Montag, 30. April 2018

Stillschweigende Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen qua Überweisung


Mit Schreiben vom 23.11.2015 forderte die Klägerin die Beklage zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung um € 47,00 auf € 432,00 einschl. Betriebskostenvorauszahlungen  ab dem 01.02.2016 auf; dem Schreiben fügte sie ein Formular bei, welches die Beklagte zum Einverständnis unterschreiben und zurückschicken sollte. Mit Schreiben vom 19.01. und 01.02.2016 (letzteres unter Fristsetzung zum 16.01.2016) erinnerte die Klägerin an die Erteilung der Zustimmung. Ohne schriftlich zu reagieren, zahlte die Beklagte am 15.02., 04.03. und 06.04.2016 die Miete qua Einzelüberweisung in Höhe von je € 432,00.

Am 22.04.2016 erhob die Klägerin Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung gegen die Beklagte, die der Beklagten am 30.04.2016 zugestellt wurde. Die Beklagte unterzeichnete nunmehr die ursprünglich dem Mieterhöhungsverlangen beigefügte Zustimmungserklärung unter dem Datum des 23.04.2016 und die Klägerin erklärte schriftsätzlich unter dem 03.05.2016 die Hauptsache für erledigt, nachdem ihr ihren Angaben zufolge die Zustimmungserklärung am 02.05.2016 zugegangen sei.

Das Amtsgericht hatte der Klägerin die Kosten auferlegt; die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht zurück. Auch die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH blieb erfolglos.

Der BGH folgte hier der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, wonach die Klage auch ohne Hauptsacheerledigungserklärung abzuweisen gewesen wäre, da die Klage bereits infolge konkludenter Zustimmung zur Mietererhöhung bei Einreichung abzuweisen gewesen sei.  Das Einverständnis zur Mieterhöhung bedürfe zur Wirksamkeit keiner Schriftform. Es würden die allgemeinen Regeln zu Willenserklärungen gelten, weshalb auch eine konkludente Erklärung möglich sei.

Das Mieterhöhungsverlangen vom 23.11.2015 habe einen Antrag iSv. § 145 BGB auf Abschluss eines Änderungsvertrages dargestellt. Mit der als Annahme zu wertenden Zustimmung des Mieters käme eine den bisherigen Mietvertrag abändernde Mietpreisvereinbarung zustande kommen. Die stillschweigende (konkludente) Annahme sie hier durch die Beklagte durch die dreimalige vorbehaltslose Zahlung erfolgt. § 558b BGB fordere keine besondere Form der Zustimmung, anders als es in § 558a BGB für das Erhöhungsbegehren vorgesehen sei, welches von der Textform abhängig gemacht worden sei. Ebenso wenig ließe sich aus der im Mietvertrag vereinbarten Schriftformklausel etwas anderes herleiten. Zwar würde mit der zustimmung zu einer begehrten Mieterhöhung ein Änderungsvertrag zustande kommen. Es könne allerdings auf sich beruhen, ob eine nach den gestezlichen Vorschriften der §§ 558ff BGB erfolgte Mieterhöhungsverinbarung von einer vertraglichen Schriftformklausel erfasst würde, da selbst bejahendenfalls die Klägerin keinen Anspruch auf Zusendung der Zustimmungserklärung gehabt habe. Die Klägerin habe keine konstitutive Wirkung des Erhöhungsbegehrens geltend gemacht. Käme aber dem Schriftformerfordernis nur deklaratorische Wirkung zu, könne auch auf sich beruhen, ob ein Schriftformerfordernis im übrigen nach §§ 305b, 307 Abs. 1 BGB einer AGB-Inhaltskontrolle standgehalten hätte.

Ob ein bestimmtes Verhalten als schlüssige Abgabe einer Willenserklärung zu werten sei, bestimme sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Maßgebend sei hier, ob ein objektiver Empfänger aus dem Verhalten des Mieters einen Rechtsbindungswillen desselben und damit eine Zustimmung zur Mieterhöhung erkennen würde. Dabei würde es nicht entscheidend darauf ankommen, ob nun ein Dauerauftrag geändert wurde, da auch die Erteilung von Einzelaufträgen eine Handlung des Mieters verlangte; ui berücksichtigen sei, dass die erste Zahlung nach der unter Frist zum 16.01.2016 vom 01.02.2016 am 15.02.2015 erfolgt sei, sei weitere Zahlungen (bis zur Klageerhebung) danach und in keinem Fall eine Vorbehalt ausgesprochen worden sei. Es könne hier dahinstehen, ob bereits für die Annahme einer schlüssigen Erklärung die einmalige vorbehaltlose Zahlung ausreiche, da jedenfalls ein dreimaliges Zahlen dem entsprechen würde.

BGH, Urteil vom 30.01.2018 - VIII ZB 74/16 -

Samstag, 28. April 2018

Zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im Rahmen der Haftpflichtversicherung des Mieters und zum Ausgleichsanspruch zwischen Gebäude- und Haftpflichtversicherung

Die Klägerin war Gebäudeversicherer, die Beklagte der Haftpflichtversicherer eines dortigen Mieters. Die Lebensgefährtin des Mieters hatte (grob fahrlässig) einen Brand verursachte.  Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Mieter habe bei seinem Haftpflichtversicherer keinen Deckungsschutz, da es sich um eine sogen. Single-Versicherung handele und er für den durch einen Dritten verursachten Brand nicht einzustehen habe. Das Verhalten des  Dritte (hier die Lebensgefährtin des Mieters) müsse sich der Mieter nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen, da dieser nicht Repräsentant des Mieters geworden sei.

Die Berufung der Klägerin war dem Grunde nach erfolgreich.

Nach § 78 Abs. 2 VVG seien mehrere Versicherer, bei denen ein Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert sei, im Verhältnis zueinander zu Anteilen nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, die sie dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen hätten. Die Norm sei nicht unmittelbar anzuwenden, da der Gebäudeversicherer des Sacherhaltungsinteresse des Mieters nicht mitversichere, weshalb im Verhältnis zur Haftpflichtversicherung des Mieters keine Mehrfachversicherung bestünde. Allerdings ergäbe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des dem Gebäudeversicherungsvertrages ein Regressverzicht des Gebäudeversicherers für den Fall, dass der Mieter den Gebäudeschaden durch leichte Fahrlässigkeit verursache (so BGHZ 169, 86, 96). Verfüge der Mieter (wie hier) über eine Haftpflichtversicherung und ist diese gegenüber dem Mieter eintrittspflichtig, so liege in seiner Person faktisch eine Mehrfachversicherung vor, weshalb eine analoge Anwendung des § 78 Abs. 2 VVG gerechtfertigt sei (so BGH aaO.).

Die Voraussetzungen lägen hier vor. Der Mieter hafte dem Vermieter für den entstandenen Schaden. Dies folge aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Er habe schuldhaft eine Nebenpflicht aus dem Mietvertrag verletzt, da er gegenüber dem Vermieter zur sorgfältigen Behandlung der Mietsache verpflichtet sei. Das Verschulden seiner Lebensgefährtin müsse sich der Mieter zurechnen lassen, da diese die Wohnung jedenfalls auch bewohne; § 540 Abs. 2 BGB. So müsse sich der Mieter auch das Verschulden von seinen Besuchern zurechnen lassen, da diese iSv. § 278 BGB als seine Erfüllungsgehilfen anzusehen seien (BGH, Urteil vom 09.11.2016 - VIII ZR 73/17 -).

Die Einstandspflicht des Mieters begründe den Versicherungsfall im Rahmen von dessen Haftpflichtversicherung. Dem stünde nicht entgegen, dass die Haftung des Mieters nicht auf eigenem sondern zugerechnetem Verschulden beruhe. Auch käme es nicht darauf an, dass im Rahmen einer hier vorliegenden Single-Versicherung Dritte nicht mit in den Schutzbereich der Versicherung mit einbezogen würden; dies sei hier nicht erforderlich, da eine eigene Haftung des Mieters bestünde. Nach Ziffer 1.1 der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherungsbedingungen (AHB 2008) bestünde Versicherungsschutz für den Fall, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen würde. §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB würden gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts darstellen.

Auch lägen die Voraussetzungen für einen Regressverzicht gegenüber dem Mieter vor, obwohl seine Lebensgefährtin grob fahrlässig gehandelt habe. Deren grobe Fahrlässigkeit müsse sich der Mieter (anders als im mietvertraglichen Verhältnis gegenüber dem Vermieter) aber nicht zurechnen lassen. Im Verhältnis zum Gebäudeversicherer habe der Mieter für das Verhalten Dritter nicht nach § 278 BGB einzustehen, sondern nur dann, wenn sie seine Repräsentanten wären (BGH, Urteil vom 13.09.2006 - IV ZR 378/02 -), was bei der Lebensgefährtin nicht anzunehmen sei.

LG Aachen, Urteil vom 15.12.2017 - 6 S 58/17

Freitag, 27. April 2018

Die Einhaltung der Schriftform im Mietvertragsrecht: § 550 BGB vs. § 126 BGB


Der Kläger schloss am 05.03.2012 mit dem damaligen Eigentümer der Liegenschaft einen „Nutzungsvertrag“ (für eine Photovoltaikanlage)  über eine Laufzeit von 30 Jahren. Der schriftliche Vertragsentwurf des Klägers wurde vom damaligen Eigentümer unterschrieben und sodann per Telefax dem Kläger übermittelt, der nun das Fax unterschrieb und dieses sodann an den ehemaligen Eigentümer zurück faxte. Die im Original unterschriebenen Exemplare verblieben damit bei dem jeweiligen Unterzeichner.


Am 04.10.2012 kündigte der ehemalige Eigentümer den Vertrag. In der Folge verkaufte er das Grundstück an A., der am 11.03.2013 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Die Beklagte kaufte von A. am 27.02.2013 das Grundstück und wurde am 10.06.2013 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die beklagte verweigerte dem Kläger ab 15.03.2013 den Zugang zum Grundstück. Der Kläger beantragte die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis durch die Kündigung vom 04.10.2012 nicht beendet wurde sondern weiter fortbesteht und die Beklagte ihm gegenüber wegen Verweigerung des Zutritts schadensersatzpflichtig sei, da die beklagte das Grundstück einen Dritten überließ und von daher eine Besitzeinräumung an den Kläger nicht mehr möglich sei.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen haben die Einhaltung der notwendigen Schriftform gem. §§ 550, 126 BGB. Erforderlich sei, dass die Vertragsparteien dieselbe Urkunde eigenhändig unterschreiben würden, was hier nicht der Fall gewesen sei.

Der BGH folgt hier der Annahme der Vorinstanzen, dass es sich nicht um einen Pachtvertrag sondern um einen Mietvertrag handeln würde, wies aber auch darauf hin, dass dies in Ansehung der Antragsstellung ohne Belang sei, da im Hinblick auf die gesetzliche Kündigungsfristen bei Miet- und Pachtverträgen dies nur den Zeitpunkt der Beendigung zum nächsten Kündigungszeitpunkt  bei fehlender Wahrung der Schriftform des über einen längeren Zeitraum als ein Jahr abgeschlossenen Vertrages betreffen würde.

Richtig habe das OLG darauf hingewiesen, dass keine Urkunde existiere, auf der beide Vertragsparteien im Original unterschreiben hätten. Damit lägen die Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nicht vor. Allerdings würde die Nichteinhaltung der materiell-rechtlichen Anforderung des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nicht der Wahrung der Schriftform für Miet-/Pachtverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr entgegenstehen. Das Schriftformerfordernis könne gem. § 126 Abs. 2 S. 2 BGB auch dadurch erfüllt werden, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen würden und jede Partei die für die andere Partei vorgesehene Urkunde unterzeichne.  Aber auch diese Voraussetzung läge nicht vor, da jede Partei nur das Original der von ihr selbst unterschriebenen Urkunde habe.

Die Schriftform des § 550 S. 1 BGB würde nur erfordern, dass die Erklärungen schriftlich niedergelegt sind (äußere Form), wobei der Abschluss des Vertrages auch mündlich oder konkludent erfolgen könne. § 550 BGB würde in erster Linie dem Informationsbedürfnis eines Erwerbers dienen, sich in genügender Form über den Inhalt eines Vertrages zu informieren. Damit aber sei es ausreichend, wenn, wie hier, die Vertragsparteien gleichlautende Urkunden unterzeichnen, wobei es auf den Zugang der Urkunden bei dem jeweils anderen Vertragspartner nicht ankäme.

§ 126 Abs. 2 S. 2 BGB verlange allerdings, dass das jeweils unterzeichnete (gleichlautende) Vertragsexemplar für die andere Partei bestimmt sein müsse. Nicht zwingend sei allerdings, daraus abzuleiten, dass im Rahmen des § 550 S. 1 BGB die gleichlautenden Urkunden in den Besitz des jeweiligen Vertragspartners gelangt seien. § 126 Abs. 2 S. 2 BGB würde den der Schriftform genügenden Vertragsschluss und damit die Form der empfangsbedürftigen Willenserklärung regeln, demgegenüber es für die Einhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB nicht darauf ankomme, ob die beurkundete Erklärung den Vertragsparteien zugegangen sei, da der Vertragsschluss sowohl durch sie als auch auf andere Weise möglich sei. Es käme hier lediglich auf die äußere Form an, weshalb alleine die Existenz der die vertraglichen Regelungen dokumentierenden und unterschriebenen Urkunde entscheidend sei. Der Zugang sei daher ebenso ohne Belang wie die Frage, wo sich die Urkunden befinden oder ob sie zum Zeitpunkt einer gerichtlichen Prüfung der Formgemäßheit des Mietvertrages noch existieren würden.

BGH, Urteil vom 07.03.2018 - XII ZR 129/16 -

Freitag, 13. April 2018

Zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch bei Brand durch einen beauftragten Handwerker


Die verstorbenen Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2. bis 4.  waren  Eigentümer eines Wohnhauses, in welchem der Beklagte zu 1. am 08.12.20111 in deren Auftrag Reparaturarbeiten am Flachdach durchführte. Bei diesen Arbeiten verursachte der Beklagte zu 1. schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den von ihm verlegten Bahnen und es kam am Abend zum Ausbruch eines Brandes. Durch den Brand und die folgenden Löscharbeiten wurde das unmittelbar angrenzende Nachbarhaus erheblich beschädigt. Die Klägerin leiste als Versicherer des Nachbarn diesen Entschädigung und machte ihre Aufwendungen aus übergegangenen Recht (§ 86 VVG bei den Beklagten als Schadensersatz geltend. Das Landgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen, das OLG hatte ihr auf die Berufung der Klägerin nur bezüglich des Beklagten zu 1. stattgegeben. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil des OLG, soweit die Klage gegen die Beklagten zu 2. bis 4. (nachfolgend kurz nur noch Beklagte) abgewiesen wurde, auf und verwies den Rechtsstreit an dasselbe zurück.

Das OLG wies die Klage ab, da weder ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten bei der Auswahl es Handwerkers ersichtlich sei, noch ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 (mangels Störereigenschaft nach § 1004 BGB) BGB bestünde.

Dem folgte der BGH nicht.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch greife ein, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Nutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen würden, die von dem Eigentümer oder Besitzer des Nachbargrundstücks nicht geduldet werden müssten, er diese aber aus besonderen Gründen nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden könne, und ihm dadurch Nachteile entstehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten würden. Davon sei bei einem übergreifenden Brand auszugehen.

Weiterhin müsse der Anspruchsgegner Störer iSv. § 1004 Abs. 1 BGB sein. Die Störereigenschaft folge nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz; erforderlich sei vielmehr, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückginge. Dies sei in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festzustellen. Entscheidend sei, ob es jeweils Sachgründe gäbe, ihm die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen, was dann zu bejahen sei, wenn ihm eine Sicherungspflicht ((Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen) träfe. Mit Sicherungspflicht sei aber keine Sorgfaltspflicht im Sinne des Schuldrechts gemeint. Es sei erforderlich, dass er zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt habe. Kriterien seien dabei u.a. die Veranlassung, die Gefahrbeherrschung oder die Vorteilsziehung. Als Sachgründe in diesem Sinne seien vom BGH z.B. technische Defekte an elektrischen Geräten oder Leitungen, die zu einem Brand geführt hätten, angenommen worden. Ein Blitzeinschlag, wie er auch das Nachbarhaus direkt hätte treffen können, hingegen nicht.

Der Verantwortlichkeit stünde vorliegend nicht entgegen, dass der Brand auf der Handlung eines Dritten beruht habe. Mittelbarre Handlungsstörer sei auch derjenige, der durch seine Willensbestätigung (hier: Auftragserteilung) die Beeinträchtigung des Nachbarn in adäquater Weise verursacht habe. Auf eine Sorgfaltspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beauftragung des Dritten käme es (anders als das OLG annahm) nicht an.

Etwas anderes ließe sich auch aus der Rechtsprechung des BGH zur eingeschränkten Verantwortlichkeit des Eigentümers für Handlungen seiner Mieter entnehmen. Danach hafte er nur, wenn er das Grundstück den Mietern mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlasse oder es unterlasse, sie von einem fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch abzuhalten. Maßgeblich sei, dass ausgleichspflichtig derjenige sei, der die Nutzungsart des Grundstücks bestimme. Anders sei dies aber hier, da die Arbeiten des Handwerkers auf Weisung des Grundstückseigentümers erfolgt seien.

Auch der Umstand, dass dem Nachbarn Schadensersatzansprüche gegen den Handwerker zustünden, würde den Anspruch hier gegen die Grundstückseigentümer nicht hindern. Zwar seien der  nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur subsidiär, was aber nur dann seine Anwendung ausschließen würde, soweit eine andere in sich geschlossene Regelung bestünde. Das sei hier nicht der Fall. Das Bestehen einer Gesetzeslücke könne nicht damit begründet werden, dass ein anderer Haftungstatbestand eingreife, zumal diese hier nur eine dritte Person (den Handwerker) betreffe.

Die Zurückverweisung erfolge, da das OLG (aus seiner Sicht zutreffend) keine Feststellungen zur Höhe des Anspruchs getroffen habe.

BGH, Urteil vom 09.02.2018 - V ZR 311/16 -

Montag, 9. April 2018

Fernüberwachungsvertrag: Zur rechtlichen Einordnung und Vertragslaufzeitklauseln


Der Beklagte hatte mit der Klägerin am 08.07.2017 zwei Fernüberwachungsverträge abgeschlossen. In den Verträgen, bei denen es sich um AGB-Verträge handelte, waren die Laufzeiten mit 24, 36, 48, 60 und 72 Monaten zum Ankreuzen der gewünschten Laufzeit angegeben; der Beklagte kreute 72 Monate an. Vertragsinhalt waren die Installation und Instandsetzung der der Fernüberwachung vor Ort dienenden Geräte, eine 24-Stunden-Hoitline zur Beantwortung technischer Fragen, die Bereithaltung einer permanent besetzten Notruf- und Serviceleitstelle, auf welche die installierten Überwachungsgeräte aufgeschaltet waren, die Alarmüberwachung und die nach visueller Alarmvorprüfung die Benachrichtigung des Kunden bzw. de zuständigen öffentlichen Stellen. Das monatliche Entgelt wurde als Mietgebühr angegeben, hinzu kamen eine einmalige Einrichtungsgebühr und eine Gebühr für jede Alarmbearbeitung. Schon einen Tag nach Abschluss der Verträge kündigte der Beklagte und verweigerte die Installation der Geräte.

Das Landgericht hatte die Klage mit Ausnahme einer Vergütung gem. dem monatlich vereinbarten Mietzins bis Ende Juli 2015 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde vom OLG zurückgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH sieht in dem Vertrag keinen Miet- sondern einen Dienstvertrag, weshalb der Beklagte hier zur Kündigung derselben gem. §§ 620 Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB wirksam zum Schluss des Monats Juli 205 berechtigt gewesen sei und die Klägerin (nur) insoweit eine vertraglich vereinbarte Vergütung begehren könne.  

Für die rechtliche Einordnung des Vertrages käme es, so der BGH, nicht auf die Bezeichnung des Vertrages oder von Zahlungsmodalitäten an. Es handele sich um einen gemischten Vertrag, der ein einheitliches Ganzes darstelle und damit nach dem Sinn nicht in seine verschiedenen rechtlichen Bestandteile zerlegt werden könne. Entscheidend sei daher der tatsächliche Schwerpunkt des Vertrages. Zwar enthalte der Vertrag im Hinblick auf die Lieferung, Installation und Instandsetzung der Überwachungsgeräte Elemente eines Gebrauchsüberlassungsvertrages. Dieser mietrechtliche Aspekt trete allerdings hinter dem dienstvertraglichen Element der eigentlichen Überwachung der Geschäftsräume des Kunden zurück (was, worauf der BGH hinwies, z.B. vom OLG Stuttgart [NZM 2017, 598, 599] auch für den Fall angenommen wurde, dass die Geräte nach Vertragsende bei dem Kunden verbleiben und in sein Eigentum übergehen). Schwerpunkt sei hier mithin die typische und für den Kunden maßgebliche Hauptleistung in Form der Überwachung der Räumlichkeiten mithilfe des installierten und auf die Notruf- und Servicestelle der Klägerin aufgeschalteten Geräte. Ein Verbleibe der Geräte in den Räumen des Beklagten habe für diesen keine selbständige funktionale Bedeutung und sei für ihn ohne die Überwachung durch die Notruf- und Servicestelle der Klägerin wert- und zwecklos. Eine dem evtl. entgegenstehende Entscheidung des XII. Zivilsenats des BGH (XII ZA 49/15) sei nicht beachtlich, da dieser auf Nachfrage erklärt habe, er habe seinerzeit zwar Mietrecht zugrunde gelegt, eine Qualifizierung nicht vorgenommen und die Rechtsauffassdung des erkennenden Senats zur Qualifizierung teile.

Im Rahmen der Einordnung als Dienstvertrag war vom BGH zur prüfen, ob die Regelung der Laufzeit gegen § 307 Abs. 1 S. 1 iVm. § 310 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Dies bejahte er, was zur Unwirksamkeit der Laufzeitregelung führte. Zwar waren in dem Formular verschiedene Laufzeiten vorgesehen, unter denen der Kunde eine Auswahl treffen konnte. Allerdings würde es sich bei dem Vertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) nach § 305 Abs. 1 BGB handeln. Daran würde sich nichts dadurch ändern, wenn der Kunde nur die Wahl zwischen bestimmten vorgegebenen Varianten habe. Hierin liege bereits eine einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch eine Vertragspartei. Anders wäre es nur dann, wenn die Laufzeit zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt worden wäre, was hier nicht der Fall gewesen sei. Die Laufzeit von 72 Monaten bachteile den Beklagten als Vertragspartner der Klägerin unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies sei der Fall, wenn der Verwender versuche mittels der Vertragsgestaltung einseitig auf Kosten des Kunden seine Interessen durchzusetzen, ohne auch die Interessen des Kunden zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung seinen nicht nur die Investitionen des Verwenders zu berücksichtigen, sondern der gesamte Vertragsinhalt. Alleine auf § 309 Nr. 9 a) BGB könne hier, da es sich bei dem Beklagten um einen Unternehmer handele, nicht abgestellt werden; die auf Verbraucherschutz orientierte Regelung stelle auch kein Indiz für eine Unangemessenheit im unternehmerischen Geschäftsverkehr dar. Eine Überschreitung der dortigen Höchstdauer von zwei Jahren um das Dreifache könne allerdings in der Gesamtabwägung Berücksichtigung finden.  Richtig habe das OLG berücksichtigt, dass eine Vertragsdauer von hier sechs Jahren die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Beklagten erheblich einschränke und für ihn bei einer evtl. notwendigen kurzfristigen Geschäftsaufgabe mit erheblichen Nachteilen verbunden wäre. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Vertragsdauer von 72 Monaten erforderlich sei um wirtschaftlich arbeiten zu können; die Kalkulation sei von der Klägerin nicht hinreichend offen gelegt worden. Dies hätte die Klägerin aber in Ansehung der sekundären Darlegungslast tun müssen.

BGH, Urteil vom 15.03.2018 - III ZR 126/17 -

Sonntag, 8. April 2018

Zur Frage, ob Einrichtungsgegenstände/Einbauten des Vormieters Bestandteile der Mietsache im Verhältnis zwischen Nachmieter und Vermieter wurden


Die Parteien streiten hier noch um die Räumungspflicht nach Kündigung und Zahlung rückständigen Mietzinses. Die Klägerin hatte von der Streithelferin der jetzigen Beklagten (und Vermieterin) Gewerberäume angemietet, in denen es zu einem Wasserschaden kam. Nachdem weder die Streithelferin noch die Beklagte bereit waren, den Wasserschaden zu beseitigen. Stellte die Klägerin die Mietzahlungen für den Zeitraum August 2013 bis Februar 2014 ein und nahm die Reparaturen selbst vor. Dabei handelte es sich um einen auf dem Fußboden  verklebten Teppichboden, eine Trockenbauwand und einem als Holzkonstruktion errichteten Barpodest. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis und verlangte Zahlung, gegen die die Klägerin Aufrechnung mit ihrem Schadensersatzanspruch erklärte.

Streitentscheidend war, ob es sich bei den beschädigten Sachen um Mietsachen handele (so die Klägerin) oder nicht. Das OLG stellte in seiner die Klage abweisenden und auf der auf Räumung und Zahlung des Mietzinses gerichteten Widerklage des Beklagten stattgebenden Entscheidung darauf ab, dass es sich nicht um Mietgegenstände handele, weshalb die Klägerin für diese selbst verantwortlich sei. Dies ergäbe sich aus dem am 20.03.2009 zwischen der Klägerin und der Vormieterin abgeschlossenen Kaufvertrag, wonach das gesamte „bewegliche und unbewegliche Inventar“ an die Klägerin verkauft sei. Gegen die Behauptung der Klägerin, dass die bodenständig verbundenen Gegenstände (wie die das Barpodest) nicht mit veräußert worden wäre, spräche bereits die Höhe des vereinbarten Kaufpreises (der sich schlüssig anders nicht erklären ließe) als auch der eindeutige Wortlaut des Kaufvertrages. Den für den von der Klägerin benannten Zeugenbeweisantrag dazu, welche Gegenstände mit der Formulierung im Kaufvertrag gemeint seien, ging das OLG nicht nach.

Der BGH hob im Umfang der Revision das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Das OLG habe das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der Klägerin verletzt. Es habe seine Überzeugung, dass insbesondere die Trockenbauwand und das Barpodest vertragsgegenständlich seien, lediglich aus dem Begriff „unbewegliches Inventar“ in der Vertragsurkunde entnommen. Zwar obliege dem Tatrichter die Auslegung einer Individualvereinbarung, wie sie hier vorläge, und der Wortlaut einer Vereinbarung sei Ausgangspunkt für eine Auslegung. Allerdings gingen der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor, auch dann, wenn dieser Wille in der Urkunde keine oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden habe. Die Klägerin habe ihr abweichendes Verständnis des Inhalts der Urkunde im Sinne eines gemeinschaftlichen Willens von ihr und dem Vormieter unter Beweis gestellt. Damit hätte dem das OLG nachgehen müssen. Es sei nicht auszuschließen, dass der angebotene Beweis zu einem anderen Verständnis der Reichweite der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Vormieterin führe. Hätte der Mieter (die Klägerin) die Gegenstände nicht vom Vormieter übernommen, hänge es von der Auslegung des Mietvertrages zwischen der Klägerin und dem Vermieter ab, ob die vom Vormieter zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände als Bestandteile der Mietsache mitvermietet worden seien. Sei dies der Fall (wovon bei den mit der Mietsache fest verbundenen Einbauten mangels einer anderweitigen Vereinbarung im Zweifel auszugehen sei), erstrecke sich die Gebrauchsgewährungsverpflichtung des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf diese.

Der von der Klägerin erklärten Aufrechnung habe auch das im Mietvertrag enthaltene formularmäßige Aufrechnungsverbot nicht entgegengestanden. Eine Klausel, die die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen Forderung zusätzlich (wie hier) davon abhängig mache, dass sie durch den Vermieter anerkannt werden müsse, würde den Mieter iSv. § 307 BGB unangemessen benachteiligen und wäre somit insgesamt unwirksam mit der Folge, dass ein Aufrechnungsverbot nicht greifen würde.

BGH, Beschluss vom 27.09.2017 - XII ZR 54/16 -

Samstag, 7. April 2018

Werkvertrag: Haftungsabwägung bei Wasserschaden durch Werkmangel in unbewohnter und nicht kontrollierter Wohnung


Die Klägerin, die auf Mallorca wohnt, beauftragte die Beklagte mit Sanitär- und Heizungsarbeiten in einem Mehrfamilienhaus in Deutschland. Am 28.12.2012 führten Mitarbeiter der Beklagten Arbeiten in der unbewohnten Dachgeschosswohnung aus. Am 22.06.2012 stellte der Zeuge R. fest, dass sich auf dem Fußboden eine 1cm hohe Wasserschicht befand, die den Fußbodenaufbau völlig durchnässte und Wände sowie Türzargen beschädigt hatte. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die Beseitigung des Wasserschadens sowie Mietausfall und die Kosten eines Sachverständigengutachtens. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung wurde vom OLG durch einstimmigen Beschluss nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Im wesentlichen ging es um die Fragen, ob der Schaden adäquat kausal durch die mangelhafte Werkleistung verursacht wurde und (so in den Hilfserwägungen des OLG ausgeführt) bejahendenfalls, ob der Schaden durch ein Mitverschulden der Klägerin selbst verursacht wurde. Die Kausalität wurde vom BGH bejaht; bezüglich eines möglichen Mitverschuldens trugen die Ausführungen des OLG zwar die Abweisung auch nicht, war aber eine weitere Prüfung durch die Tatsacheninstanz notwendig.

Das OLG hatte einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Werkmangel und dem Schaden mit der Erwägung negiert, da das Schadensausmaß in der Sphäre der Klägerin läge, die die üblichen Sicherungsvorkehrungen (so mehrmals wöchentliche Überprüfungen der Wohnung) unterlassen habe. Der BGH verwies daraus, dass entgegen der Annahme des OLG die haftungsrechtliche Zurechnung nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass noch weitere Ursachen dazu beigetragen hätten. Das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten des Geschädigten sei nur von Belang, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hätte, dass der Schaden nur noch in einem „äußerlichen“, letztlich „zufälligen“ Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage stünde. Würden aber in dem Schaden die besonderen Gefahren fortwirken, die durch die erste Ursache gesetzt worden seien, könne der haftungsrechtliche Zusammenhang nicht verneint werden. Der Wasserschaden sei hier durch die mangelhafte Werkleistung verursacht worden. Die durch den Mangel verursachte Gefahr habe auch noch bei der Feststellung des Schadens am 22.06.2012 bestanden. Damit sei der Mangel die Ursache des Schadens.

Die Hilfsbegründung des OLG zum Mitverschulden (§ 254 BGB) mangels ständiger Kontrolle der Wohnung trage auch nicht. Das Verschulden nach § 254 BGB bedeute keine vorwerfbare Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Pflicht, sondern ein Verschulden in eigenen Angelegenheiten. Davon könne nur gesprochen werden, wenn der Geschädigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern. Welche Maßnahmen danach ein Eigentümer einer unbewohnten Wohnung zur Verhinderung eines (erheblichen) Wasserschadens bei längerer Abwesenheit treffe richte sich nach den Umständen des Einzelfalls, wie Alter des Anwesens und seiner Versorgungsleitungen, nach der Aufteilung der Wohneinheiten, der Umgebung des Hauses sowie nach der jahreszeitlichen Witterung. Vor diesem Hintergrund sei die nicht näher begründete Annahme des OLG verfehlt, in einer unbewohnten Wohnung seien stets mehrmals wöchentlich Kontrollen durchzuführen. Es habe die Schutz- und Obhutspflichten überspannt; nach dieser Vorstellung sei ein Eigentümer auch bei kurzer Dienstreise oder einem Kurzurlaub stets gehalten, für mehrfache Kontrollen zu sorgen. Derartiges sei weder üblich noch könne dies von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nach Treu und Glauben verlangt werden. Kontrollen zur Abwendung eines Wasserschadens in einer unbewohnten Wohnung könnten nur in dem Maß verlangt werden, wie sie im Einzelfall dem Rechtsinhaber zumutbar seien. Hier ermangele es an tragfähigen Feststellungen durch das OLG.

Der BGH wies ferner darauf hin, dass, für den Fall, dass das OLG nach erneuter Prüfung wieder vom Unterlassen von Kontrollen ausginge, darüber Beweis zu erheben sei, dass die Klägerin behauptete, die Beklagte mit dem Abstellen der Wasserzufuhr beauftragt habe. Sollte sich dies bestätigen, wäre ein Berufen auf ein Mitverschulden nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen. Ferner wäre bei Bestätigung einer Obliegenheitspflichtverletzung durch die Klägerin bei der Abwägung in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Verursachung, in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens abzustellen; für die Haftungsverteilung käme es wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder der Geschädigten den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht habe.

BGH, Urteil vom 25.01.2018 - VII ZR 74/15 -

Freitag, 6. April 2018

WEG: Zur Pflicht des Verwalters zur Anmeldung von (bevorrechtigten) Hausgeldansprüchen im Zwangsversteigerungsverfahren


Die Klägerin ist eine (werdende) Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beklagte deren ehemaliger Verwalter. Einer der Miteigentümer war die Bauträgerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und deren Einheiten im Rahmen eines von einem Dritten betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens beschlagnahmt wurden. In der Eigentümerversammlung vom 31.05.2008 gab die Beklagte Informationen über den Stand des Zwangsversteigerungsverfahrens und wies darauf hin, dass die Eigentümergemeinschaft ihre Forderungen anmelden müsse. Der Versteigerungstermin wurde bekanntgegeben. Am 13.08.2008 erfolgte der Zuschlag; eine Anmeldung der offenen Hausgeldforderungen war nicht erfolgt.

Die Beklagte wurde vom Amtsgericht auf Schadensersatz bezüglich der offenen Hausgelder der Bauträgerin für die Jahre 2006 und 2007 verurteilt. Im Hinblick auf den Ersatz der Hausgeldforderungen für 2005 in Höhe von € 994,08 hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der klagenden (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene Revision derselben hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.

Das Landgericht negierte einen Schadensersatzanspruch der Klägerin, da es der Beklagten als Verwalterin nicht oblegen habe, die Ansprüche im Zwangsversteigerungsverfahren geltend zu machen- § 27 WEG sähe eine solche Pflicht nicht vor. Dem folgt der BGH nicht, der den Verwalter als verpflichtet ansieht, die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 WEG bevorrechtigten Hausgeldansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft  im Zwangsversteigerungsverfahren anzumelden, auch wenn § 27 Abs. 1 WEG insoweit keine ausdrückliche Regelung träfe. Dies folge daraus, dass der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG berechtigt und verpflichtet sei, Lasten- und Kostenbeiträge anzufordern. Die entsprechende Verwaltervollmacht ergäbe sich aus § 27 Ans. 3 S. 1 Nr. 4 WEG. Dafür spräche auch, dass die Durchsetzung mit geringen Aufwand verbunden ist, da die Anmeldung in § 45 Abs. 3 ZVG bewusst einfach ausgestaltet worden sei und es eines Titels nicht bedürfe. Die Anmeldung sei auch nicht mit wirtschaftlichen Risiken verbunden; weder würden Gebühren anfallen noch Vorschüsse gefordert. Da die Ansprüche den Rechten der nachfolgenden Rangklassen (also insbesondere auch von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten) vorgehen würden, würde der Wohnungseigentümergemeinschaft in der Regel eine effektive Rechtsdurchsetzung ermöglicht. Die Zuordnung der Anmeldung zu den Pflichten des Verwalters  sei auch im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens geboten, da nur die rechtzeitige Anmeldung die Aufnahme der nicht aus dem Grundbuch ersichtlichen, aber nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigten Hausgeldforderungen in das geringste Gebot aufgenommen (§ 45 Abs. 1 ZVG) und bei der Erlösverteilung berücksichtigt werden könnten (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZVG). Damit müsste die Forderung spätestens im Versteigerungstermin vor Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet werden, da danach ein Rangverlust eintrete (§§ 37 Nr. 4, 110 ZVG). Eine vorherige Beschlussfassung durch eine eigens einzuberufende Eigentümerversammlung könnte die rechtzeitige Geltendmachung gefährden und wäre auch gegenüber dem geringen Aufwand der Anmeldung kostenmäßig außer Verhältnis stehen.

Käme im Einzelfall in Betracht, dass die zusätzlichen Voraussetzungen nach § 10 Abs. 3 ZVG für einen eigenen Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegen, sei allerdings der Verwalter verpflichtet, die Wohnungseigentümer darüber zu informieren und eine Abstimmung über das Vorgehen bzw. die Einholung eines Rechtsrates herbeizuführen.

Diesen Vorgaben habe die Beklagte hier nicht mit ihren Informationen auf der Eigentümerversammlung genügt. Sie hätten nicht die rechtzeitige Anmeldung ersetzen können.

Trotz dieser von der beklagten ehemaligen Verwaltung zu vertretenen Mängel  sei aber vorliegend nicht gesichert, dass tatsächlich der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft ein Schaden entstanden sei. Voraussetzung wäre, dass der Bauträger auch Schuldner der Wohngelder war. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG wäre der Bauträger nicht mehr Hausgeldschuldner gewesen, wenn ein Erwerber der Einheiten zwischenzeitlich die Rechtsstellung eines werdenden Wohnungseigentümers erlangt haben sollte. Ab diesem Zeitpunkt würde nur der Erwerber die Hausgelder schulden. Ein dingliches Vorrecht bestünde hier, so der BGH, nicht. Die Aufhebung und Zurückverweisung erfolgte, da das Landgericht offen gelassen hatte, ob der Erwerber in 2005 werdender Wohnungseigentümer war. Dies setze die vom Landgericht zu prüfende Feststellung voraus, dass mit dem Erwerber ein wirksamer, auf Übereignung gerichteter Erwerbsvertrag geschlossen wurde und der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert worden sei sowie der Besitz der Wohnung auf den Erwerber übergegangen sei. Wenn noch der Bauträger Hausgeldschuldner sei, wäre zu klären, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wenn dies (wie hier) vor der Beschlagnahme im Zwangsversteigerungsverfahren erfolgt sei. Denn in diesem Fall sei unter Beschlagnahme iSv. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG die Insolvenzeröffnung zu verstehen. Der Zeitpunkt ist entscheidend zur Feststellung, ob die Forderung noch unter das Vorrecht falle (bevorrechtigt sind die rückständigen Beiträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und zwei Jahre zuvor).

BGH, Versäumnisurteil vom 08.12.2017 - V ZR 82/17 -

Montag, 2. April 2018

Teilungsversteigerung: Zum Anspruch auf Verzugszinsen auf den hinterlegten Betrag gegenüber dem Miteigentümer


Nach einer Teilungsversteigerung wurde der auf die Klägerin entfallende Anteil am Versteigerungserlös hinterlegt, da der Beklagte keine Freigabe erteilte. Auf die Klage der Klägerin, die diese nach anwaltlicher Aufforderung zur Freigabe und ausdrücklicher Ablehnung durch den Beklagten am 10.09.2012 erhob, wurde der Beklagte zur Freigabe verurteilt und es erfolgte die Auszahlung durch die Hinterlegungsstelle an die Klägerin. Diese verlangte nunmehr vom Beklagten die gesetzlichen Verzugszinsen für den Zeitraum ab dem 10.09.2012 bis zum Eingang der Auszahlung durch die Hinterlegungsstelle und  Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zuzüglich Zinsen. Der Klage wurde vom Amtsgericht stattgegeben. Das Landgericht wies auf die Berufung des Beklagten die Klage bezüglich der Zinsen auf die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren ab und im übrigen die Berufung zurück. Die (zugelassene) Revision des Beklagten wie auch die Anschlussberufung der Klägerin betreffen der Zinsen auf die Anwaltsgebühren wurde vom BGH zurückgewiesen.

1. Verzugszinsen auf den Hinterlegungsbetrag

Der BGH sah den Verzugszinsanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB als begründet an. Auch ohne vorhergehende Mahnung habe hier der Kläger Klage auf Freigabe des hinterlegten Betrages erheben dürfen, da der Beklagte mit seiner Mail vom 10.09.2012 die Erfüllung des Anspruchs des Klägers endgültig verweigert habe und daher gem. § 296 Abs. 2 Nr. 3 BGB keine Mahnung erforderlich gewesen sei.

§ 288 Abs. 1 S. 1 BGB sei auch entsprechend  anwendbar. Zwar finde die Norm keine unmittelbare Anwendung, da es sich hier nicht um eine Geldschuld handele, vielmehr die Klägerin eine Freigabeerklärung begehrt habe. Allerdings sei für diese Fälle die Norm entsprechend anwendbar. Der Freigabeanspruch habe hier einen Geldbetrag zum Gegenstand (so bereits RG JW 1912, 635f). Es beträfe nur die äußere Form, in der der Anspruch verwirklicht werden müsse, dass er nicht auf Geld sondern auf Einwilligung in die Auszahlung von Geld gerichtet sei. Daher läge eine Gleichwertigkeit vor; der Gesetzgeber habe dies nicht in den Blick genommen.  Der Gleichwertigkeit würde auch nicht entgegenstehen, dass ein Dritter (die Hinterlegungsstelle) die Auszahlung des geschuldeten Betrages zu bewirken habe. Auch wenn der Anspruchsgegner (Beklagte) selbst nicht über das vorenthaltene Geld verfügen könne, greife § 288 Ans. 1 BGB unabhängig davon.

Die Auszahlungsanordnung  des hinterlegten Geldbetrages hänge alleine von der Freigabeerklärung ab; mit dieser würde der Nachweis für die Empfangsberechtigung erbracht, auf Grund der die Herausgabe von der Hinterlegungsstelle angeordnet werden könne. Der Miteigentumsanteil des Klägers an dem gem. § 753 Abs. 1 BGB versteigerten Grundstück setze sich zunächst mit dem Zuschlag im Teilungsversteigerungsverfahren im Wege der dinglichen Surrogation an dem Versteigerungserlös fort, weshalb der Beklagte zur Vornahme der für die Erlösverteilung erforderlichen Mitwirkungshandlung verpflichtet gewesen sei (wie sich aus dem Urteil im Vorprozess ergab). Damit wäre der Klägerin ein unmittelbar auf Auskehr des nach Abzug der Versteigerungskosten und Berichtigung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten verbleibender Überschuss erwachsen. Dass durch die unberechtigte Verweigerung des Beklagten zur Zustimmung hierzu eine Hinterlegung erfolgt wäre, mit der Folge, dass sich die Bruchteilsgemeinschaft am versteigerten Grundbesitz nunmehr an der Forderung gegen die Hinterlegungsstelle fortsetze, nähme dem Anspruch der Klägerin auf Abgabe der erforderlichen Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Erlösanteils nicht den Charakter einer unmittelbar auf Erhalt des ihr zustehehenden Anteils gerichteten Forderung.

2. Verzugszinsen auf den Freistellungsanspruch zu den vorgerichtlichen Anwaltsgebühren

Es habe kein Antrag auf Zahlung vorgelegen. Der Befreiungsanspruch sei auch nicht nach §§ 280, 286 BGB in einen Zahlungsanspruch  übergegangen. Bei einem allein auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltsgebühren gerichteten Anspruch entfalle ein Anspruch auf Verzugszinsen.

BGH, Urteil vom 12.10. 2017 - IX ZR 267/16 -