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Montag, 2. September 2024

Zahlung des Haftpflichtversicherers an nichtberechtigten Fahrzeugführer/-halter

Bei der Klägerin handelte es sich um eine Leasinggesellschaft. Am 07.05.2021 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem das bei der beklagten Haftpflichtversicherung (Pflichtversicherung) und der nach Angaben der Klägerin von ihr verleaste BMW beteiligt waren. Zunächst wurden nach nah dem Verkehrsunfall über eine Anwaltskanzlei für eine Z. GmbH Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung des BMW gegenüber der Beklagten geltend gemacht, die von der Beklagten reguliert wurden. Sodann machte die Klägerin Schadensersatzansprüche mit der Behauptung geltend gemacht, sie sei Eigentümerin des BMW und es habe mit der Z GmbH ein Leasingvertrag bestanden.  geltend, die von der Beklagten zurückgewiesen wurden. Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die beklagte bejahrt und der im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten wurde das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kernpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung war, ob die Beklagte mit befreiender Wirkung an die Z. GmbH zahlen konnte. Unter Verweis auf § 851 BGB wurde dies vom Berufungsgericht bejaht. Danach könne ein Deliktsschuldner mit befreiender Wirkung an den Besitzer einer beweglichen Sache Ersatz leisten, wenn er ihn gutgläubig für den Eigentümer halte. Nach § 851 BGB würde die Redlichkeit des Ersatzleistenden Schädigers vermutet, weshalb die Beweislast für dessen Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Leistung den wahren Eigentümer bzw. Inhaber eines dinglichen Rechts treffe, der den Schädiger seinerseits ein zweites Mail in Anspruch nehme und gegen den sich der Schädiger nach §§ 361, 851 BGB verteidige (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.05.2011 - 4 U 261/10 -).

Die Z. GmbH sei als Leasingnehmer (und damit nicht Eigentümerin) eine Nichtberechtigte. Sie habe das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls allerdings in ihrem Besitz gehabt. Entsprechend der Wertung in § 1006 Abs. 3 BGB gelte § 851 BGB sowohl für den unmittelbaren wie auch den mittelbaren Besitz (OLG Saarbrücken aaO.), weshalb es vorliegend ohne Bedeutung sei, dass die Z. GmbH als Leasingnehmerin im Zeitpunkt des Schadensereignisses infolge des unmittelbaren Besitzes des faktischen Fahrzeughalters C. nur mittelbare Besitzerin gewesen sei. Auch wenn im Leasingvertrag die „Z. GmbH i.G. stand, habe der Senat infolge der gleichen Anschrift und Firmierung keine Zweifel, dass eine Identität vorläge. Auch auf Haftpflichtschäden nach §§ 7, 18 StVG ei § 851 BGB anzuwenden (OLG Saarbrücken aaO.).

Für eine Bösgläubigkeit der Beklagten iSv. § 851 BGB sei der gleiche Maßstab wie für § 932 Abs. 2 BGB anzulegen. Der Ausschluss der befreienden Wirkung greife also bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis. Grobe Fahrlässig in Bezug auf die Kenntnis des Rechts des Dritten läge vor, wenn der Ersatzpflichtige die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 13.04.1994 - II ZR 196/93 -). Der gute Glaube des Ersatzpflichtigen müsse zum Zeitpunkt der Leistung vorliegen, spätere Erkenntnisse seien unschädlich.  

Unstreitig kannte die Beklagte zum Zeitpunkt der Leistung die Eigentümerstellung der Klägerin nicht. Die Klägerin habe auch nicht den Nachweis geführt, dass ihr das Eigentum der Klägerin infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei.

Eine grobe Fahrlässigkeit wegen einer nicht verlangten Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II und einer unterbliebenen Einsichtnahme in die Ermittlungsakte negierte das Berufungsgericht. Der Vorgang sei nicht vergleichbar demjenigen bei einem gutgläubigen Erwerb eines Fahrzeugs. Bei der Regulierung von Verkehrsunfällen würde die von § 851 BGB intendierte zügige Schadensabwicklung verzögert, würde der Haftpflichtversicherer zunächst einen Eigentumsnachweis des Geschädigten fordern. Auch der Umstand, dass in der heutigen Wirtschaftspraxis die Aufspaltung von Nutzungs- und Eigentumsrecht eher der Regalfall sei, dürfe grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Besitzers nicht pauschal bejaht werden, wenn ohne Vergewisserung zur Eigentumslage gezahlt würde und keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, dass es sich bei dem Unfallwagen um Vorbehaltsware oder ein Leasingfahrzeug handele (OLG Saarbrücken aaO.).

Die Formulierung in dem anwaltlichen Anspruchsschreiben zu dem „Pkw des Mandanten“ deute nach dem üblichen Sprachgebrauch auf eine Eigentümerstellung hin, weshalb auch aus dieser Formulierung nicht grob fahrlässig ein fehlendes Eigentum nicht erkannt worden sei. Zu der Formulierung und das Verständnis im allgemeinen Sprachgebrauch verweist das Berufungsgericht auf eine Entscheidung des KG Berlin vom 04.03.1976 - 22 U 1946/ 75 – (wonach dort zusätzlich vom Halter gesprochen wurde) und eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 09.03.1992 - 1 U 70/91 – hin (nach der allerdings der Anspruchsteller auch als Eigentümer bezeichnet worden sei). Anmerkung: Das Berufungsgericht weist zutreffend an anderer Stelle auf die heutige Wirtschaftspraxis hin, nach der zunehmend Nutzungsrecht und Eigentum an einem Kfz auseinanderfallen, was zum Zeitpunkt der von ihm benannten Entscheidungen in diesem Umfang noch nicht der Fall war. Da der „allgemeine Sprachgebrauch“ einer tatsächlichen Rechtslage häufig nicht gerecht wird, man zudem von einem Anwalt verlangen sollte, sich rechtlich klar auszudrücken, erscheint es bedenklich, jedenfalls und konkrete Nachfrage zum Eigentum und einer Bejahung durch die anwaltlich vertretene Anspruchstellerseite eine grobe Fahrlässigkeit zu negieren, da an sich einsichtig ist, dass eine Termins wie „Pkw meines Mandanten“ auch bewusst verwandt worden sein könnte, um gerade die fehlerhafte Behauptung von Eigentum zu vermeiden.

Neben der benannten Formulierung verwies aber das Berufungsgericht ergänzend darauf, dass verbliebene Zweifel des Sachbearbeiters der Haftpflichtversicherung dadurch zerstreut werden könnten, dass ein Gutachten vorgelegt würde, in dem der Anspruchsteller als Auftraggeber und Halter oder als Eigentümer benannt würde. Anmerkung: Gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aus dem Blickwinkel der zu prüfenden groben Fahrlässigkeit m.E. lediglich in dem Fall, dass der Anspruchsteller in einem von diesem über seinem Anwalt vorgelegten Gutachten als Eigentümer benannt wird (da damit die anwaltliche Angabe „Pkw meines Mandanten“ rechtlich konkretisiert wird). In Bezug auf die Zulassungsbescheinigung / Haltereigenschaft kann ihm nicht gefolgt werden, da weder der Inhaber der Zulassungsbescheinigung als Eigentümer ausgewiesen wird (so explizit auch der Hinweis auf der Zulassungsbescheinigung Teil II), noch notwendig der Halter Eigentümer sein muss (so z.B. bei Leasing, Sicherungseigentum).

Lägen im Einzelfall keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass es sich bei dem Unfallwagen um ein Leasingfahrzeug, sicherungsübereignetes Fahrzeug oder um Vorbehaltsware handele, so das Berufungsgericht, und bestünden auch aus anderen Gründen keine validen Zweifel, dass der Anspruchsteller Eigentümer des Unfallsfahrzeugs sei, müsse mithin von dessen Berechtigung ausgegangen werden dürfen.

Das LG Nürnberg-Fürth habe in seinem hier mit der Berufung angegriffenen Urteil zwar als Erfahrungssatz ausgeführt, dass nahezu in jedem zweiten Fall in finanziertes oder geleastes Fahrzeug betroffen sei. Unabhängig davon, ob dies zugrunde gelegt werden könne, und selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Unfall geleaster Fahrzeuge im gewerblichen Bereich (wie hier) noch höher ausfallen möge, verbliebe ein bestimmter Anteil an Fahrzeugen die im Eigentum des gewerblichen Nutzers stünden, weshalb sich alleine aufgrund dieser Tatsachen für die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines geleasten Fahrzeugs ergeben müsse. (Auf meine vorherigen Anmerkungen darf ich verweisen).

Die vom Erstgericht gestellten Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab seien zu weit gefasst und ließen eine klare Abgrenzung zur gewöhnlichen (einfache) Fahrlässigkeit nicht mehr zu, fordere man vom Haftpflichtversicherer nicht nur bei konkreten Anhaltspunkten zur Vermeidung des Vorwurfs einer groben Fahrlässigkeit, den Anspruchsteller zu einer eindeutigen Erklärung zum Eigentum aufzufordern. Anmerkung: Auch hier ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen., Es ist ein Unterschied, ob verlangt wird, der Versicherer müsse sich den Beweis für das Eigentum erbringen lassen oder ob er nur die deutliche Erklärung des Anspruchsstellers zum Eigentum verlangt. Das Unterlassen der Nachweiserbringung kann tatsächlich (liegen nicht konkrete Anhaltspunkte vor, die gegen ein Eigentum sprechen) nicht als grob fahrlässig angesehen werden, anders aber das Unterlassen nach einer einfachen Erklärung zum Eigentum (in Ansehung geleaster und sicherheitsübereigneter Fahrzeuge).

Richtig verweist das Berufungsgericht abschließend darauf hin, dass zwar § 119 Abs. 3 VVG dem Haftpflichtversicherer einen Auskunftsanspruch gegen den Dritten einräumt, aber keine Obliegenheit normiert, dass eine bestimmte Auskunft eingeholt werden müsse. Das aber ändert nichts an der Betrachtung zu § 851 BGB.

OLG Nürnberg, Urteil vom 11.06.2024 - 14 U 203/23 -

Samstag, 29. Juli 2023

Irrtümliche Zahlung des Kfz-Haftpflichtversicherers auf fremde Schuld und bereicherungsrechtliche Forderung

An einem Kettenauffahrunfall mit fünf Fahrzeugen war u.a. ein in den Niederlanden zugelassener VW Caddy beteiligt. An zweiter Stelle fuhr ein Ford, an dritter Stelle ein Ford. Ein Porsche war aus der Kolonne ausgeschert, als sich der Unfall ereignete. Der VW Caddy fuhr auf den Audi auf; auch die anderen Fahrzeuge erlitten Kollisionsschäden. Der Kläger (Grüne-Karte-System) regulierte über die von ihm beauftragte Van Ameyde Germany AG (der VW Caddy war bei einer niederländischen Haftpflichtversicherung versichert) und zahlte an den Halter des Audi unter Vorbehalt der Rückforderung € 10.000,00 und an die Halterin (ebenfalls unter Vorbehalt) des Ford € 23.282,96.  In einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen dem Kläger und dem Halter des Audi kam das zuständige Landgericht zu der Überzeugung, dass Ausgangspunkt der Kollision ein schuldhaftes Auffahren des Audi auf den Ford gewesen sei; der dadurch für den VW Caddy verkürzte Bremsweg habe die Kollision des VW Caddy mit dem Audi bedingt, weshalb dem Halter des Audi 100% des Schadens anzulasten seien. Nunmehr verklagte der Kläger die Haftpflichtversicherung des Audi (Beklagte) auf Ersatz der von ihm geleisteten Zahlung an die Halterin des Ford. Das Landgericht gab der Klage auf der Grundlage von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) statt.

1. Die Beklagte wandte ein, bei der geleisteten Zahlung würde es sich nicht um eine Zahlung des Klägers, sondern um eine solche des niederländischen Haftpflichtversicherers des VW Caddy gehandelt haben, weshalb der Kläger zur Geltendmachung nicht aktivlegitimiert sei. Dem folgte das Landgericht nicht. Zwar sei in dem Regulierungsschreiben der vom Kläger beauftragten Van Ameyde Germany AG im betreff der Name des niederländischen Haftpflichtversicherers benannt worden, doch bedeute dies nicht, dass die Halterin des Ford diesen auch direkt in Anspruch genommen hätte, zumal die Halterin des Ford, eine GmbH mit Sitz in Recklinghausen, eine deutsche Anwaltskanzlei mandatierte und es fernliegend sei, dass seien solche den ausländischen Versicherer direkt in Anspruch nehme, statt den einfacheren Weg über das System der Grünen Karte zu nutzen, genauso wie es der Versicherungsnehmer der Beklagten tat. Damit sei der Kläger als passivlegitimiert (§ 6 AuslPflVG iVm. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG) in Anspruch genommen worden und war Leistender der Zahlungen im Sinne des Bereicherungsrechts, auch wenn das Geld direkt oder per interner Verrechnung mit der Van Ameyde Germany AG von dem niederländischen Versicherer stammten, da damit die gegen den Kläger gerichteten Zahlungen zu Fall gebracht werden sollten (OLF Hamm, Urteil vom 06.04.2017 - I-24 U 110/16 -).

2. Mit der streitgegenständlichen Zahlung habe der Kläger ohne Rechtsgrund eine Verbindlichkeit der Beklagten erfüllt und sie damit in ungerechtfertigter Weise bereichert.

a) Folge der beklagtenseits nicht angegriffenen Feststellungen in dem vorangegangenen Verfahren des Klägers gegen den Halter des Audi sei, dass dessen Fahrer den Kettenauffahrunfall durch einen unprovozierten (Erst-) Anstoß auf den Ford ausgelöst habe. Selbst wenn es in der Folge des Anstoßes des Audi auf den Ford noch zu einem Folgeanstoß des Audi auf den Ford durch den VW Caddy gekommen sein sollte, würde sich and er alleinigen Haftung des Audi nichts ändern (Anm.: da der Bremsweg verkürzt war, der Anstoß des VW Caddy auf den Audi also nicht zu verhindern war, würde hier die Betriebsgefahr des VW Caddy gegenüber dem Verschulden auf der Seite des Audi zurücktreten). Damit entfalle ein Anspruch gegen den Versicherer des VW Caddy nach §§ 7, 18 StVG und aus § 813 BGB iVm. § 6 AuslPflVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB.

b) Der Kläger könne auch direkt Zahlung von der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. Er habe durch Zahlung an die Halterind es Ford, zu der er sich verpflichtet gesehen habe, irrtümlich eine fremde Schuld getilgt. Grundsätzlich könne er zwar die Zahlung (soweit nicht gesetzliche Regressansprüche bestehen) nur vom Zahlungsempfänger zurückfordern (was ihm infolge des erklärten Regulierungsvorbehalts auch möglich wäre).

Es könne dahinstehen, ob ein gesetzlicher Regressanspruch (so aus einem Gesamtschuldverhältnis mit der Beklagten gem. § 426 BGB) bestünde. Zulässig sei es, dass der Leistende eine Tilgungsbestimmung nachträglich dahin zu ändern, dass er die Fremde Schuld habe tilgen wollen, mit er Folge, dass er den wahren Schuldner von der Leistungspflicht nach §§ 267, 362 Abs. 1 BGB befreie (BGH, Urteil vom 15.05.1986 - VII ZR 274/85 -). Dies habe der Kläger durch seine gegenüber der Beklagten erhobene „Regress“-Forderung konkludent berechtigt getan. Damit würden auch dem wahren Schuldner evtl. mögliche Einwendungen (zumindest unter Beachtung von § 242 BGB) genommen, die hier aber auch nicht erhoben worden seien.

LG Münster, Urteil vom 15.12.2022 - 8 O 205/22 -

Sonntag, 16. Juli 2023

Erfüllungseinwand trotz Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung ?

Problemkreise: Zahlung des Haftpflichtversicherers für beklagten Schädiger an Gläubiger  „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“; erfolgte die Zahlung mit Erfüllungswirkung ? Negative Feststellungsklage zum Rückforderungsvorbehalt: Begründetheit der Klage gegen den Versicherungsnehmer und Zulässigkeit der Klage gegen den Versicherungsnehmer (sogen. doppelrelevante Tatsache).

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, machte Regressansprüche gegen den Beklagten Schuldner aufgrund eines Schadens ihres Versicherten gemäß § 116 SGB X geltend. Im Berufungsverfahren war nur noch der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag zu 2.  Streitgegenständlich, mit dem die Klägerin festgestellt wissen wollte, dass ein Rückforderungsanspruch des Beklagten im Hinblick auf eine von dessen Haftpflichtversicherung geleistete Zahlung auf den geltend gemachten Schaden nicht bestünde. Hintergrund war, dass der Haftpflichtversicherer im Rahmen der erfolgten Zahlung erklärte, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“ erfolge. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hin änderte das Oberlandesgericht (OLG) dahingehend ab, dass die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen würde, dass der Klageantrag zu 2. Unzulässig sei.

1. Zunächst musste sich das OLG damit auseinandersetzen, dass die Zahlung wie auch der Rückforderungsvorbehalt nicht vom Beklagten erfolgten, sondern von dessen Haftpflichtversicherer.

Zwar bestünde zwischen dem Beklagten und der Klägerin ein Rechtsverhältnis, da der Beklagte Schuldner der Schadensersatzforderung des Versicherten der Klägerin sei und diese Forderung im Hinblick auf die von der Klägerin erbrachten Leistungen auf die Klägerin gem. § 116 SGB X übergegangen sei. Sollet der Beklagte die Forderung zurückverlangen, würde auch bei der Klägerin ein Vermögensschaden in dieser Höhe eintreten.

Allerdings fehle es der Klägerin hier an einem Feststellungsinteresse gegenüber dem Beklagten, welches bei der negativen Feststellungsklage (wie hier) erfordere, dass sich der Beklagte der entsprechenden (Rück-) Forderung berühmen würde (diese also für sich beanspruche).  Fehle es daran sei die negative Feststellungsklage unzulässig. Vorliegend aber habe die Klägerin selbst nicht geltend gemacht, dass der Beklagte sich der Forderung berühmen würde, vielmehr vorgetragen, dass sie befürchte, dessen Haftpflichtversicherung könne die Zahlung zurückfordern.

2. Nur dann, wenn die Zahlung keine Erfüllung bewirke, käme ein rechtlich anerkanntes Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung der Nichtberechtigung zur Rückforderung in Betracht, da damit klargestellt würde, ob der von ihr geltend gemachte Anspruch durch Erfüllung erloschen sei.

Der erklärte Vorbehalt würde hier der Erfüllungswirkung nicht entgegenstehen. Zu unterscheiden sei:

Wolle der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB (keine Rückforderung bei Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld) ausschließen und sich mithin die Möglichkeit der Rückforderung nach § 812 BGB offenhalten, so würde dies der Erfüllung nicht entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/06 -); der Gläubiger habe nur einen Anspruch auf Erfüllung, nicht auf ein Anerkenntnis des Bestehens der Forderung. 

Leiste der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt, dass den Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsrechtsstreit auch die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen solle, läge keine Erfüllung vor. Dies ist vor allem anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahle und den Prozess gleichwohl fortsetzt, ferner dann, wenn er vorgerichtlich leistet, dies aber nur zur Abwendung eines empfindlichen Übels oder unter der Voraussetzung leiste, dass die Forderung zu Recht bestünde (BGH aaO).  In diesen Fällen bestünde ein rechtliches Interesse an der negativen Feststellungsklage (OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).

Der erklärte Vorbehalt sei nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gewollt sei, da dieser den Gläubiger auch zur Annahme der Leistung zwinge (Erman BGB, 16. Aufl. § 362 Rn. 13 mwN.).

Das Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten führe zum Ergebnis, dass dieses der ersten Fallgruppe unterfalle. Mit der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ würde klargestellt, dass die Zahlung kein Anerkenntnis, auf welches die beklagte auch keinen Anspruch habe, darstelle. Gleiches gelte für die Formulierung „dem Grunde und der Höhe nach“. Ersichtlich habe der Haftpflichtversicherer die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den Rückforderungsausschluss gem. § 814 BGB vermeiden wollen, was zulässig sei. Es könne aus der Formulierung nicht geschlossen werden, dass die Beweislast für den Bestand der Forderung der Klägerin aufgebürdet bleiben sollte. Ausgeschlossen würden im Falle einer Rückforderung nur die Einwendungen des Anerkenntnisses und das Wissen des fehlenden Rechtsgrundes, während die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf den mangelnden Bestand der Forderung bei dem Schuldner verbliebe. Damit würde es vorliegend am Feststellungsinteresse der Klägerin ermangeln.

3. Weiterhin setzte sich das OLG damit auseinander, ob ein Feststellungsinteresse dann anzunehmen wäre, wenn man entgegen dem obigen Ergebnis eine Erfüllungswirkung verneinen und deshalb ein Feststellungsinteresse insoweit bejahen würde. Auch in diesem Fall würde ein Feststellungsinteresse der Beklagten hier nicht bestehen können, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre und deshalb ein Feststellungsurteil nicht geeignet sei, eine Rechtsunsicherheit und Gefahr der Rückforderung zu beseitigen.

Der Rückforderungsanspruch würde entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht nicht dem Beklagten, sondern dessen Haftpflichtversicherer zustehen, der die Zahlung aufgrund des Versicherungsverhältnisses mit dem Beklagten an die Klägerin erbracht habe. Es handele sich vorliegend nicht um die Leistung des Beklagten mittels der Haftpflichtversicherung als Dritter (wie in den Anweisungsfällen), sondern um die Zahlung der Haftpflichtversicherung an den Gläubiger des Versicherungsnehmers als Dritte gem. § 267 BGB. In dieser Konstellation stünde der Haftpflichtversicherung als leistende Dritte der Kondiktionsanspruch zu. Leiste der Haftpflichtversicherer die Entschädigung an den Gläubiger seines Versicherungsnehmers, um dessen Verpflichtung zu erfüllen, könne er seine Leistung auch bei dem Gläubiger kondizieren, wenn diesem in Wahrheit kein Anspruch zustünde (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -; BGH, Urteil vom 29.02.2000 - VI ZR 47/99 -).

Es sei davon auszugehen, dass - wie regelmäßig - der Beklagte als Versicherungsnehmer den Versicherungsfall seiner Haftpflichtversicherung gemeldet hab, damit diese etwaige berechtigte Ansprüche des Verletzten aufgrund Versicherungsvertrages für ihn erfüllt (Anm.: Nach den Versicherungsbedingungen obliegt regelmäßig dem Haftpflichtversicherer die  Erfüllung berechtigter bzw. die Abwehr nichtberechtigter Forderungen auf eigene Kosten). In der Schadensanzeige läge keine Anweisung, nicht einmal im weitesten Sinne eine Weisung, die dem Versicherungsnehmer auch nicht zustünde und an die auch der Versicherer nicht zu befolgen bräuchte. Der Versicherer prüfe neben dem Deckungsverhältnis (also Anspruch des Versicherungsnehmers aus einem Versicherungsvertrag gegen ihn) auch die Berechtigung des gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Anspruch. Erst bei positiver Feststellung eines Anspruchs des Gläubigers erfolge Zahlung auf die Schuld des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -).

Gläubiger eines Rückforderungsanspruchs, dessen Nichtbestehen die Klägerin festgestellt wissen will, wäre mithin die Haftpflichtversicherung und nicht der Beklagte. Damit sei die Klage gegen den Beklagten (auch) unbegründet.

4. Bei der Frage der Anspruchsinhaberschaft handele es sich um eine sog. doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Die doppelrelevante Tatsache müsse schlüssig vorgetragen werden, mithin das Vorbringen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sein, die gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen. Der Vortrag der Klägerin, der Beklagte sei aufgrund der Zahlung seines Haftpflichtversicherers Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs und deshalb ein Feststellungsinteresse am Nichtbestehen eines Rückforderungsanspruch bestünde, sei aber unschlüssig. Die doppelrelevante Tatsache sei aber nicht nur zur Begründetheit sondern auch zur Zulässigkeit relevant.

Das Feststellungsinteresse fehle, da das angestrebte Urteil nicht geeignet sei, die Gefahr einer Rückforderung und die Unsicherheit der Rechtsposition der Klägerin zu beseitigen, da der Beklagte nicht Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs sei (s.o. 2.). Mit einem Urteil könne nur festgestellt werden, dass nicht der Beklagte zur Rückforderung berechtigt sei, was aber keine Auswirkungen auf das Verhältnis der Klägerin zu der Haftpflichtversicherung habe, da die Rechtskraft des Urteils nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits (inter pares) wirke. Da damit mit der begehrten Feststellung die Rechtsunsicherheit nicht beseitigt werden könne, fehle es an dem Feststellungsinteresse und damit zur Zulässigkeit der Feststellungsklage.

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -

Montag, 3. Juli 2023

Haftpflicht: Mitversicherung des volljährigen Kindes mit Berufsausbildung

Der Kläger begehrte von der Beklagten Deckungsschutz in Form der Freistellung zu einem Schadensfall. Bei der Beklagten handelte es sich um die Haftpflichtversicherung der Mutter des Klägers, der bereits volljährig war und eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte. Das Landgericht wies seine Klage ab. Auf seine Berufung erließ das OLG einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO und wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, seine Berufung zurückzuweisen, woraufhin er das Rechtsmittel zurücknahm.

Nach den Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) waren auch volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung mit in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers (hier der Mutter des Klägers) mitversichert, wenn sie „in häuslicher Gemeinschaft“ mit dem Versicherungsnehmer leben.

In den Entscheidungsgründen wies das OLG darauf hin, dass vom Kläger nicht ausreichend dargelegt worden sei, dass er noch in den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung seiner Mutter eingeschlossen gewesen sei. Nach den Versicherungsbedingungen sei nach den einschlägigen AHB für die Einbeziehung von volljährigen Kindern mit abgeschlossener Berufsausbildung Voraussetzung, dass sie mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben würden, sie auch dieselbe Meldeadresse wie der Versicherungsnehmer hätten.

Das bestehen derselben Meldeanschrift begründe aber nicht bereits die Annahme der häuslichen Gemeinschaft, wovon der Kläger ausging, der eine entsprechende Meldebescheinigung vorgelegt habe, aber weiteres zu den häuslichen Verhältnissen nicht mitteilte.  Die häusliche Gemeinschaft bestünde bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der Wohngemeinschaft, das vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum Ausdruck käme; als Indizien benannte das OLG die zumindest teilweise gemeinsame Nutzung von Hausrat und Räumen, die Gewährung von Kost und Logis, die Dauer des gemeinsamen Wohnens und das Befinden persönlicher Gegenstände in der Wohnung.

Damit schloss sich das OLG den Urteilen des BGH vom 12.11.1985 - VI ZR 234/84 - und des Brandenburgischen OLG vom 18.08.2016 - 12 U 134/15 - an.  Der BGH hatte die Problematik der "häuslichen Gemeinschaft" in einem Fall des § 67 Abs. 2 VVG (heute: § 86 Abs. 2 VVG) getroffen, in dem er klären musste, ob die Person, gegen die sich der auf den Versicherer übergehende Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers richtet, mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, da die häusliche Gemeinschaft den Regress des Versicherers hindert. Der BGH wandte die vom OLG in der besprochenen Entscheidung benannten Merkmale an, um die Kriterien für eine solche festzustellen. Im Hinblick auf das Familienprivileg im Rahmen des Entschädigungsanspruchs des Sozialversicherers nach § 116 SGB X, welches die Geltendmachung des Anspruchs durch den Sozialversicherer hindert, setzte sich das Brandenburgische OLG auch mit der häuslichen Gemeinschaft als Kriterium des Familienprivilegs im obigen Sinne auseinander.

Da es an einer substantiierten Darlegung des Klägers zu der „häuslichen Gemeinschaft“ ermangelte, sah auch das OLG die Klage als nicht begründet an.  

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 04.04.2023 - 4 U 2595/22 -

Montag, 13. Juni 2022

Fehlende Befugnis zur Prozessvertretung des Versicherungsnehmers durch Haftpflichtversicherer

Im Rahmen der auf § 3a UWG (Rechtsbruch) gestützten, wettbewerbsrechtlichen Klage eines Rechtsanwalts gegen eine Haftpflichtversicherung musste sich letztinstanzlich der BGH mit der Frage auseinandersetzen, ob der Haftpflichtversicherer für seinen Versicherungsnehmer – soweit eine anwaltliche Vertretung nicht zwingend vorgeschrieben ist (z.B. bei Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht), also im sogenannten Parteiprozess ohne Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung, die Prozessvertretung übernehmen darf, also im . Hintergrund war gewesen, dass der Haftpflichtversicherer für seinen Versicherungsnehmer Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid einlegte.

Das Landgericht hatte der Klage gegen den Haftpflichtversicherer stattgegeben. Die Berufung des Haftpflichtversicherers war erfolgreich. Der Rechtsanwalt hat die (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision eingelegt, die zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils des Landgerichts führte.

Eine Vertretungsberechtigung ergäbe sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht aus § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ZPO, wonach Familienangehörige, Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit stünde, diese Vertretung übernehmen könnten. Der Anwendungsbereich der Norm könne nicht überseinen Wortlaut hinaus erweitert werden dahingehend, dass dem dort benannten Streitgenossen ein Versicherungsunternehmen gleichstünde, dem ein Recht zur Nebenintervention (§§ 66, 68 ZPO) zustünde. Die Analogie sei nur bei planwidriger Regelungslücke zulässig, an der es hier fehle. Es lasse sich nicht erkennen, dass es der gesetzgeberischen Regelungsabsicht widerspreche, zwar Streitgenossen der Partei eine Vertretung zu erlaube, nicht aber Personen, denen nach §§ 66, 68 ZPO das Recht zur Nebenintervention zustünde. Der Begriff des Streitgenossen sei in der ZPO an einem anderen Ort als die Bestimmungen über Beteiligung Dritter (so die Nebenintervention) am Verfahren geregelt. Es handele sich um eine eindeutige Begriffswahl.

Zudem läge auch keine vergleichbare Interessenslage zwischen dem Streitgenossen und dem Nebenintervenienten vor. Die Zulassung des Streitgenossen diene der Prozessökonomie, da diese bereits als Partei auf Kläger- oder Beklagtenseite am Rechtsstreit auf gleicher Seite beteiligt seien. Mit dieser der Erleichterung des Verfahrens bezogenen Rechtfertigung sei die Stellung eines zur Nebenintervention Berechtigten nicht vergleichbar. Die prozessökonomische Wirkung entfalte ihre Wirkung erst im Folgeprozess, insoweit er nach § 68 von bestimmten Einwendungen in einem Verfahren mit der Partei, der er beigetreten ist, im Folgeprozess ausgeschlossen ist.

Zudem sei die Vertretung im Rahmen des § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ZPO bei einer entgeltlichen Tätigkeit ausgeschlossen. Dabei käme es nicht darauf an, ob ein Entgelt für die Prozessvertretung als solche vereinbart sei (BT-Drucks. 16/3655, S. 87); die Prozessvertretung dürfe auch nicht Teil einer entgeltlichen Vertragsbeziehung (wie sie zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestünde) sein. Hier sei der Haftpflichtversicherer im Rahmen des entgeltlichen Versicherungsvertrages verpflichtet, bei von einem Dritten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Ansprüchen diesen freizustellen und unbegründete Ansprüche abzuwehren, § 100 VVG. Die Versicherung umfasse die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, § 101 Abs. 1 S. 1 VVG. Damit sei die Vertretung durch den Haftpflichtversicherer als entgeltlich anzusehen.

Auch Art. 12 Abs. 1 GG, der die Berufsausübungsfreiheit beinhalte, gebiete es nicht, dem Haftpflichtversicherer eine Vertretungsbefugnis nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ZPO zuzubilligen. Zwar würde seine Berufsausübung eingeengt, wenn ihm das Recht zur Prozessvertretung nicht zuerkannt würde, da diese Einschränkung gerechtfertigt und nicht verfassungswidrig sei. Der Eingriff sei durch Gründe des Gemeinwohls begründet. § 79 Abs. 2 ZPO diene dem Schutz der rechtssuchenden Bevölkerung und der funktionierenden Rechtspflege und damit übergeordneten Gemeinwohlzielen (BGH, Urteil vom 20.01.2011 – I ZR 122/09 -; nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 20.04.2011 – 1 BvR 624/11 -).  

Da es dem Haftpflichtversicherer möglich sei, nach einem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid (Anm.: den der Versicherungsnehmer selbst einlegen kann) dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin beizutreten bestünde für ihn kein schutzwürdiges Interesse, die Hauptpartei als Prozessbevollmächtigter zu vertreten. Auch der Umstand, dass der Haftpflichtversicherer über vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen im Versicherungsrecht und über qualifiziertes Personal mit der Befähigung zum Richteramt verfüge käme es nicht an.

Anmerkung: Es ist bei vielen Versicherungsgesellschaften üblich, dass sich diese von dem Versicherungsnehmer den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid zusenden lassen, um dann selbst den Widerspruch bzw. Einspruch einzulegen. So wollen sie sicherstellen, dass das Rechtsmittel korrekt und fristwahrend eingelegt wird. Auch vertreten sie den Versicherungsnehmer in einigen Fällen direkt vor Gericht und Sachbearbeiter der Versicherung nehmen die Termine wahr. Der BGH hat klargestellt, dass dies unzulässig ist.  Zur Konsequenz hat dies, dass ein derartiges Verhalten nicht nur (wie hier) eine Abmahnung nach § 3a UWG begründen kann. Vielmehr dürfte die prozessuale Handlung als solche unzulässig sein, dass das Rechtsmittel (Widerspruch oder Einspruch) oder die Klageverteidigung für den Versicherungsnehmer unwirksam ist und als Folge Vollstreckungsbescheide ergehen können bzw. solche nicht rechtzeitig mit dem Rechtsmittel des Einspruchs angefochten wird, bzw. bei einer Klageverteidigung dies nicht beachtet wird (da die unwirksam ist) und Versäumnisurteil ergeht. Die Versicherungen müssen ihre Versicherungsnehmer darauf hinweisen, dass diese - ist ein gerichtliches Verfahren zu erwarten - selbst sofort bei Zugang von Mahn- oder Vollstreckungsbescheid den Rechtsbehelf einlegen und sich im Übrigen, bei einem streitigen Verfahren, überlegen, ob sie gemäß den Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt stellen oder, wollen sie die Vertretung vor Gericht selbst übernehmen (soweit nicht anwaltliche Vertretung vorgeschrieben ist) dem Rechtsstreit auf Seiten ihres Versicherungsnehmers durch Nebenintervention beitreten.

BGH, Urteil vom 10.03.2022 - I ZR 70/21 -

Samstag, 3. Juli 2021

Rechtskrafterstreckung des klageabweisenden Urteils gegen Kfz-Haftpflichtversicherung

Der Schwiegersohn der Beklagte parkte im September 2015 deren Fahrzeug VW Touran am Fahrbahnrand in einer Kurve und öffnete die Fahrertür. Der Ehemann der Klägerin fuhr mir einen Pkw Hyundai an dem Fahrzeug der Beklagten unter Inanspruchnahme der Gegenfahrspur vorbei und kollidierte mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer. Zunächst erhob die Klägerin Klage gegen den Schwiegersohn der Beklagten und dem Haftpflichtversicherer (Pflichtversicherer) des VW Touran. Das Amtsgericht wies die Klage ab, da die Klägerin ihr Eigentum an dem VW Touran trotz Bestreitens der dortigen Beklagten nicht konkret dargelegt habe(fehlende Aktivlegitimation). Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Nunmehr erhob die Klägerin Klage gegen die hiesige Klägerin. Die Klage wurde vom Amtsgericht unter Verweis auf § 124 VVG als unzulässig abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.

§ 124 Abs. 1 VVG lautet:

„Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers.“

Der BGH verweist darauf, dass die Beklagte von der Rechtskrafterstreckung des Urteils im vorangegangenen Verfahren persönlich erfasst sei. Würde ein Urteil zwischen einem Dritten und dem Versicherer ergehen, demzufolge dem Dritten ein Anspruch gegen den Versicherer nicht zustehe, würde sich das Urteil auch auf den Anspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer erstrecken. Über den Wortlaut hinaus würde sich die Bindungswirkung auch auf das Verhältnis des mitversicherten Fahrers erstrecken. Voraussetzung sei stets, dass der Dritte einen Direktanspruch gegen den Versicherer gem. § 115 Abs. 1 VVG habe, § 124 Abs. 3 VVG.

Die Direktklage gegen den Versicherer könne auf einer Haftungsverantwortlichkeit des Halters oder des Fahrers oder von beiden beruhen. Der Geschädigte sei daher nach einer rechtskräftigen Abweisung seiner Klage gegen den Halter nunmehr den Fahrer zu verklagen oder auch nur in Bezug auf dessen Haftung den Versicherer. Der Versicherer könne in diesem Fall wegen einer Haftung des Fahrers aber nicht mehr in Anspruch genommen werden, da durch die rechtskräftige Klageabweisung diesem gegenüber darüber auch im Verhältnis zum Versicherer bindend entschieden worden sei. Würde – wie hier – die Klage gegen den Versicherer abgewiesen, sei denn eine Klage gegen den Halter ausgeschlossen, wenn der Versicherer wegen oder auch wegen der Halterhaftung in Anspruch genommen worden war. Dies entspräche dem Zweck des § 124 Abs. 1 VVG, wonach der Versicherer nicht trotz eines für ihn günstigen Urteils (hier: keine Einstandspflicht, auch nicht gegenüber dem Halter) im Falle der Verurteilung seines versicherten/Versicherungsnehmers aus der Zahlpflicht aus dem versicherungsvertraglichen Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen werden könne.

Es könne auch nicht erfolgreich eingewandt werden, die Klageabweisung sei nur aus formellen Gründen erfolgt. § 124 Abs. 1 VVG würde auf ein Urteil abstellen, demzufolge ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch der klagenden Partei nicht zustünde. Werden die Schadensersatzansprüche im ersten Prozess wie auch im zweiten Prozess aus dem gleichen Sachverhalt hergeleitet, käme es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Abweisung erfolgte, hier also wegen fehlender Aktivlegitimation.  Entscheidend sei, dass die Abweisung aus sachlichen und nicht aus prozessualen Gründen erfolgte. Die Abweisung wegen fehlender Aktivlegitimation sei ein sachlicher Grund.

BGH, Urteil vom 27.04.2021 - VI ZR 883/20 -

Montag, 24. Mai 2021

Auswirkung der in der Insolvenztabelle festgestellten Schadensersatzforderung für den Haftpflichtversicherer

Die GmbH, über deren Vermögen im September 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war bei der Beklagten im Rahmen einer Verkehrshaftungsversicherung im Risikobereich des Unternehmensgegenstandes der GmbH (Umzug und Lagerhalten) haftpflichtversichert. Der Kläger hatte die GmbH im Juni 2010 mit Umzugsleistungen einschl. Ein- und Auslagerung von Gegenständen beauftragt, bei denen es nach seinen Angaben zu Schäden gekommen sein soll. Seine Forderung meldete der Kläger am 18.10.2012 mit € 33.530,15 nebst Zinsen zur Tabelle an, die der Insolvenzverwalter in voller Höhe feststellte. Mit Schreiben vom 11.12.2012 und 05.07.2013 überließ der Insolvenzverwalter dem Kläger die Geltendmachung des Deckungsprozesses der GmbH als Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte einschließlich der gerichtlichen Geltendmachung. Die Beklagte verwies darauf, den Anspruch bereits mit einer (auch unstreitigen) Zahlung abgegolten zu haben und lehnte eine weitere Regulierung ab. Nachdem der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben hatte, erfolgte in 2018 eine Schlussverteilung, aus der der Kläger € 14.307,07 erhielt und das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben. Das Landgericht gab der Klage in Höhe der Klage auf Zahlung von € 30.608,80 statt. Das OLG wie die Klage, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von € 14.307,07 übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, ab. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Revision, die vom BGH zurückgewiesen wurde.

Vorliegend sei (von der Revision nicht angegriffen) vom Berufungsgericht festgestellt worden, dass der maximale Schaden des Klägers € 11.750,00 betrug und der Kläger insgesamt (einschl. der Schlussverteilung) € 20.307,07 erhalten habe. Der Kläger könne nicht unter Berufung auf den zur Tabelle festgestellten Betrag eine weitergehende Forderung geltend machen.

Bei Insolvenz des Versicherungsnehmers könne der Geschädigte gem. § 110 VVG ein Recht auf abgesonderte Befriedigung am Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen dessen Haftpflichtversicherer geltend machen, mit der Folge, dass er diesen direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen könne. Voraussetzung sei aber (wie im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer), dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gem. § 106 S. 1 VVG festgestellt worden sei.

Eine solche Feststellung könne auch durch ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs (durch den nicht insolventen Versicherungsnehmer oder den Insolvenzverwalter) erfolgen. Eine widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten zur Tabelle würde ein derartiges Anerkenntnis darstellen.

Allerdings sei die Bindungswirkung für den Versicherer an ein Anerkenntnis des Versicherungsnehmers (oder des Insolvenzverwalters) im Deckungsverhältnis nicht gegeben. Zwar sei gemäß § 105 VVG der Versicherungsnehmer frei ein Anerkenntnis zu erklären, doch bliebe dies ohne Einfluss auf das Deckungsverhältnis. Verspreche der Versicherungsnehmer dem Geschädigten mehr als diesem zustünde, habe der Versicherer das Recht, die Berechtigung des vom Geschädigten geltend gemachten Anspruchs zu prüfen. Ein Anerkenntnis ohne Zustimmung des Versicherers komme deshalb nach § 106 S. 1 VVG nur insoweit Bindungswirkung zu, als eine Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers nach materieller Rechtslage bestünde, was ggf. inzident im Deckungsprozess gegen den Versicherer zu klären sei.  

Dies gelte auch dann, wenn wie hier das Anerkenntnis durch widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle erfolgt sei. Der Geschädigte würde im Insolvenzfall nicht benachteiligt, wenn die auch sonst für die Bindungswirkung von Anerkenntnissen nach § 106 S. 1 VVG geltenden Grundsätze herangezogen würden. Im Gegenteil würde es ansonsten zu einer Privilegierung des Geschädigten im Insolvenzfall kommen, wollte man dem Insolvenzverwalter die Befugnis einräumen, den Versicherer zu Gunsten des Geschädigten zu belasten.

Auch der Umstand, dass die in der Tabelle festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirke (§ 178 Abs. 3 InsO) ändere daran nichts. § 201 Abs. 2 2 S. 1 InsO sähe nur vor, dass aus der nicht bestrittenen Eintragung in der Tabelle, gegen den Schuldner vollstrecken könnten. Die Vorschrift wirkt allerdings nicht gegen Dritte und bewirkt daher auch keine Bindungswirkung nach § 106 S. 1 VVG. Eine analoge Anwendung scheide auch aus.

Vorliegend hatte zwar die Beklaget auch eine Prämienforderung zur Tabelle angemeldet. Dass sie Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung hatte sei eben so wenig dargelegt wie eine Zustimmung der Beklagten zur Feststellung einer solchen zur Tabelle.

BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 309/19 -

Freitag, 29. Januar 2021

Kostenerstattung für zwei Anwälte bei Klage und Widerklage nach einem Verkehrsunfall ?

 

Der Kläger verklagte den Beklagten nach einen Verkehrsunfall auf Schadensersatz. In der Folge erhob der Beklagte gegen den Kläger Widerklage. Während sich der Kläger im Rahmen der Klage von den Rechtsanwälten W vertreten ließ, wurde er im Rahmen der Widerklage von den Rechtsanwälten F vertreten. Im Rahmen der Kostenfestsetzung versagte der Rechtspfleger einen Kostenerstattungsanspruch für zwei Anwälte, da such nach seiner Ansicht der Kläger bei Klage und Widerklage vom gleichen Anwalt hätte vertreten lassen können (was auch kostenmäßig günstiger gewesen wäre).  Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde war begründet.

Allerdings, so das OLG, sei es vom Grundsatz her richtig, dass in dem Fall, dass (wie hier) der beklagte eine Widerklage erhebt, der Kläger nicht deshalb einen Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten habe, da er mit der Verteidigung gegen die Widerklage einen anderen Anwalt betraut. Grundsätzlich seien in einem solchen Fall leidglich die fiktiven Kosten eines Anwalts erstattungsfähig.  Dies würde grundsätzlich auch dann gelten, wenn der Kläger nach den Versicherungsbedingungen mit seinem Haftpflichtversicherer im Falle eines gegen ihn gerichteten Rechtsstreits die Führung desselben dem Versicherer überlassen müsse und dem von diesem beauftragten Rechtsanwalt Vollmacht erteilen müsse.

Die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten durch Beauftragung von zwei Anwälten im Falle eines „normalen Verkehrsunfalls“ scheide aus. Anders verhalte es sich aber bei dem Vorwurf eines manipulierten Unfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2004 - VI ZB 76/03 -), bei dem eine Interessenskollision bestünde. Zur Begründung des Erstattungsanspruchs könne deshalb nicht auf ein Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers oder ein besonderes Vertrauensverhältnisses verwiesen werden, um derartige Mehrkosten gegen den Gegner festsetzen zu lassen.

Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Haftpflichtversicherer des Klägers auch um den Haftpflichtversicherer des Beklagten handelte, den der Kläger bei seiner Klage auch aus dem Haftpflichtverhältnis zum Beklagten mitverklagt hatte.  Daraus resultiere eine Interessenskollision: Der vom Kläger beauftragte Anwalt würde den Kläger mitvertreten bei der Klage gegen den eigenen Haftpflichtversicherer in dessen Eigenschaft als Versicherer des Beklagtenfahrzeuges. Würde er nun den Kläger im Rahmen der Widerklage mitvertreten, müsste er Ansprüche abwehren, die Wiederum vom Haftpflichtversicherer des Klägers als Haftpflichtversicherer auch des Beklagten zu tragen hätte. Da er damit auch in der Abwehrrolle zugunsten des verklagten Haftpflichtversicherers wäre, würde er im gleichen Verfahren sowohl auf Seiten Versicherers als auch gegen diesen stehen. In diesen Fällen sei bei einer Streitgenossenschaft von Fahrer/Halter und Versicherer ausnahmsweise die Beauftragung verschiedener Anwälte gerechtfertigt.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2020 - 8 W 143/20 -

Donnerstag, 4. Juli 2019

Kasko- und Kfz-Haftpflichtversicherung und die Folgen bei Unfallflucht (§ 142 StGB)


Der Kläger, der bei der Beklagten eine Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung hatte, verunfallte mit dem versicherten Fahrzeug. Ohne die Polizei oder sonstige Dritte zu informieren verließ er die Unfallstelle. Zwei Stunden später wurde er von Polizeibeamten bei sich zu Hause aufgesucht, die eine Atemalkoholkontrolle mit einem Wert von 0,22mg/l durchführte (wobei er behauptete, er habe erst nach dem Unfall zu Hause 1 ¾ Flaschen Bier à 0,5 l getrunken). Es erging gegen den Kläger ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Die Beklagte geht wegen mehrfacher Obliegenheitspflichtverletzungen des Klägers von einer Leistungsfreiheit aus. Diese wandte sie in der Klage auf Kaskoentschädigung ein und erhob Widerklage in Bezug auf die von ihr regulierten Haftpflichtansprüche. Das Landgericht (LG) gab der Klage und der Widerklage zu je ½ statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom OLG zurückgewiesen.

Vom Ausgangspunkt habe, so das OLG, das LG zutreffend in der Unfallflucht (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) eine Verletzung der den Kläger treffenden Aufklärungsobliegenheit nach den den Versicherungsverhältnissen zugrunde liegenden AKB gesehen. Dies sei zwar vorsätzlich geschehen, nicht aber arglistig. Arglist läge nur vor, wenn der Versicherungsnehmer (VN) mit der Handlung  und zu diesem Zeitpunkt (Tathandlung des § 142 StGB) einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge und wisse, dass sein Verhalten möglicherweise die Schadensregulierung beeinflussen kann. Grundsätzlich könne bei einer Unfallflucht nicht pauschal eine Arglist angenommen werden. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls: Hier sei er zunächst am das Fahrzeug (welches nicht mehr gefahren werden konnte) am Unfallort geblieben, weshalb er mit einer Entdeckung rechnen musste, und er wart auch einige Zeit selbst am Unfallort verblieben, bis er abgeholt worden sei. Mit dem (vom Kläger organisierten) Abholen seiner Person vom Unfallort konnte er seine Pflichten nach § 142 StGB nicht mehr erfüllen, weshalb es auf seine späteren Handlungen nicht mehr ankäme.

Damit wäre die Obliegenheitspflichtverletzung, die in der Unfallflucht läge, für die Beklagte leistungsbefreiend, wenn diese kausal für fehlende Feststellungen durch den Versicherer wäre. Die Kausalität wird vermutet, weshalb der Beklagte den Kausalitätsgegenbeweis führen müsse.

Hier sei zu berücksichtigen, dass er nicht den Nachweis geführt habe, bei dem Verkehrsunfall nicht alkoholisiert zu sein. Die Angaben des Klägers in seiner Anhörung durch das Landgericht und des Zeugen G. sowie der als Zeugin gehörten Ehefrau des Klägers hätten nachvollziehbar für das LG nicht der erforderliche Gewissheit begründet, dass ein sogen. Nachtrunk vorgelegen habe. So waren insbesondere die Angaben des G. von Detailarmut geprägt und weichen bezüglich des jeweiligen Alkoholkonsums von dem Vortrag des Klägers ab.

Der Kläger habe aber den Nachweis erbracht, dass die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit jedenfalls teilweise nicht für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich gewesen sei. Zutreffend habe das LG festgestellt, dass eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nur in dem Umfang, wie eine Ursächlichkeit anzunehmen ist bzw. ein Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht würde, zur Leistungsfreiheit führe. Dies ergäbe sich aus den AKB, die auch für die vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung vorsähen, dass eine Verpflichtung zur Leistung weiterhin bestünde, als der VN nachweise, dass die Verletzung der Obliegenheit u.a. für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich wäre („… insoweit zur Leistung verpflichtet, als ….“).  

Da der Beklagte sogleich, als ihn die Polizei aufsuchte, seine schuldhafte Unfallverursachung eingeräumt habe, könnten Feststellungsnachteile für die Beklagte nicht entstehen. Auch Nachteile zu einer etwaigen  Haftungsquote seien nicht ersichtlich (hier: Abkommen von der Fahrbahn in einer Linkskurve). Es sei auch nicht erkennbar, dass eventuell innerhalb der Zeit, bis die Polizei den Unfall bemerkte (die schon 2 Stunden später bei dem Beklagten war) Spuren auf der Fahrbahn o.ä, verlorengegangen sein könnten.

Die Alkoholisierung des Klägers zum Unfallzeitpunkt könne mit höchstens 0,84 Promille angenommen werden, wie das LG zutreffend festgestellt. Damit sei nicht auszuschließen, dass es zu dem Unfall infolge der durch die Alkoholisierung bedingten relativen Fahruntüchtigkeit des Klägers gekommen sei. Mangels Angaben des diesbezüglich darlegungs- und beweisbelasteten Klägers dazu, was er wann vor dem Unfall getrunken habe, könne auch keine Berechnung der Alkoholkonzentration auf den Unfallzeitpunkt erfolgen, weshalb das angebotene Sachverständigengutachten nicht einzuholen gewesen sei. Da die Rückrechnung hier zum Unfallzeitpunkt mithin nicht möglich sei, treffe die Beklagte insoweit ein Feststellungsnachteil. Was gewesen wäre, wenn erst einige Tage später die Polizei auf den Kläger aufmerksam geworden wäre, ist hier nicht bedeutsam (Fall des Urteils OLG Stuttgart vom 16.10.2014 – 7 U 121/14 -), da zwei Stunden nach dem Vorfall noch Feststellungen möglich waren. Die Falschangabe des Klägers, erst nach dem Unfall Alkohol getrunken zu haben, stelle keine selbständige die Leistungsfreiheit begründende Obliegenheitspflichtverletzung dar.

Dies führe im Ergebnis zu einer Kürzung des Anspruchs des Klägers um 50% im Rahmen der Kaskoversicherung und zu einer Kürzung des widerklagend geltend gemachten Betrages auf Ersetzung des Haftpflichtschadens auch um 50% (der mit € 1.780,86, also im Rahmen der Höchstgrenze nach AKB, geltend gemacht worden war).

OLG Stuttgart, Urteil vom 13.12.2018 - 7 U 188/18 -

Samstag, 28. April 2018

Zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im Rahmen der Haftpflichtversicherung des Mieters und zum Ausgleichsanspruch zwischen Gebäude- und Haftpflichtversicherung

Die Klägerin war Gebäudeversicherer, die Beklagte der Haftpflichtversicherer eines dortigen Mieters. Die Lebensgefährtin des Mieters hatte (grob fahrlässig) einen Brand verursachte.  Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Mieter habe bei seinem Haftpflichtversicherer keinen Deckungsschutz, da es sich um eine sogen. Single-Versicherung handele und er für den durch einen Dritten verursachten Brand nicht einzustehen habe. Das Verhalten des  Dritte (hier die Lebensgefährtin des Mieters) müsse sich der Mieter nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen, da dieser nicht Repräsentant des Mieters geworden sei.

Die Berufung der Klägerin war dem Grunde nach erfolgreich.

Nach § 78 Abs. 2 VVG seien mehrere Versicherer, bei denen ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert sei, im Verhältnis zueinander zu Anteilen nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, die sie dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen hätten. Die Norm sei nicht unmittelbar anzuwenden, da der Gebäudeversicherer des Sacherhaltungsinteresse des Mieters nicht mitversichere, weshalb im Verhältnis zur Haftpflichtversicherung des Mieters keine Mehrfachversicherung bestünde. Allerdings ergäbe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des dem Gebäudeversicherungsvertrages ein Regressverzicht des Gebäudeversicherers für den Fall, dass der Mieter den Gebäudeschaden durch leichte Fahrlässigkeit verursache (so BGHZ 169, 86, 96). Verfüge der Mieter (wie hier) über eine Haftpflichtversicherung und ist diese gegenüber dem Mieter eintrittspflichtig, so liege in seiner Person faktisch eine Mehrfachversicherung vor, weshalb eine analoge Anwendung des § 78 Abs. 2 VVG gerechtfertigt sei (so BGH aaO.).

Die Voraussetzungen lägen hier vor. Der Mieter hafte dem Vermieter für den entstandenen Schaden. Dies folge aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Er habe schuldhaft eine Nebenpflicht aus dem Mietvertrag verletzt, da er gegenüber dem Vermieter zur sorgfältigen Behandlung der Mietsache verpflichtet sei. Das Verschulden seiner Lebensgefährtin müsse sich der Mieter zurechnen lassen, da diese die Wohnung jedenfalls auch bewohne; § 540 Abs. 2 BGB. So müsse sich der Mieter auch das Verschulden von seinen Besuchern zurechnen lassen, da diese iSv. § 278 BGB als seine Erfüllungsgehilfen anzusehen seien (BGH, Urteil vom 09.11.2016 - VIII ZR 73/17 -).

Die Einstandspflicht des Mieters begründe den Versicherungsfall im Rahmen von dessen Haftpflichtversicherung. Dem stünde nicht entgegen, dass die Haftung des Mieters nicht auf eigenem sondern zugerechnetem Verschulden beruhe. Auch käme es nicht darauf an, dass im Rahmen einer hier vorliegenden Single-Versicherung Dritte nicht mit in den Schutzbereich der Versicherung mit einbezogen würden; dies sei hier nicht erforderlich, da eine eigene Haftung des Mieters bestünde. Nach Ziffer 1.1 der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherungsbedingungen (AHB 2008) bestünde Versicherungsschutz für den Fall, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen würde. §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB würden gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts darstellen.

Auch lägen die Voraussetzungen für einen Regressverzicht gegenüber dem Mieter vor, obwohl seine Lebensgefährtin grob fahrlässig gehandelt habe. Deren grobe Fahrlässigkeit müsse sich der Mieter (anders als im mietvertraglichen Verhältnis gegenüber dem Vermieter) aber nicht zurechnen lassen. Im Verhältnis zum Gebäudeversicherer habe der Mieter für das Verhalten Dritter nicht nach § 278 BGB einzustehen, sondern nur dann, wenn sie seine Repräsentanten wären (BGH, Urteil vom 13.09.2006 - IV ZR 378/02 -), was bei der Lebensgefährtin nicht anzunehmen sei.

LG Aachen, Urteil vom 15.12.2017 - 6 S 58/17

Mittwoch, 1. November 2017

Haftpflichtversicherung: Ausschluss von Ansprüchen wegen „übermäßiger Benutzung“ der Wohnräume trotz behaupteter normaler Nutzung

Der Kläger unterhielt eine private Haftpflichtversicherung bei der Beklagten. In den Besondere Bedingungen wurden Haftpflichtansprüche wehen „Abnutzung, Verschleißes oder übermäßiger Beanspruchung“ ausgeschlossen. Der Vermieter machte ihm gegenüber Ansprüche wegen „übermäßiger Benutzung“ geltend. Der Kläger, der sich im Deckungsprozess gegen die Beklagte auf eine Abnutzung und einen verschleiß im Rahmen eines üblichen Gebrauchs der Mietsache berief, wurde vom Landgericht mit seiner Klage abgewiesen. Auf den Hinweisbeschluss des OLG nahm er die Berufung zurück.

Aus dem Hinweisbeschluss ergibt sich nicht, welcher Art die vom Vermieter geltend gemachte  Schädigung durch „übermäßige Benutzung“ sein soll. Es prüfte, ob hier in der Art der Geltendmachung der Ausschlussgrund nach den Besonderen Bedingungen (Nr. V Nr. 1a BBR PHV) vorliegt. Es schloss sich insoweit ausdrücklich der Rechtsauffassung es Landgerichts an, der Versicherungsschutz entfalle, da es sich nach der Ausschlussklausel um vom Vermieter geltend gemachte Ansprüche aus Abnutzung, Verschleiß und übermäßiger Beanspruchung handele. Dieser Ausschlussregel unterfalle auch ein grundsätzlich vertragsgemäßer, in der Intensität aber gesteigerter Gebrauch der Mietsache. Um solche Ansprüche würde es sich hier handeln, die ausweislich des Schreibens des Vermieters von diesem geltend gemacht würden.

Auch der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, sachlich läge keine übermäßige Benutzung der Wohnung vor, sondern ein üblicher vertragsgemäßer Gebrauch, würde die Ausschlussregelung nicht tangieren können. Denn diese Klausel im Bedingungswerk umfasse auch die Situation, dass der Vermieter die übermäßige Beanspruchung lediglich behaupte.

Der Mieter würde für die Abnutzung und den Verschleiß der Mietsache durch einen vertragsgemäßen Gebrauch ohnehin nicht haften, § 538 BGB. Damit würden die Ausschlusstatbestände der Abnutzung und des Verschleißes gerade nur einen Ausschluss für eine ohnehin ungerechtfertigte Forderung des Vermieters darstellen. Damit aber wäre der Versicherungsschutz gerade in der vom Kläger behaupteten Art der Nutzung ohnehin nicht einen Versicherungsschutz begründen können.


OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 22.05.2017 - 6 U 51/17 -

Samstag, 13. Mai 2017

Gefälligkeit unter Nachbarn und Haftung

Der Beklagte übernahm es für seinen Nachbarn, den Versicherungsnehmer des klagenden Gebäudeversicherers, während dessen Kuraufenthalt dessen Haus zu versorgen und den Harten zu bewässern. Bei dem Bewässern des Gartens schloss er zwar die Spritze am Schlauchende, drehte aber nicht die Wasserzufuhr zu. In der Nach löste sich unter dem Wasserdruck die Spritze vom Schlauch und das ausströmende Wasser floss in erheblicher Menge in das Gebäude und führte dort zu Schäden im Untergeschoß. Die Klägerin zahlte den Schaden an ihren Versicherungsnehmer und begehrt auf Zeitwertbasis Schadensersatz von über € 11.000,00 vom Beklagten aus nach § 86 VVG übergegangenen Recht.

Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht (OLG) wies sie ab. Auf die Revision hob der BGH die klageabweisende Entscheidung auf und wies die Berufung des Beklagten zurück.

Der BGH wies darauf hin, dass nicht ohne weiteres mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung davon ausgegangen werden könne, dass derjenige, dem eine Gefälligkeit erwiesen würde, auf deliktische Ansprüche verzichten würde. Eine Haftungsbeschränkung könne sich zwar auf der Grundlage des § 242 BGB (Treu und Glauben) im Wege ergänzender Vertragsauslegung ergeben, wofür aber besondere Umstände erforderlich sind.

Eine Voraussetzung sei, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, den Haftungsausschluss gefordert haben müsste und der Geschädigte dem billigerweise nicht hätte versagen dürfen. An dieser Voraussetzung würde es aber regelmäßig fehlen, wenn der Schädiger haftpflichtversichert sei. Eine Regelung, die nicht den Schädiger, sondern dessen Haftpflichtversicherer entlaste, würde regelmäßig nicht dem Willen der Beteiligten entsprechen.

Auch sei eine Gefälligkeit und zwischen Schädiger und Geschädigten eine enge persönliche Beziehung bestünde für sich nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr, dass für den nicht haftpflichtversicherten Schädiger ein nicht hinnehmbares Haftungsrisiko mit der Übernahme der Gefälligkeit besteht, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders naheliegend erscheinen lassen würden.

Vorliegend habe das OLG rechtsfehlerhaft angenommen, alleine das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung könne eine Haftung aus Gefälligkeit nicht begründen. Die Haftung des Beklagten sei durch die deliktsrechtliche Norm des § 823 BGB begründet, während die Frage nach der Haftpflichtversicherung nur für die Beantwortung der Frage bedeutsam sei, ob abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 823 BGB  ausnahmsweise eine Haftungsbeschränkung angenommen werden könne.

Auch habe das OLG rechtsfehlerhaft als besonderen Umstand angenommen, dass es sich vorliegend um eine alltägliche und unter Nachbarn übliche Gefälligkeit gehandelt habe. Es fehle an einem nicht mehr hinnehmbaren Haftungsrisiko. Das OLG selbst habe richtig festgehalten, dass das Bewässern des Gartens durch den Nachbarn wie jede Tätigkeit für einen anderen Gefahrenmomente berge, ohne dass diese vordergründig gefahrengeneigt sind.

Ebensowenig käme eine Haftungsbeschränkung nicht deshalb in Betracht, da der Geschädigte eine Gebäudehaftpflichtversicherung habe. Der deliktische Anspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen den Beklagten sei nicht vom Bestand einer Gebäudehaftpflichtversicherung abhängig; der Anspruch ging lediglich durch Zahlung durch diesen auf ihn über, § 86 VVG. Die Willensfiktion einer Haftungsbeschränkung würde zu Lasten der klagenden Versicherung gehen und das Haftungsrisiko von dem Verursacher und dessen Haftpflichtversicherung auf die Versicherung des Geschädigten verschieben.

Anmerkung:  Wollen die Nachbarn einen Streit zwischen Versicherern ausschließen, bei dem sie letztlich in irgendeiner Art und Weise beteiligt sind (der Versicherungsnehmer des Haftpflichtversicherers gar als Partei des Rechtstreites), sollte vorher abgesprochen werden, ob und inwieweit ein Haftungsverzicht gelten soll.  


Unabhängig davon ist auch nicht einleuchtend, weshalb das Bestehen einer eigenen eintrittspflichtigen Versicherung des Geschädigten hier nicht zur Haftungsbeschränkung führen soll, wenn jedenfalls die weitere Voraussetzung (ein nicht hinnehmbares Haftungsrisiko) vorliegen sollte. Dass der Anspruch auf den Gebäudeversicherer nach § 86 VVG übergeht, ist kein Argument gegen die Haftungsbeschränkung. Die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherer hängt auch von dem schuldhaft verursachten Schadensfall ihres Versicherten ab. Gerade bei der Fragestellung, was die Nachbarn vereinbart haben würden, wenn sie den Rechtsfall bedacht hätten, wäre ohne weiteres auch in die Überlegung mit aufgenommen worden, dass auch der Geschädigte versichert ist und letztlich der Schädiger für diesen eine Gefälligkeit verrichtet; würde er keine Person für die Gefälligkeit finden, müsste er möglicherweise einen gewerblichen Dritten engagieren. 

BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 467/15 -

Samstag, 29. April 2017

Umfang der Tierhalterhaftpflicht im Rahmen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung

Die Antragstellerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Freistellung und Feststellung deren Einstandspflicht aus einem Verkehrsunfall mit zwei bei ihr eingestellten Eselinnen. Das OLG wies die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die ablehnenden Entscheidung des Landgerichts zurück.

Die Antragsgegnerin hatte  Versicherungsschutz unter Bezugnahme auf die Besonderen Bedingungen der privaten Haftpflichtversicherung (BBPHV) versagt. Als Halterin falle die Antragstellerin bereits unter den Risikoausschluss von A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV und könnte von daher nur bei Abschluss einer gesonderten Tierhalterhaftpflichtversicherung Deckung verlangen. Unabhängig davon könne sich die Antragstellerin auch nicht auf A. Nr. 9 Abs. 2 BBPHV berufen, da diese Klausel zum Hüten fremder Tiere „pferdeartige Säugetiere“ ausnehme.

LG und OLG folgen der Auffassung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin sei Halterin. Der Halterbegriff in der Haftpflichtversicherung sei deckungsgleich mit jenem in § 833 BGB zur Tierhalterhaftung. Da die Antragstellerin das alleinige Bestimmungsrecht über die Tiere habe, über die Weideverbringung der Eselinnen entscheide, für sie Sorge traget und alle Kosten trage, sei sie rechtlich als Halterin anzusehen. Die Bestimmung in A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV besage aber, dass die Tierhaltereigenschaft nicht von der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung umfasst sei. Sie hätte damit eine gesonderte Tierhalterhaftpflichtversicherung abschließen müssen.

Im übrigen sei auch die Annahme der Antragstellerin unzutreffend, A. 9 Abs. 2 BBPHV enthalte keinen Risikoausschluss für Esel. Zwar sei der Risikoausschluss nicht weiter auszulegen, als es der Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der Ausdrucksweise erfordere. Hier sei aber bereits die Aufzählung der Tiergruppen eindeutig. Zudem würde auch der Zweck des Risikoausschlusses für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich. Es wird nämlich an den grundlegenden Risikoausschluss in der privaten Haftpflichtversicherung mit der Aufnahme von Rückausnahmen angeschlossen. Vor diesem Hintergrund sind bestimmte Haustiere ausgenommen, nicht aber Reit- und Zugtiere. Zu dieser ausgeschlossenen Gruppe der reit- und Zugtiere gehören aber Esel, selbst dann, wenn diese, wie die Antragstellerin behauptet, alleine zum Spiel und Zeitvertreib für die Kinder gehalten würden.

Auch könne die Antragstellerin nicht damit gehört werden, die Tiergefahr der Esel habe sich nur deshalb verwirklichen können, da die Stromzufuhr nicht eingehangen wurde. Zwar hätten Gerichte in der Vergangenheit eine Deckung in der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung in Fällen der Verwirklichung der Tiergefahr auch dann angenommen, wenn der Versicherungsnehmer (wie hier durch das Nichteinhängen der Stromzufuhr) einen eigenen Haftungsbetrag gesetzt habe. Allerdings habe der BGH mit Urteil vom 25.04.2007 – IV ZR 85/05 – diese Ansicht verworfen.


OLG Dresden, Beschluss vom 13.10.2016 – 4 W 977/16 -

Samstag, 16. Juli 2016

Keine Ausfalldeckung durch eigenen Haftpflichtversicherer trotz titulierter Ersatzansprüche bei Schäden durch den Hund eines Dritten

Kann der Versicherungsnehmer (VN) von seiner eigenen Haftpflichtversicherung den Schadens ersetzt verlangen, der ihm durch den Hund eines Dritten zugefügt wurde, wenn er ein Urteil gegen den Tierhalter (rechtskräftig) erwirkt, er aber in der Vollstreckung ausfällt ?

Dieses rechtskräftige Urteil lag dem VN vor, der auch /erfolglos) versuchte zu vollstrecken. So wandte er sich an die eigene Haftpflichtversicherung, da in dem Haftpflichtvertrag die Klausel enthalten war, dass der „Ausfall von rechtskräftig ausgeurteilten und vollstreckbaren Forderungen gegenüber Dritten, sofern diese Forderungen durch eine bestehende Privathaftpflichtversicherung gedeckt gewesen wären“, mitversichert ist. Allerdings verkannte der Kläger hier ersichtlich den Umfang dieser Klausel. So hatte er nicht bedacht, dass zwar in der privaten Haftpflichtversicherung nach der Klausel 1.7 der Besonderen Bedingungen regelmäßig die gesetzliche Haftpflicht als Halter oder Hüter von zahmen Haustieren mitumfasst ist, ausdrücklich aber nicht jene von Hunden. Hier bedürfte es einer gesonderten Tierhalterversicherung. Da mithin die Privathaftpflichtversicherung als solche das Risiko der Tiergefahr eines Hundes nicht mit abdeckt, greift die vorgenannte Klausel nicht.

Das KG wies den Kläger (VN) in seinem Beschluss nach § 522 ZPO auch darauf hin, dass der Umstand einer strafrechtlichen Verurteilung des Hundehalters wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht weiterführend ist. Auch wenn dabei nicht auf die Tiergefahr nach § 833 BGB sondern auf die Person des Hundehalters selbst abgestellt wurde, stand es doch im Zusammenhang mit dem Hund. Gerade dieser Zusammenhang ist aber in Ansehung der Klausel bedeutsam, da die Privathaftpflichtversicherung nie greift, wenn. Wie hier, Schäden vom Hund oder vom Versicherten als Tierhalter eines Hundes verursacht wurden. Der Zusammenhang mit dem Hund ist entscheidend für den mangelnden Versicherungsschutz mit der Folge, dass vorliegend der Kläger auf Grund der benannten Klausel auch nicht Leistung von seiner eigenen Haftpflichtversicherung für seinen Schaden begehren kann.


KG, Beschluss vom 08.03.2016 – 6 U 88/15 -

Sonntag, 8. Mai 2016

Tierhalterhaftpflicht: Kein Versicherungsschutz bei Verletzung des mitversicherten „Tierhüters“

Eine Haftpflichtversicherung, auch eine Tierhalterhaftpflichtversicherung, deckt nicht alle Schäden. Ist in der Tierhalterhaftpflichtversicherung der Tierhüter (wie meist) mitversichert, so scheidet besteht keine Deckung in der Tierhalterhaftpflichtversicherung, wenn sich der Tierhüter selbst beim Umgang mit dem versicherten Tier verletzt. Unabhängig davon, ob der Tierhüter im Einzelfall einen materiellrechtlichen Anspruch gegen den Tierhalter nach § 833 S. 1 BGB haben kann (hier wären §§ 833 S. 1 BGB und 834 BGB gegeneinander abzuwägen auch unter Beachtung des § 840 Abs. 3 BGB), scheidet eine Inanspruchnahme des Versicherers durch den Tierhalter aus. Dabei wird der Begriff des Tierhüters weiter gefasst als jener des § 834 BGB.


Zugrunde lag ein Vorfall, bei dem sich die damals vierjährige Tochter des Klägers verletzte. Sie ritt das Pferd des Klägers bei einem Springturnier. Das Pferd stürzte. Der beklagte Versicherer stellte sich auf dem Standpunkt, die Tochter wäre damals Tierhüter gewesen und als mitversicherte Angehörige gemäß den Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Wie schon das Landgericht negierte auch das OLG den Versicherungsschutz; nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss des OLG gem. § 522 ZPO hat es die Berufung mit Beshcluss vom 23.11.2015 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Das OLG verwies darauf, dass nach den Bedingungen die gesetzliche Haftpflicht des Hüters mitversichert sei. In diesem Sinne wäre die Tochter als Reiterin Tierhüterin gewesen. Nach dem Verständnis der Klausel für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer würde (anders als bei § 834 BGB, der die vertragliche Aufsichtsübernahme vorsieht, nur auf das tatsächliche Hüten des Tieres ankommen.  Eine tatsächliche Abrede mit dem Tierhalter sei nicht erforderlich. Dies entspräche auch dem Interesse der Vertragsparteien, mögliche Schadensersatzansprüche gegen den tatsächlichen Tieraufseher umfassend mit in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Damit aber greife die Ausschlussklausel, nach der Ansprüche von mitversicherten geschädigten Angehörigen.


OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 07.10.2015 – 20 U 157/15 -

Freitag, 10. Juli 2015

Schadensersatz: Verweis auf freie Werkstatt und Schadensminderungspflicht

Bereits mit seinem Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 302/08 – hat der BGH entschieden, dass der Schädiger den Geschädigten im Rahmen der von diesem zu beachtenden Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien (d.h. nicht markengebundenen) Fachwerkstatt verweisen kann. Er muss allerdings den Beweis dafür antreten, dass diese vom Qualitätsstandard her Reparaturen entsprechend Reparaturen in einer Markenwerkstatt durchführt. Legt der Geschädigte Umstände dar, nach denen ihm die Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt nicht zumutbar ist, hat der Schädiger dies zu widerlegen.


Nach dieser Entscheidung soll für den geschädigten schon dann eine Unzumutbarkeit bestehen, wenn die kostengünstigere Reparatur nicht auf freien, bei dieser Werkstatt üblichen Preisen beruht, sondern darauf, dass der Haftpflichtversicherer des Schädigers mit dieser vertragliche Vereinbarungen unterhält und deshalb Sonderkonditionen gewährt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Schädiger auch den Beweis zu erbringen, dass die freie Werkstatt die allen Kunden zugänglichen Preise auch bei der anstehenden Reparatur zugrunde legt und gleichwohl günstiger als die Markenwerkstatt ist.


Nunmehr hat der BGH mit seinem weiteren Urteil vom 28.04.2015 diese Entscheidung aus 2010 bestätigt und ergänzend festgehalten, dass alleine der Umstand einer vertraglichen Beziehung des Haftpflichtversicherers des Schädigers zu der freien Werkstatt im Hinblick auf Kaskoschäden seiner Versicherungsnehmer eine Unzumutbarkeit nicht postuliert.

BGH, Urteil vom 28.04.2015 - VI ZR 267/14 -