Freitag, 1. April 2016

Keine Amtshaftung bei Verzögerung der Kostenfestsetzung durch das Gericht ?

Die Klägerin (Beklagte des Ursprungsverfahrens) machte vor dem LG Frankenthal Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG geltend. Streitgegenständlich waren von ihr zu zahlende Zinsen im Zusammenhang mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen aus dem Ursprungsverfahren, da sich das für dieses Verfahren zuständige AG Speyer mit der Festsetzung zwei Jahre Zeit ließ. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung nicht zugelassen.
Bild: pixavbay

In dem Ursprungsverfahren vor dem AG Speyer hatte die dort obsiegende Partei mit Eingang am 24.04.2013 bei dem Amtsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Hierüber wurde die Klägerin des Amtshaftungsprozesses als unterlegene Partei des Ursprungsverfahrens erst zusammen mit der Überlassung des erst am 30.04.2015 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses informiert. Entsprechendes gilt für den weiteren Kostenfestsetzungsantrag der obsiegenden Partei, der am 26.11.2013 bei dem Amtsgericht einging und erst zusammen mit dem am 02.09.2015 verkündeten Kostenfestsetzungsbeschluss durch das Amtsgericht entschieden wurde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da nach seiner Auffassung eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin als unterlegener Partei des Ursprungsverfahrens nicht vorläge. Der zuständige Beamte habe zwar die Amtspflicht zu einer zügigen Bearbeitung; dies ergäbe sich aus dem Justizgewährungsanspruch des  Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG. Allerdings bestehe dies Amtspflicht lediglich gegenüber dem Antragssteller und nicht dem Antragsgegner (hier die Klägerin des Amtshaftungsprozesses) als Kostenschuldner. Außerdem, so das Landgericht, habe auch die Klägerin in dem Ursprungsverfahren keine Anstrengungen unternommen um sich nach einem etwaigen Bearbeitungsstand eines zu erwartenden Kostenfestsetzungsverfahrens zu erkundigen.

Anmerkung:   Die dogmatische Begründung des Landgerichts lässt eher auf einen Versuch einer krampfhaften Verhinderung von Amtspflichtansprüchen im Zusammenhang mit zeitlich begründeten Umständen schließen, als auf einer rechtlich verantwortlichen Aufbereitung.

Dies fängt bereits an mit der Frage, wem gegenüber die Amtspflicht zur gebotenen Beschleunigung (die auch vom Landgericht erkannt wurde) obliegt. Hier negiert das Landgericht eine Amtspflicht gegenüber dem Kostenschuldner. Begründet wird vom Landgericht lediglich damit, dass Sinn der Verfahrensgestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens die zügige Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels für den Kostengläubiger, die die Verkürzung einer Zinszahlungspflicht für den Kostenschuldner wäre. Diese Auffassung des Landgerichts erschließt sich allerdings nicht aus den rechtlichen Grundlagen, auch nicht jenen, auf die sich das Landgericht selbst bezieht.  Im Gegenteil. Das Landgericht hat im Hinblick auf die allgemeine Amtspflicht zur Verfahrensbeschleunigung Bezug genommen auf einen Aufsatz von Remus (in NJW 2012, 1403ff). In diesem Aufsatz hat sich Remus mit der Amtshaftung des Richters bei verzögerter Amtstätigkeit vor und nach Einführung der §§ 198ff GVG auseinandergesetzt, ohne allerdings die entsprechende Differenzierung zwischen Kläger/Antragsteller und Beklagter/Antragsgegner vorzunehmen. Grundlage ist, worauf auch Remus (aaO.) verweist, Art 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK:

„Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

„Jede Person“ bedeutet, eine Differenzierung zwischen dem Interesse eines Klägers(Antragstellers und dem Beklagten/Antragsgegner hat zu unterbleiben. Damit ist auch die Amtspflicht nach § 839 BGB iS. der Konvention auszulegen. Dies hat das Landgericht verkannt. Vergleicht man zudem auch die §§ 198ff GVG, die 2011 eingeführt wurden, verdeutlicht sich, dass auch nach der gesetzgeberischen Intention bei der Verzögerung für einen Schadensersatzanspruch in Übereinstimmung mit Art. 6 EMRK nicht auf die Parteistellung abgestellt wird.

Offenbar hatte das Landgericht bei seiner Entscheidung in Bezug auf den Begünstigten einer Amtspflicht selbst Bedenken und hat dann  - mit einem kurzen Nachsatz -  ein Eigenverschulden der Klägerin darin gesehen, dass diese es unterließ, auf den Stand eines „zu erwartenden“ Kostenfestsetzungsantrag zu erkundigen. Damit gibt das Landgericht den Parteien eines Rechtstreites weiterhin eine Überprüfung von Aktenständen qua Anfragen bei Gericht auf.

Schon nicht ersichtlich ist allerdings, weshalb eine Partei sich im Falle ihres Unterliegens nach einem möglichen Eingang eines Kostenfestsetzungsantrag erkundigen sollte, kann sie doch an sich davon ausgehen, dass die /Gerichts-) Verwaltung korrekt und gesetzesmäßig arbeitet, also über mögliche Anträge informiert. Und: In welchen Abständen soll dies widerholt  werden ? Die Kostenentscheidung in einem Urteil verjährt erst nach 30 Jahren; innerhalb dieser Frist kann mithin der Kostenfestsetzungsantrag gestellt werden. Sieht eine Partei  - aus welchen Gründen auch immer -  von einer Antragstellung ab, müsste nach dieser Entscheidung des Landgerichts die unterlegene Partei gleichwohl regelmäßig (monatlich ?) nachfragen. Dass dies zu einem erheblichen Mehraufwand, sowohl bei der betroffenen Partei (und deren Prozessbevollmächtigten) als auch bei Gericht führt (wobei die Anfragen in Ansehung von zu erwartenden Nichtbeantwortungen letztlich wohl gar noch durch Dienstaufsichtsbeschwerden unterlegt werden müssten) dürfte ohne weiteres auf der Hand liegen. Allerdings ist auch nicht einsichtig, dass bei Unkenntnis eine Anfrage zur Absicherung erfolgen müsste; etwas anders wäre nur der Fall, wenn ein Antrag bekannt ist und eine Verbescheidung ausbleibt; in diesem Fall wird man eine Anfrage (oder Rüge iSv. § 198 GVG) wohl erwarten dürfen.

Das Landgericht hatte (leider) ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, weshalb hier eine obergerichtliche Überprüfung nicht ermöglicht wurde. Die Konsequenz wird wohl sein, dass tatsächlich zeitnah (und wiederholend) Anfragen zu möglichen Kostenfestsetzungsanträgen gestellt werden müssen (zur Freude des Anwalts und der Rechtspfleger). 

LG Frankenthal, Urteil vom 24.02.2016 - 3 O 395/15 -


Aus den Gründen:



Tenor

  1.     .Die Klage wird abgewiesen .
  2.           Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3.          Das  Urteil  ist  vorläufig  vollstreckbar.   
  4.         Die Berufung wird nicht zugelassen.


Tatbestand


(von der  Fassung des Tatbestandes  wurde  gemäß § 313 a Abs.  1  ZPO  abgesehen)


  

Entscheidungsgründe


Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Schadenser­satz gemäß § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG wegen einer vermeintlich verzögerten Bearbeitung eines Kostenfestsetzungsantrages und einer sich daraus nach § 104 Abs . 1 S. 2 ZPO ergebenden hö­heren Zinsbelastung der hiesigen Klägerin zusteht.

1. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob das AG Speyer die bestehende Amtspflicht zur Bearbeitung von Anträgen innerhalb einer angemessenen Frist unter Berücksichtigung der erheblichen nomi-­ nellen Unterbesetzung im Rechtspflegerbereich schuldhaft verletzt hat. Zwar ist der Klägerseite zuzugestehen, dass der Zeitraum zwischen dem Eingang des Kostenfestsetzungsantrages (An­lage K 2) am 24.04.2013 beim AG Speyer und dem Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 30.04.2015 (Anlage K 4) als erheblich anzusehen ist. Gleiches gilt für den Kostenfestset- zungsantrag vom 26.11.2013 (Anlage K 5), über den das AG Speyer am 02.09.2015 entschieden hat. Das AG Speyer hat jedenfalls keine der Klägerin gegenüber bestehenden Amtspflichten ver-­ letzt.

Für den Haftungstatbestand des § 839 BGB genügt nicht jeder Amtspflichtverstoß,  vielmehr muss eine Amtspflicht verletzt worden sein, die dem Amtswalter einem Dritten gegenüber obliegt. Es reicht also nicht, dass jemand infolge eines Amtspflichtverstoßes in seinen Belangen nachtei­lig betroffen worden ist. Der Geschädigte  kann  nur  dann  einen  Amtshaftungsanspruch  haben, wenn die verletzte Amtspflicht gerade (auch) ihm gegenüber besteht; es muss also eine beson­dere  Beziehung zwischen der verletzten Schutzpflicht und dem geschädigten  Dritten  bestehen. 

(Papier in MüKO, 6. Auflage 2013, BGB, § 839 Rn.  227).

Grundsätzlich obliegt dem zuständigen Beamten die Amtspflicht gegenüber dem Antragsteller , den Antrag mit der gebotenen Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln (Wöstmann in Staudinger, Neubearbeitung 2013, § 839 BGB Rn. 130); diese Pflicht ergibt sich sowohl aus dem Justizgewährungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 i. v. m. Art. 20 Abs. 3 GG als auch aus Art. 6 EMRK (Remus, NJW 2012, 1403). Auch diese Pflicht muss drittgerichtet sein. An­ -spruchsberechtigt ist nur der Dritte, dessen Interesse durch die Amtspflicht wahrgenommen wer­ -den soll. Der danach geschützte Dritte bestimmt sich nach dem Schutzzweck der Amtspflicht. ·

Die Pflicht zur zügigen Bearbeitung eines Antrags schützt den Antragssteller als Rechtssuchen­ den und nicht die Antragsgegnerin als Kostenschuldnerin. Eine zügige Bearbeitung eines Kosten­ festsetzungsantrags  gemäß § 104 ZPO soll dem Kostengläubiger ermöglichen seinen Kostenerstattungsanspruch aus der Kostengrundentscheidung betragsmäßig in einen vollstreckbaren Titel festsetzen zu lassen (vgl. Musielak, ZPO/Lackmann , ZPO, 12. Auflage 2015, § 104 Rn. 1). Das Kostenfestsetzungsverfahren  ist als Annexverfahren  zum Hauptsacheverfahren knapp, bündig und formal ausgestattet, damit es zügig bearbeitet werden kann. Sinn dieser Verfahrensgestal­tung ist die zeitnahe Schaffung eines Titels und nicht die Verkürzung der Zinszahlungspflicht des Kostenschuldners nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dass mit einer zügigen Bearbeitung auch die In­teressen der Kostenschuldnerin und Antragsgegnerin geschützt werden sollen, ist nicht ersicht­lich, zumal die Kostenschuldnerin und hiesige Klägerin im beigezogenen Verfahren keinerlei An­strengungen unternommen hat um sich nach dem etwaigen Bearbeitungsstand eines zu erwar­tenden Kostenfestsetzungsantrags zu erkundigen.

Die Klage war daher mit den aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO folgenden Nebenentschei-­ dungen abzuweisen.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei­dung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 Abs. 4 ZPO.








Sturhan 
Richter


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen