Die Klägerin (Beklagte des Ursprungsverfahrens) machte vor dem LG
Frankenthal Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG geltend. Streitgegenständlich
waren von ihr zu zahlende Zinsen im Zusammenhang mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen
aus dem Ursprungsverfahren, da sich das für dieses Verfahren zuständige AG
Speyer mit der Festsetzung zwei Jahre Zeit ließ. Die Klage wurde abgewiesen,
die Berufung nicht zugelassen.
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In dem Ursprungsverfahren vor dem
AG Speyer hatte die dort obsiegende Partei mit Eingang am 24.04.2013 bei dem
Amtsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Hierüber wurde die
Klägerin des Amtshaftungsprozesses als unterlegene Partei des
Ursprungsverfahrens erst zusammen mit der Überlassung des erst am 30.04.2015
erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses informiert. Entsprechendes gilt für
den weiteren Kostenfestsetzungsantrag der obsiegenden Partei, der am 26.11.2013
bei dem Amtsgericht einging und erst zusammen mit dem am 02.09.2015 verkündeten
Kostenfestsetzungsbeschluss durch das Amtsgericht entschieden wurde.
Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen, da nach seiner Auffassung eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin
als unterlegener Partei des Ursprungsverfahrens nicht vorläge. Der zuständige
Beamte habe zwar die Amtspflicht zu einer zügigen Bearbeitung; dies ergäbe sich
aus dem Justizgewährungsanspruch des
Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG. Allerdings bestehe dies
Amtspflicht lediglich gegenüber dem Antragssteller und nicht dem Antragsgegner
(hier die Klägerin des Amtshaftungsprozesses) als Kostenschuldner. Außerdem, so
das Landgericht, habe auch die Klägerin in dem Ursprungsverfahren keine
Anstrengungen unternommen um sich nach einem etwaigen Bearbeitungsstand eines
zu erwartenden Kostenfestsetzungsverfahrens zu erkundigen.
Anmerkung: Die
dogmatische Begründung des Landgerichts lässt eher auf einen Versuch einer
krampfhaften Verhinderung von Amtspflichtansprüchen im Zusammenhang mit zeitlich
begründeten Umständen schließen, als auf einer rechtlich verantwortlichen
Aufbereitung.
Dies fängt bereits an mit der
Frage, wem gegenüber die Amtspflicht zur gebotenen Beschleunigung (die auch vom
Landgericht erkannt wurde) obliegt. Hier negiert das Landgericht eine
Amtspflicht gegenüber dem Kostenschuldner. Begründet wird vom Landgericht lediglich
damit, dass Sinn der Verfahrensgestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens die
zügige Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels für den Kostengläubiger,
die die Verkürzung einer Zinszahlungspflicht für den Kostenschuldner wäre.
Diese Auffassung des Landgerichts erschließt sich allerdings nicht aus den
rechtlichen Grundlagen, auch nicht jenen, auf die sich das Landgericht selbst
bezieht. Im Gegenteil. Das Landgericht
hat im Hinblick auf die allgemeine Amtspflicht zur Verfahrensbeschleunigung
Bezug genommen auf einen Aufsatz von Remus (in NJW 2012, 1403ff). In diesem
Aufsatz hat sich Remus mit der Amtshaftung des Richters bei verzögerter
Amtstätigkeit vor und nach Einführung der §§ 198ff GVG auseinandergesetzt, ohne
allerdings die entsprechende Differenzierung zwischen Kläger/Antragsteller und
Beklagter/Antragsgegner vorzunehmen. Grundlage ist, worauf auch Remus (aaO.)
verweist, Art 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK:
„Jede Person hat ein Recht darauf, daß
über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und
Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von
einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem
fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“
„Jede Person“ bedeutet, eine
Differenzierung zwischen dem Interesse eines Klägers(Antragstellers und dem
Beklagten/Antragsgegner hat zu unterbleiben. Damit ist auch die Amtspflicht
nach § 839 BGB iS. der Konvention auszulegen. Dies hat das Landgericht
verkannt. Vergleicht man zudem auch die §§ 198ff GVG, die 2011 eingeführt
wurden, verdeutlicht sich, dass auch nach der gesetzgeberischen Intention bei
der Verzögerung für einen Schadensersatzanspruch in Übereinstimmung mit Art. 6
EMRK nicht auf die Parteistellung abgestellt wird.
Offenbar hatte das Landgericht
bei seiner Entscheidung in Bezug auf den Begünstigten einer Amtspflicht selbst
Bedenken und hat dann - mit einem kurzen
Nachsatz - ein Eigenverschulden der
Klägerin darin gesehen, dass diese es unterließ, auf den Stand eines „zu
erwartenden“ Kostenfestsetzungsantrag zu erkundigen. Damit gibt das Landgericht
den Parteien eines Rechtstreites weiterhin eine Überprüfung von Aktenständen qua
Anfragen bei Gericht auf.
Schon nicht ersichtlich ist
allerdings, weshalb eine Partei sich im Falle ihres Unterliegens nach einem
möglichen Eingang eines Kostenfestsetzungsantrag erkundigen sollte, kann sie doch
an sich davon ausgehen, dass die /Gerichts-) Verwaltung korrekt und
gesetzesmäßig arbeitet, also über mögliche Anträge informiert. Und: In welchen Abständen
soll dies widerholt werden ? Die
Kostenentscheidung in einem Urteil verjährt erst nach 30 Jahren; innerhalb
dieser Frist kann mithin der Kostenfestsetzungsantrag gestellt werden. Sieht
eine Partei - aus welchen Gründen auch
immer - von einer Antragstellung ab,
müsste nach dieser Entscheidung des Landgerichts die unterlegene Partei
gleichwohl regelmäßig (monatlich ?) nachfragen. Dass dies zu einem erheblichen
Mehraufwand, sowohl bei der betroffenen Partei (und deren Prozessbevollmächtigten)
als auch bei Gericht führt (wobei die Anfragen in Ansehung von zu erwartenden
Nichtbeantwortungen letztlich wohl gar noch durch Dienstaufsichtsbeschwerden
unterlegt werden müssten) dürfte ohne weiteres auf der Hand liegen. Allerdings
ist auch nicht einsichtig, dass bei Unkenntnis eine Anfrage zur Absicherung
erfolgen müsste; etwas anders wäre nur der Fall, wenn ein Antrag bekannt ist
und eine Verbescheidung ausbleibt; in diesem Fall wird man eine Anfrage (oder
Rüge iSv. § 198 GVG) wohl erwarten dürfen.
Das Landgericht hatte (leider)
ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, weshalb hier eine
obergerichtliche Überprüfung nicht ermöglicht wurde. Die Konsequenz wird wohl
sein, dass tatsächlich zeitnah (und wiederholend) Anfragen zu möglichen
Kostenfestsetzungsanträgen gestellt werden müssen (zur Freude des Anwalts und
der Rechtspfleger).
LG Frankenthal, Urteil vom 24.02.2016 - 3 O 395/15 -
Aus den Gründen:
Tenor
- .Die Klage
wird abgewiesen .
- Die Klägerin hat die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
- Das
Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
- Die Berufung wird
nicht zugelassen.
Tatbestand
(von der Fassung
des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a Abs. 1
ZPO abgesehen)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch
nicht begründet, da
der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG wegen einer vermeintlich verzögerten Bearbeitung eines Kostenfestsetzungsantrages und einer sich daraus nach § 104
Abs . 1 S. 2 ZPO ergebenden höheren Zinsbelastung der hiesigen
Klägerin zusteht.
1. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob das
AG Speyer die bestehende Amtspflicht zur Bearbeitung von Anträgen innerhalb
einer angemessenen Frist unter Berücksichtigung der erheblichen nomi- nellen
Unterbesetzung im Rechtspflegerbereich schuldhaft verletzt hat. Zwar ist der
Klägerseite zuzugestehen, dass der Zeitraum zwischen dem Eingang des
Kostenfestsetzungsantrages (Anlage K 2) am 24.04.2013 beim AG Speyer und dem Erlass
des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 30.04.2015 (Anlage K 4) als erheblich
anzusehen ist. Gleiches gilt für den Kostenfestset- zungsantrag vom 26.11.2013 (Anlage K 5), über den das AG
Speyer am 02.09.2015 entschieden hat. Das AG Speyer hat jedenfalls keine der
Klägerin gegenüber bestehenden Amtspflichten ver- letzt.
Für den Haftungstatbestand des § 839 BGB genügt nicht jeder
Amtspflichtverstoß, vielmehr muss eine
Amtspflicht verletzt worden sein, die dem Amtswalter einem Dritten gegenüber obliegt. Es reicht also nicht, dass jemand infolge eines
Amtspflichtverstoßes in seinen Belangen nachteilig betroffen worden ist. Der Geschädigte kann
nur dann einen
Amtshaftungsanspruch haben, wenn die verletzte Amtspflicht gerade (auch) ihm gegenüber
besteht; es muss also eine besondere
Beziehung zwischen der verletzten Schutzpflicht und dem
geschädigten Dritten bestehen.
(Papier in MüKO, 6. Auflage
2013, BGB, § 839 Rn. 227).
Grundsätzlich obliegt dem zuständigen Beamten die Amtspflicht gegenüber
dem Antragsteller , den Antrag
mit der gebotenen
Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln (Wöstmann in Staudinger, Neubearbeitung 2013, § 839 BGB Rn. 130); diese
Pflicht ergibt sich sowohl aus dem Justizgewährungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 i. v. m. Art. 20 Abs.
3 GG als auch aus Art. 6 EMRK (Remus, NJW 2012, 1403). Auch diese Pflicht muss
drittgerichtet sein. An -spruchsberechtigt ist
nur der Dritte,
dessen
Interesse durch die Amtspflicht wahrgenommen wer -den soll. Der danach
geschützte Dritte bestimmt sich nach dem Schutzzweck der Amtspflicht. ·
Die Pflicht zur zügigen Bearbeitung eines Antrags schützt den
Antragssteller als Rechtssuchen den und nicht die Antragsgegnerin als Kostenschuldnerin. Eine zügige Bearbeitung eines Kosten
festsetzungsantrags gemäß § 104 ZPO soll dem Kostengläubiger ermöglichen seinen Kostenerstattungsanspruch aus der Kostengrundentscheidung betragsmäßig in einen vollstreckbaren Titel festsetzen zu lassen (vgl. Musielak, ZPO/Lackmann , ZPO, 12. Auflage 2015, § 104 Rn. 1). Das
Kostenfestsetzungsverfahren ist als
Annexverfahren zum Hauptsacheverfahren
knapp, bündig und formal ausgestattet, damit es zügig bearbeitet werden kann. Sinn
dieser Verfahrensgestaltung ist die zeitnahe Schaffung eines Titels und nicht
die Verkürzung der Zinszahlungspflicht des Kostenschuldners nach § 104 Abs. 1
S. 2 ZPO. Dass mit einer zügigen Bearbeitung auch die Interessen der
Kostenschuldnerin und Antragsgegnerin geschützt werden sollen, ist nicht ersichtlich, zumal die
Kostenschuldnerin und hiesige Klägerin im beigezogenen Verfahren keinerlei Anstrengungen unternommen hat um sich nach dem etwaigen Bearbeitungsstand eines
zu erwartenden Kostenfestsetzungsantrags zu erkundigen.
Die Klage war daher mit den aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO folgenden Nebenentschei-
dungen abzuweisen.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche
Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts
erfordert, § 511 Abs. 4 ZPO.
Sturhan
Richter
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