Montag, 30. November 2015

Rentennachzahlung: Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen

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Die Klägerin erhielt Renten als Alters- sowie Witwenrente. Nach einem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 02.11.2005 wurden diese Renten neu festgestellt und sie erhielt Nachzahlungen aus einem Zeitraum ab 1999 zuzüglich Zinsen gemäß § 44 Abs. 1 SGB I (€ 1.399,75). Sie deklarierte die Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen, wonach darauf nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages, des Sparerfreibetrages keine Steuern zu zahlen wären. Das Finanzamt behandelte die Zinsen allerdings gemäß einem BMF-Schreiben vom 13.09.2010 als sonstige  Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG. Einspruch und Klage blieben erfolglos.


Der BFH gab der Revision der Klägerin statt.

Nach Auffassung des BFH unterliegen die nach § 44 SGB I gezahlten Zinsen auch nach der Änderung von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a aa EStG entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Finanzamtes und des im BMF-Schreibens des Bundesfinanzministeriums geäußerten Rechtsansicht der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.


BFH, Urteil vom 09.06.2015 – VIII R 18/12 -

Handelsvertreter: Anspruch auf Bürokostenvorschuss auch bei Kündigung durch den Handelsvertreter

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Der Kläger war bei der Beklagten  als Vermögensberater im Strukturvertrieb tätig. Er erhielt neben einer Provision einen Bürokosten- und Organisationsleistungszuschuss (nachfolgend Bürokostenzuschuss), dessen Höhe sich nach dem jeweiligen Umsatz des zurückliegenden Quartals orientierte und der zur zweckentsprechenden  Errichtung, Unterhaltung und den Betrieb eines Büros gezahlt wurde. Grundlage war eine im Intranet der beklagten bekanntgegebene Vertragsbedingung, der zufolge der Zuschuss nur freiwillig an die Vermögensberater gezahlt würde und sich die beklagte Veränderungen vorbehalte, ferner, dass Voraussetzung wäre, dass zum Zeitpunkt der Zahlung des Vertragsverhältnis ungekündigt sei.


Die Klage auf Zahlung des Bürokostenzuschusses hatte im Revisionsverfahren umfassend Erfolg.
Der BGH verwies darauf, dass es sich bei den Vertragsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB handele. Diese wären nach ihren objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen.

Dem Zahlungsanspruch stünde nicht entgegen, dass es sich um eine freiwillige Leistung handele. Die entsprechende Klausel im Intranet wäre nach der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB dahingehend auszulegen, dass nicht der Rechtsanspruch auf Zahlung, sondern nur die Fortwirkung für die Zukunft ausgeschlossen werden sollte.

Vorliegend führte auch die Kündigung des Vertrages durch den Kläger den Rechtsanspruch nicht erlöschen lassen. Die entsprechende Klausel in den Bedingungen sei im Hinblick auf §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz, 134 BGB nichtig. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BGB dürfe die für die Kündigung des Handelsvertretervertrags einzuhaltende Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter; es handele sich um eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Handelsvertreters. Eine damit auszuschließende einseitige Beeinträchtigung des Handelsvertreters sei aber auch dann gegeben, wenn seine Kündigung von erschwerten Bedingungen, wie hier den Verzicht auf den Bürokostenzuschuss, abhängig gemacht würde. Der Handelsvertreter sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet, weiterhin tätig zu sein und damit sein Büro zu unterhalten. Jedenfalls dann, wenn wie hier der Handelsvertreter eine mehrjährige Kündigungsfrist einzuhalten habe, stelle die Klausel eine wesentliche Erschwerung dar; ausdrücklich gab der BGH die bisherige anderweitige Rechtsprechung des ehedem zuständigen 8. Zivilsenats (ergangen zum Vertragshändlervertrag) auf.


BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 59/14 -

Samstag, 28. November 2015

Beschlagnahme zur Unterbringung von Flüchtlingen/Obdachlosen

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Das Verwaltungsgericht (VG) musste sich mit dieser Frage  im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auseinandersetzen, nachdem die Antragsgegnerin sein Grundstück, ein ehemaliges Kinder- und Jugendheim) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für Flüchtlinge beschlagnahmte. Der Antragsteller legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und beantragte, nachdem die Behörde seinem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht entsprach, erfolgreich vor dem VG Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. § 89 Abs. 5 VwGO.


Das VG stellte zunächst fest, dass der Verwaltungsakt an einem Verfahrensfehler leiden würde. So war die nach Gesetz notwendige vorherige Anhörung des Antragstellers unterblieben. Zwar wurde von der Antragsgegnerin eingewandt, man habe zuvor mit dem Antragsteller über eine Anmietung verhandelt, der dieser nicht zustimmte. Die Verhandlungen aber, so das VG, würden nicht die notwendige Anhörung vor Erlass eines beschwerenden Verwaltungsaktes  ersetzen können. Von der Anhörung könne nur bei Gefahr in Verzug abgesehen werden. Dies würde voraussetzen, dass eine Zeitversäumung durch die Anhörung die Gefahr bestünde, dass die zu treffende Reglung zu spät käme. Dies sei hier nicht ersichtlich, wie sich auch daraus ergibt, dass die Antragsgegnerin auch Zeit hatte, zunächst mit dem Antragsteller über die Anmietung zu verhandeln.

Aber auch materiellrechtlich hatte das VG Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme.

Eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit sei zu bejahen und damit läge eine Gefahr iSv. §§ 11, 2 Nr. 1 a NdsSOG vor. Den Flüchtlinge, die in den kommenden Monaten in Lüneburg erwartet würden, drohe aufgrund der Ausschöpfung der Kapazitäten in den vorhandenen und kurzfristig zu organisierenden Flüchtlingsunterkünften Obdachlosigkeit. Gleichwohl aber lägen die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 NdsSOG eines sogenannten polizeilichen Notstandes nicht vor.

Die Antragsgenerin habe nicht dargelegt und es wäre auch nicht ersichtlich, dass die Antrasgegnerin die Gefahr nicht selbst oder durch Beauftragte abwehren könne, § 3 Abs. 1 Nr. 3 NdsSOG. Bei der Beschlagnahme von Grundstücken oder Wohnungen und dem damit verbundenen Eingriff in Eigentumsrechte würden ebsonders hohe Anforderungen bestehen (Nds. OVG vom 14.12.2009 – 11 ME 316/09 -). Es müsste daher dargelegt werden, dass der Verwaltungsbehörde im fraglichen Zeitpunkt keine gemeinschaftlichen Unterkünfte zur Verfügung stünden und sie solche auch nicht bei Dritten rechtzeitig beschaffen könne. Im Rahmen des polizeilichen Notstandes sei die Beschlagnahme von Privateigentum zur Unterbringung von Obdachlosen nur als eine vorrübergehende und kurzfristige Maßnahme möglich, wobei von einer Höchstdauer von bis zu sechs Monaten auszugehen wäre. Die Behörde müsse also zunächst alle Bemühungen zur Beschaffung von Unterkünften unternehmen; dabei müsse sie auch auf Beherbergungsbetriebe zurückgreifen, auch wenn dies gegenüber einer beschlagnahme und Zahlung einer Nutzungsentschädigung kostenintensiver ist (Saarl. OVG, Beschluss vom 14.04.2014 – i B 213/14 -). Es muss sich bei der Unterkunft auch nicht um eine solche handeln, die eine wohnungsmäßige Voll- und Dauerversorgung darstellt; ausreichend ist, dass eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, die vorrübergehenden Schutz vor den Unbilden des Wetters bildet und Raum für notwendige Lebensbedürfnisse belässt (Saarl. OVG aaO.).

Vorliegend wurde dazu, so das VG, nichts vorgetragen. Insbesondere wäre auch nicht vorgetragen worden, eine Unterbringung in der Lüneburger Jugendherberge mit 148 Betten nicht möglich wäre. Auch könnten Hotels und Ferienwohnungen angemietet werden, auch wenn dies mit höheren Kosten verbunden ist. Selbst die Unterbringung in Turnhallen sei grundsätzlich vorrangig gegenüber einer Beschlagnahme (wobei die dortige Unterbringung von der Behörde nicht geprüft wurde).

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das OVG Lüneburg - 11 ME 230/15 - die Beschwerde der Hansastadt Lüneburg zurückgewiesen.


VG Lüneburg, Beschluss vom 09.10.2015 – 5 B 98/15 -

Freitag, 27. November 2015

Mietrecht: Kein Austausch eines Teppichbodens durch Laminatboden durch den Vermieter

Was darf der Vermieter ? Der Mieter (Kläger) reklamierte, dass der Teppichboden verschlissen sei. Der Vermieter war auch zu einer Abhilfe bereit, wollte aber statt des Teppichbodens Laminat verlegen. Dies aber wollte der Mieter nicht.  Er klagte auf die fachgerechte Verlegung eines Teppichbodens. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung gab das Landgericht der Klage statt.
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Der Austausch des Teppichbodens gegen einen Laminatboden stellt sich nach Auffassung des Landgerichts als eine wesentliche Abweichung von dem vermieteten Zustand dar. Unabhängig davon würde auch das Interesse des Mieters an der Beibehaltung des Teppichbodens den Interessen des Vermieters vorgehen. Es ginge hier um das Wohngefühl, welches auch durch den Bodenbelag bestimmt würde. Auch wenn Laminatboden langlebiger wäre, müsse der Vermieter (Beklagter) hinnehmen, dass dieser wieder verlegt wird, nachdem er die Wohnung mit dem Teppichboden vermietet habe. Der Hygieneeinwand des Beklagten greife nicht, da dies, so das Landgericht, lediglich eine Frage des Pflegeaufwandes sei (was allerdings tatsächlich wohl falsch ist, aber letztlich auf sich beruhen kann, da die anderweitigen Erwägungen des Landgerichts wohl zutreffend sein dürften).


LG Stuttgart, Urteil vom 01.07.2015 – 13 S 154/15 -

Donnerstag, 26. November 2015

Keine wechselseitige Haftung bei Motorradfahren im Pulk

Das OLG Frankfurt musste sich mit dem (nicht ?) alltägliche Sachverhalt auseinandersetzen, bei dem es zu einem Auffahrunfall zwischen Motorradfahrern kam, die im Pulk fuhren. Dabei soll es keine feste Reihenfolge gegeben haben und auch der Sicherheitsabstand soll (einvernehmlich) nicht eingehalten worden sein.
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Nach Auffassung des OLG sind damit alle Beteiligten ein besonderes Risiko eingegangen und jedem Mitglied hätte das gleiche passieren können wie dem Kläger: Der vorderste Motorradfahrer kollidierte in einer Kurve mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Der Kläger fuhr dahinter und stürzte; es lässt sich nicht ausschließen, dass der Beklagte zu 1. Mit seinem Motorrad von hinten gegen das Motorrad des Klägers fuhr und dieser deswegen zu Fall kam. Das Landgericht hat diesen Vorgang allerdings als nicht erwiesen angesehen und deshalb die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde vom OLG, wenn auch aus anderen Gründen, zurückgewiesen.

Das OLG vergleicht den Vorgang mit sportlichen Wettbewerben. Bei diesen hätte der BGH die Inanspruchnahme eines Schädigers ausgeschlossen, wenn typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Abweichungen von den Regeln die Gefahr gegenseitiger Schadensverursachung bestünde (z.B. BGH vom 01.04.2003  - VI ZR 321/03 -). Daraus sei zu entnehmen, dass nach § 242 BGB der Geschädigte einen Schädiger dann nicht in Anspruch nehmen soll/darf, wenn er bei einer getauschten Position in der gleichen Lage wäre (so auch BGH vom 05.11.1974  -  VI ZR 100/73 -).  Wird die Gefahr, die mit der gemeinsamen Betätigung verbunden ist, wie hier von den beteiligten bewusst auf sich genommen und kann kein zusätzlich kein weiterer Vorwurf gemacht werden, so bestünde keine Veranlassung jemanden mit einem Haftungsrisiko zu belasten. Vorliegend sei den Teilnehmern die Gefahr ersichtlich gewesen, da sie bewusst auf Sicherheitsabstände verzichtet hätten, was aber gleichzeitig die bewusste Inkaufnahme eines damit verbundenen Sturzrisikos bedeute.

Vor diesem Hintergrund sei von einer stillschweigenden Vereinbarung auszugehen, nach der durch die Nichteinhaltung des an sich gebotenen Sicherheitsabstandes keine Ersatzansprüche geltend gemacht werden können.


OLG Frankfurt, Urteil vom 18.08.2015 – 22 U 39/14 - 

Mittwoch, 25. November 2015

Betriebskostenabrechnung: Fall des Anspruchs auf Rückforderung der Vorauszahlungen nach Ablauf der Jahresfrist

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Die Kläger hatten von dem beklagten eine Wohnung angemietet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses im Oktober 2014 begehrten sie die Überlassung der Abrechnung der Betriebskosten für 2013. Nachdem die Abrechnung bis zum 31.12.2014 nicht überlassen wurde, erhoben sie Klage auf Rückzahlung der Vorauszahlungen, die sie in 2013 auf die Betriebskosten geleistet hatten. Nunmehr überließ der Beklagte die Abrechnung und die Kläger erklärten die Hauptsache für erledigt. Der Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung an. Das Amtsgericht erlegte die Kosten dem beklagten auf. Gegen diese Kostenentscheidung nach § 91a ZPO legte der beklagte Beschwerde ein, die vom Landgericht zurückgewiesen wurde.

Das Landgericht wies darauf hin, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses, wenn nicht über die Betriebskosten fristgerecht gem. § 556 Abs. 3 BGB abgerechnet wird, wie geschehen Zahlungsklage erheben kann. Das Landgericht wies auch darauf hin, dass die Abrechnung binnen der Frist dem Mieter zugehen muss, wobei der Vermieter für den erfolgten Zugang darlegungs- und beweisbelastet ist. Da diese Frist vom Beklagten nicht eingehalten wurde und er verspätet, mit der Klageerwiderung die Abrechnung erstmals überließ, hatte er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.11.2015 – 2-11 T 138/15 -

Dienstag, 24. November 2015

Werbungskosten: Verluste aus Bürgschaft für Arbeitgeber

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Der Kläger machte Werbungskosten im Rahmen seiner Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit für Verluste aus einer von ihm für seinen Arbeitgeber gestellten  Bürgschaft geltend. Der Bürgschaftsbetrag musste von ihm im Rahmen der Insolvenz des Arbeitgebers gezahlt werden.  Das Finanzamt (FA) erkannte die Werbungskosten nicht zu; Einspruch und Klage blieben erfolglos. Auf die Revision hob der BFH das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtstreit an das Finanzgericht zurück.


Werbungskosten dienen der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen; sie liegen vor, wenn diese Aufwendungen durch den Beruf oder die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Dies gilt auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses noch Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem erbringen muss.

Die Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie entstanden sind bzw. zu der der engere wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang besteht. Dis war vorliegend zu berücksichtigen, da auch eine GmbH-Beteiligung des Klägers zu berücksichtigen war. Grundsätzlich, so der BFH, spräche umso mehr für eine innere wirtschaftliche Verbindung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (und damit hier für nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung), je höher die Beteiligung des gesellschafter-Geschäftsführers ist (BFHE 236, 61). Dies begründet der BFH mit der Annahme, ein fremder, nicht mit dem Arbeitgeber kapitalmäßig verbundener Arbeitnehmer würde nur in Ausnahmefällen bereit sein, zugunsten seines offenbar gefährdeten Arbeitsplatzes das Risiko einer Bürgschaft zu übernehmen. Allerdings ließe dies auch den Umkehrschluss zu, dass bei einer nur geringen (oder gar fehlenden) Beteiligung die Übernahme dem Erhalt des Arbeitsplatzes geschuldet würde und, anders als bei einem verzinslichen Darlehen, der Arbeitnehmer durch die Bürgschaftsübernahme keine weiteren Einkünfte erzielt.

Vorliegend strebte der Kläger eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an seinem Arbeitgeber an. Für diesen Fall könne nach Ansicht des BFH nichts anderes gelten. Lässt sich ein konkreter Veranlassungszusammenhang mit der künftigen Erwerbstätigkeit (hier: Beteiligung) nicht erkennen, überwiegt der wirtschaftliche Zusammenhang mit der gegenwärtig ausgeübten Tätigkeit, wenn nicht ausnahmsweise private Motive entscheidend sein sollten.


BFH, Urteil vom 08.07.2015 – VI R 77/14 -

Montag, 23. November 2015

Werbungskosten: Geburtstagsfeier und Bestellung zum Steuerberater

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Der BFH hatte sich wieder einmal mit der Frage von Werbungskosten im Zusammenhang mit einer Feier zu beschäftigen. Im Spannungsverhältnis stand hier die Abgrenzung von privater zu beruflicher Veranlassung.


Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, feierte im Streitjahr (Veranlagungsjahr 2009) seinen XX. Geburtstag und wurde zum Steuerberater bestellt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machte er für die Geburtstags- und Bestellungsfeier einen Teil der Aufwendungen mit 1.586,34 (46,47% aus den Gesamtaufwendungen von € 3.413,69 geltend. Zur Feier waren 46 Arbeitskollegen und 32 Verwandte und Bekannte erschienen. Die Einladungskarte war mit „XX. & StB“ unterschreiben.

Das Finanzamt (FA) erkannte die geltend gemachten Werbungskosten nicht an und die dagegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das FG.

Der BFH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass Werbungskosten iSv. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG vorliegen, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerlichen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Entscheidend wären das wertend zu beurteilende auslösende Moment (hier: Geburtstag und Bestallung) und ferner dessen Zuweisung zur relevanten einkommensteuerlichen Erwerbsquelle. Zur Abgrenzung der beruflichen von der privaten Veranlassung ist hier in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Entscheidend sind Gastgeber und Gästeliste sowie deren Zusammensetzung und Verhältnis, wo die Feier stattfindet und ob sie sich noch in einem finanziellen Rahmen vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen bewegt. Da es mit Arbeitskollegen auch häufig private Kontakte gibt, sei für die Abgrenzung bedeutsam, ob nur bestimmte Arbeitskollegen eingeladen oder die Einladung derselben nach allgemeinen Kriterien erfolgte. Wenn Arbeitskollegen nach  Betriebsgruppen oder Funktionen eingeladen würden, spräche dies für die betriebliche Veranlassung; werden nur einzelne Arbeitskollegen eingeladen, kann dies eher für eine jedenfalls nicht unerhebliche private Mitveranlassung sprechen.

Bei einer gemischten Feier (mit privaten und geschäftlichen Gästen) ist eine entsprechende prozentuale Aufteilung der Kosten vorzunehmen.

Das Urteil des FG wurde aufgehoben, da es von der unzutreffenden Prämisse ausgegangen sei, die Bestellung zum Steuerberater würde der privaten Sphäre zuzuordnen sein. Da ohne diese Bestellung der Beruf nicht ausgeübt werden könne, könne der überwiegend berufsbezogene Charakter mithin nicht abgesprochen werden.


BFH, Urteil vom 08.07.2015 – VI R 46/14 -

Samstag, 21. November 2015

Keine Widerrufsbelehrung bei Vertragsabschluss auf Messestand

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Wird ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abgeschlossen, steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, auf welches er (formgerecht) hinzuweisen ist. Ein Kunde der beklagten kaufte auf einem Messestand der beklagten anlässlich der „Grünen Woche“ einen Staubsauger. Er wurde von der Beklagten nicht über ein Widerrufsrecht und das Musterwiderrufsformular informiert. Im Nachgang wandte sich der Kunde an den Kläger, der die beklagte abmahnte mit der Behauptung, das Unterlassen verstoße gegen  §§ 312g, 312b, BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Die verlangte Abmahnerklärung gab die Beklagte nicht ab.


Der Kläger erhob Klage. Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Das Landgericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, was im Sinne der gesetzlichen Bestimmung ein Geschäftsraum ist, da bei dem Geschäftsabschluss in einem solchen es einer Widerrufsbelehrung nicht bedarf. Es entschied, dass es sich bei dem Messestand um einen beweglichen Geschäftsraum handelt mit der Folge, dass auch eine Widerrufsbelehrung nicht erforderlich war. Dabei stützte sich das Gericht auf die Verbraucherrichtlinie 2011/93/EU, derzufolge bewegliche Geschäftsräume solche sind, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Die ratio legis läge es nahe, den Begriff „für gewöhnlich“ nicht mit „ständig“ gleichzusetzen. Das folgert es aus den Erwägungsgrund der Richtlinie, wonach der Geschäftsräume solche sind, in denen der Unternehmer sein Geschäft ständig oder gewöhnlich ausübt und markt- und Messestände dazu zählen sollen, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Weiterhin stellte es auf die Erwägungsgründe für die Richtlinie ab, wonach der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen möglicherweise psychisch unter Druck gesetzt würde oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt würde. Auch der Verbraucher, der auf einem Wochenmarkt einkaufe, werde daher nicht geschützt.

Der Beklagte würde ständig auf Messen präsent sein. Der Verbraucher wüsste bei der Grünen Messe in Berlin, dass in der Halle, in der der Beklagte seinen Stand hatte, Haustechnik dargeboten würde. Der Verbraucher stünde hier nicht unter Druck; die Halle habe einen gesonderten Zugang und der Verbraucher müsste bewusst dorthin gelangen.


LG Freiburg, Urteil vom 22.10.2015 – 14 O 176/15 -

Montag, 16. November 2015

Einkommensteuerbescheid: Keine Berichtigung nach § 129 AO wegen vermeintlicher „mechanischer“ Fehler des Steuerpflichtigen

Wann darf das Finanzamt (FA) eine Berichtigung eines Steuerbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit bei Erlass des Steuerbescheides ( § 129 AO) vornehmen ? Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte einen  Fall zu entscheiden, bei dem der Steuerpflichtige (Kläger) nach eingehenden rechtlichen Überlegungen der steuerlichen Behandlung sogenannter Stillhaltegeschäfte (die zum Zeitpunkt der Erklärung strittig waren) diesen den privaten Veräußerungsgeschäften unterworfen und gelangte so zu einer Berücksichtigung unter Kennziffer 116 der „Anlage SO“.  Nachdem sich der Kläger zu Nachfragen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen erklärte berücksichtigte das Finanzamt die Angaben wie vom Kläger deklariert. Hätte der Kläger die Eintragung der Stillhaltegeschäfte  im Feld Leistungen vorgenommen, wären die Verlustvorträge, die er verrechnet hat, nicht verrechnet worden.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA einen nach § 129 AO geänderten Bescheid, in dem die Verlustvorträge nicht mehr berücksichtigt worden. Dagegen wandte sich der Kläger. Sein Einspruch wurde vom FA ebenso zurückgewiesen wie seine Klage zum Finanzgericht. Auf die Revision zum BFH erfolgte eine Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und des Bescheides bezüglich der streitigen Position und Stattgabe der Klage.

Der BFH wies darauf hin, dass offenbare Unrichtigkeiten bei mechanischen versehen Eingabe- oder Übertragungsfehler sind. Unrichtige Tatsachenwürdigungen oder unrichtige Tatsachenwürdigungen schließen aber, so der BFH, eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO aus. Allerdings sei § 129 AO jenseits seines Wortlauts auch anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt; offenbar sind diese, wenn sie sich aus der Steuererklärung selbst, deren Anlagen oder in den Akten befindlichen Unterlagen des Veranlagungsjahres ergeben.

Dies gilt allerdings nach der Entscheidung des BFH dann nicht, wenn es sich nicht um ein Versehen des Steuerpflichtigen handelt, es sei denn, ein solches Versehen würde vom FA als eigenes in den Steuerverwaltungsakt übernommen.

Ein Versehen des Steuerpflichtigen lag nicht vor, da der Zuordnung und Berechnung umfangreiche rechtliche Erwägungen zugrunde lagen. Auch dem FA sei kein Versehen unterlaufen, indem es die Angaben übernahm. Dem Prüfvermerk der Sachbearbeiterin des FA war zu entnehmen, dass diese die Verrechnung erkannte, die der Kläger in einer Anlage zur Einkommensteuererklärung dargelegt hatte. Damit sei nicht auszuschließen, dass die Sachbearbeiterin  einen sachverhalts- oder rechtsfolgenbezogenen Denkfehler unterlegen war. Von daher schied eine Berichtigung nach § 129 AO aus.


BFH, Urteil vom 16.09.2015 – IX R 37/14 -

Haftung des Waschanlagenbetreibers bei Schädigung eines PKW wegen dessen (serienmäßiger) Konstruktion

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Der Kläger fuhr mit seinem PKW in die Waschstraße der Beklagten. Dort kam es zur Schädigung des PKW, bei dem der serienmäßige Spoiler abgerissen wurde. In der Waschstraße der Beklagten erfolgte eine Videoaufzeichnung des Waschvorgangs, die von dem vom Landgericht beauftragten Sachverständigen ausgewertet wurde. Der Sachverständige stellte fest, wie es konkret zum Abriss kam und ferner, dass dieser Abriss konstruktionsbedingt nicht vermeidbar wäre. Zwar wären Vorrichtungen vorhanden um die Anlage unter bestimmten Umständen zu stoppen, um so mechanische Beeinträchtigungen des Fahrzeuges zu verhindern, doch würden diese in Ansehung der Geometrie des klägerischen Fahrzeuges nicht greifen.


Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers war im wesentlichen erfolgreich.

Der Senat verdeutlichte, dass es nicht darauf ankäme, ob man davon ausgehen wolle, dass das Fahrzeug konstruktiv für die Waschstraße oder diese konstruktiv nicht für das Fahrzeug geeignet wäre. Entscheidend wäre, dass Fahrzeuge wie das klägerische und die Waschstraße konstruktiv nicht zusammen passen würden. Da aber die Beklagte aufgrund des Waschanlagen-Vertrages verpflichtet wäre für einen schadensfreien Waschvorgang zu sorgen, ergäbe sich daraus eine Pflichtverletzung der beklagten als Betreiberin der Waschstraße. Ob dies auch geltend würde, wenn es sich bei dem Heckspoiler nicht um eine Serienausstattung handeln würde, könne hier auf sich beruhen.

Der Senat verweist darauf, dass es bei der beklagten läge, gegebenenfalls Fahrzeuge zurückzuweisen, die, wie das klägerische Fahrzeug, für die Waschanlage nicht geeignet wären.


OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2015 – 9 U 29/14 -

Freitag, 13. November 2015

Zeitlicher Rahmen für Winterdienst durch Arbeitgeber als Grundstückseigentümer

Die Räum- und Streupflicht des Arbeitsgebers  kann entgegen gemeindlicher Satzung, die eine Beseitigungspflicht für 7.00 Uhr morgens vorsieht, schließt nicht notwendig eine Pflicht zu vorzeitigem Winterdienst aus. Der Arbeitgeber, der Grundstückseigentümer ist, ist nach Auffassung des OLG Koblenz zur früheren Beseitigung von Schnee und Glättebildung im öffentlichen Bereich verpflichtet, wenn auf Grund des konkreten Arbeitsbeginns bei dem Grundstückseigentümer bereits vor der in der Gemeindesatzung benannten Zeit mit Fußgängerverkehr von Betriebsangehörigen zu rechnen ist. Kommt ein Beschäftigter, dessen Arbeitsbeginn vor 7.00 Uhr liegt, auf Grund Unterlassens der Durchführung notwendiger Schnee- und Eisbeseitigungsmaß0nahmen zu Fall und dadurch zu Schaden, haftet der Arbeitgeber diesem gegenüber nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (und ist nicht das Arbeitsgericht, sondern das allgemeine Zivilgericht für die Entscheidung zuständig).

Im Falle der Verletzung von Betriebsangehörigen durch Unterlassen der erforderlichen Räum- und Streumaßnahmen kommt dem Arbeitgeber auch nicht das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII zugute, da es sich um einen Wegunfall handelt, bei dem der Arbeitgeber unabhängig davon haftet, ob Vorsatz bei ihm vorliegt oder nicht.  

OLG Koblenz, Urteil vom 29.04.2015 – 5 U 1479/14 -