Mittwoch, 30. Januar 2019

Beginn der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB bei verweigerter/verzögerter Rücknahme der Meitsache durch Vermieter


Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren binnen sechs Monaten, wobei die Frist mit der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter zu laufen beginnt, § 548 Abs. 1 BGB. Obwohl im Verfahren vor dem OLG Brandenburg zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch die Vermieterin hier die Mietsache noch keine 6 Monate zurückgegeben war, wies das OLG ihre Schadensersatzklage ab.  

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf ein der Klägerin am 09.11.2010 übermitteltes Schreiben des beklagten ehemaligen Mieters ab, mit dem dieser der Klägerin „die Rückgabe der Mieträume ab sofort“ anbot und einen kurzfristigen (vermieterseits zu benennenden) Vor-Ort-Termin vorschlug, der u.a. zur Übergabe auch der von ihm eingebauten Zentralschließanlage dienen sollte. Zwar müsse der Vermieter nicht die Mietsache jederzeit (quasi auf Zuruf) zurücknehmen (BGH, Urteil vom 12.10.2011 - VIII ZR 8/11 -). Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall habe allerdings hier der Beklagte das Mietverhältnis bereits am 05.07.2012 zum 30.09.2012 (außerordentlich) gekündigt gehabt (und die Kündigung sei auch, wie das OLG mit Urteil vom 07.02.2017 festgestellt habe, wirksam gewesen). Im Übrigen habe der Beklagte die Übergabe nicht faktisch unmittelbar vor der Haustür angeboten, sondern der Klägerin für die Übergabe Gelegenheit zur Benennung eines ihr genehmen Termins  gegeben. Da die Klägerin darauf nicht reagiert habe, befände sie sich in Annahmeverzug, was bereits den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB auslöse. Zwar sei nach dem Wortlaut der Norm auf den Besitzwechsel abzustellen, wofür spräche, dass sich der Vermieter erst im Rahmen der unmittelbaren Sachherrschaft ein umfassendes Bild über mögliche Veränderungen/Verschlechterungen der Mietsache machen könne. Dem aber würde es gleichstehen, wenn sich der Vermieter selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, indem er die Übernahme verweigere oder unnötig hinauszögere.

Vorliegend hätten die Voraussetzungen für den Annahmeverzug seit dem 10.11.2012 vorgelegen. Die Klage ging erst am 08.07.2013 bei Gericht ein. Nicht entscheidend sei, ob bei fristbeginn die Mietsache bereits komplett geräumt gewesen sei und es evtl. noch eine Rücksprache wegen von der Klägerin ggf. zu übernehmender Einbauten hätte geben sollen. Die vollständige Rückgabe bzw. Räumung der Mietsache sei nicht Voraussetzung für den Fristbeginn, wobei hier wegen eines Rückbaus auch allenfalls eine kurze Unterbrechung der Verjährung für den dafür erforderlichen Aufwand (vom 24.01. – 08.02.2013) in Betracht käme.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 19.06.2018 - 3 U 72/17 -

Montag, 28. Januar 2019

Sozialbindung der Wohnung als (Rechts-) Mangel


In dem notariellen Kaufvertrag der Parteien hieß es: „Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Wohnungseigentums sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn, der Verkäufer handelt vorsätzlich. Der Kläger (Käufer) verlangte von der Beklagten (Verkäuferin) die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Feststellung, dass die Beklagte ihm zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet sei. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Auf die (zugelassene) Revision hob der  BGH das Urteil auf du verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.

Der BGH stellte fest, dass die Wohnung einen Mangel iSv. § 435 S. 1 BGB aufweise. Die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung stelle einen Rechtsmangel dar , da der Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen eingeschränkt würde (so Eigennutzung, §§ 6 WoBindG, 27 Abs. 4 WoFG, als auch Fremdnutzung, §§ 4ff WoBinfG, 25ff WoFG). Dieser Mangel ließe sich auch nicht mit der Begründung verneinen, vom Kläger sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung über die Sozialbindung und seinem Kaufentschluss nicht dargelegt worden, und es könne offen bleiben, ob der im Vertrag benannte Haftungsausschluss auch die Haftung für Rechtsmängel umfasse.

Würde man die Haftung für Rechtsmängel mit der vertraglichen Formulierung nicht als ausgeschlossen ansehen wollen, käme es, so der BGH, von vornherein nicht auf die Frage der Kausalität für den Kaufentschluss an, da die Beklagte nach §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1 und 437 BGB ohne weiteres für Rechtsmängel einzustehen habe.

Aber auch dann, wenn der vertragliche Haftungsausschluss Rechtsmängel umfassen würde, käme es auf die Kausalität nicht an. Denn die Beklagte könne sich nach § 444 BGB auf den Haftungsausschluss nicht berufen, wenn sie den in der Sozialbindung liegenden Rechtsmangel arglistig verschwiegen habe. Dies habe das OLG offen gelassen, weshalb das Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen sei.  
Zunächst würde das Berufungsgericht den Umfang der Freizeichnungsklausel zu prüfen haben, wobei es zu berücksichtigen habe, dass eine Freizeichnungsklausel als Abweichung vom dispositiven Recht stets eng auszulegen sei. Negiere das OLG die Anwendbarkeit auf Rechtsmängel, wäre der Klage stattzugeben. Sollte der Schadensersatzanspruch nach den zu treffenden Feststellungen des OLG ausgeschlossen sein, käme es darauf an, ob die Beklagte Kenntnis hatte, da sie dann den Kläger hätte aufklären müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Kläger die Wohnung besichtigt habe. Zwar würde für bei Besichtigung frei zugänglichen und damit ohne weiteres erkennbaren Mängeln keine Offenbarungspflicht bestehen (BGH, Urteil vom 09.02.2018 - V ZR 274/16 -). Dies gelte aber nicht für die Sozialbindung, da der Rechtsmangel nicht einer Besichtigung zugänglich sei.

Sollte danach die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen haben, müsse das OLG die Verjährungsproblematik klären. Die Verjährung beginne nach 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kläger als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erstmals Kenntnis erlangt habe oder (ohne grobe Fahrlässigkeit) hätte erlangen müssen.

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 165/17 -

Sonntag, 27. Januar 2019

Online-Auktion (eBay) und die Wirkung von Scheingeboten


Der Zuschlag im Rahmen einer (auch Online-) Auktion führt zum Abschluss des Kaufvertrages, nach dem sich bestimmt, welcher Leistung (Höhe des Kaufpreises) der Bieter (Käufer) an den Anbieter (Verkäufer) zu erbringen hat. Was aber ist, wenn der Anbieter (mittels eines Dritten) versucht, die Gebote künstlich zu erhöhen ?

Vorliegend, so das OLG München, sei zwischen den Parteien im Rahmen einer mit einem automatischen Bietsystem abgewickelten eBay-Auktion über den angebotenen PKW des Beklagten ein Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von € 2.010,00 zustande gekommen. Dies, obwohl der Kläger als Höchstbietender mit seinem Maximalgebot von € 6.970,00 den Zuschlag erhalten habe. Nachdem dem Kläger das Fahrzeug zum Preis von € 2.010,00 nicht überlassen wurde, machte er Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem in Höhe der Differenz zwischen dem von ihm angenommenen (vom OLG München bestätigten) Kaufpreis von € 2.010,00 und einem Wert des Fahrzeuges von € 7.020,00 geltend.  Dieser Betrag wurde ihm vom OLG zugesprochen.

Das OLG sah es als bewiesen an, dass die durch das automatische Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots auf den Betrag von € 6.970,00 einzig auf das kurz vorher vom Zeugen K. abgegebene Gebot über € 6.920,00 erfolgt sei. Bei diesem Gebot des Zeugen K. handele es sich aber um ein Scheingebot, welches daher nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig sei. Der Zeuge K und der Beklagte hätten bei der Auktion zusammengewirkt, um die Gebote Dritter zu erhöhen.

Dies folgerte das OLG aus dem Vortrag der Parteien und der Aussage des Zeugen K. Während der Beklagte eine nähere Bekanntschaft mit dem Zeugen K. wie auch irgendwelche Absprachen mit diesem zu dieser oder früheren Auktionen rundweg bestritt, habe der Zeuge K. bei seinen zwei Vernehmungen während des Verfahrens eine durchaus enge Freundschaft mit dem Beklagten einräumen müssen und ferner, dass er und der Beklagte sich bei früheren Auktionen durchaus gegenseitig mit Geboten unterstützt hätten um so einen besseren Preis zu erzielen. Von daher sei der Senat des OLG überzeugt, dass der Beklagte und der Zeuge K. auch bei der streitgegenständlichen Auktion gemeinsam vorgegangen seien, um einen vom Beklagten gewünschten Kaufpreis zu erzielen.

Zwar habe der Zeuge K. bekundet, dass er in diesem Fall den PKW tatsächlich habe für sich erwerbe wollen. Diese Bekundung ließe sich aber nicht mit seinem Bietverhalten in Übereinstimmung bringen. So hatte er bei der Abgabe seines ersten Gebots einen Betrag von € 69.200,00 eingetippt, was er damit begründete, dass er sich um eine Null zu viel vertippt hätte; diese Eingabe habe nicht dazu gedient, die Maximalgebote der anderen Bieter aufzudecken (was systembedingt erfolgt). Selbst, so das OLG, solle man diese Angabe des Zeugen als wahr unterstellen, ließe sich bei einem echten Interesse des Zeugen nicht erklären, weshalb er im Anschluss lediglich ein Gebot in Höhe von € 6.920,00 abgegeben habe, obwohl er nun gewusst habe, dass das Maximalgebot des Beklagten bei € 6.970,00 lag und er mit einem Einsatz von nur € 55,00 mehr den PKW hätte erwerben können und er selbst den Wert des Fahrzeuges mit € 7.000,00 angab. Der Zeuge K. habe auch keinen nachvollziehbaren Grund benannt, weshalb der Betrag von € 6.920,00 für ihn eine „Schmerzgrenze“ dargestellt habe und die geringfügige Erhöhung nicht möglich gewesen sei.

Zudem sei auch die Erklärung des Zeugen, der Beklagte habe sich geweigert ihm den Wagen direkt zu verkaufen, damit die Freundschaft nicht wegen eventueller Fahrzeugmängel aufs Spiel gesetzt würde, nicht glaubhaft. Er selbst will nach seiner Bekundung den Beklagten informiert haben, dass er mitbieten würde, ohne dass er diesbezüglich angibt, dass der Beklagte die zu unterbinden versucht habe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb bei einem Erwerb im Rahmen einer eBay-Aktion bei nachträglichem Auftreten von Mängeln die persönliche Freundschaftsbeziehung nicht beeinträchtigt würde.

Maximalgebote würden noch keine unbedingten, betragsmäßig bezifferten Annahmeerklärungen darstellen. Lediglich würde mit ihnen erklärt, dass im Vergleich zu dem angegebenen Mindestbetrag oder bereits bestehenden Geboten jeweils nächsthöhere Gebote abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu erreichen oder bereits bestehende Gebote zu übertreffen (BGH, Urteil vom 24.08.2016 - VIII ZR 100/15 -).  Da nach § 117 BGB das Gebot des Zeugen K. von vornherein kein geeignetes Gebot eines Dritten war, welches vom Kläger hätte überboten werden müssen, habe die aufgrund dieses Gebotes vom Bietsystem vorgenommene Erhöhung des klägerischen Gebots nach dem Erklärungsinhalt der vom Kläger abgegebenen Abnahmeerklärung keine Rechtswirkung entfalten können. Damit sei das letzte echte Gebot eines Dritten, das der Kläger überboten habe, zur Kaufpreisbestimmung heranzuziehen, vorliegend ein Gebot eines unbekannten Bieters über € 2.000,00. Dies sei vom Kläger mit einem Betrag von € 10,00 überboten worden. Der damit bei Auktionsende maßgebliche vereinbarte Kaufpreis beliefe sich deshalb auf € 2.010,00.

Der Beklagte habe seine vertragliche Pflicht zur Übergabe und Eigentumsverschaffung des PKW nicht erfüllt und verletzt. Mit fristsetzender Mahnung habe der Kläger den Beklagten fruchtlos zur Übergabe des PKW unter Angebot der Zahlung von € 2.010,00 aufgefordert; der Beklagte habe die geschuldete Erfüllung endgültig verweigert, §§ 293ff BGB. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden sei auf das positive Interesse gerichtet und bestünde in dem Differenzbetrag zwischen dem Marktwert des Fahrzeuges und dem Kaufpreis von € 2.010,00 (OLG Frankfurt, Urteil vom27.06.2014 - 12 U 51/13 -). Auch wenn eine sachverständige Prüfung (das das Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei) des Fahrzeugwertes nicht mehr möglich sei, sei von einem vom Kläger zugrunde gelegten Wert von € 7.020,00 auszugehen, da der Kläger selbst € 6.970,00 geboten habe und der Zeuge K. den Wert mit € 7.000,00 angegeben habe.

OLG München, Urteil vom 26.09.2018 - 20 U 749/18 -

Freitag, 25. Januar 2019

Tierhalter: Zum Nachweis der Haltereigenschaft im Rahmen der Haftung nach § 833 BGB


Der Kläger machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 BGB (Tierhalterhaftung) wegen eines angeblich durch ein Pferd verursachten Schadens geltend. U.a. wurde von der Beklagten ihre bestritten, dass sie Tierhalter sei. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlenden Nachweises der Tierhalterstellung der Beklagten (fehlende Passivlegitimation) abgewiesen.

Entscheidend für die Bestimmung der Tierhaltereigenschaft seien das Eigeninteresse am Tier und die Entscheidungsgewalt über das Tier. Dabei seien die Anhaltspunkte Obdach und Unterhalt, Tragen der Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und das Verlustrisiko Indizien für das Eigeninteresse, da davon auszugehen sei, dass diese Lasten regelmäßig derjenige trage, der auch die Nutzungsvorteile daraus ziehe. Die Kriterien des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes sowie das Eigentum seien Anhaltspunkte für die Bestimmung der Herrschaft über die Existenz und Verwendung des Tieres.

Die Indizien „Obdach und Unterhalt“ und „Kostentragung für den Unterhalt“ sprächen hier gegen die Haltereigenschaft der Beklagten, da unstreitig sei, dass das Pferd im Zeitpunkt des Vorfalls auf Kosten eines Tierschutzvereins untergebracht worden sei. Die Indizien „Verlustrisiko“ und „Nutzung im Haushalts- oder Wirtschaftsbetrieb“ seien  vom Kläger nicht dargetan worden. Die konkreten Umstände (das Pferd habe sich nicht in den Räumlichkeiten der Beklagten befunden sondern in denen einer dritten Person) sprächen auch dagegen.

Der Umstand, dass die Beklagte das Pferd trainiert habe, ließe nicht auf das Eigeninteresse der Beklagten schließen. So würde auch ein Pferd, welches von einem Trainer trainiert würde, weiterhin zu Zwecken des Eigentümers und nicht etwa des Trainers dienen, was auch für die pflegerische Leistungen der Beklagten gelten würde.

Für ein Eigeninteresse könne daher lediglich sprechen, dass die Beklagte das Pferd bei der ehemals weiteren Beklagten (einer Versicherung), gegen die die Klage wegen fehlender Passivlegitimation nach § 115 Abs. 1 S. 1 VVG zurückgenommen wurde,  haftpflichtversichert habe. Zwar habe die Rechtsprechung verschiedentlich alleine aus dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf die Haltereigenschaft geschlossen. Dem würde die Kammer aber nicht folgen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung habe als Indiz nur einen begrenzten Wert, da die betroffene Person glaube, die Halterhaftung fürchten zu müssen (vgl. Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 833 Rn. 79). Auch der Umstand, dass die Haftpflichtversicherung Ansprüche eines Dritten reguliert habe, ließe keinen Rückschluss zu, da sich die Beklagte zum Einen das Verhalten des Versicherers nicht zurechnen lassen müsse, zum Anderen nicht dargetan sei, dass die Haftpflichtversicherung aufgrund der mit der Beklagten bestehenden Versicherung geleistet habe.

Auch das Indiz der „Entscheidungsgewalt“ sei vom Kläger nicht dargetan worden. Die Behauptung sei von der Beklagten substantiiert bestritten worden und der Kläger habe keinen Beweis für seine Behauptung angeboten. Für seine Behauptung des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes der Beklagten habe es keinen belastbaren Vortrag des Klägers gegeben. Soweit er behauptet habe, die Beklagte sei als Halterin aufgetreten, und dafür Beweis angeboten habe, handele es sich lediglich um die Behauptung eines Rechtsbegriffs, der dem Beweis nicht zugänglich sei. Vielmehr hätte es ihm oblkegen, die oben genannten Indizien darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen ließe sich ein solches Auftreten hier aus dem Umstand erklären, dass die Beklagte die stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins war, der für die Unterhaltskosten des Pferdes aufkam und für den die Beklagte als Organ nach außen auftrat.

Damit bliebe einzig als Indiz der Abschluss der Tierhaftpflichtversicherung. Dies alleine sei aber nicht ausreichend um eine Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO (voller Beweis) zu erbringen.

Für eine Haftung aus § 834 BGB (Tierhüterhaftung) sei nicht dargetan worden, dass ein Vertrag zwischen der Beklagten und dem Tierhalter bestünde. (Anmerkung:) Tierhüter nach § 834 BGB mit der daraus erwachsenden Haftungsfolge ist nur derjenige, der es vertraglich übernommen hat, die Aufsicht über das Pferd zu übernehmen.

LG Marburg, Urteil vom 29.10.2018 - 1 O 80/18 -

Mittwoch, 23. Januar 2019

Das Aus für den fiktiven Schadensersatz im Vertrags- und Deliktsrecht ?


Den Anfang machte der BGH. In seiner Entscheidung vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - hatte er über Schadensersatzansprüche bei Werkmängeln und gegen den Architekten bei sich im Bauwerk bereits verwirklichten Planungs- und Überwachungsfehlern zu urteilen. Unter Abänderung der bis dahin herrschenden Meinung und seiner eigenen Rechtsprechung, entschied er nun, dass, jedenfalls für Bauwerksverträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen wurde, bei Mängeln der Besteller nicht mehr seinen Schaden fiktiv nach dem möglichen Aufwand für die Mängelbeseitigung berechnen könne. Entweder lässt er den Mangel beseitigen und hat deshalb einen Anspruch auf den dafür erforderlichen Aufwand (§§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB), oder er behält das Werk mit den Mängeln und bemisst den Schaden nach der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, Im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit dem Mangel; im Falle einer Veräußerung ohne Mängelbeseitigung kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös bemessen.

Nun haben zwei Kammern des LG Darmstadt in drei Entscheidungen im Anschluss an die benannte Entscheidung des BGH diese Rechtsprechungsänderung auch auf deliktische Ansprüche (Urteile vom 15.06.2018 - 8 O 134/16 -, vom 24.10.2018 -23 O 356/17 - sowie vom 05.09.2018 – 23 O 386/17 -) übertragen; die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig (Berufungen zum OLG Frankfurt am Main wurden eingelegt).

Der Entscheidung der 8. Zivilkammer vom 15.06.2018 lag ein Schaden an einem Grundstück zugrunde: Bei Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück wurde der dortige (ungesicherte) Bauzaun gegen die Fassade des Hauses des Klägers gedrückt. Auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags machte der Kläger Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Nettokosten für die Schadensbeseitigung geltend. Vom Grundsatz erkannte das Landgericht einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der §§ 906 Abs. 2 S. 2, 823 Abs. 1 BGB zu. Allerdings sei der klägerseits geltend gemachte fiktive Schadensersatzanspruch nicht nach §§ 249ff BGB als erstattungsfähig anzusehen. Unter Bezugnahme auf die benannte Entscheidung des BGH hätte hier der Kläger entweder die Reparatur durchführen lassen müssen und den dafür erforderlichen Aufwand einklagen können, oder er hätte den tatsächlichen Wert der unbeschädigten Sache zum tatsächlichen Wert der beschädigten Sache ermitteln und geltend machen müssen. Dies sei auch hier nicht unbillig, da die Erstattung von fiktiven Schadensersatz nicht notwendig sei, um den Geschädigten seine Dispositionsfreiheit zu belassen, auch zu einem späteren Zeitpunkt den Schaden noch beseitigen zu lassen. Insoweit könnte er einen Antrag auf Freistellung von möglicherweise tatsächlich noch entstehenden Schadensbeseitigungskosten stellen.

In Ansehung der Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung wird im Urteil festgehalten, dass der BGH seine Argumentation zur Vermeidung auf eine Überkompensation zwar auf das Werkvertragsrecht bezog, doch ließe sich dies auf alle fiktiven Schadensbeseitigungskosten im vertraglichen und deliktischen Bereich übertragen. Ebenso argumentierte die 23. Zivilkammer in den zwei benannten Urteilen vom 05.09. und 24.10.2018. In denen waren Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen streitgegenständlich und die Kammer negierte eine Möglichkeit des Geschädigten, den Schaden am Fahrzeug auf der Grundlage eines Gutachtens fiktiv geltend zu machen. Die 23. Zivilkammer hat im Urteil vom 05.09.2018 ausdrücklich ausgeführt, dass diesfür alle Schadensersatzansprüche gelte, so bei Beschädigungen von Sachen wie auch jedenfalls gewährleistungsrechtlich begründeten Schadensersatzansprüchen (z.B. kaufvertragliche oder mietvertragliche).

Es bleibt abzuwarten, wann zu dieser Fragestellung der Tragweite der Entscheidung des BGH durch diesen eine weitere Entscheidung erfolgt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird derjenige, der aus Delikt oder z.B. Kaufvertrag oder Mietvertrag Schadensersatzansprüche geltend macht, nicht sicher sein können, dass er insoweit weiterhin den Schaden fiktiv in Höhe des mutmaßlichen Aufwandes für die Beseitigung bemessen kann.


Dienstag, 22. Januar 2019

Widerruf des im Bezugsrecht einer Lebensversicherung liegenden Auftrags auf Mitteilung des Schenkungsangebots durch den Nachlasspfleger


Streitig war, ob eine Versicherungsleistung aus einer Lebensversicherung (der Beklagten) den Klägern als Nachlassforderung zustand, nachdem der Nachlasspfleger einen „Widerruf des Bezugsrechts“ erklärte. Nach § 160 Abs. 2 VVG sind die Erben bezugsberechtigt. Allerdings, so das OLG Dresden, würde sich daraus nicht ergeben, dass die Versicherungsleistung zunächst in den Nachlass falle, bevor sie an die Erben ausgekehrt würde. Der Auszahlungsanspruch auf die Versicherungsleistung gehöre nicht zum Erblasservermögen, sondern würde mit dem Todesfall unmittelbar in das Vermögen des Bezugsberechtigten fallen (BGH, Urteil vom 30.01.2018 - X ZR 119/15 -).

Allerdings sei die Bestimmung des Bezugsberechtigten als Willenserklärung, wenn sie nicht eindeutig sei, der Auslegung zugänglich. § 160 VVG würde nicht grundsätzlich die Auslegung der Bezugsberechtigung regeln, sondern nur deren Auslegung in bestimmten Fällen, weshalb §§ 133, 157 BGB heranzuziehen seien (BGH, Urteil vom 01.04.1987 - Iva ZR 26/86 -). Vorliegend lasse die Formulierung „Erben laut Rechtsnachfolge“ nach Ansicht des OLG Dresden keinen eindeutigen Schluss zu, ob damit die Erben kraft gesetzlicher Rechtsnachfolge einerseits oder kraft Testaments andererseits oder schlicht als direkte Bezugsberechtigte ohne gesetzliche Erbfolge gemeint seien. Der mögliche Zweck der Lebensversicherung als Aufstockung der Altersrente spräche für den Todesfall weder für einen Begünstigungswillen im Hinblick auf den Nachlass noch die Erben direkt. Auch die klägerseits behauptete (und beklagtenseits bestrittene) Formulargestaltung ließe nichts anderes schlussfolgern. Hier käme die Regelung des § 160 Abs. 2 S. 1 iVm. S. 2 VVG zum Tragen, wonach „die Erben“ die Ansprüche auf die Versicherungssumme gerade nicht kraft Erbrechts, sondern als Bezugsberechtigte erwerben sollen.

Der Nachlasspfleger, so das OLG, habe das Bezugsrecht nicht wirksam widerrufen können, da es mit dem Todesfall des Versicherungsnehmers (VN) zum Vollrecht erstarkt sei, also ein originäres neues Recht zugunsten der Bezugsberechtigten entstanden sei (BGH, Urteil vom 21.05.2008 - IV ZR 238/06 -). Ob die Bezugsberechtigten das Recht „behalten“ dürften, würde sich nicht aus dem Deckungsverhältnis, sondern dem Valutaverhältnis (also dem Verhältnis zwischen Versicherer und Bezugsberechtigten) beantworten. Als Rechtsgrund für die Leistung käme nur ein Schenkungsvertrag gem. § 518 BGB in Betracht; die Bestimmung des VN zum Bezugsberechtigten enthalte gegenüber dem Versicherer den konkludenten Auftrag, dem Bezugsberechtigten nach Eintritt des Versicherungsfalls das noch zu Lebzeiten abgegebene Schenkungsangebot des VN zu überbringen (BGH, Urteil vom 21.05.2008 - IV ZR 238/06 -), was der Versicherer durch Mitteilung an den Bezugsberechtigten oder Auszahlung an diesen erfülle. Dieser Auftrag zur Überbringung des Schenkungsangebots könne allerdings (anders als das Bezugsrecht) von den gesetzlichen Erben widerrufen werden (Winkens in VersR 2018, 133f). Der Widerruf des Bezugsrechts sei konkludent als Widerrufs des Übermittlungsauftrages anzusehen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 - 5 U 35/16 -).

Allerdings, so das OLG Dresden,  wäre in dieser Konstellation die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Nachlasspfleger (der nicht als Vertreter des Nachlasses, sondern der unbekannten Erben anzusehen sei) rechtsmissbräuchlich, da dies dazu führen würde, da dies dazu führen würde, dass für deren unwiderrufliches und außerhalb des Nachlasses entstandene Bezugsrecht der Rechtsgrund entfiele. Einen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) würden sodann die Erben (vertreten durch den Nachlasspfleger, gegen sich selbst durchsetzen müssen, ohne hiervon einen Vorteil zu haben. Die Folge einer Herausgabe nach § 812 BGB  wäre zwar, dass die Erben entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote an der Versicherungssumme teilhaben würden, allerdings wäre dann die Nachlassverbindlichkeiten abzusetzen, was bei einem direkten Bezug unterbliebe.  

Es könne allerdings auf sich beruhen, ob der Nachlasspfleger hier einen Widerruf des Schenkungsangebotes erklären kann. Der wirksame Widerruf habe lediglich zur Folge, dass den laut Erbschein quotal berechtigten Erben (so sie vorhanden sind) ein Bezugsrecht ohne Rechtsgrund zugefallen wäre. Im Hinblick auf die Relativität der Schuldverhältnisse sei ein hieraus folgender Bereicherungsanspruch allerdings nicht im Deckungsverhältnis zum Versicherer, sondern im Valutaverhältnis der Erben gegenüber den Bezugsberechtigten zu verfolgen (OLG Hamm, Urteil vom 03.12.2004 - 20 U 132/04; KG, Beschluss vom 29.11.2016 - 6 W 112/16 -), was auch dann der Fall sei, wenn (wie hier) zum Zeitpunkt des Widerrufs noch offen sei, ob überhaupt Bezugsberechtigte und Erben vorhanden seien. Der Gefahr, dass der Nachlasspfleger einen unzulässigen „in-sich-Prozess“ führen müsse, da Erben und Bezugsberechtigte personenidentisch seien, sei nicht dadurch Rechnung zu tragen, dass der Widerruf des Schenkungsangebots in einem solchen Fall auf das Deckungsverhältnis durchschlage.

OLG Dresden, Urteil vom 09.10.2018 - 4 U 808/18 -

Sonntag, 20. Januar 2019

Betriebsgefahr bei Anstoß mit sich öffnender Fahrertür in Parkbucht


Streitig waren restliche Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall. Dieser ereignete sich, als das klägerische Fahrzeug in eine der schräg angeordneten Parkbuchten an einer Straße einfuhr und dabei mir der geöffneten Fahrertür eines dort parkenden Fahrzeuges kollidiert. Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht gab die Beklagte an, dass sie sich vor Öffnen der Tür nur vergewissert habe, ob sich neben ihr ein anderes Fahrzeug befände, nicht aber, dass sich auch nicht hinten gesehen habe um festzustellen, ob von dort ein Fahrzeug in die Parkbucht einfährt.

Während das Amtsgericht eine hälftige Haftung für beide Fahrzeughalter und –führer annahm, ging das Landgericht auf die Berufung des Klägers von einer Haftungsverteilung von 25% zu Lasten des Klägers und 75% der Beklagten aus.

 Die Haftungsteilung folge aus § 17 Abs. 3 StVG, da sich der Verkehrsunfall für beide Unfallbeteiligte nicht als unabwendbar darstelle. Auch soweit mit der klägerischen Berufung geltend gemacht worden sei, für den Fahrer des klägerischen Fahrzeuges sei nicht erkennbar gewesen, ob jemand auf dem Fahrersitz des anderweitigen Fahrzeuges säße, sei der Unabwendbarkeitsnachweis vom Kläger nicht geführt. Zu den Anforderungen der Unabwendbarkeit würde gehören, sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr üblichen Sorgfalt iSv. § 276 BGB gehören (z.B. BGHZ 113,164, 165). Den dafür erforderlichen Beweis habe der Kläger nicht geführt. Der Idealfahrer würde beim Einfahren in die Parktasche, bei dem er nicht ausschließen könne, dass jemand aus dem seitlich daneben stehenden Fahrzeug jemand aussteigt, nur so vorsichtig einfahren, dass er jederzeit, auch bei einem plötzlichen Öffnen einer Tür, anhalten könne. Da hier die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges (nach sachverständiger Feststellung) noch rund 1,6m bis zum Stillstand nach der Kollision benötigt habe, hier auch nach den Aussagen nicht sicher feststünde, ob sofort nach der Kollision ein Stillstand erfolgt sei und das Fahrzeug nur danach weiter nach in die Parkbucht gefahren wurde, oder von vornherein der Anhalteweg nach der Kollision noch rund 1,6m betrug, könne dies nicht aufgeklärt werden und ginge dies zu Lasten des für die Unabwendbarkeit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers.

Fehlerhaft habe allerdings das Amtsgericht bei der gebotenen Haftungsabwägung bei der Beklagten keinen Verstoß gegen die beim Türöffnen gebotene Sorgfalt gesehen. Auch wenn § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätze grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung fände, da diese ein Höchstmaß an Sorgfalt beim Aussteigen zum Schutz der fließenden Verkehrs verlange, träfe den Aussteigenden auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtsnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt würde. Dabei könnten auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe des § 14 StVO, die im fließenden Verkehr gelten, sinngemäß herangezogen werden, sofern sich in einem bestimmten Verkehrsverhalten die besondere Gefährlichkeit gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern niederschlage, was für das Öffnen der Fahrzeugtür in der Parkbucht vom Landgericht angenommen wurde.

Offen bleiben könne vorliegend, ob wie bei § 14 StVO zu Lasten des Türöffnenden auf einem Parkplatz auch ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden desjenigen greife, der die Tür öffne. Die Beklagte habe bei ihrer Anhörung nur dargelegt, sich vergewissert zu haben, ob sich neben ihr ein Fahrzeug befände, nicht ab, ob ein Fahrzeug von hinten einfährt. Dies sei sorgfaltswidrig, da der Türöffnende während des gesamten Vorgangs des Türöffnens hinweg den rückwärtigen Verkehrsraum im Hinblick auf die Möglichkeit des Einfahrens eines anderen Fahrzeuges beobachten müsse, was hier insbesondere auch deshalb gelte, da die geöffnete Tür in den Bereich der danebenliegenden Parkbucht hineingeragt habe und sich deshalb die Gefährlichkeit eines Zusammenstoßes mit einem einfahrenden Fahrzeug erhöht habe.

Der Sorgfaltsmaßstab für den Einfahrenden sei auch nach § 1 Abs. 2 StVG mit demjenigen des Türöffnenden gleichzusetzen. Allerdings habe der Sachverständige nicht feststellen können, mit welcher Geschwindigkeit das klägerische Fahrzeug eingefahren worden sei noch Feststellungen zum vorkollisionären Verhalten des Beklagtenfahrzeuges treffen könne. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass das klägerische Fahrzeug angemessen langsam in die Parklücke einfuhr und die Tür erst geöffnet worden sei, als die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs eine Kollision durch Abbremsen oder Warnzeichen nicht mehr hätte vermeiden können. Die Beklagte hätte mithin den Nachweis einer (mit-) ursächlichen Pflichtverletzung der Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges nicht geführt.

Daraus folgert das Landgericht eine Haftungsabwägung mit 25% zu 75% zu Lasten der Beklagten. Dem besonderen Verstoß der Beklagten gegen Sorgfaltspflichten beim Öffnen der Tür stünde die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges gegenüber.

LG Saarbrücken, Urteil vom 02.11.2018 - 13 S 70/18 -

Dienstag, 15. Januar 2019

Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens durch Klageerhebung


Der Antragsteller (AS) beantragte im Oktober 2011 bei dem LG Tübingen die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 2 ZPO. Mit Beweisbeschluss vom Februar 2012 bestellte das Landgericht einen Sachverständigen, der im Oktober 2012 sein Gutachten vorlegte. Im August 1993 erhob der AS Klage vor dem Landgericht Tübingen und bezog sich zum Bewies seiner Mängelbehauptungen auf das im Beweisverfahren eingeholte Gutachten. Im Februar 2014 setzte das Landgericht als Prozessgericht den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Beweisverfahrens aus. Im Beweisverfahren selbst erstatte der Sachverständige nach weiteren Mängelbehauptungen des AS weitere Gutachten im Juni 2015 und März 2017. Mit Schriftsatz vom April 2017 legte der AS einen umfangreichen Schriftsatz im Beweisverfahren mit Fragen an den Sachverständigen vor und stellte einen weiteren Ergänzungsantrag im September 2017. Im Dezember 2017 nahm das Prozessgericht den Rechtsstreit wieder auf, erteilte den Parteien Auflagen und Hinweise, zog die Akte des selbständigen Beweisverfahrens bei, forderte einen Auslagenvorschuss zur Ladung des Sachverständigen und bestimmte einen Verhandlungstermin. Mit Beschluss vom gleichen Tag erklärte das Landgericht im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens dieses für beendet und setzte den Verfahrenswert fest.

Der AS erhob gegen die jeweiligen Beschlüsse Beschwerde. Das Prozessgericht half nicht ab und legte den Vorgang dem OLG vor, welches die Beschwerde mit Beschluss vom 17.01.2018 - 10 W 4/18 - zurückwies. Im selbständigen Beweisverfahren half das Landgericht der Beschwerde ebenfalls nicht ab und legte sie dem OLG vor.

Die zulässige Beschwerde des AS gegen den Beschluss des Landgerichts, das selbständige Beweisverfahren für beendet zu erklären, sah der Senat als zulässig, in der Sache aber nicht begründet an.

Als Prozessgericht wies das Landgericht die gegen seinen Beschluss zur Wiederaufnahme des Verfahrens gerichtete Beschwerde zurück. Die Zulässigkeit ergäbe sich daraus, dass gegen die Ablehnung des Antrages auf Durchführung des Beweisverfahrens die sofortige Beschwerde statthaft sei, ebenso gegen die Ablehnung der Änderung oder Ergänzung des Beweisbeschlusses oder des Antrages auf Erläuterung des Gutachtens. Eine förmliche Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens sei im Gesetz nicht vorgesehen; erfolge sie, würde sich dies inzident als Ablehnung der Durchführung des Beweisverfahrens darstellen und mithin notwendig das Beschwerderecht (als fristgebundene sofortige Beschwerde) eröffnen.

Allerdings sei die Beschwerde hier in der Sache nicht begründet. Das selbständige Beweisverfahren sei beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt sei (BGH, Urteil vom 28.10.2010 - VI ZR 172/09 -). Es sei es aber auch dann erledigt, wenn die Zuständigkeit für die Beweiserhebung auf das Prozessgericht übergehen würde, was dann der Fall sei, wenn in der Hauptsache Klage vor dem Prozessgericht erhoben würde (BGH, Beschluss vom 22.07.2004 - VII ZB 3/03 -) und das Prozessgericht die Akten des Beweisverfahrens beiziehen würde.

Diesem Übergang stünde nicht entgegen, dass das Gericht im selbständigen Beweisverfahren noch nicht sämtliche Beweisfragen erledigt oder Anträge/Fragen abgearbeitet habe. Das Prozessgericht sei verpflichtet, wenn es die Akten des noch nicht beendeten Beweisverfahrens beiziehe, die Beweisaufnahme im vorgefundenen Stand selbst fortzusetzen (BGH, Beschluss vom 14.11.2017 - VIII ZR 101/17 -), weshalb eine Zuständigkeit des Gerichts des selbständigen Beweisverfahrens daneben nicht bestehen könne (arg. § 485 Abs. 1 1. Halbs. ZPO). Nicht Voraussetzung sei ein eigener Beweisbeschluss im streitigen Verfahren (Prozessverfahren). Die (vorgezogene) Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren stehe einer Beweisaufnahme im streitigen verfahren gleich, § 493 Abs. 1 ZPO, und wirke daher wie eine vor dem Prozessgericht durchgeführte Beweisaufnahme. Allerdings sei das Prozessgericht nicht verpflichtet, im Umfang sämtlicher im selbständigen Beweisverfahren gestellter Anträge weiter Beweis zu erheben, da es hier (anders als im selbständigen Beweisverfahren) auf die Erheblichkeit für den Prozessstoff ankäme, weshalb die Fortsetzung der Beweisaufnahme über unerhebliche Tatsachen unzulässig wäre. Da vorliegend der AS nicht dargelegt habe, dass er im selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Mängeln angestrebt habe, die nicht gleichzeitig zum Gegenstand des streitigen Verfahrens gemacht wurden, war auch insoweit nicht das selbständige Beweisverfahren fortzuführen gewesen.


OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.05.2018 - 10 W 6/18 -

Sonntag, 13. Januar 2019

Mieterhöhung: Unzulässigkeit von Vereinbarungen von nicht vorhandenen Wohnwertmerkmalen (hier: Einbauküche)


Die Beklagten (Mieter) hatten eine Einbauküche in der angemieteten Wohnung ausgebaut und mit Zustimmung der Kläger (Vermieter) 2004 durch eine auf eigene Kosten angeschaffte neue Einbauküche ersetzt; der Sohn der Kläger verkaufte im Anschluss die ausgebaute Küche. Im Rahmen eines Mieterhöhungsbegehrens in 2015 wurde das Begehren unter Bezugnahme auf den Mietspiegel (Berlin) u.a. damit begründet, die Wohnung verfüge über eine moderne (mitvermietete) Küchenausstattung.

Der auf Zustimmung gerichteten Klage gab das Amtsgericht teilweise statt; in Bezug auf die Einbauküche hat es allerdings den darauf beruhende Erhöhungsbetrag abgewiesen. Das Landgericht erkannte im Rahmen des Berufungsverfahrens den für die Einbauküche angesetzten Betrag den Klägern zu. Auf die vom Landgericht zugelassene Revision stellte der BGH das amtsgerichtliche Urteil wieder her.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sei die Einbauküche nicht als (vermieterseitige) Ausstattung zu berücksichtigen. Nach § 558 BGB käme es, anders als das Landgericht meine, nicht auf die Frage an, welche Vereinbarung die Parteien aus Anlass des Austauschs der Einbauküche zur Sollbeschaffenheit der Wohnung getroffen hätten. Soweit der Senat in einem Urteil vom 07.07.2010 - VIII ZR 315/09 - die Möglichkeit gesehen habe, dass die Mietvertragsparteien auch für künftige Mieterhöhungen verbindlich eine in Wirklichkeit nicht vorhandene oder vom Mieter selbst angeschaffte Einrichtung als vermieterseitige Ausstattung vereinbaren könnten, würde daran nicht mehr festgehalten.

Die Miete könne nach § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Vermieter bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (unter Berücksichtigung der kappungsgrenze, was hier vom BGH nicht erwähnt wurde) erhöht werden, wenn sie 15 Monate unverändert war. Nach § 558 Abs. 2 S. 1 BGB würde diese Vergleichsmiete aus den üblichen Entgelten gebildet, die in der Gemeinde für vergleichbaren Wohnraum verlangt würden. Bei diesem Vergleich käme es allerdings allein auf den objektiven Wohnwert an, während Vereinbarungen, mit denen der Wohnwert oder die Beschaffenheit der Wohnung bezüglich einzelner Wohnwertmerkmale abweichend von den tatsächlichen Verhältnissen, festgelegt würden, für die Mieterhöhung nach § 558 BGB rechtlich bedeutungslos seien. Andernfalls könnte der Vermieter entgegen der gesetzgeberischen Konzeption den für künftige Mieterhöhungen vorzunehmenden Vergleich vorab zu seinen Gunsten verändern oder sogar verfälschen und so Mieterhöhungen verwirklichen, die über das in § 558 BGB benannte Maß hinausgehen. Von daher müsse eine vom Mieter angeschaffte Einbauküche auf Dauer unberücksichtigt bleiben, da sie nicht Teil der vom Vermieter gestellten Einrichtung sei und sich auch seine Gebrauchsüberlassungs- und Instandhaltungsverpflichtung (§ 535 Abs. 1 S. 1, 2 BGB) nicht darauf bezöge. Ein Ausnahmefall der Kostenerstattung durch den Vermieter läge auch nicht vor, da die alte Einbauküche vom Sohn der Kläger veräußert worden sei und sich die Kläger an den Kosten der neuen Einbauküche nicht beteiligt hätten.

Es könne auch nicht darauf abgestellt werden, dass zu Beginn des Mietverhältnisses eine vom Vermieter gestellte Einbauküche vorhanden gewesen sei. Diese durfte entfernt werden, wodurch die Gebrauchsgewährungs- und Instandhaltungsverpflichtung des Vermieters entfallen sei. Damit sei die Wohnung nach der Entfernung nicht mehr mit einer vermieterseits gestellten Einbauküche versehen und könne daher auch nicht zu Gunsten des Vermieters berücksichtigt werden.

Zwar hätten die Parteien die Möglichkeit, sich im Rahmen einer konkreten Mieterhöhung abweichend von § 558 BGB auf eine bestimmte berücksichtigungsfähige Ausstattung zu vereinbaren (wie dies wohl in der Vergangenheit geschehen sei); allerdings gäbe es für das konkrete Mieterhöhungsverlangen keine solche Vereinbarung und eine solche, die generell für alle Mieterhöhungen gelten solle, wäre unwirksam.

BGH, Urteil vom 24.10.2018 - VIII ZR 52/18 -

Freitag, 11. Januar 2019

Kein Schadensersatzanspruch auf Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensberechnung trotz umsatzsteuerpflichtiger Ersatzbeschaffung


Nach einem Verkehrsunfall begehrt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz. Der von ihm beauftragte Sachverständige hatte den Widerbeschaffungswert des Fahrzeuges mit € 22.350,00 incl. Umsatzsteuer (differenz- bzw. regelbesteuert) und einen Restwert von € 8.000,00 ermittelt. Der Kläger veräußerte das unfallbeschädigte Fahrzeug zu € 8.200,00 und erwarb einen Ersatzwagen zu € 14.500,00 incl. Umsatzsteuer. Er machte nun gegenüber den Beklagten den Wiederbeschaffungswert gemäß Gutachten von € 22.350,00 abzüglich des erzielten Verkaufserlöses für das beschädigte Fahrzeug mit € 8.200,00 geltend, mithin € 14.150,00.- Die Beklagten zahlten € € 12.896,63. Die Differenz machte der Kläger gerichtlich geltend. Dabei machte er geltend, es sei vom Brutto-Wiederbeschaffungswert wegen der Anschaffung eines Neufahrzeuges auszugehen.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und wies die Sache zur Feststellung des in Abzug zu bringenden Umsatzsteueranteils an das Landgericht zurück.

Der BGH verwies darauf, dass der Kläger vorliegend nicht entsprechend der konkret vorgenommenen Ersatzbeschaffung seinen Schaden geltend gemacht habe, sondern die fiktive, auf dem Gutachten beruhende Schadensabrechnung gewählt habe. Bei dieser sei vom  Netto-Wiederbeschaffungswert auszugehen. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB würde die Umsatzsteuer bei dem Schadensersatzanspruch nur mit einschließen, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sei, nicht aber dann, wenn sie nur fiktiv bliebe, da es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung käme. Ein Verzicht auf die Herstellung würde also zum Verlust des Anspruchs auf die Umsatzsteuer führen. Dies würde auch dann gelten, wenn (wie hier) der Geschädigte zwar eine umsatzsteuerpflichtige Ersatzbeschaffung vornehme, mithin die Umsatzsteuer zur Wiederherstellung des früheren Zustandes einsetze (BT-Drs. 14/7752, S. 23), er allerdings bei der Schadensberechnung auf eine von ihm als günstiger angesehen fiktive Abrechnung der Kosten einer Ersatzbeschaffung auf der Grundlage eines Gutachtens ausweicht. Der Geschädigte müsse sich an der von ihm einmal gewählten fiktiven Schadensabrechnung jedenfalls dann festhalten lassen, wenn die konkreten Kosten der tatsächlichen Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensberechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen würden. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung sei ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 13.09.2016 – VI ZR 654/15 -). Die bei der gewählten fiktiven Schadensberechnung (nach Gutachten) enthaltene Umsatzsteuer bleibe auch dann fiktiv, da diese nicht angefallen sei, wenn tatsächlich Umsatzsteuer bei einer nicht der Schadensberechnung zugrunde gelegten Ersatzbeschaffung anfalle. Nur wenn die tatsächlichen Kosten des Ersatzgeschäfts einschl. Umsatzsteuer und Nebenforderungen (wie hier nicht) den Betrag nach der fiktiven Schadensberechnung übersteigen würden, könnte der Geschädigte grundsätzlich zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich vorgenommenen Ersatzbeschaffung übergehen.

Das Urteil wurde aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen, da der Tatrichter noch im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO klären müsse, ob solche Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt regelmäßig der Regelbesteuerung nach § 10 UStG oder der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterfallen würden oder von privat umsatzsteuerfrei angeboten würden.

BGH, Urteil vom 02.10.2018 - VI ZR 40/18 -

Mittwoch, 9. Januar 2019

Bereicherungsrechtliche Rückforderung gezahlter Miete trotz Vorliegens eines die Mietminderung begründenden Mangels


Die Beklagten waren bis Ende März 2016 einer Wohnung der Klägerin und hatten in den Monaten November 2015 und Januar und März 2016 die Miete von € 820,00/Monat nicht gezahlt. Diese machte die Klägerin mit ihrer Klage geltend.  

Im März 2015 hatten die Beklagten einen regelmäßig wiederkehrenden fauligen Geruch in der Wohnung angezeigt. Dieser Mangel wurde erst im Dezember 2015 behoben. In mehreren Mails hatten die Beklagten im Oktober/November 2015 die Frage der Mietminderung angesprochen, und so auch am 15.10.2015 angefragt, ob für die Klägerin eine Vereinbarung einer Mietminderung von 15% ab dem Termin der Meldung der Geruchsbelästigung in Betracht käme. Die Klägerin lehnte ab, da eine Minderung für sie nicht in Betracht käme, nachdem sie sich jeweils zeitnah bemüht habe, die Mängel zu beseitigen. Daraufhin teilte die Beklagten mit Mail vom 05.11.2015 mit, die Beseitigung der Mängel sei seit 2013 fruchtlos verlaufen. Sie könnten notwendigen Maßnahmen nicht einschätzen und die Klägerin möge ihnen doch einen Vorschlag unterbreiten. Außerdem würden die sporadisch bisher nicht gezahlten Mieten ausgeglichen, was dann auch erfolgte.

Gegen die Klageforderung rechneten die Beklagten mit einem Minderungsanspruch von 15%/Monat  seit der Meldung des Mangels gegenüber der Klägerin auf. Das Amtsgericht gab der Klage bis auf eine angenommene 10%ige Minderung für November 2015 statt. Auf die Berufung der Beklagten bejahte das Landgericht einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch der Beklagten für die Monate Januar bis Oktober 2015 in Höhe von 10% der jeweiligen Monatsmiete wegen des Mangels. Anders als das Amtsgericht sah es diesen bereicherungsrechtlichen Anspruch als nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen an.

Die auf Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung gerichtete zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Der BGH verweist darauf, dass die Darlegungs- und Beweislast des § 814 BGB bei dem Leistungsempfänger läge. Dieser müsste mithin den Nachweis erbringen, dass vorliegend den Mietern ihr Recht zur Minderung der Miete bekannt gewesen sei. Anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 16.07.2013 - VIII ZR 274/02 -, BGHZ 155, 380, 389). Dort habe der Mieter trotz eines nach Abschluss des Mietvertrages bekannt gewordenen Mangels die Miete über einen längeren Zeitraum ohne Kürzung oder Vorbehalt weiterbezahlt, obwohl, wovon nach dem allgemeinen Kenntnisstand der beteiligten Verkehrskreise auszugehen sei, das recht zur Herabsetzung der Miete bekannt sei. Damit sei gemäß § 814 BGB eine Rückforderung ausgeschlossen.

Der Kondiktionsausschluss des § 814 BGB greife nur, wenn der Leistende sowohl die Tatumstände kenne, aus denen sich die fehlende Leistungsverpflichtung ergäbe, sondern auch, dass er nach der Rechtslage nichts schulde. Der Leistende müsse also aus der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Vorliegend sei das Landgericht zu der nicht zu beanstandenden Überzeugung gelangt, dass die Beklagte keine Kenntnis davon gehabt hätten, dass sie die Bruttomiete für die in Rede stehenden Monate nicht in voller Höhe zu zahlen hätten. Zwar sei nicht die Kenntnis aller Elemente des Minderungsrechts nach § 536 BGB erforderlich; da die Minderungsquote in aller Regel von Bemessungsunwägbarkeiten (Art, Dauer, Erheblichkeit des Mangels) von einem Laien (häufig auch von seinem rechtlichen Beistand) nur überschlägig angesetzt werden könne, steht dem Kondiktionsausschluss des § 814 BGB nicht entgegen, dass sich der Mieter nur zu einer ungefähren Bestimmung der Minderungsquote in der Lage sehe. Auch wenn dies vom  Landgericht verkannt worden sei, habe die Entscheidung Bestand: Nicht zu beanstanden sei die Würdigung des Landgerichts, dass den Beklagten ausweislich der Mails nicht bewusst war, dass die Mietminderung kraft Gesetz eintritt, wenn ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aufhebt oder mindert und dem Vermieter angezeigt würde (§§ 536, 536c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB). Den Mails läge die fehlerhafte Vorstellung zugrunde, eine Mietminderung könne nur bei Einverständnis des Vermieters vorgenommen werden.

Nach dem Hinweisbeschluss wurde die Revision zurückgenommen.

BGH, Hinweisbeschluss vom 04.09.2018 - VIII ZR 100/18 -