sei nicht iSv. Nr. 1.3.3 VGB 2017 zur Instandhaltung des Gebäudes genutzt worden.

Das Abreißen des Efeus durch den Sturm sei auch nicht vergleichbar mit einer künstlich (durch den Menschen angebrachten) Fassadenverkleidung vergleichbar, bei deren sturmbedingten Herausreißen und dadurch bedingter Schädigung der Fassade Ersatz zu leisten sei. Denn in diesem Fall der künstlichen Fassadenverkleidung, die an der Fassade angebracht worden wäre, würde es sich um einen Bestandteil der Fassade handeln, anders als nach Nr. 1.3.4 VGB 2017 bei Pflanzen.

OLG Hamm, Beschluss vom 03.06.2022 - 20 U 173/22 -

Donnerstag, 21. Juli 2022

Gebäudeversicherung: Der Kochherd und grobe Fahrlässigkeit an der Brandentstehung

Nach einem Brandschaden machte die Klägerin Leistungen aus ihrer Wohngebäudeversicherung geltend. Zu dem Feuer kam es in der Küche, da die Klägerin kurz vor Verlassen des Hauses versehentlich den E-Herd nicht ausschaltete, sondern durch Betätigung des Drehknopfs einer anderen Platte diese auf die höchste Stufe stellte. In den Versicherungsbedingungen (§ 19 Ziffer 1 Abs. 3 VGB 2010) war geregelt, dass bei grob fahrlässigen Herbeiführen des Schadens durch den Versicherungsnehmerin der Versicherer (hier die Beklagte) in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis diesen kürzen könne.

Die Beklagte regulierte mit 75%. Die Klage der Klägerin, die in erster Instanz erfolgreich war, wurde auf die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass die Regelung in § 19 Ziffer 1 Abs. 3 VGB 2010 der Norm des § 81 Abs. 2 VVG entspräche, weshalb die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Versicherungsleistung zu kürzen. Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt müsse in einem ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden sein und dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jeden hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -).

Wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchte, würde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzen und objektiv grob fahrlässig handeln. Dies sei hier anzunehmen, da die Klägerin die Herdplatte auf höchste Stufe eingeschaltet habe und für ca. 20 Minuten das Haus verlassen habe, ohne zu prüfen, ob der Herd ausgeschaltet ist.

Subjektiv sei für eine grobe Fahrlässigkeit ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit erforderlich, die auch subjektiv eine unentschuldbare Pflichtwidrigkeit darstelle, bei der das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschritten würde (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -). Das Berufungsgericht ging davon aus, dass auch subjektiv das Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe und Verlassen des Hauses für ca. 20 Minuten eine erhebliche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt darstelle. Sie hätte sich keinesfalls auf ihre subjektiv geprägte Annahme verlassen dürfen, den Herd ausgeschaltet zu haben. Offensichtlich habe sie den Drehknopf ohne Sichtkontakt betätigt, da sie ansonsten hätte feststellen müssen, dass sie den falschen Knopf betätigt. Das Berufungsgericht stellte auf die besondere Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen E-Herdes ab, weshalb der Klägerin die Pflicht oblegen habe, durch Blickkontakt sicherzustellen, dass der Herd tatsächlich - wie beabsichtigt - ausgeschaltet war, zumal sie beabsichtigt habe, kurz darauf das Haus zu verlassen. Diese Vergewisserung sie auch einfach, schnell und unproblematisch möglich (Blick auf Drehknöpfe, bei modernen Geräten auf das Display oder auf den farblichen Zustand der Ceranfelder).

Die Klägerin könne sich auch nicht auf ein Augenblicksversagen berufen. Dieses könne nur vorliegen, wenn der an sich objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auf einer kurzzeitigen bzw. einmaligen und unbewussten Unaufmerksamkeit beruhen und zusätzliche Umstände hinzutreten würden, die das momentane Versagen in einem milderen Licht erscheinen ließen (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -). Vorliegend habe sich die Klägerin vergriffen, da sie die benutzte Herdplatte habe ausschalten wollen, versehentlich aber statt dessen die dahinter liegende Platte auf die höchste  Stufe einschaltete. Besondere Umstände, die dies in einem milderen Licht erscheinen ließen (wie besondere Eile oder Ablenkung durch eine außergewöhnliche  (Not-) Situation) seien nicht ersichtlich.

Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung zur sog. Routinehandlung berufen, bei der die Handlung typischerweise unbewusst ausgeübt würde. Voraussetzung dafür sei, dass der handelnde mit einer bestimmten Tätigkeit, die ständige Konzentration erfordere, dauernd beschäftigt sei, da ein einmaliger Ausrutscher in solchen Fällen jedem und damit auch dem ansonsten sorgfältigen Versicherungsnehmer unterlaufen könne (BGH, Urteil vom 08.07.1992 - IV ZR 223/91 -). Weder handele es sich vorliegend um eine entsprechende routinemäßige Dauertätigkeit, noch sei erkennbar, dass die Klägerin abgelenkt gewesen sei.

Damit sei die von der Beklagten vorgenommene Kürzung um 25% angemessen. (Anm.: Das Berufungsgericht hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass in einem solchen Fall nur 25% gekürzt werden könnten, sondern nur bestätigt, dass die konkret vorgenommene Kürzung von 25% - jedenfalls - angemessen ist.)

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 12.05.2022 - 3 U 37/21 -

Dienstag, 14. Dezember 2021

Wohngebäudeversicherung: Wasserschaden durch undichte Silikonfuge

Der Kläger nahm die Beklagte als Wohngebäudeversicherer im Hinblick auf einen Nasseschaden in Anspruch. In den Bedingungen der beklagten Versicherung heiß es unter anderem: 

"§ 3 Leitungswasser

1. Bruchschäden innerhalb von Gebäuden

Der Versicherer leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende

b) frostbedingte Bruchschäden an nachfolgend genannten Installationen:

aa) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Armaturen …

2. Bruchschäden außerhalb von Gebäuden

3. Nässeschäden

Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.

Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. 

In einem Duschbad des Hauses kam es durch eine undichte Silikonfuge im Duschbereich zu einem Schaden. Die Beklagte negierte einen versicherungsvertraglichen Anspruch. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung von € 17.575,70. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, im Berufungsverfahren mit € 4.635,60 stattgegeben. Die Revision der beklagten Versicherung führte zur Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH legte die hier verwandte versicherungsvertragliche Klausel dahingehend aus, dass die Beklagte für einen Wasserschaden infolge einer undichten Fuge nicht einzustehen habe.

Die Auslegung von Versicherungsbedingungen orientiere sich an einem durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer und wie dieser sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstünde.  Auf versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse käme es bei diesem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht an. Abzustellen sei damit zunächst auf den Wortlaut, zusätzlich seien der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zu berücksichtigen.

Hier würde der Versicherungsnehmer unter „Leitungswasser“ und dann, da eine defekte Fuge kein Bruchschaden sei, unter „Nässeschäden“ nachlesen. Danach würde der Versicherer Entschädigung leisten, wenn Leitungswasser bestimmungswidrig austreten würde und dabei etwas zerstört oder beschädigt. Das Wasser müsse aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitung) oder damit verbundenen Schläuchen oder sonstigen wasserführenden Teilen sowie Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. Bei Lesen dieser Bedingungen würde der durchschnittliche Versicherungsnehmer feststellen, dass bei einer undichten Fuge Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung pp. komme, weshalb er die Alternative in Betracht ziehen würde, dass Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen“ ausgetreten sei. Die „Einrichtung“ würde er als eine (technische) Vorrichtung oder Anlage einstufen, wobei er dem Wortlaut der Klausel entnehmen könne, dass dies mit dem Rohrsystem verbunden sein müsse. Da aber läge auch für ihn ersichtlich bei einer undichten Fuge nicht vor.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde auch der Klausel keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden sei. Eine entsprechende Sachgemeinschaft würde er nicht annehmen, da der Klauselwortlaut dafür nichts hergeben würde; das Wort „Sachgesamtheit selbst käme auch nicht vor.

Nach Auffassung des BGH erwarte der durchschnittliche Versicherungsnehmer von einer Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und (soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergäben) lückenlosen Schutz und er würde sich, so der BGH, durch die Klausel nicht in seiner Erwartung  getäuscht, sondern  das Leistungsversprechen dahingehend verstehen, dass Schäden durch austretendes Leitungswasser nur gedeckt seien, wenn das Wasser aus bestimmten, abschließend aufgezählten Quellen stamme.

BGH, Urteil vom 20.10.2021 - IV ZR 236/20 -

Freitag, 5. Juni 2020

Wohngebäudeversicherung: Rohrbruch unterhalb der Bodenplatte


Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Im Streit war zwischen den Parteien, ob der Kläger im Zusammenhang mit einem Wasserschaden Anspruch auf Versicherungsschutz hat.

Nach den der Versicherung Wohngebäudeversicherung zugrundeliegenden VGB 2011 sei die Beklagte zur Entschädigung für außerhalb von Gebäuden eintretenden frostbedingten und sonstigen Bruchschäden nur im Hinblick auf Zuleitungsrohre der Wasserversorgung und der Rohre der Warmwasserheizungs-, Dampfheizungs-, Klima-, Wärmepumpen und Solarheizungsanlagen verpflichtet (§ 3 Nr. 2 VGB 2011). Bei einem Abwasserrohr wie hier wäre dieses nur dann von der Versicherung umfasst, wenn es sich innerhalb des Gebäudes befände (§ 3 Nr. 1 VGB 2011). Nach Ansicht des OLG würde sich das Rohr aber, zu dem der Kläger mehrere Rohrbrüche behaupte, außerhalb des Gebäudes befinden. Ausdrücklich würde es in § 3 Nr. 1 VGB 2011 heißen: „Soweit nicht etwas vereinbart ist, sind Rohre und Installationen unterhalb der Bodenplatte nicht versichert.“ Die differenzierende Rechtsprechung des BGH zu den vorangegangenen VGB 62 sei durch die VGB 2011 überholt. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes sei auch wirksam. Der Versicherer habe ein legitimes Interesse an der Beschränkung und die Regelung sei auch nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB und stelle sich auch nicht als eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers (§ 307 Abs. 1 BGB) dar. Dies verdeutliche sich schon daraus, dass der Ausschluss nicht nur einseitig der Beklagten als Versicherer diene, sondern auch die Versichertengemeinschaft schütze, da die Feststellung genauer Schadensursachen an solchen Rohren mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei (dazu auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.09.2000 - 5 U 345/00 -).

Auch die Formulierung im Versicherungsschein „Ihr Wohngebäude ist gegen folgende Gefahren abgesichert: Brand, Blitzschlag, .., Leitungswasser, Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden sowie Nässeschäden….“. Auch wenn unter gewissen Umständen bei Abweichungen von Antrag und Versicherungsschein nach § 5 Abs. 1 VVG Vertragsbestandteil würden und der Versicherungsvertrag auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG  mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande kommen könne, würde jedenfalls eine „Abweichung“ hier nicht vorliegen. Der Versicherungsschein müsse nicht das genaue Spiegelbild des Antrages und der zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen sein. Es sei durch Auslegung zu ermitteln, ob tatsächlich inhaltliche Abweichungen vorlägen.

Die im Versicherungsschein pauschale Formulierung „Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden“ ergäbe keine Abweichung, da zum Einen auf die VGB 2011 ausdrücklich verwiesen würde, zum Anderen ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erkenne, dass im Versicherungsschein die versicherten Gefahren nur schlagwortartig erfasst würden und sich die Einzelheiten aus den in Bezug genommenen Versicherungsbedingungen ergäben.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 20.02.2019 - I-20 U 2/19 -

Freitag, 1. Juni 2018

Wohngebäudeversicherung: Zur Auslegung des Begriffs der mitversicherten „Einfriedung“


Nach den Versicherungsbedingungen der Wohngebäudeversicherung  (Beklagte) waren u.a. „Einfriedungen (und zwar ausschließlich Zäune, Mauern und Hecken“  mitversichert gewesen; vom Versicherungsschutz waren Erdfall und Erdrutsch umfasst. Unter Berufung auf diese Regelung machte die Klägerin als Versicherungsnehmerin Ansprüche geltend. Betroffen war eine Trockenmauer, die – da das Grundstück auf einer Feldkante hoch über einen Wanderweg liegt – an der felskante bis zur Höhe des Grundstücksniveaus reichte. Auf der Trockenmauer befand sich ein Holzzaun. Die Trockenmauer senkte sich im Spätherbst 2015 an einigen Stellen ab, wodurch einzelne Steine und Felsbrocken auf den darunter verlaufenden Wanderweg stürzten. Die Klägerin ließ eine Notsicherung der Trockenmauer und eine Hangsicherung vornehmen und vertrat die Ansicht, die Trockenmauer stelle eine Einfriedung des Grundstücks dar und deshalb handele es sich um eine versicherte Maßnahme, da der Einsturz des Erdbodens und das Abrutschen naturbedingt gewesen seien. Von der Beklagten wurde die Ansicht vertreten, die Trockenmauer habe lediglich Stützfunktion und stelle sich nicht als versicherte Einfriedung dar, da sie nicht vor unbefugten Betreten und unerwünschter Einsicht schütze.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In seinem Hinweisbeschluss (auf den dann die Berufung zurückgenommen wurde) wies das OLG auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung nach § 522 ZPO hin.

Unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 18.10.2017 - IV ZR 188/16 -  wurde vom OLG angemerkt, dass für das Verständnis einer versicherungsvertragliche Klausel darauf abzustellen sei, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese bei verständiger Würdigung nach Durchsicht ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse nach dem erkennbaren Sinnzusammenhang verstehen würde. Damit sei in erster Linie vom Wortlaut auszugehen und der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zwecke und der Sinnzusammenhang seien zusätzlich zu berücksichtigen, soweit für den Versicherungsnehmer erkennbar.

Die Trockenmauer, auf der der Zaun stand, würde, so das OLG, von dem verständigen Versicherungsnehmer nicht als Einfriedung angesehen werden. Ein verständiger Versicherungsnehmer würde, den der Begriff Einfriedung nicht geläufig sei, annehmen, dass die Versicherungsbedingungen hier mit den allgemeinen nachbarrechtlichen Regelungen in §§ 921ff BGB sowie den landesrechtlichen Nachbarrechtregelungen identisch seien. §§ 4ff SächsNRG regele insoweit ausdrücklich die Errichtung und Unterhaltung von Einfriedungen. Darunter würde das Gesetz die Einrichtungen an oder auf der Grundstücksgrenze verstehen,  die dazu bestimmt seien, das Grundstück ganz oder teilweise zu umschließen und nach außen abzuschirmen, um so ein unberechtigtes Betreten oder Verlassen zu verhindern oder sonstige störende Einwirkungen abzuwehren. Damit sei nicht vereinbar eine Einfriedung, die lediglich der Grenzscheidung diene.

Zwar mag vorliegend der Zaun, der auf der Mauer angebracht war, dazu gedient haben, ein unberechtigtes Betreten oder Verlassen des Grundstücks zu verhindern. Nicht aber die Trockenmauer, die auf dem Grundstücksniveau endete. Diese habe lediglich dazu gedient, das Erdreich auf dem klägerischen Grundstück vor einem Abrutschen zu schützen. Die Einfriedungsfunktion habe daher lediglich der Zaun auf der Mauer erfüllt.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 02.01.2018 -  4 U 1400/17 -

Freitag, 19. August 2016

Versicherungsrecht: Auskunftsobliegenheit auch entgegen eigenen Interessen

Im Rahmen einer Schadensregulierung ging der beklagte Wohngebäudeversicherer u.a. im Zusammenhang mit dem Brand im September 2010 des versicherten Gebäudes der Frage einer Eigenbrandstiftung nach. Der klagende Versicherungsnehmer hatte im Juli 2008 das Haus auf sich übertragen lassen, nachdem sein Sohn Kay, der dies 2001 erworben hatte und dort mit seiner damaligen Lebensgefährtin wohnte, sich von dieser trennte; der Kläger hat sodann das Haus an seine beiden Söhne vermietet.  Die Beklagte hatte den Kläger u.a. zu dessen Söhnen befragt und dazu, ob er Kenntnis von Sachverhalten habe, die den Verdacht nahelegen könnten dass diese den Brand gelegt hätten und ferner, ob sie finanzielle, berufliche oder persönliche Schwierigkeiten hätten. Der Kläger gab an, keine Kenntnis über irgendwelche finanziellen Schwierigkeiten seiner Söhne zu haben. Tatsächlich hatte aber der eine Sohn im März 2008 die eidesstattliche Versicherung ab und wurde im April 2009 wegen Computerbetrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.  Die Beklagte lehnte wegen arglistiger Verletzung von Obliegenheiten durch ihren Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz ab.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hatte auf die Berufung hin der Klage stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagte wurde das Urteil vom BGH im Beschlussweg aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Bei der im Rahmen der Regulierungsermittlung durch den beklagten Versicherer gestellten Frage nach möglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Söhne handele es sich um eine zur Feststellung des Versicherungsfalls erforderliche und daher zulässige Frage. Der Versicherungsnehmer sei nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zur unverzüglichen Auskunftserteilung verpflichtet, soweit dies zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist, und habe jede Untersuchung zu Ursache und Höhe zu gestatten. Diese Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers sei weit gefasst.   Das schließe auch die Feststellung solcher Umstände mit ein, aus denen sich die Leistungsfreiheit des Versicherers (z.B. nach § 81 VVG) ergeben könnte. Von daher habe der Versicherungsnehmers auf Verlangen auch insoweit Auskünfte wahrheitsgemäß zu erteilen, als sie eventuell seinen eigenen Interessen entgegenstehen.

Der BGH verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück, da dieses unter Verletzung des rechtlichen Gehörs einem Beweisangebot der Beklagten  nicht nachgegangen war, aus dem sich inzident ergeben sollte, dass der Kläger sehr wohl Kenntnis von den finanziellen Verhältnissen des Sohnes Kay und dem Computerbetrug hatte, da er mit der geschädigten des Computerbetrugs gesprochen haben soll, die von der Beklagten als Zeugin diesbezüglich benannt war.


BGH, Beschluss vom 13.04.2016 – IV ZR 152/14 -

Sonntag, 24. Januar 2016

Leitungswasserschaden: Ansprüche auch bei Weiterentwicklung des Schadens nach Übergang der Versicherung auf einen neuen Eigentümer und nach Kündigung

Bild: pixabay
Im Mai 2014 zeigte der Kläger der beklagten Versicherung einen Schaden an einem Heizungsrohr an.  Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, der Schaden sei vor Beginn des Versicherungsverhältnisses eingetreten. Das Landgericht lehnte die vom Kläger begehrte Prozesskostenhilfe ab, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben könne. Auf die Beschwerde bewilligte das OLG Hamm die Prozesskostenhilfe.


Das OLG Hamm führt aus, dass es sich um einen Nässeschaden handelt, der sich durch ständig nachkommendes Wasser vergrößere. Der hier vom Kläger geltend gemachte Versicherungsfall dauere so lange an, wie Wasser bestimmungswidrig aus der Leitung austritt und versicherte Sachen zerstört oder beschädigt. Da dem Versicherungsnehmer nach § 27 Z. 2 VGB nur die Verpflichtung zur Mitteilung von Schäden trifft, die er kennt, gehe der durchschnittliche Versicherungsnehmer von einem durchgängigen Versicherungsschutz aus, die er nach Abschluss der neuen Versicherung entdeckt. Damit ist nicht entscheidend, ob der Schaden bereits vor Versicherungsbeginn entstand, sondern lediglich, ob noch bei Versicherungsbeginn Wasser bestimmungswidrig austrat.


OLG Hamm, Beschluss vom 20.07.2015 – 20 W 19/15 -