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Das Verwaltungsgericht (VG) musste
sich mit dieser Frage im Rahmen eines
Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auseinandersetzen, nachdem die Antragsgegnerin
sein Grundstück, ein ehemaliges Kinder- und Jugendheim) unter Anordnung der
sofortigen Vollziehung für Flüchtlinge beschlagnahmte. Der Antragsteller legte
gegen den Bescheid Widerspruch ein und beantragte, nachdem die Behörde seinem
Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht
entsprach, erfolgreich vor dem VG Antrag auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. § 89 Abs. 5 VwGO.
Das VG stellte zunächst fest,
dass der Verwaltungsakt an einem Verfahrensfehler leiden würde. So war die nach
Gesetz notwendige vorherige Anhörung des Antragstellers unterblieben. Zwar wurde
von der Antragsgegnerin eingewandt, man habe zuvor mit dem Antragsteller über
eine Anmietung verhandelt, der dieser nicht zustimmte. Die Verhandlungen aber,
so das VG, würden nicht die notwendige Anhörung vor Erlass eines beschwerenden
Verwaltungsaktes ersetzen können. Von
der Anhörung könne nur bei Gefahr in Verzug abgesehen werden. Dies würde
voraussetzen, dass eine Zeitversäumung durch die Anhörung die Gefahr bestünde,
dass die zu treffende Reglung zu spät käme. Dies sei hier nicht ersichtlich,
wie sich auch daraus ergibt, dass die Antragsgegnerin auch Zeit hatte, zunächst
mit dem Antragsteller über die Anmietung zu verhandeln.
Aber auch materiellrechtlich hatte
das VG Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme.
Eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit
sei zu bejahen und damit läge eine Gefahr iSv. §§ 11, 2 Nr. 1 a NdsSOG vor. Den
Flüchtlinge, die in den kommenden Monaten in Lüneburg erwartet würden, drohe
aufgrund der Ausschöpfung der Kapazitäten in den vorhandenen und kurzfristig zu
organisierenden Flüchtlingsunterkünften Obdachlosigkeit. Gleichwohl aber lägen
die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 NdsSOG eines sogenannten
polizeilichen Notstandes nicht vor.
Die Antragsgenerin habe nicht
dargelegt und es wäre auch nicht ersichtlich, dass die Antrasgegnerin die
Gefahr nicht selbst oder durch Beauftragte abwehren könne, § 3 Abs. 1 Nr. 3
NdsSOG. Bei der Beschlagnahme von Grundstücken oder Wohnungen und dem damit
verbundenen Eingriff in Eigentumsrechte würden ebsonders hohe Anforderungen
bestehen (Nds. OVG vom 14.12.2009 – 11 ME 316/09 -). Es müsste daher dargelegt
werden, dass der Verwaltungsbehörde im fraglichen Zeitpunkt keine
gemeinschaftlichen Unterkünfte zur Verfügung stünden und sie solche auch nicht
bei Dritten rechtzeitig beschaffen könne. Im Rahmen des polizeilichen Notstandes
sei die Beschlagnahme von Privateigentum zur Unterbringung von Obdachlosen nur
als eine vorrübergehende und kurzfristige Maßnahme möglich, wobei von einer
Höchstdauer von bis zu sechs Monaten auszugehen wäre. Die Behörde müsse also
zunächst alle Bemühungen zur Beschaffung von Unterkünften unternehmen; dabei
müsse sie auch auf Beherbergungsbetriebe zurückgreifen, auch wenn dies
gegenüber einer beschlagnahme und Zahlung einer Nutzungsentschädigung
kostenintensiver ist (Saarl. OVG, Beschluss vom 14.04.2014 – i B 213/14 -). Es
muss sich bei der Unterkunft auch nicht um eine solche handeln, die eine
wohnungsmäßige Voll- und Dauerversorgung darstellt; ausreichend ist, dass eine
Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, die vorrübergehenden Schutz vor den
Unbilden des Wetters bildet und Raum für notwendige Lebensbedürfnisse belässt
(Saarl. OVG aaO.).
Vorliegend wurde dazu, so das VG,
nichts vorgetragen. Insbesondere wäre auch nicht vorgetragen worden, eine
Unterbringung in der Lüneburger Jugendherberge mit 148 Betten nicht möglich
wäre. Auch könnten Hotels und Ferienwohnungen angemietet werden, auch wenn dies
mit höheren Kosten verbunden ist. Selbst die Unterbringung in Turnhallen sei
grundsätzlich vorrangig gegenüber einer Beschlagnahme (wobei die dortige
Unterbringung von der Behörde nicht geprüft wurde).
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das OVG Lüneburg - 11 ME 230/15 - die Beschwerde der Hansastadt Lüneburg zurückgewiesen.
VG Lüneburg, Beschluss vom 09.10.2015 – 5 B 98/15 -