Sonntag, 10. April 2016

Einkommensteuer: Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung

Die Klägerin war in einer Wohnung einer Seniorenresidenz im Rahmen des „Betreuten Wohnens“. U.a. zahlte sie eine monatliche Betreuungspauschale, die auch ein 24-stündiges Notrufsystem beinhaltete. Das beklagte Finanzamt lehnte die Anerkennung der Kosten von € 1357,00 für das Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ab. Die Klage dagegen hatte Erfolg; die Revision des Finanzamtes wurde vom BFH zurückgewiesen.

Der BFH verweist darauf, dass haushaltsnahe Leistungen solche sind, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. mit ihr im Zusammenhang stehen. Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte verrichtet werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. In diesem Sinne wäre das mit der betreuungspauschale abgegoltene Notrufsystem  eine haushaltsnahe Dienstleistung.


Im Streitfall stelle das Notrufsystem für den Fall, dass sich der Bewohner in seiner Wohnung aufhält, sicher, dass eine Rufbereitschaft vorhanden ist. Damit würde die Leistung „in“ einem Haushalt erbracht.

BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 18/14 -

Handelsregister: Zur Zulässigkeit einer c/o-Angabe bei der Gesellschaftsanschrift

Die Gesellschaft hatte zu Zeitpunkt der Anmeldung (noch) keine eigenen Geschäftsräume und gab als Gesellschaftsanschrift diejenige ihres Geschäftsführers mit einem entsprechenden c/o-Zusatz an. Das Handelsregister lehnte die Eintragung ab und führte u.a. aus, es könne am Briefkasten ein entsprechender zusätzlicher Vermerk zur Gesellschaft angebracht werden. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Das OLG vertrat die Auffassung, ein c/--Zusatz sei dann statthaft, wenn er nicht zur Verschleierung der Zustellmöglichkeit diene. Damit sei die Eintragung hier zulässig, da in der Person des Geschäftsführers, dessen Anschrift gewählt wurde, ersichtlich ein zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Gesellschaft benannt wurde. Auch könne nicht auf eine zusätzliche Angabe am Briefkasten verwiesen werden, da die Eintragung einer (neuen) inländischen Anschrift in jedem Fall erforderlich wäre.


OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2016 – 27 W 2/16 -

Samstag, 9. April 2016

Anspruch auf Tariflohnerhöhung durch frühere Zahlungen auch gegen den nicht mehr tarifgebundenen Arbeitgeber ?

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Ist der Arbeitgeber Tarifvertragspartei und gehört der Arbeitnehmer auch einer Tarifvertragspartei an, ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers automatisch aus dem Tarifvertrag, § 3 TVG. Was aber, wenn der Arbeitgeber keiner Tarifvertragspartei angehört. Für ihn gilt der Tarifvertrag nicht. Allerdings werden die Tariferhöhungen des Tarifvertrages häufig von dem nicht (mehr) tarifgebundenen Arbeitgeber auch an alle Arbeitnehmer weitergegeben. Das BAG musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob der Arbeitnehmer in einem solchen Fall, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit den Tarifvertrag bei der Entlohnung auch bei Erhöhungen des Tarifvertrages auf die Arbeitnehmer angewandt hat, einen Rechtsanspruch auf Erhöhung des Tariflohnes bei dessen Erhöhung hat.

Das BAG führt aus, dass grundsätzlich die regelmäßige Erhöhung des Entgelts entsprechend der Tarifentwicklung dem Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Weiterzahlung des erhöhten Tariflohnes gewährt, nicht aber eine Verpflichtung des Arbeitgebers begründe, auch künftige Anpassungen des Tariflohnes weiterzugeben.  Der tarifgebundene Arbeitgeber, der die Tariferhöhungen an alle Arbeitnehmer (unabhängig von seiner Mitgliedschaft bei einer Tarifvertragspartei) weitergibt, wolle sich erkennbar im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit der Kündigung des Tarifvertrages oder seines Verbandsaustritts binden.

Etwas anderes könnte sich nur dann angenommen werden, wenn es dafür konkrete Anhaltspunkte gäbe. Vorliegend war im Arbeitsvertrag zwischen dem bei Vertragsschluss noch tarifgebundenen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer statisch auf den am 31.03.1999 geltenden BAT. Die Bezugnahmeklausel führe nicht zur weiteren Anwendung des BAT nach dem Verbandsaustritt. Ein Vertrauensschutz könne nur gegeben sein, wenn die Bezugnahmeklausel nach dem Verbandsaustritt (und nach der Schulrechtsreform zum 01.01.2002 erneuert worden wäre, was im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall war. Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass die geübte Praxis der Erhöhungen entsprechend dem Tarifvertrag in den Jahren nach dem Verbandsautritt des Arbeitgebers selbst keinen Willen des Arbeitgebers darstellen würde, eine unbedingte dynamische Bezugnahme vertraglich zu vereinbaren.


BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 4 AZR 990/13

Mittwoch, 6. April 2016

Mietrecht: Was ist in Bezug auf Betriebskosten im Mietvertrag mitzuteilen ?

Der vom BGH entschiedene Ausgangsfall ist einfach gelagert. In dem Formularmietvertrag über Wohnraum, abgeschlossen am 27.04.2007, war geregelt worden, dass der Mieter „Vorauszahlungen auf die übrigen Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung“ zu zahlen habe. Das Landgericht hielt die Regelung nicht für hinreichend bestimmt. Das sah der BGH anders.

Der BGH verdeutlicht, dass es für die Umlagefähigkeit von Betriebskosten nicht darauf ankommt, dass diese in einem (Formular-) Vertrag enumerativ aufgezählt werden. Ausreichend sei die (auch formularmäßige) Vereinbarung, dass der Mieter die Betriebskosten zu tragen habe. Der Vertrag sei nach seinem objektiven Inhalt so auszulegen, wie es ein verständiger und redlicher Vertragspartner versteht.  Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Betriebskosten seit Jahrzenten durch Rechtsverordnung (und später auch Gesetz) definiert würden. Dies ergäbe sich aus der am 01.11.1957 in Kraft getretenen Zweiten Berechnungsverordnung und seit dem 01.01.2007 aus § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst, der auf die Aufstellung der Betriebskostenverordnung  vom 25.11.2003 verweist (die die Anlage 3 zu § 37 Zweite Berechnungsverordnung ablöste). Damit sei ohne weiteres bei der Vereinbarung von Betriebskosten zu verstehen, dass es sich hier um die Kosten handelt, die jetzt in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB und in dem auf Grund der darin enthaltenen Ermächtigungen erlassenen Betriebskostenkatalog der Betriebskostenverordnung enthalten sind.

Dies verstößt nach Auffassung des BGH auch nicht gegen das Transparenzgebot. Anderes könnte sich im (hier nicht vorliegenden) Einzelfall nur dann ergeben, wenn aus dem weiteren Inhalt des Mietvertrages unklar würde, ob nur einzelne der umlegbaren Betriebskosten gemeint sind oder alle. Jedenfalls wäre der Vermieter nicht verpflichtet, den Mieter im Einzelnen aufzuklären, was unter die umlegbaren Betriebskosten fällt.

Der Umstand, dass hier im Mietvertrag auf die Zweite Berechnungsverordnung verwiesen wurde, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht mehr galt, sei unschädlich. Es ergäbe sich daraus nicht, dass etwas anders gemeint sein könnte als die Abwälzung sämtlicher umlegbarer Betriebskosten, zumal vorliegend auf die „jeweils geltende Fassung“ verwiesen wurde. Es handele sich hier bei der Angabe der Zweiten Berechnungsverordnung anstelle der Betriebskostenverordnung resp. § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine unschädliche Falschbezeichnung.


BGH, Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 137/15 -

Dienstag, 5. April 2016

Automatisch Generierte E-Mail mit Werbung ist unzulässig

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Es ist zwar schön zu wissen, dass seine Mail beim Empfänger angekommen ist, worauf häufig durch automatisch geneierte E-Mails des Empfängers hingewiesen wird. Doch der Empfänger nutzt diese Gelegenheit auch gerne um für sich zu werben oder ein Produkt zu werben. Diese Werbeplattform darf allerdings nach dem Urteil des BGH grundsätzlich nicht genutzt werden.

Die beklagte Versicherung hatte mit ihrer automatisch generierten Antwortmail u.a. bestimmte Apps beworben. Der Kläger verlangte die Verurteilung der Beklagten auf Unterlassung, mit ihm zum Zwecke der Werbung ohne sein Einverständnis E-Mail-Kontakt wie mit der automatisch generierten Mail mit Werbeanhang geschehen, aufzunehmen. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben; auf die Berufung hin änderte das Landgericht das Urteil ab und wies die Klage ab. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Ziel weiter; die Berufung führte zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Der BGH erkennt einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB an. Es sieht in den mit Werbung versehenen Mails der beklagten Versicherung einen rechtswidrigen Eingriff in das  allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dieses gäbe dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (BGHZ 131, 332, 337). Damit könne er seine Privatsphäre von unerwünschten Einflussnahmen anderer freihalten und darüber entscheiden mit wem er in welchem Umfang Kontakt aufnehmen will. Eine bloße, nicht ehrverletzende Kontaktaufnahme durch einen Dritten würde aber nur dann das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, wenn dies gegen den eindeutigen Willen des Betroffenen erfolge, da ansonsten die kommunikative Freiheit beeinträchtigt wäre (BGH VersR 2011,544).

Eine solche Entscheidung des Betroffenen ergäbe sich bei Werbeeinwürfen in den Hausbriefkasten durch einen dies untersagenden Aufkleber. Nach Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie gehöre das elektronische Postfach mit zur Privatsphäre. Danach ist die die Nutzung des Postfachs nur bei vorheriger Einwilligung des Inhabers für eine Direktwerbung zulässig.

Werbung in diesem Sinne wären alle produktfördernden Maßnahmen. Mit den Hinweisen auf kostenlose Apps bewerbe die Beklagte ihre Produkte. Zwar sei die Eingangsbestätigung selbst keine Werbemaßnahme, was aber nicht zur Folge habe, dass die dort enthaltene Werbung keine (Direkt-) Werbung darstellen könne. Durch die zulässige Nutzung des elektronischen Postfachs des Klägers für die Bestätigungsmail würde die Nutzung nicht insgesamt zulässig.

Der Verstoß der Beklagten sei auch rechtswidrig. Eine Interessensabwägung ergäbe, dass das Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG, 8 Abs. 1 EMRK höher wiege als das Interesse der Beklagten ihren Mails werbende Zusätze hinzuzufügen.


BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15 -

Freitag, 1. April 2016

Anwaltsrecht: Übernahme der Verantwortung für Schriftsätze – Welche Unterzeichnung ist erforderlich ?

Gerne wird aus formalen Gründen ein Schriftsatz (hier eine Revisionsbegründung in einer Strafsache) als unzulässig angesehen.  Entscheidend ist, dass der Unterzeichner des Schriftsatzes sich den Inhalt zu eigen macht und für diesen nach eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt.

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In dem dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegten Fall hatte ein Anwalt, der mit dem Sachbearbeiter in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeitete, dessen Revisionsbegründung mit den Zusätzen „i.V.“ (in Vertretung) und „ „für den nach Diktat verreisten Rechtsanwalt …“ unterzeichnet. Die Revision wurde verworfen. Mit den Zusätzen habe der Unterzeichner deutlich gemacht, dass er die Revisionsschrift nicht geprüft und nicht die Verantwortung übernommen habe.

Das sah das BVerfG anders. Alleine der Umstand, der der Unterzeichner vorher nicht tätig wurde, rechtfertige nicht die Annahme, dass er sich nicht mit der Angelegenheit auseinandergesetzt habe. Die Verantwortungsübernahme hänge nicht damit zusammen, wer den Schriftsatz entworfen hat. Mit der Unterzeichnung sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Unterzeichner den Inhalt zu eigen gemacht habe und damit auch die Verantwortung für dessen Inhalt übernehme. Anderes könne nur gelten, wenn in dem Schriftsatz selbst Distanzierungen  enthalten wären.

Der Zusatz „i.V.“ stünde dem nicht im Wege, wie dies eventuell der Zusatz „im Auftrag“ nahelegen könne. Ebenso sei der Zusatz, dass der Sachbearbeiter „nach Diktat verreist“ ist, nicht der Eigenübernahme entgegen.  Dies würde letztlich nur dafür sprechen, dass der Verfasser bei Unterzeichnung nicht anwesend war, nicht aber, dass der Unterzeichner nicht selbst geprüft und den Inhalt als eigenen übernommen hat.


BVerfG, Beschluss vom 07.12.2015 – 2 BvR 767/15 -

Keine Amtshaftung bei Verzögerung der Kostenfestsetzung durch das Gericht ?

Die Klägerin (Beklagte des Ursprungsverfahrens) machte vor dem LG Frankenthal Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG geltend. Streitgegenständlich waren von ihr zu zahlende Zinsen im Zusammenhang mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen aus dem Ursprungsverfahren, da sich das für dieses Verfahren zuständige AG Speyer mit der Festsetzung zwei Jahre Zeit ließ. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung nicht zugelassen.
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In dem Ursprungsverfahren vor dem AG Speyer hatte die dort obsiegende Partei mit Eingang am 24.04.2013 bei dem Amtsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Hierüber wurde die Klägerin des Amtshaftungsprozesses als unterlegene Partei des Ursprungsverfahrens erst zusammen mit der Überlassung des erst am 30.04.2015 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses informiert. Entsprechendes gilt für den weiteren Kostenfestsetzungsantrag der obsiegenden Partei, der am 26.11.2013 bei dem Amtsgericht einging und erst zusammen mit dem am 02.09.2015 verkündeten Kostenfestsetzungsbeschluss durch das Amtsgericht entschieden wurde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da nach seiner Auffassung eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin als unterlegener Partei des Ursprungsverfahrens nicht vorläge. Der zuständige Beamte habe zwar die Amtspflicht zu einer zügigen Bearbeitung; dies ergäbe sich aus dem Justizgewährungsanspruch des  Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG. Allerdings bestehe dies Amtspflicht lediglich gegenüber dem Antragssteller und nicht dem Antragsgegner (hier die Klägerin des Amtshaftungsprozesses) als Kostenschuldner. Außerdem, so das Landgericht, habe auch die Klägerin in dem Ursprungsverfahren keine Anstrengungen unternommen um sich nach einem etwaigen Bearbeitungsstand eines zu erwartenden Kostenfestsetzungsverfahrens zu erkundigen.

Anmerkung:   Die dogmatische Begründung des Landgerichts lässt eher auf einen Versuch einer krampfhaften Verhinderung von Amtspflichtansprüchen im Zusammenhang mit zeitlich begründeten Umständen schließen, als auf einer rechtlich verantwortlichen Aufbereitung.

Dies fängt bereits an mit der Frage, wem gegenüber die Amtspflicht zur gebotenen Beschleunigung (die auch vom Landgericht erkannt wurde) obliegt. Hier negiert das Landgericht eine Amtspflicht gegenüber dem Kostenschuldner. Begründet wird vom Landgericht lediglich damit, dass Sinn der Verfahrensgestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens die zügige Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels für den Kostengläubiger, die die Verkürzung einer Zinszahlungspflicht für den Kostenschuldner wäre. Diese Auffassung des Landgerichts erschließt sich allerdings nicht aus den rechtlichen Grundlagen, auch nicht jenen, auf die sich das Landgericht selbst bezieht.  Im Gegenteil. Das Landgericht hat im Hinblick auf die allgemeine Amtspflicht zur Verfahrensbeschleunigung Bezug genommen auf einen Aufsatz von Remus (in NJW 2012, 1403ff). In diesem Aufsatz hat sich Remus mit der Amtshaftung des Richters bei verzögerter Amtstätigkeit vor und nach Einführung der §§ 198ff GVG auseinandergesetzt, ohne allerdings die entsprechende Differenzierung zwischen Kläger/Antragsteller und Beklagter/Antragsgegner vorzunehmen. Grundlage ist, worauf auch Remus (aaO.) verweist, Art 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK:

„Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

„Jede Person“ bedeutet, eine Differenzierung zwischen dem Interesse eines Klägers(Antragstellers und dem Beklagten/Antragsgegner hat zu unterbleiben. Damit ist auch die Amtspflicht nach § 839 BGB iS. der Konvention auszulegen. Dies hat das Landgericht verkannt. Vergleicht man zudem auch die §§ 198ff GVG, die 2011 eingeführt wurden, verdeutlicht sich, dass auch nach der gesetzgeberischen Intention bei der Verzögerung für einen Schadensersatzanspruch in Übereinstimmung mit Art. 6 EMRK nicht auf die Parteistellung abgestellt wird.

Offenbar hatte das Landgericht bei seiner Entscheidung in Bezug auf den Begünstigten einer Amtspflicht selbst Bedenken und hat dann  - mit einem kurzen Nachsatz -  ein Eigenverschulden der Klägerin darin gesehen, dass diese es unterließ, auf den Stand eines „zu erwartenden“ Kostenfestsetzungsantrag zu erkundigen. Damit gibt das Landgericht den Parteien eines Rechtstreites weiterhin eine Überprüfung von Aktenständen qua Anfragen bei Gericht auf.

Schon nicht ersichtlich ist allerdings, weshalb eine Partei sich im Falle ihres Unterliegens nach einem möglichen Eingang eines Kostenfestsetzungsantrag erkundigen sollte, kann sie doch an sich davon ausgehen, dass die /Gerichts-) Verwaltung korrekt und gesetzesmäßig arbeitet, also über mögliche Anträge informiert. Und: In welchen Abständen soll dies widerholt  werden ? Die Kostenentscheidung in einem Urteil verjährt erst nach 30 Jahren; innerhalb dieser Frist kann mithin der Kostenfestsetzungsantrag gestellt werden. Sieht eine Partei  - aus welchen Gründen auch immer -  von einer Antragstellung ab, müsste nach dieser Entscheidung des Landgerichts die unterlegene Partei gleichwohl regelmäßig (monatlich ?) nachfragen. Dass dies zu einem erheblichen Mehraufwand, sowohl bei der betroffenen Partei (und deren Prozessbevollmächtigten) als auch bei Gericht führt (wobei die Anfragen in Ansehung von zu erwartenden Nichtbeantwortungen letztlich wohl gar noch durch Dienstaufsichtsbeschwerden unterlegt werden müssten) dürfte ohne weiteres auf der Hand liegen. Allerdings ist auch nicht einsichtig, dass bei Unkenntnis eine Anfrage zur Absicherung erfolgen müsste; etwas anders wäre nur der Fall, wenn ein Antrag bekannt ist und eine Verbescheidung ausbleibt; in diesem Fall wird man eine Anfrage (oder Rüge iSv. § 198 GVG) wohl erwarten dürfen.

Das Landgericht hatte (leider) ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, weshalb hier eine obergerichtliche Überprüfung nicht ermöglicht wurde. Die Konsequenz wird wohl sein, dass tatsächlich zeitnah (und wiederholend) Anfragen zu möglichen Kostenfestsetzungsanträgen gestellt werden müssen (zur Freude des Anwalts und der Rechtspfleger). 

LG Frankenthal, Urteil vom 24.02.2016 - 3 O 395/15 -

Samstag, 26. März 2016

Fahrtenbuchauflage: Unbekannter Fahrer und ein möglicher Punkt

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Das OVG Münster  stimmte, wie die Vorinstanz, der Verwaltung zu, die gegen den Kläger eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von einem Jahr verhängte. Hintergrund der Fahrtenbuchauflage war gewesen, dass mit dem Fahrzeug des Klägers ein verkehrsverstoß begangen wurde, der nach dem neuen Punktesystem zum 1.5.2015 nach Anlage 13 zur FeV mit jedenfalls einem Punkt zu bewerten sei. Da der Fahrer nicht ermittelt werden konnte, erging gegen den Halter die Fahrtenbuchauflage.


Das OVG Münster ließ die Berufung gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht zu. Es verwies darauf, dass der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung habe, wobei es nicht darauf ankommen würde, ob eventuell andere Verwaltungsträger als der hier zuständige anders entscheiden würde. Darüber hinaus sei die Entscheidung auch nicht fehlerhaft.

Die Fahrtenbuchauflage ist nach der Auffassung des OVG eine probate Maßnahme, wenn ein erheblicher Verkehrsverstoß vorläge und der Fahrer nicht ermittelt werden könne. Mit der Fahrtenbuchauflage wird sichergestellt, das im Wiederholungsfall der Fahrer durch Einsicht in das Fahrtenbuch ermittelt werden kann. Die  - für die Fahrtenbuchauflage notwendige -  Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes ließe sich aus dem Punktesystem ableiten. Nach der Reform des Punktesystems zum 1.5.2015 decke ein Punkt eine große Spanne von Verkehrsverstößen ab, wobei nah diesem neuen System Punkte nur noch vorgesehen wären für Verkehrsverstöße, die die Verkehrssicherheit tatsächlich beeinträchtigen würden.


OVG Münster, Beschluss vom 13.01.2016 – 8 A 1030/15 -

Mittwoch, 23. März 2016

Architekt: Mehrforderung nach Schlussrechnung bei Unterschreitung des Mindesthonorars

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Der Architekt hat mit dem Bauherrn eine Pauschale von € 60.000,00 zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart und Abschlagsrechnungen erstellt. Die letzte Abschlagsrechnung zahlte der beklagte Bauherr zunächst nicht, da er Einwendungen (so eine Nichteinhaltung einer Fertigstellungsfrist) erhob. Als er schließlich den Rest zahlte, quittierte ihm dies der Architekt mit der Angabe „Restbetrag von der Abschlussrechnung für Architekt-Honorar“.

Im Nachgang erstellte der klagende Architekt eine Teilschlussrechnung unter Anrechnung der erfolgten Zahlungen und erhöhte diese im Laufe des Rechtsstreits auf Grund geänderter Kostenrechnung.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die von beiden Parteien eingelegte Berufung wies das OLG die Klage ab. Der BGH  hob auf die Berufung des Klägers das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Nach Auffassung des OLG, der sich der BGH anschloss, wäre der Architekt grundsätzlich nicht an seine ursprüngliche Rechnung gebunden und könne von daher auch trotz erteilter Schlussrechnung weitergehende Forderungen geltend machen. Da allerdings zwischen der Zahlung auf die Schlussrechnung und der neuen Rechnung ein Jahr vergangen sei, wäre er nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an einer weitergehenden Berechnung gehindert. Dieser Auffassung folgte der BGH nicht.

Voraussetzung für den auf § 242 BGB begründeten Ausschluss der Nachberechnung wäre, dass sich der beklagte Bauherr auf den abschließenden Charakter der Schlussrechnung eingerichtet habe. Es gäbe keine allgemeine Lebenserfahrung, dass sich ein Auftraggeber nach Ablauf einer gewissen Zeit darauf eingerichtet hat, nichts mehr zahlen zu müssen. Hierzu müsse der beklagte Bauherr vortragen. Gleiches gelte für eine sodann vorzunehmende Prüfung der Unzumutbarkeit weiterer Zahlungen durch den Bauherrn; auch diese sei nicht alleine durch Zeitablauf anzunehmen, sondern müsse sich gerade durch eine durch die Nachforderung bedingte zusätzliche Belastung als besondere Härte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergeben. Der Umstand als solcher, dass der Architekt eine weitergehende Honorarforderung auf der Grundlage der Mindestsätze der Honorarordnung (HOAI) geltend mache, führe nicht zur Unzumutbarkeit; entscheidend sei, welche Maßnahmen der Auftraggeber im Hinblick auf ein schützenswertes Interesse unternommen bzw. unterlassen habe (so bereits BGH, Urteil vom 23.10.2008 – VII ZR 105/07 -).


BGH, Urteil vom 19.11.2015 – VII ZR 151/13 -

Freitag, 18. März 2016

Versicherungsrecht: Kein Anspruch auf von Versicherung eingeholte Gutachten, es sei denn, § 242 BGB greife im Einzelfall (hier verneint)

Der Kläger verlangte Herausgabe von einem oder Einsichtnahme in ein vom Versicherer der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeholtes Gutachten. Unabhängig davon, ob der Kläger als Miteigentümer der WEG überhaupt ein eigenes Recht hat, hat das Landgericht diesen Anspruch in der Sache verneint. Es musste, da sich zwischenzeitlich die Hauptsache erledigte (§ 91a ZPO) nur noch im Rahmen eines Kostenbeschlusses entscheiden.

Für den geltend gemachten Anspruch fehlte es nach Auffassung des Landgerichts an einer Rechtsgrundlage.

§ 3 Abs. 4 VVG sei nur für die dort konkret benannten Umstände anwendbar und träfe auf Gutachten nicht zu.

§ 202 VVG betrifft lediglich Gutachten im Krankenversicherungsbereich, nicht in den sonstigen Versicherungszweigen (die hier betroffen waren).

Auch § 810 Alt. 1 BGB kommt nach Auffassung des Landgerichts nicht in Betracht. Voraussetzung wäre, dass das Gutachten zumindest auch im Interesse desjenigen erstellt wurde, der die Herausgabe/Einsicht fordert. Wird das Gutachten vom Versicherer eingeholt, um eine eigene Leistungspflicht festzustellen, kommt diese Annahme nach Der Entscheidung des Landgerichts nicht in Betracht. Der Versicherer handele lediglich im eigenen Interesse und nicht auch um eine Aufgabe des Versicherungsnehmers bzw. Versicherten wahrzunehmen.

Auch ein auf § 242 BGB (Treu und Glauben) gestützter Anspruch scheide aus. Dies wurde vorliegend deshalb verneint, da der Kläger zunächst versucht habe im Rahmen der Leitungswasserversicherung resultierende Schäden über diese Versicherung abzurechnen. Dies sei unredlich gewesen; § 242 BGB greife aber nur, wenn sich derjenige, der sich auf § 242 BGB beruft, selbst redlich verhält.


LG München I, Beschluss vom 14.10.2015 – 26 O 8341/15 -

Donnerstag, 17. März 2016

Anwaltsregress: Umfassender Sachvortrag und rechtliche Würdigung zu allen Anspruchsgrundlagen ist erforderlich

„Fasse Dich kurz“ – ein Aufkleber aus alten Zeiten in Telefonzellen. Dieser Grundsatz soll jedenfalls aber nicht in anwaltlichen Schriftsätzen gelten, folgt man hier dem BGH. Danach hat der Anwalt „die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen“. In diesem Zusammenhang weist der BGH auch darauf hin, dass aus dem Grundsatz „iura novit curia“ („Das Recht kennt der Gerichtshof“) keine Einschränkung der Verpflichtung des Anwalts hergeleitet werden könne.

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Der BGH musste sich (wieder einmal) mit einem Anwaltsregress befassen. In dem Vorprozess hatte der beklagte Anwalt die Klägerin im Zusammenhang mit einem Schadensfall aus einem Speditionsgeschäft vertreten. In dem Verfahren war streitig, welches Versicherungsrisiko von dem Spediteur eingedeckt werden sollte. Der Klage wurde lediglich im geringen Umfang stattgegeben. Im Rahmen des Regresses machte nun die ehemalige Mandantin geltend, der Beklagte habe im Ausgangsverfahren nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Spedition zur Eindeckung einer Allgefahrenversicherung verpflichtet gewesen sei. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab; der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Zutreffend verweist der BGH in seiner Entscheidung darauf, dass im Zivilrechtsstreit grundsätzlich die Beibringung des Tatsachenstoffs Sache der Parteien ist. Allerdings, so der BGH, ist der Anwalt verpflichtet, über den Tatsachenvortrag hinaus „das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist“. Kommen verschiedene Rechtsgründe in Betracht, muss der Anwalt alle Rechtsgründe ins Feld führen und den Sachvortrag so gestalten, dass alle Gründe auch konkret dem Gericht dargelegt werden.

Im konkreten Fall hielt der BGH dem verklagten Anwalt allerdings vor, dass er den Terminus der All-Risk-Versicherung nicht erläutert habe. Hier würde es sich nicht um einen einfachen Rechtsbegriff (wie z.B. Eigentum) handeln, weshalb zum substantiierten Vortrag die Erläuterung des damit versicherten Risikos gehört.

Anmerkung: Bekanntlich wird ein Rechtsstreit nicht von den Anwälten sondern vom Gericht entschieden. Von daher ist an sich bereits unverständlich, weshalb der Anwalt nach Auffassung des BGH letztlich das Gericht belehren soll, gegebenenfalls sogar penetrant belehren soll, damit es die von ihm vertretene (eventuelle sogar zutreffende) Auffassung teilt. Der Verfasser muss sich häufig den Hinweis des Gerichts anhören, man würde auch die Rechtsnorm, die Rechtsprechung pp. kennen; lapidar wird daher dann immer darauf hingewiesen, dass dies sein möge, der BGH aber in seinen Haftungsprozessen gegen Anwälte offenbar andere Auffassung sei.

Richtig ist im vorliegenden Verfahren des BGH, dass natürlich nicht nur der Name der konkret abgeschlossenen Versicherung zu benennen war, sondern auch der dahinter stehende Versicherungsumfang zu benennen war, da es gerade um den Versicherungsumfang in dem Rechtsstreit ging. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Richter in der Materie der Bezeichnung bestimmter Versicherungen firm ist, unabhängig davon, dass es sich nicht um gesetzliche Einordnungen handelt sondern um versicherungsvertragliche Bestimmungen und damit notwendig Gegenstand eines Sachvortrages sein muss, unabhängig davon, dass eine Definition des Inhalts in den Fachkommentaren zu finden wäre. Allerdings: Hätte nicht der Richter auf die fehlende Darlegung nach § 139 ZPO hinweisen müssen ?


BGH, Urteil vom .12.2015 – IX ZR 272/14 -

Mittwoch, 16. März 2016

Nachbarschaftsrecht: Laubbefall durch herüberhängende Äste

Nur selten wird man in der glücklichen Lage sein, sich seinen Nachbarn aussuchen zu können. Und so gehören Nachbarstreitigkeiten zu den gerichtlichen Verfahren, die immer wieder anzutreffen sind, und bei denen letztlich nicht „die Sache“ selbst ursächlich ist, sondern  der Streit zwischen den Nachbarn. Fälle, in denen ein Richter selten eine Chance hat, eine gütliche Einigung zu bewirken (die regelmäßig auch vorher schon vor dem Schiedsmann ausblieb).


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Zu einen der Gründe für häufige nachbarschaftliche Auseinandersetzungen gehört der Bewuchs im Nachbargarten. So musste sich das OLG Brandenburg mit der Frage auseinandersetzen, ob Äste. Die mehrere Meter herüberragen, geduldet werden müssen. Neben den Regelungen des BGB sind die einschlägigen Nachbarschaftsgesetze der Länder zu berücksichtigen.

Klar wird vom OLG Brandenburg ausgeführt, dass der beeinträchtigte Nachbar vorliegend einen Anspruch auf Beseitigung des Überhangs nach §§ 1004 Abs. 1, 910 BGB habe, wenn sich ein Duldungsanspruch nicht ergibt. Insbesondere müsse er hier auch die von dem Überhang ausgehende Beeinträchtigung nicht nach § 910 Abs. 2 BGB dulden. Zwar wäre eine Beschattung vorliegend kein Grund, auch nicht ein gelegentliches Herabfallen von Eicheln; allerdings würde sich das Herabfallen des Laubs und der Kiefernadeln der Bäume als nicht unerhebliche Beeinträchtigung darstellen, da nach einem Sachverständigen 3 Kubikmeter im Jahr anfallen sollen.

Auch wenn die Frist für die Geltendmachung des Grenzabstandes nach dem Nachbarschaftsgesetz abgelaufen ist, hindere dies nicht die Ansprüche aus §§ 1004, 910 BGB. Allerdings käme ein Rückschnitt nicht in Betracht, wenn dieser genehmigungsfrei ist oder eine Genehmigung erteilt wird; wird eine erforderliche Genehmigung nicht erteilt, würde dem Kläger ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehen (dessen Höhe in dieser Entscheidung nicht gegenständlich war).


OLG Brandenburg, Urteil vom 17.08.2015 – 5 U 109/13 -

Dienstag, 15. März 2016

AGB: Zur Anwendbarkeit der Unklarheitenregel des § 305c BGB

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In § 305c Abs. 2 BGB ist geregelt, dass Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) zu Lasten des Anwenders gehen. Der BGH hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann diese Reglung eingreift.


Nach der Entscheidung des BGH sind zunächst alle in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Damit stellt er auf §§ 133, 157 BGB ab und führt aus, AGB sind „nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden“. Dabei darf sich nicht am Willen der konkreten Vertragspartner orientiert werden, sondern ist vom Wortlaut auszugehen. Wenn nach dieser Auslegung zumindest zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind, kommt die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zum tragen. Allerdings bleiben bei dieser Prüfung Verständnismöglichkeiten außer Betracht, die zwar rein theoretisch möglich sind, die aber praktisch fern liegen und für Geschäfte der behandelten Art typischerweise nicht in Betracht kommen.

Vor diesem Hintergrund hat der BGH eine Klausel in einem Wohnraummietvertrag, wonach „spätestens am 30. Juni jeden Jahres über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen“ ist, nicht dahingehend verstanden werden kann, dass dies zur einer Ausschlusswirkung führt, wenn später die Abrechnung erfolgt.


BGH, Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 152/15 -

Donnerstag, 10. März 2016

Internet: Verantwortung für Links

Der BGH hatte sich damit auseinanderzusetzen, ob der Betreiber einer Internetseite für den Inhalt von verlinkten Seiten verantwortlich ist und welche Maßnahmen er ergreifen muss, wenn ihm mitgeteilt wird, der Inhalt der verlinkten Seite enthalte Rechtsverletzungen.

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Grundlage der Entscheidung war die Internetseite (Homepage) eines Orthopäden (Beklagter), der für eine Implantat-Akupunktur auf seiner Seite warb, bei der dem Patienten im Bereich der Ohrmuschel winzige Nadeln subkutan implantiert werden. Für „weitere Informationen auch über die Studienlage“ fügte er am Ende seines Textes einen elektronischen Verweis (Link) auf die Seite eines Forschungsverbandes Implantat-Akupunktur e.V. ein. Die Unterseiten der über diesen Link erreichbaren Startseiten beinhalten nach Auffassung des Verbandes Sozialer Wettbewerb e.V. irreführende Inhalte.  Der Kläger mahnte den Beklagten ab, der daraufhin den Link entfernte, aber weder die Abmahnerklärung abgab noch die Abmahnkosten entrichtete. Das Landgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß; das OLG Köln wies auf die Berufung des Beklagten die Klage ab. Die vom Kläger eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

Im Rahmen seiner Entscheidung wies der BGH darauf hin, dass alleine der Umstand, dass das Setzen des Links eine geschäftliche Handlung darstelle, noch keine Haftung begründet würde. Zu unterscheiden wäre, ob sich derjenige, der den Link setzt, den Inhalt der verlinkten Seite zu eigen macht oder nicht.

Macht sich der Betreiber einer Internetseite mit dem Setzen des Links den Inhalt der verlinkten Seite zu eigen, haftet er selbst als Störer wie bei eigenen Informationen. Dies wurde vorliegend verneint. Alleine der elektronische Verweis wäre nicht wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells des Beklagten; über den Verweis wären auch nicht Inhalte zugänglich, in denen offen oder verdeckt für Produkte des  Beklagten geworben würde. Der Verweis hätte auch nicht zur Vervollständigung des eigenen Behandlungsangebotes des Beklagten gedient, noch konnte dies aus der Einbettung des Links im Text so verstanden werden. Es hätte sich hier nicht um einen sogen. Deeplink gehandelt, der direkt zu den beanstandeten Aussagen führt, sondern lediglich zu der unbedenklichen Startseite des Forschungsverbandes. Vielmehr handelt es sich um einen Verweis am Ende eines Textes, mittels dem dem Leser die Möglichkeit eröffnet wird, sich selbständig weitere Informationen zu einem bestimmten Thema zu beschaffen.

Auch wenn damit der Beklagte nicht als Störer haftet, käme noch eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht. Diese kann sich auch aus dem Setzen eines Hyperlinks auf die Seite eines Dritten ergeben, da die Gefahr der Verbreitung rechtswidriger Inhalte dadurch vergrößert wird. Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht konkretisiert sich als Prüfungspflicht, wobei es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen eine Prüfung nach den Umständen zumutbar ist. Dies orientiert sich, so der BGH, an dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwandt wird und danach, welche Kenntnis der den Link Setzende davon hat, dass auf rechtwidrige Inhalte verwiesen wird. Ist die Rechtswidrigkeit nicht ohne weiteres erkennbar, wie es hier angenommen wurde, kann eine Haftung nur noch dann begründet sein, wenn der Setzende den Hyperlink aufrechterhält, obwohl er eine Abmahnung erhält und von daher eine gesteigerte Prüfungspflicht hat. Zu berücksichtigen sei aber immer, dass nach dem GEBOT DER Meinungs- und Pressefreiheit Hyperlinks in Ansehung der Fülle von Informationen im Internet nicht als solche eingeschränkt werden dürfen. Das bedeutet, dass derjenige, der den Hyperlink setzt, nicht schon alleine deshalb eine Prüfung des Inhalts vornehmen muss.

Da hier der Beklagte nach Zugang der Abmahnung den Hyperlink gelöscht hat, spräche nichts dafür, dass er bereits vor der Abmahnung Kenntnis von möglichen Täuschungen auf der verwiesenen Seite hatte. Damit kommt eine Haftung nicht in Betracht und war er weder gehalten, die Abmahnerklärung abzugeben noch die Abmahnkosten zu zahlen.


BGH, Urteil vom18.06.2015 – I ZR 74/14 -

Dienstag, 8. März 2016

Steuerliche Wertbemessung: Satt Geld als Gegenleistung Sachgüter

Der Sachverhalt ist einfach und könnte sich nicht nur in dem hier fraglichen  Finanzbereich wiederholen, sondern bei Abschaffung von Bargeld in etlichen  Bereichen (mit anderen Produkten): Der Kläger veräußerte und übertrug ihre Beteiligung an der N-AG  von 47.992 Stückaktien an die U-AG, die dafür der Klägerin 174.194 Stückaktien  von ihr zu einem vereinbarten Ausgabekurs von € 24,00/Aktie. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung wurde am 13.12.2002 im Handelsregister eingetragen; der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.02.2002 € 18,69, am 13.12.2002 € 2,20.

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Der Kläger hat den Veräußerungsgewinn seiner Aktien an der N-AG mit € 2,20/Aktie bewertet, was das Finanzamt (FA) zunächst auch zugrunde legte. Nach einer Kontrollmitteilung in 2007 ändert das FA dies und bewertete nunmehr die Aktien mit € 18,69/Stück. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg; auf die Revision gab der BFH der Klage statt.

Der BFH stellt auf den tatsächlich erzielten Veräußerungserlös ab, § 16 Abs. 2 EStG. Das würde bedeuten, dass später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen sind, als der Erwerber noch nicht erfüllt hat (also nicht gezahlt hat). Der Grund für die dadurch bedingte Minderung oder Erhöhung ist dabei unbeachtlich. Diese Grundsätze gelten auch bei der Ermittlung des Veräußerungspreises, § 17 Abs. 2 EStG.

Die Grundsätze wären auch bei der Bewertung von Sachgütern beachtlich (und insbesondere würde nicht die Entscheidung des Großen Senats (BFHE 172,66) dagegen sprechen). Nach diesen Begründung und unter Berücksichtigung des Willens des historischen Gesetzgebers wären Wertveränderungen zwischen der Begründung der Forderung und ihrer Erfüllung zu berücksichtigen; insbesondere die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und dessen Abgrenzung vom laufenden Gewinn würden es gebieten im Sinne einer sachgerechten und an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen.


BFH, Urteil vom 13.10.2015 – IX ZR 43/14 -

Freitag, 26. Februar 2016

GmbH: Mischeinlage und deren Einbringung

Das Mindestkapital einer GmbH beträgt € 25.000,00, welches bei einer Ein-Mann-Gesellschaft zum Zeitpunkt des Eintragungsantrages zum Handelsregister vollständig eingelegt sein muss, demgegenüber bei einer Gesellschaft mit mehreren Gesellschaftern lediglich auf jede Einlage 25% tatsächlich eingezahlt sein müssen. Diese gesetzlichen Regelungen sind klar.


Was aber ist, wenn ein Gesellschafter einen Anteil von € 15.000,00 des Kapitals zum einen in Form hier der Einbringung eines PKW im Wert von € 9.725,00, im übrigen (also in Höhe von € 5.275,00) durch Bareinlage zu erbringen hat ? Die Beschwerdeführer vertraten die Auffassung, die Einbringung des PKW wäre ausreichend, die Bareinlage könne später erbracht werden. Dem folgten das AG Walsrode oder im Rahmen des Beschwerdeverfahrens das OLG Celle nicht. Das OLG Celle verweist auf § 7 Abs. 3 GmbHG, wonach die Sacheinlage vor Eintragung im Handelsregister zu erbringen ist (was hier auch geschah). Da allerdings § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG die Einzahlung von mindestens ¼ auf die Bareinlage vorsieht, soweit nicht Sacheinlagen zu erbringen sind, würde diese Norm auch bei einer Mischeinlage, wie hier, greifen.

Sowohl die fehlerhafte satzungsrechtliche Regelung als auch die unterlassene Einbringung hindern jeweils für sich die Wahrung der Gesellschaft im Handelsregister.


OLG Celle, Beschluss vom 05.01.2016 – 9 W 150/15 -

Donnerstag, 25. Februar 2016

Bauträger: Haftung bei Sichtbehinderung entgegen der Prospektangabe

Werbematerialien eines Bauträgers können eine Beschaffungsvereinbarung begründen (Brandenburgisches OLG vom 26.05.2013 – 12 U 115/12 -).  Dies gilt nicht nur für die Beschaffenheit des Bauobjekts als solchem. Das OLG Frankfurt hatte zu entscheiden, wie die Angaben des Bauträgers im Verkaufsprojekt bezüglich der Aussicht zu verstehen sind. Dort hatte der Bauträger ausgeführt, von einer Südterrasse wären die Türme der Stadt zu sehen und eine Wohnung im Erdgeschoss wurde mit den Worten beworben, von dort gäbe es einen unverbaubaren Skyline-Blick.

Die Angaben im Prospekt waren auch in Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Erstellung des Prospekts und des Verkaufs als auch noch bei Übergabe an den Käufer richtig gewesen. Allerdings erfolgte späterhin eine sichtbehindernde Bebauung. Die Käufer verlangten daher die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Das OLG führte zur Begründung aus, die Sichtbehinderung stelle eine nachvertragliche Pflichtverletzung dar. Es verweist darauf, dass die Rechtsprechung eine nachvertragliche Pflichtverletzung z.B. darin sehen würde, dass der Bauträger das Restgrundstück bebaut wird oder anders bebaut wird als zugesagt. Daraus würde deutlich, dass das Integritätsinteresse des Käufers geschützt werden soll. Da hier der Bauträger selbst die Verbauung vorgenommen habe, hätte er dies auch nach § 280 Abs. 1 BGB zu vertreten.

Anmerkung: Wenn, wie hier, von „unverbaubar“ die Rede ist, muss m.E. nicht mehr geprüft werden, ob die Verbauung deshalb zu vertreten ist, da sie von dem Bauträger selbst vorgenommen wurde. Vorliegend hatte sich der Bauträger, nach den Entscheidungsgründen, auch darauf berufen, dass ein Dritter auch die Verbauung vorgenommen hätte. Das OLG wies lediglich diesbezüglich darauf hin, dass – sollte dies stimmen – weder eine ordnungsgemäße Aufklärung des Käufers vorläge noch das vermutete Verschulden beseitigt würde. Wenn, wie hier, der Bauträger auf den Skylineblick werbemäßig (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) abstellt, so muss er auch dafür einstehen. Er hätte mithin entweder bereits im Prospekt, spätestens aber bei Protokollierung darauf verweisen müssen, unter welchen Umständen (z.B. Abweichung von einem Bebauungsplan oder Änderung desselben pp.) diese Aussage keine Bedeutung hat.


OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.2015 – 3 U 4/14 -

Dienstag, 23. Februar 2016

Betriebskostenabrechnung: Zulässigkeit der Angabe der Gesamtkosten ohne Aufschlüsselung

Immer mehr Hürden hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren für eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechung aufgestellt. Entspricht die Abrechnung nicht diesen Vorgaben, ist sie bereits formal fehlerhaft mit der Folge, dass daraus nicht nur kein Anspruch hergeleitet werden kann, sondern auch eine Berichtigung außerhalb der Jahresfrist des § 536 Abs. 3 BGB nicht mehr möglich ist.
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Nach der Entscheidung des BGH vom 14.02.2007 – VIII ZR 1/06 – musste der Vermieter die Gesamtkosten der einzelnen Kostenarten auch insoweit mitteilen, als sie nicht umlagefähig sind; im Rahmen der Abrechnung musste er darlegen, inwieweit die Gesamtkosten umlagefähig sind und diese dann entsprechend dem einschlägigen Umlageschlüssel umlegen. Begründet wurde dies damit, dem einzelnen Mieter müsse ersichtlich sein, ob und in welcher Höhe nicht umlagefähige Kosten vorab abgesetzt würden, da auch dies Einfluss auf die dem Mieter angelasteten Kosten habe.

Diese noch in der Entscheidung vom 12.10.2013 – VIII ZR 32/13 – vom BGH bestätigte Rechtsprechung änderte er nunmehr mit Urteil vom 20.02.2016 – VIII ZR 93/15 -. In dieser neuen Entscheidung wies der Senat darauf hin, dass er mehrfach betont habe, dass an die Abrechnungen der Betriebskosten nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen. Zu einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung gehöre danach nicht, diejenigen Zwischenschritte offen zu legen, mit denen der Vermieter aus kalenderübergreifenden Abrechnungen die auf das abzurechende Kalenderjahr entfallenden Betriebskosten ermittelt. Der Mieter könne ohnehin aus der Abrechnung nicht alle Rechenschritte ablesen, die für die Erstellung erforderlich waren, weshalb stets die Angabe der Gesamtkosten einer Kostenposition  ausreichend wäre. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat auch nicht für erforderlich, für „bereinigte“ Kosten eine Aufteilung der umlagefähigen und nicht umlagefähigen Kosten einer Kostenposition in die Abrechnung aufzunehmen, weshalb es ausreichend sei, wenn für die entsprechenden Kostenpositionen nur die Gesamtkosten benannt werden, die umgelegt werden.


BGH, Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 93/15 -

Sonntag, 21. Februar 2016

Auseinandersetzung der zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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Streit bereitet immer wieder die Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 705ff BGB. Dabei sind für die zweigliedrige GbR (bestehend nur aus zwei Gesellschaftern) von der Rechtsprechung Sonderlösungen vorgesehen, die zu einer Vereinfachung führen sollen. So ist eine vereinfachte Geltendmachung eines Auseinandersetzungsguthabens möglich, wenn die Gesellschaft aufgelöst und kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist.

Der BGH bestätigt, dass eine Auseinandersetzungsbilanz in einem solchen Fall nicht notwendig ist. Der klagende Gesellschafter können den Mitgesellschafter direkt in Anspruch nehmen, wobei in diesem Verfahren dann über die Richtigkeit der Schlussrechnung zu entscheiden ist. Der Kläger müsse lediglich den Anspruch nachvollziehbar darlegen, wobei eine Hin- und Herzahlung vermieden werden muss und eine Durchsetzungssperre bezüglich einzelner Rechnungsposten nicht bestehen darf.


BGH, Urteil vom 13.10.2015 – II ZR 214/13 -

Freitag, 19. Februar 2016

Leistungsverweigerungsrecht und Verjährung

Die wechselseitigen Ansprüche eines Werkvertrages unterliegen keiner einheitlichen Verjährung. Was also ist, wenn die Mängelansprüche des Bestellers verjährt sind, der Werklohnanspruch des Unternehmers aber noch nicht ?

Das Oberlandesgericht war der Annahme gewesen, der Besteller habe wegen bestimmter Mängel kein Leistungsverweigerungsrecht, da bereits Verjährung der Ansprüche eingetreten sei. Dem folgt der BGH nicht. Er weist darauf hin, dass der Besteller wegen eines Mangels der Werkleistung auch nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche gem. § 215 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen kann, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährung in Erscheinung getreten ist und daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit hätte gestützt werden können. Nicht erforderlich sei, dass noch in nicht verjährter Zeit das Leistungsverweigerungsrecht auch tatsächlich ausgeübt worden wäre.


BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 144/14 -

Samstag, 6. Februar 2016

Arbeitsrecht: Anrechnung von Praktikum oder vorangegangenes Arbeitsverhältnis auf Probezeit für nachfolgendes Ausbildungsverhältnis ?

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Die Antwort auf diese Frage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist deutlich: Nein.

Der Kläger hatte gegen eine Kündigung seines Berufsausbildungsverhältnisses geklagt und Weitebeschäftigung begehrt. Er machte dabei geltend, auf die vereinbarte Probezeit von drei Monaten wäre das Praktikum von ihm im Betrieb anzurechnen.


Das BAG wies darauf hin, dass nach § 20 Satz 1 BBiG eine Probezeit zu vereinbaren ist. Dabei ist die Besonderheit des Ausbildungsverhältnisses von Arbeitsverhältnissen zu berücksichtigen: Während der Arbeitnehmer nach § 611 BGB die Erbringung vertraglich geschuldeter Leistungen gegen Entgelt schuldet, wird vom Auszubildenden sein bemühen gefordert, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erlernen, die für das Ausbildungsziel erforderlich ist. Damit scheidet von vornherein die Anrechnung eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses aus, da die Probezeit dem speziellen Ziel des Ausbildungsverhältnisses geschuldet wird. Dies gilt auch für ein vorangegangenes Praktikum, da dieses nach der gesetzlichen  Intention des § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG keine Berufsausbildung darstellt.


BAG, Urteil vom 19.11.2015 – 6 AZR 844/14 -

Sonntag, 31. Januar 2016

Werkvertrag: Prognoserisiko bei Mängelbeseitigungsmaßnahme

Die Werkleistungen des Klägers waren in Teilbereichen mangelhaft gewesen. Da der Kläger eine Mängelbeseitigung endgültig ablehnte, nahm der Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Streitverkündeten eine Ersatzvornahme vor, im Rahmen derer er gemäß dem Gutachten den mangelhaften Bodenbelag neu herstellen ließ.

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Gegen den mit der Klage vom Kläger geltend gemachten Werklohnanspruch erklärte der Beklagte Aufrechnung mit seinen Aufwendungen für die Mängelbeseitigung. Das Landgericht hielt einen Kostenaufwand für die Mängelbeseitigung von € 3.138,80 für ausreichend und verurteile den Beklagten im übrigen. Es ging, gestützt auf ein im gerichtlichen verfahren eingeholtes Gutachten, davon aus, dass eine Nachbesserung möglich gewesen wäre und die hier geltend gemachten Mehrkosten der Neuherstellung nicht verlangt werden könnten.

Dem schloss sich das OLG Oldenburg nicht an. Auf die Berufung des Streithelfers änderte es das landgerichtliche Urteil ab und wies die Klage ab, soweit vom Beklagten Kosten für die Neuherstellung zur Aufrechnung gestellt wurden. Es wies auf die Entscheidung des BGH vom 07.03.2013 – VII ZR 119/10 – hin, derzufolge das Prognoserisiko nicht den Besteller sondern den Unternehmer trifft. Der Auftraggeber könne Erstattung der fremdnachbesserungskosten verlangen, die er als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte. Hat er sich dabei sachverständig beraten lassen, kann er regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die  ihm auf Grund der Beratung entstanden sind; das Risiko einer Fehleinschätzung trägt in einem solchen Fall der Auftragnehmer (Werkunternehmer).

Da vorliegend der Streithelfer anerkannter Sachverständiger war, hat der Kläger für die durch dessen Empfehlung entstandenen Kosten unabhängig davon aufzukommen, dass möglicherweise die Maßnahme (so) nicht erforderlich war.

OLG Oldenburg, Urteil vom 04.08.2015 – 2 U 15/15 -

Freitag, 29. Januar 2016

Mieterhöhung und Flächenabweichung bei Mietobjekt

Wird bei Abschluss eines Mietvertrages eine bestimmte Fläche aufgenommen, so kommt dem auch grundsätzlich Bedeutung zu. In dem vom BGH zu beurteilenden Fall war eine Wohnfläche von 156,85m² benannt; ein später veranlasstes Aufmaß ergab eine Wohnfläche von 210,43m².

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Die Klägerin verlangte eine Mieterhöhung von bisher € 629,75 auf dann € 937,52. Dies stützte sie darauf, dass sie wegen Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Wohnfläche um 33,95% dazu berechtigt wäre, auf € 843,06 zu erhöhen. Weiterhin machte sie geltend, dass sie auch nach § 558 BGB unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze von 15% weitere € 94,46 begehren könne, insgesamt also € 937,52. Der Beklagte stimmte der Erhöhung lediglich um € 94,46 zu. Die Zustimmungsklage der Klägerin ist in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Die Wohnflächenangabe im Mietvertrag stelle sich, so der BGH, im Allgemeinen als eine Festlegung der Sollbeschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung dar.  Der BGH weist darauf hin, dass er von daher auch in ständiger Rechtsprechung davon ausgehen würde, dass ein Mangel vorliegen würde, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% unter der angegebenen Wohnfläche liegen würde. Allerdings würde er an seiner weiteren bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhalten, demzufolge Abweichungen der Wohnungsgröße bis zu 10% bei der Bestimmung der Miethöhe unbeachtlich wären. Für den Abgleich der begehrten Mieterhöhung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete sei alleine die tatsächliche Größe der Mietwohnung relevant.

BGH, Urteil vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 -

Sonntag, 24. Januar 2016

Leitungswasserschaden: Ansprüche auch bei Weiterentwicklung des Schadens nach Übergang der Versicherung auf einen neuen Eigentümer und nach Kündigung

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Im Mai 2014 zeigte der Kläger der beklagten Versicherung einen Schaden an einem Heizungsrohr an.  Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, der Schaden sei vor Beginn des Versicherungsverhältnisses eingetreten. Das Landgericht lehnte die vom Kläger begehrte Prozesskostenhilfe ab, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben könne. Auf die Beschwerde bewilligte das OLG Hamm die Prozesskostenhilfe.


Das OLG Hamm führt aus, dass es sich um einen Nässeschaden handelt, der sich durch ständig nachkommendes Wasser vergrößere. Der hier vom Kläger geltend gemachte Versicherungsfall dauere so lange an, wie Wasser bestimmungswidrig aus der Leitung austritt und versicherte Sachen zerstört oder beschädigt. Da dem Versicherungsnehmer nach § 27 Z. 2 VGB nur die Verpflichtung zur Mitteilung von Schäden trifft, die er kennt, gehe der durchschnittliche Versicherungsnehmer von einem durchgängigen Versicherungsschutz aus, die er nach Abschluss der neuen Versicherung entdeckt. Damit ist nicht entscheidend, ob der Schaden bereits vor Versicherungsbeginn entstand, sondern lediglich, ob noch bei Versicherungsbeginn Wasser bestimmungswidrig austrat.


OLG Hamm, Beschluss vom 20.07.2015 – 20 W 19/15 -

Freitag, 22. Januar 2016

Mietrecht: Schönheitsrenovierungsklausel und Beweislast

Es scheint, als würde es mit der Flut von Entscheidungen zur Frage der Schönheitsrenovierung durch den Mieter nicht enden wollen.  Nun hat das LG Berlin auf der Grundlage der Entscheidung des BGH vom 18.03.2015 – VIII ZR185/14 – zur Frage der Beweislast Stellung genommen.

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Mit seinem Urteil vom 18.03.2015 hatte der BGH entschieden, die Übertragung von Schönheitsrenovierungsarbeiten auf den Mieter qua (im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässiger) AGB-Klauseln wäre jedenfalls dann nichtig, wenn dem Mieter nicht bei Beginn ein vollständig renoviertes Objekt übergeben worden sei sollte. Im Anschluss daran musste sich nun das LG Berlin mit der Frage auseinandersetzen, wer der Zustand zu Beginn des Mietverhältnisses darlegen und beweisen muss. Die Schwierigkeit bestand in dem vom LG Berlin zu entscheidenden Fall darin, dass die Eltern der Beklagten ehedem die Wohnung vor über 50 Jahren angemietet hatten. Während die Beklagten behaupteten, die Wohnung wäre unrenoviert überlassen worden, bestritt dies die vermietende Klägerin.

Das LG Berlin vertrat die Ansicht, dass der Mieter den Zustand zu Beginn des Mietverhältnisses nachweisen müsse, da er sich auf die für ihn in Ansehung der Entscheidung des BGH günstige Folge der unterbliebenen Renovierung bei Mietbeginn bezieht. Es bestätigte den Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen unterlassener Endrenovierung.

LG Berlin, Urteil vom 18.08.2015 – 63 S 114/14 –

Mietrecht: Mieterhöhung wegen Modernisierung und Folgen einer zu geringen Ankündigung

Wer modernisiert kann die Kosten der Modernisierungsmaßnahmen auf die Mieter umlegen, § 559 BGB. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber einen Anreiz für Modernisierungen schaffen. Eine Voraussetzung der Umlegung der Kosten auf die Miete ist, dass der Vermieter zuvor die Mieter über die Modernisierungsmaßnahme informiert und ihnen auch die dadurch bedingte Mieterhöhung mitteilt. Unterlässt der Vermieter die vorherige Mitteilung, führt dies allerdings nicht zum Ausschluss der Mieterhöhungsverlangens. Vielmehr verschiebt sich nur der Termin, zu dem die erhöhte Miete geschuldet wird, um sechs Monate, § 559 Abs. 2 BGB.

Was aber ist, wenn der Vermieter zwar die notwendigen Informationen erteilt, die Kosten dann aber höher ausfallen mit der Folge, dass die tatsächliche Mieterhöhung höher ist als die  angekündigte ?
Hier sieht zunächst § 559b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB vor, dass eine Abweichung von bis zu 10% unbeachtlich ist.  

Im konkreten, vom BGH zu beurteilenden Fall lag die Abweichung nach oben über 10%. Der Vermieter vertrat hier die Auffassung, er könne die Mieterhöhung bis zur Steigerung von 10% zu dem gesetzlich vorgesehenen Primärtermin erhöhen und müssen nur im übrigen sechs Monate zuwarten (gestaffeltes Wirksamwerden). Seine Klage blieb erfolglos; nach Hinweisen des BGH nahm er seine Revision, die vom Berufungsgericht zugelassen wurde, zurück.

Der BGH wies auf die Einheitlichkeit des Erhöhungsbegehrens hin. Nach dem Gesetzeswortlaut stünde dem Vermieter bei Überschreiten der 10% gerade nicht das Recht zu, die Mieterhöhung zu der in § 550b Abs. 2 Satz 1 BGB benannten Primärfrist zu erhöhen. Sie könne erst insgesamt zu dem sechs Monate später liegenden Termin verlangt werden, § 559b Abs. 2 S. 2 BGB.


BGH, Hinweisbeschluss vom 06.10.2015 – VIII ZR 76/15 –

Fitnessstudio: Vereinbarung zur Kündigungsfrist

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Die in einem Nutzungsvertrag eines Fitnessstudios enthaltene Regelung, dass sich der Vertrag jeweils um ein Jahr verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von 13 Wochen schriftlich gekündigt wird, ist diese Regelung wirksam. Behauptet der Nutzer eine davon abweichende  mündliche Vereinbarung, ist er beweisbelastet. 

Auch wenn der Nutzer  gesundheitlich beeinträchtigt ist, lässt sich aus einer Kündigungserklärung, mit der nicht ausdrücklich die fristlose Kündigung erklärt wird, vielmehr auf die vereinbarte Kündigungsfrist verwiesen und um Bestätigung des Termins gebeten wird, nur die Annahme einer ordentlichen Kündigung zum Ende der vertraglich vorgesehenen Laufzeit entnehmen.

AG Offenbach, Urteil vom 07.01.2016 - 36 C 247/15 -

Freitag, 15. Januar 2016

Wohnungseigentum: Zustimmungserfordernis auch im Rahmen der Erbauseinandersetzung ?

Der Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Nürnberg zugrunde lag, ist an sich einfach gelagert und immer wiederkehrend: Nach dem Tot des Wohnungseigentümers traten die Erben in dessen Rechtsstellung ein.
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Die Erbengemeinschaft, die nicht (wie auch zutreffend vom OLG Nürnberg festgehalten wird) ein eigenes Rechtssubjekt (wie z.B. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Kapitalgesellschaft) ist, veräußert mithin an einem Dritten, wobei nach der Teilungserklärung zu prüfen ist, ob bei diesem Dritten gegebenenfalls der in der Teilungserklärung vorliegende Ausnahmefall vom Zustimmungserfordernis vorliegt. Das Zustimmungserfordernis, so das OLG Nürnberg, wird nicht dadurch obsolet, dass es sich bei dem Erwerber um ein Mitglied der Erbengemeinschaft handelt. Wird in der Teilungserklärung für die zustimmungsfreie Übertragung auf einen bestimmten Verwandtschaftsgrad abgestellt, so ist aber nach Auffassung des OLG Nürnberg auf die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Erbengemeinschaft abzustellen.

Da vorliegend die Erwerberin als Miterbe auch Tochter eines weiteren Miterben war, nach der Teilungserklärung dieses Verwandtschaftsverhältnis eine Zustimmung nicht als erforderlich ansah, durfte das Grundbuchamt die Auflassung nicht aus dem Grund der fehlenden Zustimmung zurückweisen.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.08.2015 – 15 W 788/15 -

Sonntag, 3. Januar 2016

Schwarzgeldabrede und notarieller Kaufvertrag

Auch wenn es verwunderlich ist, so ist doch eine Schwarzgeldabrede auch bei notariellen Kaufverträgen zwischen fremden Dritten nicht ein Ausnahmefall. Immer wieder kommt dies vor, da z.B. der Käufer die Grunderwerbsteuer (auf den Schwarzgeldanteil) sparen will, der Verkäufer eventuell Teile des Erlöses versteuern muss. Dabei denken wohl Käufer als auch Verkäufer, dass durch die Wahrung der Auflassung im Grundbuch (d.h. die Eigentumsumschreibung, § 311 b BGB, der durch die Schwarzgeldabrede nichtige Vertrag gleichwohl wirksam würde (wenn die Vertragsparteien sich überhaupt weitergehende Gedanken über Risiken machen sollten).

So wohl auch in dem dem OLG Hamm zur Entscheidung vorgelegten Fall: Es geht um eine Teilfläche eines Grundstücks. Mit notariellen Vertrag erwarb der Kläger ein Grundstück, welches im Kaufvertrag mit „G3 8, Flst…., Gebäude- und Freifläche, T-Straße, groß 657m²“ angegeben wurde. Dafür zahlte er gemäß notariellen Vertrag € 130.000,00 und zusätzlich „schwarz“ € 13.000,00. Später stellte in Vermesser fest, dass der kaufgegenstand noch mehr Fläche umfasste, als von den Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages angenommen. Der Kläger begehrte daher die Auflassung einer weiteren Teilfläche des Grundstücks.

Klage und Berufung waren erfolglos.


Der Kaufvertrag war wegen der Schwarzgeldabrede nichtig, da es an dem Beurkundungserfordernis fehlte, § 311b BGB. Zwar wird die fehlende Form bei Wahrung der Auflassung gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt. Dies gilt aber, so das OLG Hamm, dann nicht, wenn sich wie hier die Parteien über den Verkauf eines Grundstücks einigten, welches einen größeren Umfang hat als nach dem objektiven Erklärungswillen im Kaufvertrag vorgegeben und danach auch aufgelassen wurde. Der Grundsatz der falsa demonstratio non nocet (§ 133 BGB)  gilt nicht im Grundbuchrecht. 

OLG Hamm, Urtel vom 25.06.2015 - 22 U 166/14 -