Sonntag, 13. April 2025

Beschränkte persönliche Dienstbarkeit „Wohnen und/oder Büro“

Im Grundbuch war für den Berechtigten eine „beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnnutzung gemäß § 1093 BGB“ für die Berechtigte mit dem Zusatz eingetragen, dass das Recht auch zur Benutzung als Büro unter „Ausschluss des Eigentümers berechtige.“ Die Eigentümerin regte die Löschung von Amts wegen an, da die Nutzung des Gebäudes oder eines Teils von diesen zu Bürozwecken nur ein untergeordneter Nebenzweck des Wohnungsrechts sein solle wofür sich aus der Eintragungsbewilligung keine Anhaltspunkte ergeben würden, weshalb der Berechtigte das Grundstück auch ausschließlich zu Bürozwecken nutzen könne. Ein solches Recht könne nur als gewöhnliche beschränkte Dienstbarkeit eingetragen werden, weshalb die erfolgte Eintragung unzulässig gewesen sei.

Geltend gemacht wurde damit der Umstand, dass nach § 1093 lediglich ein persönliches Wohnungsrecht für den berechtigten eingetragen werden kann, nach § 1090 BGB auch andere Rechte für den Berechtigten eingetragen werden können. Da explizit auf § 1093BGB abgestellt sei, sei mithin eine Büronutzung (als Hauptzweck) ausgeschlossen, da dies einer Eintragung nach § 1090 BGB bedurft hätte.

Das Grundbuchamt hat die Anregung zur Löschung nach § 53 GBO zurückgewiesen, Hiergegen legte die Eigentümerin direkt bei dem OLG Beschwerde ein, welches die Beschwerde als unbegründet zurückwies. 

Die Eintragung als beschränkte persönliche Dienstbarkeit sei keine unzulässige Eintragung iS. § 53 Abs. 1 S. 2 GBO. Eine inhaltliche Unzulässigkeit läge nur vor, wenn ein Recht mit dem Inhalt oder der Ausgestaltung, wie eingetragen, aus Rechtsgründen nicht bestehen könne (BGH, Beschluss vom 06.11.2014 - V ZB 131/13 -). Wobei sich die Unzulässigkeit aus dem Eintragungsvermerk oder in zulässiger Weise der in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen ergebe (BGH, Beschluss vom 13.07.2017 - V ZB 136/16 -). Das träfe insbesondere auf nicht eintragungsfähige Rechte (wie z.B. eines Mietrechts) zu, ferner bei der Eintragung eines Rechts ohne den gesetzlich gebotenen Inhalt oder ohne Angabe des Berechtigten, und weiterhin bei Eintragung eines Erbbaurechts zur nicht ersten Rangstelle.    

Die Eintragung eines dinglichen Wohnrechts nach § 1093 BGB sei in diesem Sinne nicht unzulässig. Das Recht sei auch nicht mit einem unzulässigen Inhalt eingetragen worden.  Bei einem dinglichen Wohnrecht sei die Mitbenutzung zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken solange erlaubt, wie der Wohnzweck Hauptzweck bleibe. Dass das bewilligte Recht mit dem eingetragenen Recht nicht identisch, also möglicherweise unrichtig sei, führe nicht zur Unzulässigkeit nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO, nach der eine Löschung von Amts wegen erfolgen müsse.

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30.04.2024 - 5 W 26/24 -

Freitag, 11. April 2025

Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages im Kostenfestsetzungsverfahren

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Kläger (als Kostenschuldner) sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagten und seinem Prozessbevollmächtigten A sei nichtig, da eine Interessenkollision des A bestünde. Er sei sowohl dem Beklagten wie auch dem Kläger als freier Mitarbeiter verbunden. Damit hätte er nicht für den einen Dienstherrn gegen den anderen vorgehen dürfen. Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Oberlandesgericht (OLG) vor.  Dieses wies sie zurück.

Unter Bezugnahme auf einen Beschluss des BGH vom 09.03.2006 - V ZB 164/05 – verwies das OLG darauf, dass das Kostenfestsetzungsverfahren eine Fortsetzung der Kostengrundentscheidung sei und mir dem Kostenfestsetzungsbeschluss abschließe. Es sei lediglich zu entscheiden, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten sei, weshalb keine materiell-rechtlichen Fragen zu klären seien. Für streitige Tatsachen und komplizierte Rechtsfragen sei das Verfahren nicht vorgesehen, daher nicht zu berücksichtigen und einer möglichen Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) vorbehalten.

Ausnahmsweise könnten es verfahrensökonomische Gründe angezeigt erscheinen lassen, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf eine Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen gehen würde, die keiner Tatsachenaufklärung bedürfen und mit den in einem Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres geklärt werden könnten (BGH, Beschluss vom 23.03.2006 - V ZB 189/05 -.

Diesen Ausnahmefall verneint das OLG bereits deshalb, da streitig sei, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch für diesen tätig sei.

Dem stünde nicht entgegen, dass der Rechtspfleger prüfen müsse, ob die zur Festsetzung angemeldeten Kosten entstanden seien.  Damit verbunden sei nicht die Prüfung aller materiell-rechtlicher Fragen, vielmehr beschränke sich die Prüfung auf rein prozessuale und gebührenrechtliche Gesichtspunkte. Dies sei Folge des Umstandes, dass mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss die betragsmäßige Umsetzung der Kostengrundentscheidung erreicht werden soll. Die materiell-rechtliche Frage, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten die Gebühren im Innenverhältnis schulde, gehöre nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 15.01.1999 – 23 W 534/98 -; BGH, Beschluss vom 22.11.2006 – IV ZB 18/06 -).

Zudem sei der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages wegen Verstoßes gegen § 134 BGB bzw. gem. § 138 ZPO keine einfache Rechtsfrage, die für das Kostenfestsetzungsverfahren geeignet sei.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.02.2025 - 30 W 20/25 -

Freitag, 4. April 2025

Unberechtigte Datenweitergabe an SCHUFA und Entschädigung nach Art. 82 DSGVO

Die Parteien hatten einen Telekommunikationsvertrag geschlossen. Mehrere in Rechnung gestellte Beträge soll die Beklaget nicht gezahlt haben, weshalb die Klägerin einen Eintrag bei der SCHUFA bewirkte. Die Klägerin klagte auf Zahlung und due Beklaget erhob Widerklage auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von € 6.000,00 nach Art. 82 DSGVO und Information der SCHUFA darüber, dass die Voraussetzungen für die Meldung personenbezogener Daten und eines Zahlungsverzugs der Beklagten nicht vorgelegen hätten und sämtliche von der Klägerin mitgeteilten Daten zu löschen seien. Der Klage wurde vom Landgericht stattgegeben, die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Oberlandesgericht (OLG) das Urteil ab, wies die Klage zurück und gab der Widerklage mit einem auf die Widerklage zu zahlenden Betrag von € 500,00, mit Anrechnung auf einen von der Beklagten an die Klägerin zu zahlenden, von ihr anerkannten Betrag von € 54,74 statt. Die Beklagte verfolgte das Klageziel der Zahlung von insgesamt € 6.000,00 mit der zugelassenen Revision weiter.

Der BGH wies die Revision zurück. Er folgte nicht der Ansicht der Beklagten, das OLG habe bei der Bemessung des Schadensersatzes einer abschreckenden Wirkung größeres Gewicht einräumen müssen; Es hätte vielmehr diese überhaupt nicht berücksichtigen dürfen, sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes berücksichtigen dürfen.

Der Terminus des „immateriellen Schadens“ in Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist mangels eines Verweises in der Norm auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedsstaaten autonom unionsrechtlich zu definieren /EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C-590/22 -). Nach den ErwG 146 S. 2 DSGVO solle der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, und zwar in einer den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entsprechenden Art und Weise (BGH, Urteil vom 18.11.2024 – VI ZR 10/24 -). Der EuGH würde in dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausschließlich eine Ausgleichfunktion sehen (EuGH aaO.).

Da dem Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DSGVO eine Ausgleichsfunktion zukäme, sei eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als „vollständig und wirksam“ anzusehen, wenn sie es ermögliche, den aufgrund des Verstoßes gegen die Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen (EuGH aaO.).

Das OLG habe auf die Weitergabe von personenbezogenen Daten der Beklagten an die SCHUFA , die bei dortigen Abfragen zu einer einsehbaren Eintragung zu Lasten der Beklagten führen können, abgestellt, zum anderen beachtet, dass der Eintrag bei der SCHUFA die Kreditfähigkeit  der Beklagten beeinträchtige und sich dies auch bereits zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt habe (zeitweises Anhalten einer Kreditvergabe an die Beklagte durch deren Hausbank). Auch die Dauer der Eintragung sei berücksichtigt worden. Es sei von der Revision nicht geltend gemacht noch ersichtlich, dass die zugesprochenen € 500,00 nicht ausreichend seien.

Anmerkung: Es ist allgemein bekannt, dass Schmerzensgelder in den USA ein vielfaches von dem betragen, die in Deutschland zugesprochen werden. Während sie in Deutschland eine „billige Entschädigung in Geld“ darstellen, soll der Geschädigte in den USA unabhängig von den daraus noch zu zahlenden (ebenfalls exorbitant hohen) Anwaltskosten einen merkbaren Vermögenszuwachs als Ausgleich haben. Auch wenn hier nicht dem amerikanischen Modell für Schmerzensgeld gefolgt wenn soll und kann: Was nun aber die Rechtsprechung zu Ersatzansprüchen bei unzulässiger Datenweitergabe anbelangt, so heißt offenbar das Motto „klein, kleiner am kleinsten“. Ob dies dem Umstand der Vielzahl von entsprechenden Verstößen geschuldet ist, die sich bei höheren Beträgen im Einzelfall durch meist fahrlässige und grob fahrlässige Verstöße bei Unternehmen (aber auch der öffentlichen Hand) schnell zu größeren Beträgen addieren können, kann nur spekuliert werden. Ein Ausgleich mit € 500,00 bei (durch SCHUFA-Eintragung nicht weiter prüfbarer) öffentlicher Diskreditierung, welche auch schon Auswirkungen zeigte, ist zu niedrig.

BGH, Urteil vom 28.01.2025 - VI ZR 183/22 -

Sonntag, 30. März 2025

Streitwert der Auflassungsklage bei geringer Restforderung

Die Klägerin schloss mit der zwischenzeitlichen insolvenzreifen Bauträgergesellschaft (Beklagte) einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung nebst Kellerraum und Pkw-Stellplatz. Der Kaufpreis von € 287.400,00 wurde mit Ausnahme der letzten Rate in Höhe von € 17.205,10 bezahlt. Die Beklagte befand sich mit der Beseitigung einer Vielzahl von Mängeln in Verzug, deren Beseitigungskosten ein mehrfaches der offenen Forderungen betrugen. Da im Kaufvertrag bereits die Auflassung erklärt wurde, forderte die Klägerin die Beklagte zur Anweisung des Notars auf, die Eigentumsumschreibung bei dem Grundbuchamt zu beantragen, dem die Beklagte nicht nachkam. Auf die Klage erließ das Landgericht gegen die Beklagte ein (rechtskräftiges) Versäumnisurteil, die Auflassung gegenüber der Klägerin zu erklären und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.

Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 27.01.2025 den Streitwert auf bis zu € 290.000,00 fest. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Klägerin, die eine Reduzierung des Streitwertes auf € 17.305,10 anstrebte (Hinweis: Zwar hatte die Beklagte nah dem Versäumnisurteil die Kosten des Verfahrens zu tragen, doch müsste hier die Klägerin die Gerichtskosten als Zweitschuldner und ihre eigenen Kosten - hier in Form der Rechtsanwaltsgebühren - tragen, wenn die Beklagte nicht zahlen würde/kann, was in Ansehung deren Insolvenzreife zu befürchten stand, weshalb es im Interesse der Klägerin lag, den Streitwert, aus dem sich die Gebühren berechnen, zu reduzieren). Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab, da nach seiner Auffassung gem. § 6 ZPO auf den Grundstückswert abzustellen sei, da nur so eine berechenbare und einheitliche Bewertung ermöglicht würde.

Das OLG gab der Beschwerde statt und reduzierte den Streitwert auf € 17.305,10.

Die Streitfrage, ob bei einer Auflassungsklage der Streitwert generell gemäß § 6 ZPO nach dem Verkehrswert (Hinweis: Bei einem Kaufvertrag wird der Kaufpreis grundsätzlich als Verkehrswert angenommen) oder in bestimmten Ausnahmefällen gem. § 3 ZPO auf den Wert einer noch streitigen Restforderung festzusetzen sei, würde in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Für die Bewertung gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG iVm. § 6 ZPO, auch wenn die Auflassung wegen eines verhältnismäßig geringen Gegenanspruchs verweigert würden, hätten sich u.a. das OLG Köln mit Beschluss vom 20.09.2004 - 22 W 49/04 -, das OLG München mit Beschluss vom 10.03.1997 - 28 W 2542/06 – ausgesprochen ; zum Meinungsstand Herget in Zöller, ZPO 35. Aufl. zu § 3 Rn. 16.22 „Auflassung“ ausgesprochen. Durch die Anwendung von § 6 ZPO würde dem Umstand Rechnung3 getragen, dass Einwendungen und Gegenrechte der Beklagtenseite ohne Einfluss zu bleiben hätten.

Nach der u.a. vom OLG Celle mit Beschluss vom 20.04.2023 - 5 W 15/23 -, OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 11.07.2017 - 6 W 56/17 – vertretenen Ansicht würde bei einer nur geringen Restforderung, die streitig sei,  nur deren Bestehen oder Nichtbestehen für die Erfolgsaussicht der Klage entscheidend sein und wäre daher der Streitwert nach § 3 ZPO entsprechend zu begrenzen.  

Das OLG Koblenz folgte hier (m.E. zutreffend) der letztgenannten Auffassung. Zwar würde § 6 ZPO grundsätzlich auch für die Festsetzung des Gebührenstreitwertes gelten, doch sei von der Klägerin zurecht darauf hingewiesen worden, dass in Fällen wie hier, in denen aufgrund der konkreten Umstände eindeutig zu erkennen sei, dass der wirtschaftliche Wert des Verfahrens weit unter dem sich aus § 6 ZPO ergebenden Streitwert liege, schon von Verfassungs wegen die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits bei der Streitwertfestsetzung  zu berücksichtigen sei (BVerfG, Beschluss vom 16-11-2999 – 1 BvR 1821/94; BGH, Beschluss vom 14.06.2016 – IX 72/14 -). Der Zugang zu den Gerichten dürfe nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden; dies verstoße gegen den Justizgewährungsanspruch (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2922 – 8 W 38/21 -). Nur durch ein Abstellen auf die wirklichen Interessen der Parteien und die wirtschaftlichen Hintergründe können ansonsten untragbare Ergebnisse einer aus dem Verkehrswert zu bestimmenden Streitwertfestsetzung vermieden werden; die formale Betrachtung, alleine auf § 6 ZPO abstellend, müsse dahinter zurücktreten.

Hier sei die Klägerin durch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert und die Auflassungsverpflichtung stünde außer Streit. Der offene Restkaufpreis betrage nur 6,02% des Gesamtkaufpreises. Ein nach § 6 ZPO bemessener Streitwert würde (mutmaßlich von der Klägerin infolge der Insolvenzreife der Beklagten selbst zu tragende Kosten) völlig außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung stehen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 17.02.2025 - 3 W 53/25 -

Freitag, 28. März 2025

Verhaftungsauftrag des Gerichtsvollziehers und Gebühr für versuchte Einigung

Der Schuldner erschien nicht zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (in dessen Rahmen der Gerichtsvollzieher bereits einen Versuch einer gütlichen Einigung nach § 802b ZPO unternahm, wobei der Schuldner vereinbarte Ratenzahlungen nicht einhielt), woraufhin der Gerichtsvollzieher die Akte gemäß Weisung des Gläubigers dem Vollstreckungsgericht zwecks Erlass eines Haftbefehls vorlegte. Der Haftbefehl wurde erlassen. Es kam dann nicht zu einer Vollstreckung, da der Schuldner unbekannt verzogen war. Im Rahmen des Verhaftungsverfahrens war dem Schuldner vom Gerichtsvollzieher eine Mitteilung mit der „Aufforderung zur gütlichen Einigung gemäß § 802b ZPO“ überlassen worden. Bei seiner Kostenrechnung machte der Gerichtsvollzieher eine Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG zuzüglich Auslagenpauschale für den Versuch einer gütlichen Einigung während des Verhaftungsverfahrens geltend.

Gegen diesen Kostenansatz erhob die Bezirksrevisorin Erinnerung, der der Gerichtsvollzieher nicht abhalf. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin und weitere Beschwerde wurden zurückgewiesen. Schließlich wurde die Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Dieses sah die zulässige (auch wenn sie zugunsten des Gläubigers erfolgte) weitere Beschwerde als begründet an, da die Gebühren nach Nr. 207 KV GvKostG nebst Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG nicht angefallen seien.  Das OLG konstatierte, dass der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedachts ein müsse, wofür er dann auch die Gebühren nach Nr. 207 und 208 KV GvKostG beanspruchen könne. Umstritten sei allerdings in der Rechtsprechung. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche gebühr auch für den Versuch einer gütlichen Erledigung im Rahmen der Vollziehung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft vom Gerichtsvollzieher berechnet werden dürfe (bejahend z.B. OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2022 – 17 W 136/20 -; verneinend z.B. OLG Celle, Beschluss vom 10.12.2021 – 2 W 183/21 -).

Maßgeblich sei, dass gem. § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses bei Durchführung desselben Auftrages nur einmal erhoben werden dürfe.  Hier sei bereits diese Gebühr im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Vermögensauskunft entstanden gewesen; insoweit läge ein einheitlicher Auftrag vor. Der Verhaftungsauftrag sei als bloßes Beugemittel subsidiär und setze einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft voraus. Ein in dessen Rahmen vorgenommener Versuch der gütlichen Erledigung erfolge deshalb immer im zeitlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Vermögensauskunft, weshalb der begonnene und mit dem Haftbefehl fortgesetzte Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft „derselbe Auftrag“ iSv. § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG sei.

Das OLG wies darauf hin, dass dem § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG , wonach die Vollziehung eines Haftbefehls einen besonderen Auftrag darstelle, nicht entgegen stehen würde. Der Umstand, dass § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG den Verhaftungsauftrag zu einem gesonderten Auftrag erhebe, bedeute nicht, dass in einem einheitlichen Vollstreckungsverfahren wiederholt vorgenommene Einigungsversuche kostenrechtlich jeweils auf einem neuen Auftrag beruhen würden. Die Erlaubnis des Gerichtsvollziehers zur Vornahme eines gütlichen Einigungsversuchs basiere auf dem ursprünglichen Vollstreckungsauftrag.

Anmerkung: Der Gläubiger kann dem Gerichtsvollzieher untersagen, einen Versuch zur gütlichen Einigung vorzunehmen. Dies wird häufig von den Gerichtsvollziehern nicht beachtet mit Hinweis darauf, sie hätten nach § 802a ZPO eine Pflicht, einen Einigungsversuch zu unternehmen. Dem ist nicht so, weshalb auch die Gebühr nicht zu zahlen ist (LG Hannover, Beschluss vom 25.07.2017 - 55 T 43/17 -).

Hinweis: Eine andere Ansicht vertritt das > OLG Oldenburg.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.11.2024 - 2 W 88/24 -

Montag, 24. März 2025

Mangel der Mietsache durch Rauchen des Nachbarn auf Balkon ?

Die Kläger machten gegenüber den Beklagten, ihren Mietern, klageweise Mietrückstände aufgrund Mietminderungen der Beklagten geltend. Die Mietminderungen wurden von den Beklagten vorgenommen, da ein Mietmieter in dem Wohngebäude (dessen Wohnung sich eine Etage versetzt und in einem Winkel von 90°  zur Wohnung der Beklagten lag) auf dem Balkon seiner Wohnung rauchte. Das Amtsgericht gab der Klage statt.

Die Beklagten machten geltend, dass sie sich durch den Rauh belästigt fühlen würden. Der Rauch würde in ihre Wohnung ziehen und so es ihnen nicht ermöglichen, die Wohnung in einem gewünschten Maß zu lüften. Infolgedessen sei eine Minderung der (Kalt-) Miete von 10% im Monat gerechtfertigt. Das sah das Amtsgericht anders.

Voraussetzung für die Minderung sei, dass die Wohnung einen Mangel aufweise, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mehr als nur unerheblich mindere, § 536 Abs. 1 BGB. Auch bei einem nach vorgelegten „Rauchtagebüchern“ dokumentierten Rauchverhalten sah das Amtsgericht diese Voraussetzung nicht. Dabei hat es die weiteren Umstände berücksichtigt:

Grundsätzlich gehöre Rauchen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Das gelte auch, wenn ein Mitbewohner im Haus auf seinem Balkon rauche. Der Mieter könne von dem Vermieter nicht verlangen, den rauchenden Mitmieter zu einer Einschränkung seines Rauchverhaltens zu veranlassen. Anders sei dies nur dann, wenn bei dem gestörten Mieter Rauch bzw. Gerüche in die Wohnung ziehen würde, ohne dass dies verhindert werden könne oder der Rauch bzw. die Gerüche fast unmöglich aus der Wohnung herauszubekommen seien.

Ein Einziehen von Rauch oder Gerüchen in die Wohnung, ohne dass dies verhindert werden könne, läge z.B. vor, wenn diese durch Zwangsöffnungen in die Wohnung gelangen würde (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 13.10.2022 - 122 C 156/21 -). Im fall des LG Hamburg (Urteil vom 15.06.2012 - 311 S 92/10 -) verfing sich Rauch in der Dachgaube des betroffenen Mieters und drang bei geöffneten Fenster in die Wohnung ein, ohne dass er die Möglichkeit gehabt habe durch sonstiges Lüften den Rauch wieder loszuwerden.

Die konkreten Umstände sah das Amtsgericht als anders gelagert an.  Rauch würde im Wesentlichen über das Fenster des kleinen Bades und zwei bodentiefe Fenster im Esszimmer eindringen. Doch verfüge die Wohnung über zahlreiche andere Zimmer mit zehn weiteren Fenstern. Das Eindringen des Rauches könne mithin verhindert werden (durch schließen der drei Fenster) als auch könne er zumutbar entfernt werden (durch Querlüften).

Zudem läge kein exzessives Rauchverhalten vor, aus dem eine Unzumutbarkeit abgeleitet werden könne (ähnlich wie bei einem Rauchpavillon einer Gaststätte. In dem sich viele Menschen aufhalten würden).  

AG Remscheid, Urteil vom 02.05.2024 - 7 C 5/24 -

Freitag, 21. März 2025

Schmerzensgeld: Substantiierung einer psychischen Beeinträchtigung

Die Klägerin machte im Rahmen einer offenen Teilklage nach einem Verkehrsunfall ein weiteres Teilschmerzensgeld in Bezug auf eine behauptete psychische Beeinträchtigung infolge der schweren Verletzungen (Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung, ein zusammengeklappter Lungenflügel) ihres sechs Wochen alten Sohnes bei dem Verkehrsunfall geltend. Das Berufungsgericht hatte psychische Beeinträchtigungen der Klägerin bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts durch den BGH und Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses. Dies stützte der BGH auf die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG durch das Berufungsgericht.

Voraussetzung für eine entschädigungspflichtige psychische Störung, die bei dem Geschädigten mittelbar durch die Verletzung eines Rechtsgutes bei einem Dritten verursacht worden sei (sogen. „Schockschaden“), eine Gesundheitsverletzung wie im Falle unmittelbarer Einwirkung darstelle, wenn sie pathologisch fassbar sei, mithin einen Krankheitswert habe (BGH, Urteil vom 06.12.2022 - VI ZR 168/21 -). Würde es sich bei der psychischen Beeinträchtigung um einen Primärschaden handeln, sei das strenge Beweismaß des § 286 ZPO zu beachten, also der Vollbeweis erforderlich. 

Hier habe allerdings das Berufungsgericht überhöhte Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Klägerin gestellt. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften habe, verstoße sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig sei (BGH, Urteil vom 16.02.2021 - VI ZR 1104/20 -).

Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs sei dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich seien, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Nähere Einzelheiten seien nicht erforderlich, soweit nicht für die Rechtsfolgen von Bedeutung. Seien diese Anforderungen erfüllt, sei in die Beweisaufnahme einzutreten (BGH, Urteil vom 06.02.2024 - VI ZR 526/20 -).

Im Hinblick auf Schadensersatz wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit verwies der BGH darauf, dass von einem Kläger bei Geltendmachung eines Schadensersatzspruchs wegen Körper- oder Gesundheitsschäden nicht verlangt werden könne, genaue Kenntnisse medizinischer Zusammenhänge zu haben und dies auch nicht gefordert werden könne. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen (BGH, Urteil vom 28.05.2019 - VI ZR 328/17 -).

Die Klägerin habe psychische Beschwerden beschrieben und in der Berufungsbegründung die Behauptung aufgestellt, dass es sich bei diesen um „pathologisch feststellbare Gesundheitsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich“ handele; ferner habe sie aus Berichten zitiert, wonach ihre psychische Situation das „gesundheitliche Hauptproblem“ sei und dort von deutlichen Hinweisen auf Anpassungsstörungen die Rede sei, weshalb auch eine Verhaltenstherapie empfohlen worden sei. Auf Behandlungen verwies sie ebenfalls, die „medizinisch geboten“ gewesen seien. Dies alles reiche für eine gebotene Substantiierung, die von einem medizinischen Laien erwartet werden könne, der in seinen Beschwerden Symptome einer unfallbedingten psychischen Erkrankung vermute.  Es war also nicht erforderlich, dass die Klägerin vorträgt, dass eine fachkundige Person die Klassifikation nach ICD-10 vorgenommen habe und sie habe auch nicht eine entsprechende Bescheinigung ihrer Psychotherapeutin vorlegen müssen. Vielmehr sei nach diesem Vortrag zu ihrer Behauptung, dass es sich bei den Beschwerden um pathologisch feststellbare Gesundheitsbeeinträchtigungen im psychischen Bereich handele“, durch Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Würde dies bejaht, wäre weitere Haftungsvoraussetzung die Kausalität und er Zurechnungszusammenhang, der bei mittelbaren Schädigungen wie hier gesondert zu prüfen sei (BGH, Urteil vom 06.12.2022 – VI ZR 168/21 -).

BGH, Beschluss vom 11.02.2025 - VI ZR 185/24 -