Die kleine Videokamera, die
regelmäßig auf dem Armaturenbrett angebracht ist, ist bereits vielfach zum
Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden. Regelmäßig geht es
dabei auch um die Frage, ob die Aufzeichnungen (z.B. in einem Verkehrsunfallprozess)
gerichtsverwertbar sind.
Fall des LG Landshut: Die Kamera
zeichnete die Rückwärtsfahrt des Beklagten auf, der so mit dem Fahrzeug des
Klägers kollidierte. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und die
Aufzeichnung der Dashcam im Hinblick auf ein angenommenes Beweisverwertungsverbot
nicht als Beweismittel anerkannt. Im Berufungsverfahren erließ das Landgericht
den Beschluss, mit dem es die Verwertbarkeit bejahte und dabei darauf
abstellte, dass zum einend er Fahrer des rückwärtsfahrenden Fahrzeuges nicht zu
sehen wäre, zum anderen der Kläger ansonsten keine Beweismittel habe. Dem würde
auch die Entscheidung des BGH vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94 – nicht entgegenstehen,
derzufolge die permanente Überwachung des Hauszugangs des Nachbarn unzulässig
wäre, der sich nicht gefallen lassen müsse, regelmäßig rund um die Uhr gefilmt
und erfasst zu werden. Vorliegend erfolge das Filmen von Fahrzeugen wahllos und
es fände keine systematische Erfassung von Bewegungsprofilen statt. Soweit das
AG München (Urteil 06.06.2013 – 343 C 4445/13 – und das LG Heilbronn (Urteil
vom 03.02.2015 – 3 S 19/14 -) die Befürchtung einer privat organisierten
dauerhaften und flächendeckenden Überwachung sämtlicher am öffentlichen Verkehr
teilnehmenden Personen habe, mögen nach Auffassung der Kammer zwar die Gründe
gerechtfertigt sein, würden aber eine Abwägung der Interessen im konkreten
Einzelfall nicht hindern können. Vorliegend wären die Interessen nur insoweit
betroffen, als man zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Fahrzeug in einem
bestimmten Bereich rückwärtsfahrend sähe, wobei der beklagte selbst nicht zu
erkennen wäre. Von daher sei nicht von einem gravierenden Grundrechtseingriff
auszugehen. Auf der anderen Seite wäre der Kläger ohne die Aufzeichnung
beweislos bei einer ohne die Aufnahme erfolgten Negation des Rückwärtsfahrens.
Damit wog nach Auffassung des Gerichts das Interesse an der Verwertung höher.
Fall des LG Frankenthal: Der
Unfallhergang war auch hier zwischen den Parteien streitig. Das Landgericht
ging nach Beweisaufnahme von einem pflichtwidrigen Spurwechsel der Klägerin auf
der Autobahn aus. Dies schließt die Kammer aus Zeugenaussagen und aus der Auswertung
der Aufzeichnung der Dashcam (im Fahrzeug der Beklagten). Dabei stellte es darauf
ab, dass bei der verwandten Kamera die alten Aufzeichnungen überspielt würden. Zudem
wäre nicht der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betroffen. Bereits das KG
habe mit Urteil vom 05.07.1979 – 12 U 1277/79 - das Foto eines spielenden Kindes
zu Beweiszwecken vor diesem Hintergrund zugelassen; hier wäre nur auf
öffentlicher Straße eine Aufnahme gemacht worden, was zwar den Individualbereich
beträfe, dieser aber nur der äußerste Kreis des Persönlichkeitsrechts sei. Im übrigen
würde die Kammer dem LG Heilbronn (Urteil vom 03.02.2015 – 3 S 19/14 -),
welches ein Beweisverwertungsverbot annahm, folgen, soweit dort darauf
abgestellt wurde, dass eine permanente Aufnahme erfolge. Hier aber habe der
Kläger glaubhaft dargelegt, dass die Kamera nur bei laufenden Motor arbeitet
und zudem aktiv mit dem Stromkreis verbunden werden, was er aber nur tue, wenn
ein anderer Verkehrsteilnehmer „komisch“ fahre. Es läge also eine anlassbezogene
Aufzeichnung vor. Diese sei als Beweismittel auch in Ansehung der Rechtsprechung
des EuGH zu Art. 8 EMRK zuzulassen (Urteil vom 27.05.2014 – Nr. 10764/09 -,
wonach die verdeckte Videoaufzeichnung eines Detektiven zur Gewinnung von
Beweismitteln Art. 8 EMRK nicht verletzt). Die Berufung gegen die Entscheidung
zum OLG Zweibrücken – 1 U 23/16 – wurde zurückgenommen.
Anmerkung: Beide Entscheidungen verdeutlichen, dass ihr jeweiliges
Ergebnis der Verwertbarkeit gekünstelt ist. Es wird letztlich vom Ergebnis her
argumentiert. Mit den gleichen Argumenten ließe sich auch die Verwertbarkeit
wegen eines Beweisverwertungsverbotes ablehnen. Es bleibt abzuwarten, wie
letztlich die obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere der BGH hier in
Zukunft urteilen wird.
LG Landshut, Beschluss vom 01.12.2015 – 12 S 2603/15 -
LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015 – 4 O 358/15 -