Dienstag, 27. Mai 2014

Lohnsteuer: Ordnungsgeldelzahlung durch Arbeitgeber ist Arbeitslohn - Rechtsprechungsänderung

Bild: Rike / pixelio.de
Noch mit Urteil vom 07.07.2004 hat der 6. Senat des BFH entschieden, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, von ihm für seinen Arbeitnehmer gezahlte Geldbußen für Verkehrsverstöße (hier: Halten im Parkverbot des Paketzustellers) als Arbeitslohn zu behandeln und der Lohnsteuer sowie den Sozialabgaben zu unterwerfen (VI R 29/00). Doch ebenso wie die fehlende Voraussehbarkeit deutscher (Steuer-) Gesetzgebung und ihre fehlende Dauerhaftigkeit, hat nun auch der zuständige 6. Senat mit seinem Urteil vom 14.11.2013 - VI R 36/12 - eine Kehrtwende gemacht. Zwar ging es anders als bei der Entscheidung vom 07.07.2004 nicht um Verstöße gegen Halte-/Parkverbote, sondern um Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten. Weshalb allerdings der Paketzusteller im Interesse des Arbeitgebers gehandelt haben soll, weshalb das eigenbetriebliche Interesse einen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsabzug nicht erfordert, der doch auch als eigenbetriebliches Interesse anzusehende Verstoß gegen Lenk- und Ruhezeiten allerdings anders gesehen wird, lässt sich rechtsdogmatisch nicht rechtfertigen. Dies sah auch der BFH und der Senat äußerte ausdrücklich, dass er an seiner Rechtsprechung gemäß Urteil vom 07.07.2004 nicht mehr festhält. Die Übernahme des Ordnungsgeldes erfolge im wesentlichen Interesse des Arbeitnehmers, weshalb die Zahlung Lohncharakter habe. Noch im Urteil vom 07.07.2004 stellte dieser Senat darauf ab, dass der ordnungsgeldbewährte Verstoß im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Die Ausgangslage hat sich nicht geändert  - nur die Rechtsprechung. 
Mithin: Auch auf die Steuerrechtsprechung ist kein Verlass.

BFH, Urteil vom 13.11.2013 - VI R 32/12 -

Freitag, 16. Mai 2014

Einkommensteuer: Keine Änderung des Steuerbescheides zu Lasten des Steuerpflichtigen bei Vorkenntnis des Finanzamtes

Der Steuerpflichtige hatte Bezüge aus einer Aufsichtsratstätigkeit bei einer Volksbank bezogen. Unter Beifügung einer Bescheinigung der Volksbank über die Höhe der tatsächlichen Bezüge deklarierte er allerdings in der Steuererklärung nur einen Teil davon. Das Finanzamt setzte die Steuer auf der Grundlage der Deklaration des Steuerpflichtigen fest. Nach Bestandskraft des Bescheides erfuhr das Finanzamt durch eine Kontrollmitteilung, dass der Steuerpflichtige mehr als deklariert eingenommen hatte und änderte den Bescheid zu seinen Lasten. Nach erfolglosen Einspruch erhob er Klage. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 19.07.2013 – 9 K 2541/11 – der Klage stattgegeben.

Vom FG wurde darauf hingewiesen, dass sich die richtige Höhe der Bezüge aus der Akte ergeben habe. Teil der Akte des Finanzamtes wären nicht nur die vom Steuerpflichtigen eingereichten und ausgefüllten amtlichen Vordrucke, sondern auch sämtliche Anlagen, die er mit seiner Steuererklärung dem Finanzamt überlässt. Damit habe der Sachbearbeiter schon zum Zeitpunkt der Verbescheidung positiv Kenntnis von der richtigen Höhe der Bezüge nehmen können. Damit greife § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, demzufolge Steuerbescheide nachträglich nur geändert werden dürfen, wenn Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer höheren Steuer führen, nachträglich bekannt werden. Da hier der Sachbearbeiter aber Kenntnis hatte (hätte nehmen können), lag eine Nachträglichkeit nicht vor.

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2013 - 9 K 2541/11 -

Donnerstag, 15. Mai 2014

Mietrecht: Laufende Schönheitsrenovierung und Rückgabeverpflichtung in bezugsfertigen Zustand

Renovierungsklauseln werden ständig neu der AGB-Kontrolle unterworfen. „Schuld“ daran ist die Rechtsprechung, insbesondere auch des BGH, die hier ständig neue Anforderungen stellt. In seiner Entscheidung vom 12.03.2014 – XII ZR 108/13 – musste sich das Gericht mit einem Formularmietvertrag (AGB) auseinandersetzen, in dem zum einen der Mieter zur bedarfsabhängigen laufenden Schönheitsrenovierung verpflichtet wurde, ihm zum anderen auferlegt wurde die Räume zum Mietvertragende in einen “bezugsfertigen Zustand“ zu versetzen.
Bild: Petra Bork / pixelio.de

Dass die laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt werden dürfen ist bereits seit langem in der Rechtsprechung anerkannt. Nur wenn der Mieter (z.B. im Rahmen von starren Fristenplänen) zur Vornahme von Leistungen zu bestimmten Zeiten verpflichtet wird , wird die entsprechende Klausel (insgesamt) als ungültig angesehen. Da hier allerdings der Mieter nur „bedarfsabhängig“ verpflichtet wurde, stieß die Klausel beim BGH (vorhersehbar) auf keine Bedenken.
Allerdings hätte sich daran etwas aus der Summierung der Pflichten im Zusammenhang mit der Klausel über den Zustand bei Rückgabe ändern können, wie auch die Klausel über den Zustand bei Rückgabe für sich bedenklich ist. Letzteres vor dem Hintergrund, dass der BGH bereits entschieden hat, dass eine Endrenovierungsklausel (jedenfalls in Kombination mit laufenden Renovierungsverpflichtungen)  unzulässig ist (auch bei der Gewerberaummiete, zuletzt BGH vom 06.04.2005 – XII ZR 308/02 -).

Die Endrenovierungsverpflichtung, unabhängig vom Zustand der Mietsache zum Mietende, ist nach § 307 BGB unwirksam (BGH vom 03.06.1998 – VIII ZR 317/97 -).  Es wird darin, was auch vorliegend der BGH betont, eine unangemessene Benachteiligung des Mieters gesehen. Allerdings enthalte die hier verwandte Klausel zum „bezugsfertigen Zustand“  keine verdeckte Endrenovierungsverpflichtung. Ausreichend wäre es vielmehr, wenn der Mieter die Räume an den Vermieter in einem Zustand zurückgibt, die es diesem ermöglichen, die Räume einem neuen Mieter in einem bezugsfertigen und vertragsgemäßen Zustand zu überlassen.  Daher wären nach dieser Klausel nur Renovierungsleistungen zu erbringen, wenn der Mieter in der Vergangenheit keine Schönheitsreparaturen vorgenommen hätte oder trotz auch eventuell zeitnaher Schönheitsreparaturen eine übermäßig starke Abnutzung vorliegt, die eine Weitervermietung hindert.
Die (danach) zulässigen Klauseln des Formularmietvertrages lauteten:
„Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen in einem angemessenen Turnus auszuführen. Im Hinblick auf das Gewerbe des Mieters gehen die Parteien davon aus, dass alle drei Jahre Renovierungsbedürftigkeit eintreten kann. …“
„Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist das Mietobjekt in bezugsfertigem Zustand und mit sämtlichen - auch vom Mieter selbst beschafften - Schlüsseln zurückzugeben.“
Auch wenn diese Entscheidung zu Gewerberäumen erging, kann man davon ausgehen, dass der BGH die entsprechenden Grundsätze auf Wohnraummietverhältnisse anwendet, da er seine Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen unabhängig von der Nutzungsart entwickelt hat.
BGH, Urteil vom 12.03.2014 - XII ZR 108/13 -

Mittwoch, 14. Mai 2014

Bauträger: Rechte des Käufers bei Verzug mit der Übergabe


Welche Rechte hat der Kunde eines Bauträgers, wenn dieser mit der Erstellung des Eigenheims / der Eigentumswohnung in Verzug gerät ? In dem vom BGH mit Urteil vom 20.02.2014 – VII ZR 172/13 – entschiedenen Fall machte der Kunde Nutzungsausfallentschädigung geltend.  Der BGH entschied, dass dem Kunden dies zusteht, wenn nicht der bauträger dem Kunden für die Zeit des Verzugs der Übergabe dem erworbenen Wohnraum etwa gleichwertigen Wohnraum zur Verfügung stellt. Die vereitelte Nutzungsmöglichkeit stellt, wie der BGH schon anderweitig (z.B. für die Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall) feststellte, einen Vermögenswert dar. Soweit  zwar anderweitiger Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, dieser aber nicht gleichwertig ist, ergibt sich ein Kompensationsanspruch.  Die Höhe des Anspruchs war im revisionsverfahren nicht streitig, weshalb sich der BGH damit nicht auseinander gesetzt hat. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach BGHZ 98, 212 Faktoren wie Gewinnmarge und Provision bei Zugrundelegung einer Vergleichsmiete für den fiktiven Ersatzwohnraum unberücksichtigt bleiben müssen.
BGH, Urteil vom 20.02.2014 - VII ZR 172/13 -

Dienstag, 13. Mai 2014

Werksvertragsrecht: Beweislast und Substantiierung durch Bauunternehmen

Bild: Lichtkunst.73 / pixelio.de
Der BGH hat in einem Beschluss vom 06.02.2014 – VII ZR 160/12 – bekräftigt, dass der Handwerker die Beweislast für die Mängelfreiheit nur bis Abnahme hat, danach der Auftraggeber der Auftragnehmer den Nachweis zu erbringen hat,  dass Baumängel auf Arbeiten zurückzuführen sind, die der Bauunternehmer oder dessen Subunternehmer durchgeführt haben. Konkret ging es darum, dass der Auftraggeber einen mangelnden Trittschallschutz reklamierte. Der Bauunternehmer argumentierte, nicht er habe einen Fehler gemacht; vielmehr habe der Auftraggeber einen großflächigen Parkettaustausch vorgenommen und darauf würde der Mangel beruhen. Das OLG hatte dies, anders als der BGH, als unsubstantiiert angesehen, da der Bauunternehmer nicht Zeit und Ort der von ihm behaupteten Maßnahmen durch den Auftraggeber benannt habe. Auch der Umstand, dass der Bauunternehmer als Generalunternehmer tätig war, rechtfertige nicht die Annahme seiner Verantwortlichkeit, da sich aus dem GU-Vertrag keine Darlegungs- und Beweislast für den Zeitpunkt nach Abnahme ergibt. 

BGH, Beschluss vom 06.02.2014 - VII ZR 160/12 -

Vereinsrecht: Fehlerhafte Einladung zur Mitgliederversammlung führt grundsätzlich zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
Die Einberufung zu einer Mitgliederversammlung muss entsprechend der Satzung des Vereins erfolgen. Wird davon abgewichen führt dies grundsätzlich zu einer Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Zwar hat der BGH früher die Ansicht vertreten, dass die Nichtigkeit nur eintreten würde, wenn  die fehlerhafte Einberufung kausal geworden ist (BGHZ 59, 369); in seiner neueren Rechtsprechung ist der BGH allerdings davon abgewichen und stellt nur noch auf die Relevanz des Verfahrensfehlers für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ab (BGH NZG 2007, 826). Daraus folgert die Rechtsprechung,  dass der Verein den Nachweis erbringen muss, dass der Beschluss auch ohne den Verfahrensfehler gefasst worden wäre (OLG Köln NJW-RR 2001, 88 und OLG Hamm vom 18.12.2013 – 8 U 20/13 -).  Das bedeutet auch, dass der Verein den Nachweis erbringen muss, dass bei ordnungsgemäßer Einberufung keine andere Willensbildung erfolgt wäre (OLG Hamm aaO. Mit Verweis auf Stöber, Hdb. z. VereinsR Rn. 870).


In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall hätte die Einberufung durch Veröffentlichung in der Vereinszeitung erfolgen müssen; statt dessen erfolgte eine gesonderte postalische Mitteilung an die Mitglieder.  Zwar erkennt das OLG an, dass dies grundsätzlich weder die Kenntniserlangung und die Willensbildung beeinflussen könne. Da aber vorliegend die postalische Übermittlung per sogenannter Infopost der Deutschen Post erfolgte bestünde die Gefahr, dass Mitglieder dies als Werbung angesehen hätten und deshalb nicht zur Kenntnis nahmen, da Werbematerialien häufig über diesen Weg versandt werden. Die Relevanz des Verstoßes bejaht das OLG mit Hinweis darauf, dass das Recht zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung nicht nur dem Interesse des einzelnen Mitgliedes dient, sondern sämtlicher Mitglieder an einer ordnungsgemäßen Willensbildung (BGHZ 59, 369). 

OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2013 - 8 U 20/13

Freitag, 2. Mai 2014

Anspruch auf Erschließung

Lichtkundt 73 / pixelio.de
Der (rechtskräftige) Bebauungsplan als solcher begründet keinen Anspruch des Eigentümers auf Erschließung
seines Grundstücks. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn auf der Grundlage des Bebauungsplanes eine Baugenehmigung erteilt wird. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt a.d. Weinstraße auf Antrag eines Gewerbetreibenden in einer Kommune unweit von Landau in Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 20.03.2014 - 4 K 633/13.NW -. Nachdem dort ein Bebauungsplan beschlossen wurde, der ein Gewerbegebiet vorsah, beantragte er für seinen Landmaschinenhandel eine Baugenehmigung, die er auch erhielt. Nach dem Bebauungsplan war vorgesehen, dass die Erschließung zur Landesstraße (eine Umgehungsstraße) direkt erfolgen sollte. Diese Erschließungsstraße wurde auch erstellt, doch auf Intervention der zuständigen Landesbehörde kurz nach ihrer Eröffnung wieder gesperrt. Hintergrund der Sperrung war, das das Land bei dem Bebauungsplan zur Auflage gemacht hatte, einen in der Nähe befindlichen Verkehrsknotenpunkt zu ändern; diese Änderung wurde nicht vorgenommen (da keine Mittel im Landeshaushalt zur Verfügung gestellt wurden). Nachdem der Landmaschinenhändler über 10 Jahre schwere und große LKW, die durch den Ort nicht fahren konnten, über einen landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg (verbotswidrig) fahren ließ, entschloss er sich zur Klage. Das VG führte aus, durch die erteilte Baugenehmigung habe er ein Anrecht auf eine ordnungsgemäße Erschließung gemäß den Festsetzungen im Bebauungsplan,. Dies bedeute (entgegen der Ansicht der verklagten Kommune) auch, dass eine Zuwegung für entsprechende LKW möglich sein müsse, da es sich um ein Gewerbegebiet handele. 

VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 20.03.2014 - 4 K 633/13.NW -