Samstag, 29. April 2017

Umfang der Tierhalterhaftpflicht im Rahmen der Allgemeinen Haftpflichtversicherung

Die Antragstellerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Freistellung und Feststellung deren Einstandspflicht aus einem Verkehrsunfall mit zwei bei ihr eingestellten Eselinnen. Das OLG wies die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die ablehnenden Entscheidung des Landgerichts zurück.

Die Antragsgegnerin hatte  Versicherungsschutz unter Bezugnahme auf die Besonderen Bedingungen der privaten Haftpflichtversicherung (BBPHV) versagt. Als Halterin falle die Antragstellerin bereits unter den Risikoausschluss von A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV und könnte von daher nur bei Abschluss einer gesonderten Tierhalterhaftpflichtversicherung Deckung verlangen. Unabhängig davon könne sich die Antragstellerin auch nicht auf A. Nr. 9 Abs. 2 BBPHV berufen, da diese Klausel zum Hüten fremder Tiere „pferdeartige Säugetiere“ ausnehme.

LG und OLG folgen der Auffassung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin sei Halterin. Der Halterbegriff in der Haftpflichtversicherung sei deckungsgleich mit jenem in § 833 BGB zur Tierhalterhaftung. Da die Antragstellerin das alleinige Bestimmungsrecht über die Tiere habe, über die Weideverbringung der Eselinnen entscheide, für sie Sorge traget und alle Kosten trage, sei sie rechtlich als Halterin anzusehen. Die Bestimmung in A. Nr. 9 Abs. 1 BBPHV besage aber, dass die Tierhaltereigenschaft nicht von der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung umfasst sei. Sie hätte damit eine gesonderte Tierhalterhaftpflichtversicherung abschließen müssen.

Im übrigen sei auch die Annahme der Antragstellerin unzutreffend, A. 9 Abs. 2 BBPHV enthalte keinen Risikoausschluss für Esel. Zwar sei der Risikoausschluss nicht weiter auszulegen, als es der Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der Ausdrucksweise erfordere. Hier sei aber bereits die Aufzählung der Tiergruppen eindeutig. Zudem würde auch der Zweck des Risikoausschlusses für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich. Es wird nämlich an den grundlegenden Risikoausschluss in der privaten Haftpflichtversicherung mit der Aufnahme von Rückausnahmen angeschlossen. Vor diesem Hintergrund sind bestimmte Haustiere ausgenommen, nicht aber Reit- und Zugtiere. Zu dieser ausgeschlossenen Gruppe der reit- und Zugtiere gehören aber Esel, selbst dann, wenn diese, wie die Antragstellerin behauptet, alleine zum Spiel und Zeitvertreib für die Kinder gehalten würden.

Auch könne die Antragstellerin nicht damit gehört werden, die Tiergefahr der Esel habe sich nur deshalb verwirklichen können, da die Stromzufuhr nicht eingehangen wurde. Zwar hätten Gerichte in der Vergangenheit eine Deckung in der privaten (allgemeinen) Haftpflichtversicherung in Fällen der Verwirklichung der Tiergefahr auch dann angenommen, wenn der Versicherungsnehmer (wie hier durch das Nichteinhängen der Stromzufuhr) einen eigenen Haftungsbetrag gesetzt habe. Allerdings habe der BGH mit Urteil vom 25.04.2007 – IV ZR 85/05 – diese Ansicht verworfen.


OLG Dresden, Beschluss vom 13.10.2016 – 4 W 977/16 -

Freitag, 28. April 2017

Zur Darlegungslast des Nutzers eines Fitnessstudios bei Kündigung aus gesundheitlichen Gründen

Der Nutzer des Fitness-Studios kündigte unter Beifügung eines ärztlichen Attests, demzufolge er „aufgrund einer akuten Erkrankung“ bis auf weiteres sportunfähig sei. Die Klägerin, die die Kündigung als unbegründet zurückwies, verlangt ausstehende du für die restliche Vertragsdauer zukünftige Nutzungsentgelte mit ihrer Klage geltend.

Das Amtsgericht gab der Klage statt.

1. Zwar rechtfertigt eine dauerhafte Erkrankung, die eine Nutzung der Fitnesseinrichtung unmöglich macht, die Kündigung des Vertrages mit dem Studio. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt allerdings im Rahmen des hier einschlägigen § 314 BGB der Nutzer. Dieser darlegungslast ist der beklagte allerdings nach Auffassung des Amtsgerichts nicht nachgekommen. Er habe nur pauschal vorgetragen, wegen einer „akuten Erkrankung“ keine sportliche Betätigung ausüben zu können. Dies sei einer Überprüfung nicht zugänglich. Die Klägerseite habe darauf bereits hingewiesen.

Aus diesem Grund sei die Kündigung als fristlose Kündigung unzulässig und als fristgerechte Kündigung auszulegen.

2. Die Klägerin könne hier auch die Vorauszahlungen des Nutzungsentgelts begehren, nachdem der Beklagte mit zwei Beträgen in Rückstand war. Die entsprechende Klausel in den vereinbarten Vertragsbedingungen sei wirksam. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass diese Klausel für den Fall des Zahlungsverzugs keine Kündigung des Vertrages vorsähe, sondern die vorzeitige Fälligkeit aller ausstehenden Beträge. Eine Unangemessenheit scheide aus, da sich der Nutzer durch die Nichtzahlung vertragswidrig verhalte und ohnehin für den Rest der Laufzeit des Vertrages an seinen bestehenden Pflichten festgehalten würde. Der Nutzer habe kein schutzwürdiges Interesse daran, eine vorzeitige Vertragsbeendigung durch ein eigenes vertragswidriges Verhalten herbeizuführen.

3. Die Jährlichen Erhöhungen des Nutzungsentgelts von € 0,50/Monat gemäß den Vertragsbedingungen sind ebenso wie die vereinbarte Wartungspausche vom Nutzer zu zahlen.


AG Bad Homburg, Urteil vom 13.04.2017 - 2 C 2672/16 (20) -

Donnerstag, 27. April 2017

Zulässige Berufung des Erwerbers auf fehlende Schriftform eines langfristigen Mietvertrages

Die Beklagte hatte mit dem Rechtsvorgänger des Klägers einen Mietvertrag über nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume abgeschlossen, §§ 550, 578 Abs. 1 BGB. In § 4 des Mietvertrages war eine Vertragslaufzeit bis zum  30.04.2021 vereinbart gewesen. Anlässlich des Vertragsabschlusses wurde mündlich die Vereinbarung getroffen, dass nach Ablauf eines Vertragsjahres die Miete nicht mehr, wie im schriftlichen Vertrag vorgesehen, € 2.900,00/Monat, sondern nur noch € 1.900,00/Monat betragen sollte.

Der Kläger kündigte den Mietvertrag innerhalb der gesetzlichen Frist. Seiner Räumungsklage gab das Landgericht statt; die Berufung der Beklagten zum OLG war nicht erfolgreich. Trotz der Laufzeitvereinbarung in § 4 des Mietvertrages war nach Auffassung beider Instanzen des auf den gesetzlichen Reglungen zu einem unbefristeten Mietverhältnis beruhende Kündigung rechtens gewesen. Der Mietvertrag entbehrte nämlich der notwendigen Schriftform. Zwar wurde ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen; da allerdings der Mietzins ohne Aufnahme in den Vertrag nur mündlich anderweitig als in dem schriftlichen Vertrag beschrieben geregelt worden war, ist der Schriftformanforderung nicht genügt. Die Schriftform, so das OLG, sei nur gewahrt, wenn die wesentlichen Vertragsbedingungen wie Mietparteien, Mietgegenstand, Mietdauer und Mietzins, aus einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde ergeben (BGH vom 22.01.2014 – XII ZR 68/10 -).

Die mündliche Vereinbarung zum Mietzins sei auch nicht nach § 125 BGB nichtig. Nichtigkeit könnte nur angenommen werden, wenn die Vereinbarung gegen eine qualifizierte Schriftformklausel verstoßen würde. Zwar wurde in § 18 des Mietvertrages eine Schriftformklausel aufgenommen, Es könne auf sich beruhen, ob solche Klauseln zulässig sind, ob sie zur Nichtigkeit von gleichwohl getroffenen Vereinbarungen führen oder ob die Individualvereinbarung der Schriftform vorgehe, da vorliegend die im Formularmietvertrag enthaltene Klausel bereits deshalb nicht greift, da dies eine nachträgliche Ergänzung oder Veränderung des Vertrages fordert. Nur für nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sollte nach der Formularklausel die Schriftformregelung gelten. Hier aber wurde die mündliche Abrede nicht nach Vertragsschluss, sondern bei Vertragsschluss getroffen, weshalb die schriftlich niedergelegte Miethöhe von Anbeginn an nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprach.

Auch kann nach Ansicht des OLG die Beklagte mit ihren Treuwidrigkeitseinwand nicht durchdringen. Selbst wenn der Generalbevollmächtigte der Beklagten den Kläger auf die abweichende Reglung zum Mietzins hingewiesen haben sollte, läge in der Kündigung unter Berufung auf die fehlende Schriftform nach § 550 BGB kein treuwidriges Verhalten, denn der Kläger musste die einseitige Erklärung von der Beklagtenseite aus Rechtsgründen nicht beachten. Vielmehr hätte sich der Kläger gleichwohl auf die schriftlich niedergelegte Mietzinshöhe verlassen dürfen. Etwas anderes, so das OLG, könnte allenfalls (was offen blieb) gelten, wenn beide Mietvertragsparteien den Kläger (wohl vor Abschluss des Kaufvertrages) auf die abweichende mündliche Vereinbarung hingewiesen haben sollten (was nicht behauptet wurde). Der Kläger sei (nach der behaupteten einseitigen Erklärung des Generalbevollmächtigten der Beklagten) auch nicht zu Nachforschungen verpflichtet gewesen; dies könnte sich nur dann ergeben, wenn der Erwerber (Kläger) durch den Inhalt der Vertragsurkunde selbst hinreichend gewarnt war, wofür hier aber § 18 des Formularvertrages keinen Anlass bot. Die Erkundigungspflicht gelte, wenn in der Urkunde auslegungsbedürftige Begriffe verwandt worden wären (BGH vom 24.07.2013 – XII ZR 104/12 -) oder auch zur Frage einer Verlängerungsoption (BGH vom 22.01.2014 – XII ZR 68/10 -).

Anmerkung: Die Entscheidung ist zutreffend und berücksichtigt auch die einschlägige Rechtsprechung des BGH. Das Gebot zur Schriftform bei längerfristigen Verträgen (Vertragsdauer länger als ein Jahr, § 550 BGB) dient auch der Sicherheit für den Fall des Vertragsübergangs qua Verkauf des Grundstücks oder Rechtsnachfolge qua Erbschaft. Wollte man hier die alleine auf die mündlich vereinbarten Regelungen abstellen, würde dies zur ständigen Ungewissheit des Rechtsnachfolgers über den tatsächlichen Vertragsinhalt führen. Von daher reicht auch ein einseitiger Hinweis des Mieters gegenüber dem (potentiellen) Erwerber nicht aus, sondern müssten jedenfalls sowohl der Mieter als auch Vermieter/Verkäufer dies (vor Abschluss des Kaufvertrages) darlegen; zwar läge dann auch noch ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB vor, doch könnte in einem solchen Fall die Berufung darauf tatsächlich treuwidrig sein, da das Schriftformerfordernis den Zweck der umfassenden Information des Erwerbers dient und durch die Information als geheilt angesehen wird. Vor diesem Hintergrund liegt es im Interesse von Vermieter und Mieter, bei Mietverträgen mit einer Laufzeit von über einem Jahr darauf zu achten, dass die Vereinbarungen dem Erfordernis des § 550 entsprechen.

Hinweispflicht des Bauunternehmers auf Abweichungen zwischen mündlicher Vorgabe und überlassener Bauzeichnung

Die Beklagte war mit Kelleraushubarbeiten betraut worden. Sie erhielt dazu eine Bauzeichnung. Vor Ort erfolgte eine Einweisung des Mitarbeiters der Beklagten durch den Ehemann der Bauherrin (Klägerin) und den von der Klägerin beauftragten Bauleiter, bei der der der Ehemann der Klägerin und der Bauleiter dem Mitarbeiter der Beklagten den sogen. Nullpunkt vorgaben. Die Arbeiten wurden demgemäß von der Beklagten durchgeführt. Nachdem durch einen Dritten der aus Fertigteilen bestehende Keller eingebaut war, forderte die Baubehörde den Rückbau, da dieser zu hoch lag und damit nicht der Planung entsprach. Der Nullpunkt, der auf der Bauzeichnung korrekt abgegeben war, wurde bei der Einweisung der Beklagten fehlerhaft vorgegeben.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz für den Rückbau und notwendigen ordnungsgemäßen Aushub der Baugrube. Klage und Berufung wurden zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin erfolgte eine Aufhebung und Rückverweisung an das OLG.

Nach Überzeugung des BGH habe das OLG den Vortrag der Klägerin übergangen, wonach die Beklagte sie hätte darauf hinweisen müssen, dass der mündliche angegebene Nullpunkt nicht mit dem zuvor überlassenen Plan übereinstimme. Aus der Bauzeichnung ergäbe sich, dass die Kelleroberkante mit der umliegenden Geländefläche abschließen sollte und ein Gefälle nicht vorhanden ist. Daraus habe die Klägerin gefolgert, dass eine Abweichung zwischen der mündlichen Vorgabe und der Bauzeichnung zum Nullpunkt vorgelegen hätte, und dieser Widerspruch von der Beklagten hätte aufgeklärt werden müssen. Mit diesem Vortrag hätte sich das OLG auseinandersetzen müssen, was nicht erfolgte. Da für das Revisionsverfahren davon ausgegangen werden müsse, dass die Bauzeichnung vor Auftragsdurchführung überlassen wurde, wurde das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

Anmerkung: Das OLG wird im weiteren Verfahren wohl auch ein mögliches Mitverschulden der Klägerin prüfen müssen. Sollte ihr (oder ihrem Ehemann) bei der Benennung des Nullpunktes ersichtlich gewesen sein oder fahrlässig nicht erkannt worden sein, dass der Nullpunkt von der Planung abweicht, läge jedenfalls ein zu Lastend er Klägerin zu berücksichtigendes Mitverschulden vor. Der Fehler des Bauleiters dürfte eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen dem Bauunternehmer und dem Bauleiter begründen, § 426 BGB.


BGH, Beschluss vom 18.01.2017 – VII ZR 181/16 -

Mittwoch, 26. April 2017

Kopftuchverbot wegen Kundenkontakt sachlich gerechtfertigt ?

Darf eine weibliche Mitarbeiterin ein Kopftuch, gar eine Burka o.ä. tragen oder kann dies vom Arbeitgeber untersagt werden ? Nun musste sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Zusammenhang mit der Vorlagefrage eines belgischen Gerichts mit der Frage auseinandersetzen, ob das Verbot des Arbeitgebers gegenüber einer Muslimin, ein Kopftuch zu tragen, gegen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) verstößt.

Nach den Ausführungen des EuGH basiert die Richtlinie auf den Grundgedanken der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie diene der „Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“.

Die Geschäftsleitung der Arbeitgeberin habe der muslimischen Mitarbeiterin, die angekündigt hatte, künftig ein Kopftuch zu tragen, mitgeteilt, dass es verboten sei,  „am Arbeitsplatz sichtbare Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugungen zu tragen und/oder jeglichen Ritus, der sich daraus ergibt, zum Ausdruck zu bringen.“. Mit seiner Vorlagefrage will das belgische Gericht vom EuGH wissen, ob ein Verstoß gegen die o.g. Richtlinie vorliegt, wenn das Verbot auf eine interne Regelung in dem Unternehmen zurückzuführen wäre, wonach das sichtbare Tragen jeden politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verboten sei.

Der EuGH weist darauf hin, dass möglicherweise die Anwendung dieser internen Regelung dazu führen könnte, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie vorläge, wenn nämlich diese Neutralitätsregelung eine Religion oder Weltanschauung besonders tangiert. Dies zu prüfen sei Sache des Ausgangsgerichts.

Allerdings würde die Bejahung durch das Ausgangsgericht noch nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung führen, wenn sie durch ein „rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt wäre und die Mittel zur Erreichung angemessen und erforderlich wären“.

Geht es darum, dass dem Kunden gegenüber eine entsprechende Neutralität zum Ausdruck gebracht werden soll, würde dieses Ziel der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta unterliegen, insbesondere dann, wenn das Verbot nur bei Kundenkontakten angewandt würde. Diese Auslegung sei auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 9 EMRK bestätigt.

Allerdings hält es der EuGH für erforderlich, dass der Arbeitgeber jedenfalls prüfen müsse, ob der aus religiösen Gründen das Kopftuch tragenden Mitarbeiterin nicht auch ein Arbeitsplatz ohne Sichtkontakt zu Kunden zugewiesen werden könne.

Anmerkung: Die Entscheidung hangelt sich sichtbar an den vorgegebenen Widersprüchen zwischen der garantierten unternehmerischer Freiheit und einem Diskriminierungsverbot wegen einer Weltanschauung einer Arbeitnehmerin entlang. Er versucht eine Abgrenzung. Dabei stellt er auf den Außenkontakt des Unternehmens ab. Ist aber die unternehmerische Freiheit in Bezug auf den Kundenkontakt und eine hier gewollte bestimmte Reputation gewollt, kann auch schon die „Erlaubnis“, außerhalb eines Kunden-(sicht-)-Kontaktes Kopftücher als Glaubensbekundung zu tragen, dieser Reputation schaden. Darüber hinaus ist auch unverständlich, weshalb das Kopftuchverbot (bzw. das Verbot, politische, philosophische oder religiöse Zeichen zu tragen) bei einem Kundenkontakt erfolgen kann, im übrigen aber die äußerliche Bekundung nicht verhindert werden darf, also z.B. andere Mitarbeiter, die sich hier durch die offene Bekundung ebenso wie Kunden beeinträchtigt fühlen, dies hinnehmen müssen. Geht man davon aus, dass die Weltanschauung Privatsache ist, so kann es keine Diskriminierung darstellen, wenn prinzipiell die offene Bekundung durch entsprechende „Zeichen“ untersagt wird.


Die Entscheidung des EuGH kann z.B. auch von Bedeutung bei Kindergärten sein, soweit dort Erzieherinnen das Tragen des Kopftuches verboten wird. Voraussetzung wäre aber eine allgemeine Weisung, keine sichtbaren Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen zu tragen. 

Dienstag, 25. April 2017

Pflichten des Sachverständigen bei Bauteilöffnungen

Immer wieder ist es erforderlich, dass für sachverständige Feststellungen Bauteilöffnungen vorzunehmen sind. Wer aber hat sie vorzunehmen und wer hat sie wieder zu verschließen ? Mit dieser Problematik setzte sich das OLG Celle auseinander.

Der Antragsteller wollte die Mangelhaftigkeit im Bereich des Fußbodens seines Hauses festgestellt wissen, die er auf mangelhafte Fußbodenheizungsverlegungsarbeiten bzw. Fliesenarbeiten zurückführte. Der vom Gericht berufene Sachverständige hielt eine Bauwerksöffnung für erforderlich, weigerte sich aber, diese selbst vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen, da nicht erkennbar sei, welche Schwierigkeiten sich dabei ergeben könnten. Die Parteien sollten die Organisation vornehmen. Das Landgericht wies den darauf vom Antragsteller gestellten Antrag, den Sachverständigen zur Vornahme der Öffnung und Verschließung in Eigenregie vorzunehmen, zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde war teilweise erfolgreich.

Nach Auffassung des OLG Celle ist der Sachverständige verpflichtet, die Bauteilöffnung vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Dies begründete es mit einem Verweis auf § 404a Abs. 1 ZPO, demzufolge der Sachverständige verpflichtet sei, Art und Umfang der Maßnahmen zu bestimmen, die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlich sind. Diese Maßnahmen habe er dann selbst oder durch geeignete Hilfspersonen vorzunehmen. Es sei seine ureigenste Aufgabe, die Grundlagen für die Erstattung des Gutachtens zu schaffen.

Allerdings sei der Sachverständige entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verpflichtet, den Zustand wiederherzustellen, der vor der Bauteilöffnung bestand. Dies sei für die Begutachtung nicht erforderlich. Im übrigen könne ihm auch nicht zugemutet werden, evtl. einen mangelhaften Zustand wiederherzustellen. Die Wiederherstellung sei hier Sache des Antragstellers, der dann seinen Aufwand geltend machen könne.


OLG Celle, Beschluss vom 01.12.2016 – 5 W 49/16 -

Sonntag, 23. April 2017

Keine Vollstreckung schweizerischer Bußgelder in Deutschland

Es ist allgemein bekannt, dass die Bußgelder in der Schweiz für Straßenverkehrsverstöße höher liegen als in Deutschland. Und gerne wird versucht, von einer Zahlung „Abstand zu nehmen“. In dem vom Brandenburgischen OLG zu entscheidenden Fall wurde gegen den beschwerdeführenden Schuldner in Bußgeld festgesetzt, gegen den er Einspruch einlegte. Zur Verhandlung vor dem Bezirksgericht in der Schweiz erschien er nicht. Dieses stellte daraufhin fest, dass der Schuldner die Geldbuße von 100,00 CHF, die Barauslagen von 80,00 CHF, die Gebühren von 125,00 CHF und die Untersuchungskosten der Staatsanwaltschaft von 375,00 CHF und die Kosten des Verfahrens von  1.000,00 CHF zu tragen habe. Der Gläubiger, ein Bezirk eines schweizerischen Kantons, beantragte bei dem örtlich in Deutschland für den Schuldner zuständigen Landgericht die Erteilung einer Vollstreckungsklausel, damit er hier vollstrecken kann. Der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer erteilte diese. Dagegen wandte sich der Schuldner mit seiner Beschwerde.

Die Beschwerde war erfolgreich.

Das OLG wies zur Begründung darauf hin, dass das Lugano-Abkommen in Art. 1 Abs. 1 ausschließlich für Zivil- und Handelssachen anwendbar sei. Ebenso wie das Brüsseler Übereinkommen vom 27.09.1968 (EuGVÜ) und die jetzige Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 (EuGVVO) beruhe dies auf dem Prinzip, dass öffentliches Recht extraterritorial nicht durchsetzbar sei.

Für die Abgrenzung komme es auf die Qualifikation in der Sache, nicht auf das zur Entscheidung berufene Gericht an. Nach den allein entscheidenden materiell-rechtlichen Grundlagen handele es sich hier um eine Strafsache.

Soweit in Art. 37 – 41 des am 27.04.1999 in Bern unterzeichneten Vertrages zwischen der BRD und der Schweiz über eine polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit gegenseitige Vollstreckungshilfen vorgesehen sind, käme dies als Grundlage auch nicht in Betracht. Gemäß Art. 50 Abs. 1 sei dieser Teil noch nicht in Kraft getreten. Das Zustimmungsgesetz des Bundestages zu diesem Vertrag enthalte einen entsprechenden Vorbehalt.


Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25.01.2017 – 7 W 115/16 -

Zum Entstehen der Verkehrssicherungspflicht bei Glatteis

Die Klägerin ist Arbeitgeberin der Geschädigten, die vor dem Hausgrundstück des Beklagten am 22.01.2013 gegen 7.20 Uhr auf dem Gehweg auf einer weder geräumten noch gestreuten Glatteisfläche stürzte und aufgrund Bruchs des Handgelenks arbeitsunfähig erkrankte. Von der Klägerin werden Schadensersatzansprüche aus übergegangen Recht im Hinblick auf die Entgeltfortzahlungspflicht (§ 6 Abs. 1 EFZG) geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht gab ihr im wesentlichen statt. Auf die (zugelassene) Revision änderte der BGH das Urteil des Landgerichts ab und wies die Klage ab.

Dass grundsätzlich durch eine gemeindliche Satzung die Pflicht zur Gehwegreinigung herangezogen werden können und so die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht auf den Anlieger abwälzen kann, wird vom BGH bestätigt.  Dies gilt auch für die winterliche Räum- und Streupflicht. Voraussetzung der winterlichen Räum- Streupflicht sei allerdings das Vorliegen einer „allgemeinen Glätte“; nicht ausreichend wäre das Vorliegen vereinzelter Glatteisflächen.

Nach den vom Amtsgericht vorgenommenen und vom Landgericht übernommenen Feststellungen, lag am fraglichen Tag keine allgemeine Glätte vor. Lediglich vor dem Grundstück des Beklagten soll sich eine Eisfläche von ca. 1 x 1m befunden haben, die sich allerdings über die gesamte Breite des Gehweges erstreckt haben soll. Ansonsten sei der Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten und allgemein geräumt und trocken gewesen. Feststellungen zur Entstehung der Glatteisfläche oder dazu, dass der Beklagte mit ihr hätte rechnen müssen, wurden von den Vorinstanzen nicht getroffen. Da nach den Witterungsverhältnissen weder mit einer allgemeinen Glätte noch sonst Anhaltspunkte für eine drohende Gefahr bestand, war der Beklagte auch aus der ihm obliegenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht des § 823 BGB zu einer eingehenderen Überprüfung als ein Passant.

Das Berufungsgericht wollte eine weitergehende Prüfpflicht des Beklagten aus der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB iVm § 3 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Gemeinde annehmen. Dort wurde nicht das Erfordernis der „allgemeinen Glätte“ benannt. Alleine dadurch, dass die Satzung dies nicht ausdrücklich benenne, könne aber nach Auffassung des BGH eine weitergehende Verpflichtung des Anliegers nicht erwachsen. Eine Gemeindesatzung müsse nach den Grundsätzen gesetzeskonformer Auslegung so verstanden werden, dass keine Verpflichtungen aufgenommen werden, die über die Grenze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinausgehen. Damit könne die Gemeinde keine Streu- und Räumpflicht für Anlieger begründen, die über die sie selbst treffende allgemeine Verkehrssicherungspflicht hinausgeht. Damit sei davon auszugehen, dass die Gemeinde nur die Verkehrssicherungspflichten der Anlieger bei Schnee- und Eisglätte konkretisieren, nicht aber weiter fassen wollte, als sie der bestehenden Gesetzes- und Rechtslage entsprachen.


BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 254/16 -

Das Eigentum an vom Mieter hergestellten Bauwerken (hier: stabiler Wintergarten)

Der Mieter hatte vom Beklagten  Räume zum Betrieb eines Restaurants angemietet. Während der Mietzeit errichtete er einen Wintergarten aus Glas und Alustreben nebst Belüftung. Bei Mietende gab er die Räume einschließlich des Wintergartens an den Beklagten zurück. Der Kläger verlangt vom Beklagten mit der Begründung Herausgabe des Wintergarten nebst Belüftung mit der Behauptung, der Mieter habe ihm diesen in Ansehung nicht bezahlter Rechnungen zur Sicherheit übereignet. Seine Klage wurde von Land- und Oberlandesgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht negierte einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB mit der Begründung, nicht der Mieter sondern der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks und Vermieter sei Eigentümer des Wintergartens nebst Belüftung geworden.


Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung des Rechtstreits an das OLG.

Richtig sei zwar die Annahme des OLG, dass die Voraussetzungen des § 94 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Danach sind wesentliche Bestandteile eines Gebäudes diejenigen Sachen, die zur Herstellung eingefügt wurden. Eine feste Verbindung zu dem Gastronomiegebäude sei nicht erforderlich. Entscheidend sei das Gepräge, ob die Einfügung dem Gebäude erst seine besondere Eigenart gäbe. Es lasse sich aus den vom Kläger übergebenen Unterlagen (statistische Berechnungen, Skizzen) entnehmen, dass das Gebäude erst mit dem Wintergarten abschließt.

Alleine dies sei allerdings entgegen der Annahme des OLG nicht ausreichend, den auf Eigentum gestützten Anspruch des Klägers zu negieren. Nach § 95 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB würden die Sachen nicht zu Bestandteilen eines Grundstücks oder Gebäudes, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in das Gebäude eingefügt wurden.  Sind die Voraussetzungen nach § 95 BGB erfüllt, käme es nicht darauf an, ob auch die Tatbestandsmerkmale der §§ 93 oder 94 BGB vorlägen (so bereits RGZ 109, 128, 129). Es würde sich dann um Scheinbestandteile handeln, die rechtlich selbständig blieben.

Die Verbindung erfolge dann zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre Beseitigung von vornherein beabsichtigt war. Entscheidend sei dabei die innere Willensrichtung des Einfügenden, soweit sie mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Umständen vereinbar sei. Der Annahme der Errichtung nur zu einem vorübergehenden Zweck stünde nicht entgegen, dass das Bauwerk selbst massiv errichtet wurde und ohne Zerstörung nicht beseitigt werden könne. Wird eine entsprechende Verbindung durch einen Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten vorgenommen, so spräche mangels anderweitiger Vereinbarungen die Vermutung dafür, dass das Bauwerk nur einem vorübergehenden Zweck für die Dauer des Vertragsverhältnisses diene.


BGH, Urteil vom 23.09.2016 – V ZR 110/15 -

Donnerstag, 13. April 2017

Zur Haftung nach § 7 StVG für Verkehrsunfall ohne Berührung

Der Kläger begehrt von den Beklagten nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz  mit einer Quote von 75%. Er befuhr mit seinem Motorrad eine Bundesstraße und folgte dabei dem Motorrad dee Beklagten zu 1. Diese überholte den PKW des Zeugen B. unter Inanspruchnahme der Gegenfahrspur. Der Kläger seinerseits wollte zeitgleich den PKW und den Beklagten zu 1. (diesen weiter links auf der Gegenfahrspur) überholen und fuhr deshalb weiter außen auf der Gegenfahrspur. Dabei geriet er nach links in das Bankett, ohne dass es zu einer Fahrzeugberührung gekommen wäre, verlor die Kontrolle über sein Motorrad und stürzte.

Während das Landgericht durch Grundurteil dem Kläger eine Haftungsquote von 50% zusprach, wies das OLG die Klage auf die Berufung der Beklagten vollumfänglich ab. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil vom BGH aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Zwar sei, so der BGH,  die Ansicht des OLG richtig, wonach alleine die Anwesenheit im örtlichen Unfallbereich noch keine Haftung nach § 7 StVG begründen würde, wenn nicht durch die Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung ein Beitrag zum Unfallgeschehen geleistet wurde. Allerdings sei es auch schon für die zu berücksichtigende Betriebsgefahr ausreichend, dass sich der Verkehrsunfall in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang ereignete, ohne dass es zunächst darauf ankäme, ob das Verhalten verkehrswidrig war oder nicht  oder ob es zu einer Berührung der Fahrzeuge kam. Der BGH verdeutlicht mithin, dass entscheidend der Betrieb und ein Kausalzusammenhang dieses Betriebes sei.

Abzustellen sei auf den Zeitpunkt der kritischen Verkehrslage. Diese könne hier für die Beklagtenseite nicht durch die Vornahme des Überholvorganges angenommen werden. Diese kritische Situation könne erstmals  zu dem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem auch noch der Kläger zum gleichzeitigen Überholen sowohl des PKW als auch des Motorrades der Beklagten ansetzte. Allerdings sei dies nicht der Beklagten zuzurechnen, da es nicht die typische Gefahr eines Überholvorganges wäre, dass ein rückwärtiger Verkehrsteilnehmer versuchen würde, den Überholer gleichzeitig auch noch zu überholen. Damit würde hier eine Haftung nach § 7 StVG ausscheiden. Dies unterscheide sich von Vorgängen, bei dem der überholende Kradfahrer durch einen Sattelzug verunsichert würde und (ohne Berührung) zu Fall komme, oder eine Abwehrreaktion auf ein vermeintlich beabsichtigtes Überholen erfolge, in denen stets die Haftung nach § 7 StVG zu bejahen sei. Hier aber wäre, nach dem Vortrag der Beklagten, nur die Anwesenheit gegeben, die nicht ausreichen würde.

Allerdings habe das Landgericht entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers übergangen. Landgericht und OLG seien davon ausgegangen, dass die Zeugenaussagen zu einer Ausweichbewegung des PKW, welches ein Ausweichen des Motorrads der Beklagten zur Folge gehabt hätte (weshalb dann der Kläger ohne Berührung in das Bankett bei einer von ihm ebenfalls vorgenommenen Ausweichbewegung fuhr) nicht ergiebig gewesen wären. Dies sei als tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden. Allerdings hatte der Sachverständige, worauf der Kläger hingewiesen habe, ausgeführt, die Spurenlage ließe ein Ausweichmanöver des Klägers aus dem linken Randbereich der linken Fahrbahn (Gegenfahrbahn) weiter nach links mit Einleitung einer Notbremsung erkennen. Dieses hätte vom Landgericht hinterfragt werden müssen, da damit nicht ohne eventuelle Befragung des Sachverständigen und eventuelle Anhörung der Parteien davon ausgegangen werden konnte, dass das Fahrverhalten des Klägers nicht durch das Motorrad der Beklagten beeinflusst wurde, was eine Haftung der Beklagten nach § 7 StVG begründen würde.


BGH, Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15 -

Montag, 10. April 2017

Entgelttransparenzgesetz – Top oder Flop ?

Der Bundestag hat nunmehr das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in seiner Sitzung vom 20.03.2017 beschlossen. Es soll am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten, also noch im April oder im Mai 2017. Sechs Monate nach seinem Inkrafttreten können Auskunftsersuchen nach diesem Gesetz erstmals gestellt werden, § 25 EntgTranspG.

Grundlage des Gesetzes ist die Überlegung, dass die Bezahlung männlicher und weiblicher Mitarbeiter bei gleicher Qualifikation unterschiedlich erfolgen würde, und zwar in der Regel zum Nachteil der weiblichen Mitarbeiter.  Erklärtes Ziel des Gesetzes ist, gleichen Lohn für gleiche Leistung von Mann und Frau durchzusetzen, was proklamatisch auch in § 1 EntgTranspG festgehalten wird. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Allerdings ist das Gesetz halbherzig, da das Ziel (wohl) in der vom Gesetz vorgesehenen Form, jedenfalls bei Betrieben bis zu 500 Arbeitnehmern mit dem hier vorgesehenen Instrumentarium nicht erreichbar scheint.


Der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers erstreckt sich nach § 11 Abs. 1 EntgTranspG auf Angaben zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und zu Angaben zum Vergleichsentgelt. Da aber der Schutz personenbezogener Daten zu beachten ist, ist das Vergleichsentgelt (berechnet „auf Vollzeitäquivalente statistische Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts“ sowie weiterer Entgelttatbestände“ zuzüglich weiterer Entgelttatbestände wie Boni, Dienstwagen pp.) bei einer Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten nicht anzugeben, § 11 Abs. 3 EntgTranspG.  Insgesamt wird die Anwendung des Gesetzes für Betriebe bis zu 200 Arbeitnehmern ausgeschlossen, § 12 Abs. 1 EntgTranspG.

Damit begünstigt der Gesetzgeber letztlich Beschäftigte in Großbetrieben, obwohl nach den statistischen Erhebungen die Ungleichbehandlung (gerade auch ?) in kleineren Betrieben anzutreffen ist.

 Ob im übrigen das Gesetz den (wohl) gewollten Zweck erfüllen kann/wird, bleibt abzuwarten. Bedenken bestehen.

Dazu wird beispielsweise darauf verwiesen, welche Auskünfte verlangt werden können. Entgegen einer langläufig verbreiteten Auffassung kann er nicht verlangen, dass ihm das Entgelt eines anderen Arbeitnehmers mitgeteilt wird. Die Entgelte der Arbeitnehmer eines Betriebes bleiben weiterhin „geheim“. Hier ist also der Arbeitnehmer auf (wahrheitsgemäße)  Auskünfte seiner Kollegen angewiesen. Nur dann könnte ihm die Auskunft, die er verlangen kann, eventuell im Hinblick auf die Durchsetzung eines gleichen Lohns weiterhelfen. Bei Betrieben von 200 und mehr Mitarbeitern dürfte es allerdings schwer fallen festzustellen, dass eine ungleiche Bezahlung erfolgt, da nur ein statistisches Mittel aufgezeigt wird.

Und bei Betrieben mit über 500 Arbeitnehmern wird zwar ein betriebliches Prüfverfahren zur Entgeltregelung normiert. Aber: Der Arbeitgeber wird nur aufgefordert, ein solches vorzunehmen, was nicht im Sinne einer Verpflichtung zu verstehen ist.