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Donnerstag, 3. Oktober 2024

Beginn der Verjährung des Regressanspruchs des Rentenversicherungsträgers

Gegenstand des Verfahrens war der Antrag auf Feststellung eines (anteiligen) Regressanspruchs des klagenden Rentenversicherungsträgers aus § 110 Abs. 1 SGB VII. Der bei ihr versicherte Geschädigte erlitt einen Arbeitsunfall, verursacht durch eine Fehlbedienung eines Teleskoparms durch den Beklagten mit der Folge einer Querschnittlähmung. Der Unfallversicherungsträger erkannte mit Bescheid vom 124.05.2017 den Unfall vom 14.05.2015 als Arbeitsunfall an. Am 06.08.2021 beantragte der Geschädigte bei der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Rente wurde nicht gewährt, obwohl eine medizinische Begutachtung ergab, dass der Geschädigte seine ehemalige Beschäftigung nur noch im geringeren zeitlichen Umfang ausüben kann; er erhält weiterhin Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben.

Die Klage des Rentenversicherungsträgers wurde dem Beklagten am 30.12.2022 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies die Klage – wegen Verjährung – ab. Das OLG wies die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurück.

Das OLG schloss sich der Auffassung des Landgerichts an, dass die Verjährung nach § 113 S. 1 SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger läuft (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – VI ZR 433/16 -). Frühere Rechtsprechung, die dies anders gesehen hatte, sei durch die Entscheidung des BGH überholt.

Die Bindungswirkung gelte nicht nur für den Unfallversicherungsträger, sondern auch für andere Sozialversicherungsträger. In seiner o.g. Entscheidung habe der BGH als obiter dictum festgehalten, dass für den Beginn der Verjährung gem. § 113 S. 1 SGB VII eine Feststellung der Leistungspflicht dem Grunde nach (und nicht der Höhe nach) genüge, dass „die für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger“. Zwar habe der BGH offen gelassen, ob dies auch für Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gelte, allerdings mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes argumentiert, wonach die Regelung für alle Sozialversicherungsträger gelte und es (dort im Hinblick auf die gesetzliche Krankenversicherung) für unerheblich gehalten, „wenn der Beginn der Verjährung für die Rückgriffsansprüche der Krankenkasse von einem Datum abhängig gemacht würde, dass ihr nicht bekannt sei und auf das sie keinen Einfluss habe“.

Dem Rentenversicherungsträgerdrohe zwar die Verjährung seiner Ansprüche, wenn er nicht innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Frist von dem Schadensfall Kenntnis erlange. Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 SGB VII unterscheide jedoch nicht zwischen den verschiedenen Sozialversicherungsträgern, demgegenüber § 113 S. 1 SGB VII alleine auf die Feststellung der Leistungsverpflichtung des Unfallversicherungsträgers abstelle. Die Regelung sie im Kern und ihrer Konsequenz für andere Sozialversicherungsträger – namentlich dem Rentenversicherungsträger – seit Jahrzehnten unverändert geblieben und der Gesetzgeber habe offenbar bewusst auch bei diversen Anpassungen dies nicht grundlegend geändert. Damit scheide eine planwidrige Reglungslücke aus, und auch ein redaktionelles Versehen sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle sich die Regelung als gesetzgeberische Grundentscheidung dar, bis wann das Interesse des nach § 110 Abs. 1 SGB VII Haftenden an Rechtssicherheit noch dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Durchsetzung dieser Regressansprüche vorgehen soll.

Damit sei – bei taggenauer Berechnung der Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 25.07.2017 - VI ZR 433/16 -) – die Verjährung mit dem Tag des Bescheides des zuständigen Unfallversicherungsträgers am 24.05.2017 in Lauf gesetzt worden (auf eine Leistungserbringungen durch diesen käme es nicht an) und habe am 24.05.2020 geendet. Die Verjährung sei bei Klageerhebung Ende 2022 bereits eingetreten gewesen. Vorher hab es auch keine verjährungshemmenden Umstände gegeben, was auch deshalb ausgeschlossen sei, dass die Klägerin erst im August 2021 von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt haben will.

Allerdings verdeutlichen die Gründe des OLG, mit denen die Revision gegen seien Entscheidung zugelassen wurde, deutlich, dass das OLG die eigene Entscheidung nicht für akzeptabel hält. So verwies es darauf, dass der Gesetzgeber jedem Sozialversicherungsträger mit § 110 SGB VII hinsichtlich des Haftungsgrundes ausdrücklich eine völlig autarke Anspruchsgrundlage bei (wie hier) krassen Fehlverhalten des Anspruchsgegners eingeräumt habe und es nicht im Interesse des Gesetzgebers sein könne, den gesetzlichen Rentenversicherungsträger in der Praxis durch die strenge Verjährungsregel nach § 113 AGB VII faktisch vom Regress auszuschließen, da er vermutlich davon ausgegangen sei, dass Regressansprüche desselben überhaupt schon entstanden seien.  Es könnte im öffentlichen Interesse aller Rentenversicherungspflichtigen liegen, Ersatz für Aufwendungen zu erhalten, die ansonsten von der Solidargemeinschaft getragen werden müssten. Es sei auch nicht unbillig, dem Schädiger die Rechtsunsicherheit aufzuerlegen, erst viele Jahre nach dem Vorfall entsprechenden Regressansprüchen auszusetzen. Verwiesen wurde durch das OLG zudem auf ein Urteil des Brandenburgischen OLG vom 09.12.2014 – 3 U 48/13 - , in dem dieses auf den In § 113 SGB VII benannten § 199 BGB abstellte und die Auffassung vertrat, der Verweis auf § 199 Abs. 1 und 2 BGB sei überflüssig, wenn man nicht die dort verlangte Kenntnis mit als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn annehmen würde.  

Anmerkung: Die Entscheidung des OLG ist zunächst in seiner Begründung zur Zurückweisung der Berufung des Rentenversicherungsträgers nachvollziehbar. Unverständlich wird sie allerdings vor dem Hintergrund der Zulassung der Revision. Mit den benannten Zulassungsgründen, „nicht im Interesse des Gesetzgebers“ pp., verliert sich das OLG in allgemeine (rechtspolitische) Überlegungen. Im Urteil selbst hatte doch das OLG ausgeführt, dass eine Regelungslücke nicht vorläge und der Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen dies auch hätte ändern können, was er bewusst nicht getan habe. Damit würde diese Begründung nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen, sondern könnte allenfalls eine Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber darstellen.

Ebenso wenig überzeugt die Entscheidung des Brandenburgischen OLG , auf welches sich das OLG hier zur Begründung der Zulassung der Revision berief: Zwar wird in § 113 SGB VII auf § 199 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verwiesen. Wenn aber in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kenntnis abgestellt wird, kann dies nicht eine zusätzliche Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist sein, da dies dem Wortlaut des § 113 S. 1 SGB VII zuwiderliefe, der explizit auf darauf abstellt, dass die Norm „mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.“ Der Wortlaut „mit der Maßgabe“ beinhaltet bereits, dass die anderweitige Berechnung in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht anzuwenden ist.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -

Donnerstag, 22. August 2024

Verjährung: Aufrechnung von Kautionsrückzahlungsanspruch mit Schadensersatz

Die Klägerin hatte bei Mietbeginn eine Barkaution geleistet. Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Vermieters (bzw. dessen Rechtsnachfolger) rechnete nach Mietende zum 08.11.2019 über diese mit Schreiben vom 20.05.2020 ab und erklärte in Bezug auf eine von ihm behauptete Beschädigung der Mietsache die Aufrechnung. Das Amtsgericht gab der Klage auf Rückzahlung der Kaution einschl. Zinsen statt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. § 215 BGB greife nicht, die Forderung sei verjährt. Das sah der BGH anders und hob auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision dessen Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück, da das Berufungsgericht wegen angenommener Verjährung eines Aufrechnungsanspruchs mit der Kaution offen ließ, ob ein Schaden, wie beklagtenseits vorgetragen vorlag.

Grundsätzlich müsse der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses über eine gezahlte Baukaution innerhalb angemessener Prüfungsfrist zurückzahlen, sobald er diese zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötige.

§ 390 BGB bestimmt, dass eine Forderung, der eine Einrede (also ein Leistungsverweigerungsrecht) entgegenstünde, nicht aufgerechnet werden könne. Dieser Fall läge aber nicht vor. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB enthalte, deren lauf mit Rückerhalt der Mietsache beginne, § 548 Abs, 1 S. 2 BGB. eine gegenüber § 195 BGB abgekürzte Verjährungsfrist von sechs Monaten. Rechtsfehlerhaft sei aber die daraus gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, zum Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung am 20.05.2020 sei die kurze Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen. § 215 BGB stelle sich als eine Ausnahmevorschrift von § 390 BGB dar. Nach § 215 Alt 1 BGB würde die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließen, wenn der der Aufrechnung zugrunde liegende Anspruch noch nicht zu dem Zeitpunkt verjährt gewesen sei, in dem er erstmals hätte aufgerechnet werden können. Grundlage sei die Aufrechnungslage vor Verjährungseintritt, § 387 BGB. Voraussetzung wären Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Aktivforderungen des Aufrechnenden und Erfüllbarkeit der Passivforderung des Aufrechnungsgegners.

Allerdings bestand hier keine Gleichartigkeit, da der Beklagte Naturalrestitution gefordert hatte, nicht anstelle dessen eine Entschädigung. Zudem habe auch eine Aufrechnungslage iSv. § 387 BGB im Hinblick auf einen Geldersatz als Schadensersatzanspruch, der dem Rückzahlungsanspruch entgegen gehalten werden könnte, in unverjährter Zeit nicht bestanden. Der Geschädigte habe zwar das Recht, anstelle seines Anspruchs auf Naturalrestitution Geldersatz zu fordern, müsse diese seine Ersetzungsbefugnis aber ausüben und sei danach daran gebunden. Vor dem 20.05.2020 sei aber eine entsprechende Ersetzung nicht erfolgt (empfangsbedürftige Willenserklärung).  

Diese Umstände würden aber der Anwendbarkeit von § 215 Alt. 1 BGB nicht entgegen stehen. Eine Barkautionsabrede sei – lägen keine Besonderheiten vor und seien solche auch nicht ersichtlich – sei regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern solle. Auch habe der BGH schon klargestellt, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zwangsläufig gegenüber der Kautionsabrechnungsfrist (die mal kürzer, mal länger als sechs Monate sein könne) vorrangig sei.

Der Gesetzgeber ließe auch in der Fallgestaltung des § 215 Alt. 1 BGB die Verjährungseinrede zurückstehen. Dem läge die Erwägung zugrunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zustünde, sich hinreichend gesichert ansehen dürfe und nicht durch Verjährungsregelungen frühzeitig zur Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll.

Es würde dem beiderseitigen Interesse der Parteien eines Wohnraummietvertrages widersprechen, müsse der Vermieter in unverjährter Zeit seine Ersetzungsbefugnis ausüben. Die Ersetzungsbefugnis eröffne dem Geschädigten die Möglichkeit der Schadensbeseitigung in eigener Regie, wozu er keine nähere Begründung abgeben müsse, den Betrag nicht einmal beziffern müsse.  Gerade im Bereich des Wohnraummietrechts sei die Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Regel. Mit dem Zugang der Aufrechnungserklärung sei der dem Vermieter zustehende Schadensersatzanspruch in Geld zu erfüllen, womit die Gleichartigkeit der Forderungen und damit die Aufrechnungslage geschaffen sei.

BGH, Urteil vom 10.07.2024 - VIII ZR 184/23 -

Montag, 20. Mai 2024

Verjährungsbeginn für Eigentumsverschaffungsanspruch an Grundstück

Im notariellen Kaufvertrag aus 2004 erklärten die Parteien die Auflassung mit Anweisung an den Notar, den Antrag auf Vollzug der Auflassung erst zu stellen, wenn der Kläger dem schriftlich zustimmt oder die Beklagte die Kaufpreiszahlung nachgewiesen habe (bzw. diese vom Notar festgestellt worden sei). Eine Auflassungsvormerkung für die Beklagte wurde gewahrt. Mit Klage aus 2021 begehrte der Kläger die Löschung der Auflassungsvormerkung. Dabei ging er von einer Verjährung der Übereignungsforderung der Beklagten aus. Das Landgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde mit Beschluss des OLG zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses.

Dem Verlangen des Klägers würde eine Erfüllung des Anspruchs der Beklagten nicht entgegenstehen. Der Erfüllungsanspruch bestünde so lange, bis der schuldete Leistungserfolgt eingetreten sei (§ 362 Abs. 1 BGB). Dies bedürfe hier nicht nur der Auflassung, sondern auch der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch (BGH, Urteil vom 13.10.2023 - V ZR 161/22 -).

Der Anspruch auf Löschung der Vormerkung, bei der es sich um ein streng akzessorisches Sicherungsrecht handele, könne gem. § 866 BGB darauf gestützt werden, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch verjährt sei. Bei der Einrede der Verjährung handele es sich um eine dauernde Einrede, die den durch Vormerkung gesicherten Anspruch dauernd ausschließen würde. Allerdings sei der Übereignungsanspruch des beklagten vorliegend nicht verjährt.

Ansprüche auf Übertragung des Grundstücks würden in zehn Jahren verjähren, § 196 BGB, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs, § 200 BGB.  Ein Anspruch sei iSv. §§ 200, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und (ggf. im Wege der Klage) durchgesetzt werden könne. Erforderlich sei dafür die Fälligkeit (z.B. BGH, Urteil vom 17.12.1999 - V ZR 448/98 -). Dies gelte auch für synallagmatisch verknüpfte vertragliche Ansprüche auf Leistung und Gegenleistung bei einem Grundstückskaufvertrag. Die Verjährung für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einen Vertragsverhältnis beginne erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.

Grundsätzlich sei bei einem Kaufvertrag der Zeitpunkt dessen Abschlusses für die Entstehung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung (und damit Beginn der Verjährungsfrist) entscheidend. Etwas anders gelte aber dann, wenn (aufgrund  gesetzlicher Regelungen oder vertraglicher Vereinbarung) der Anspruch nicht mit Vertragsabschluss, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig würde.

Üblicherweise würden in einem Grundstückskaufvertrag abweichende Regelungen zur Fälligkeit des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung getroffen, um den Verkäufer davor zu schützen, dass er das Eigentum an seinem Grundstück verliert, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Solche Regelungen könnten (wie hier) dazu führen, dass der Anspruch auf Eigentumsverschaffung erst mit dem Nachweis der Kaufpreiszahlung fällig würde. Vor eigener Erfüllung der Kaufpreiszahlungspflicht könne der Käufer nicht erfolgversprechend auf Übertragung des Eigentums klagen (auch nicht mit dem Ziel einer Zug-um-Zug-Verurteilung). Nicht ausreichend sei, die Berechtigung des Käufers, jederzeit den Kaufpreis zu zahlen (§ 271 Abs. 2 BGB) und so die Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruchs herbeizuführen.

BGH, Urteil vom 15.03.2024 - V ZR 224/22 -

Sonntag, 28. April 2024

Beendigung der Verjährungshemmung durch Entscheidung des Versicherers

Die beklagte Versicherung erhob gegen den von dem Kläger gegen sie als Pflichtversicherer eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall geltend gemachten Schadensersatzanspruch die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies deshalb die Klage zurück; die Berufung hatte auch keine Aussicht auf Erfolg.

Die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall sollen nach den Ausführungen des Berufungsgerichts mit Schreiben vom 02.06.2003 geltend gemacht worden sein. Damit sei die Verjährung gegenüber der Beklagten gehemmt gewesen. Die Hemmung habe bis zum Zugang des Schreibens der Beklagten vom 14.10.2009 angedauert. Dieses Schreiben habe eine Entscheidung des Versicherers iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG dargestellt. 

§ 115 Abs. 2 S. 3 VVG lautet: „Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht.“ 

Hierfür käme nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine anspruchsbejahende und damit grundsätzlich für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers in Betracht (BGH, Urteile vom 14.03.2017 - VI ZR 226/16 – und 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Ziel der Regelung sei, den Geschädigten für den Fall langwieriger Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Folgen der Verjährung zu schützen. Diese Schutzfunktion entfalle, sobald sich der Versicherer zum angemeldeten Anspruch eindeutig erklärt habe, da damit für den Geschädigten Klarheit bestünde, welche Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und Verhinderung einer Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln der §§ 202 ff BGB bedürfe. 

Die Mitteilung des Versicherers, auf Grund der die Verjährungshemmung ende, müsse allerdings eine klare und umfassende Erklärung darstellen, was nicht bedeute, dass der Versicherer in seiner mitgeteilten Entscheidung sich für jeden in Betracht kommenden Schadensposten betragsmäßig festlegen müsse, wenn sich ergebe, dass er über etwa schon bezifferte Schäden hinaus auch die weiteren nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Schadenspositionen regulieren würde. Damit käme es für die Wertung, ob eine Erklärung eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 3 S. 2 VVG sei, von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. 

Vorliegend hatte die Beklagte mitgeteilt, dass sie ein Schmerzensgeld von € 15.000,00 für ausreichend erachte und darüber hinaus gebeten, dass der Klägers einen materiellen Schaden abschließend beziffere und Belege vorlege, damit ein abschließendes Regulierungsgespräch stattfinden könne. Damit habe das Schreiben den Anforderungen des § 115 Abs. 3 S. 2 VVG genügt. 

Bei dem immateriellen Schaden sei deutlich geworden, dass die Beklagte lediglich einen Betrag von € 15.000,00 als angemessen ansah und weitere Zahlungen nicht in Betracht kämen. Mit der Aufforderung, den materiellen Schaden zu belegen sei auch klargestellt worden, dass künftige Forderungen freiwillig gezahlt würden, sofern sie belegt seien. Der Verweis auf ein zu führendes Regulierungsgespräch ändere vorliegend daran nichts, da dies vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass die Beklagte bereits Zahlungen in Höhe von € 26.000,00 erbracht hatte und damit € 9.000,00 mehr, als sie für das Schmerzengeld bereit war zu zahlen. Für die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen, ob durch diesen Betrag der noch zu belegende materielle Anspruch rechnerisch abgegolten war oder nicht (weshalb auch der Kläger zur Darlegung und Belegung aufgefordert worden sei). 

Um festzustellen, ob eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG vorliege, käme der Entwicklung des Anmeldeverfahrens und insbesondere dem Konkretisierungsgrad der Schadensmeldung besondere Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Das (nicht vorgelegte) Anmeldeschreiben vom 02.06.2003 enthalte offensichtlich keine konkrete Geltendmachung von Folgeschäden, weshalb der Erklärung der beklagten vom 14.10.2009 weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn nach entnommen werden könne, die Leistungsbereitschaft beschränke sich nur auf bestimmte bezifferte Rechnungsbeträge; die Erklärung habe sich erkennbar auf den Anspruch des Klägers insgesamt erstreckt, und Einwendungen zum Grund seien nicht erhoben worden. 

Für den Kläger habe damit hinreichend Sicherheit und Klarheit zur Einstandsbereitschaft der Beklagten bestanden. Von der eigenen weiteren Vorsorge des Geschädigten, trotz der positiven Entscheidung des Versicherers einer Verjährung für noch nicht bezifferbare Ansprüche (z.B. durch Erhebung einer Feststellungsklage) vorzubeugen, sei dieser durch § 115 Abs. 2 S. 3 VVG nicht freigestellt worden, was hier der Kläger versäumt habe. 

Mithin wird die Verjährung nur für den Zeitraum ab Anmeldung des Anspruchs bei dem Versicherer bis zu dessen (positiver oder negativer) Entscheidung gehemmt. Mit dem Zugang dessen Entscheidung läuft die Verjährungsfrist weiter. Vorliegend, darauf verweist das Berufungsrecht ergänzend, sei der Kläger auch der Aufforderung zur Vorlage von belegen nicht nachgekommen und die Hemmung der Verjährung habe auch durch „Einschlafen lassen“ der Verhandlungen geendet (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.04.2004 - 2 U 142/03 -). 

Kammergericht, Beschluss vom 10.07.2023 - 25 U 46/22 -

Samstag, 24. Februar 2024

Verjährungsfrist für Vergütungsanspruch des Bauträgers

Am 20.06.2014 führte die Bauträgerin (Klägerin) unter Beteiligung der Beklagten eine Begehung der gekauften Wohnung mit Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls durch, nach dessen Inhalt die Übernahme/Abnahme gemäß Kaufvertrag erfolgt sei. Am 06.11.2014 erklärten die Beklagten die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Mit Schreiben vom 24.11.2014 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung der letzten Kaufpreisrate auf. Am 28.12.2017 beantragte die Klägerin einen Mahnbescheid in Bezug auf diese Rate gegen die Beklagten. Die Beklagte hatten im Verfahren die Einrede der Verjährung erhoben und beriefen sich zudem auf ein Zurückbehaltungsrecht für von ihnen gerügte Mängel. Einen kleinen Betrag davon akzeptierte die Klägerin und reduzierte insoweit ihre klageweise geltend gemachte Forderung. Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil wurden zurückgewiesen. Von der Klägerin wurde die vom Berufungsgericht (OLG) zugelassene Revision eingelegt. Diese führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und zur Zurückverwesung des Rechtstreits an dieses. 

Das OLG ging in seinem Urteil von der Regelverjährung des § 185 BGB aus (3 Jahre). Die Anwendung von § 196 BGB schloss es aus, da zwar die streitgegenständliche Forderung Teil des Entgelts dafür sei,, dass die Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück übertragen habe und die errichtete Wohnung „lediglich“ wesentlicher Bestandteil des Miteigentumsanteils sei, sei § 196 BGB nicht anzuwenden. Es würde sich hier auch um die Gegenleistung für die Erbringung von Bauleistungen handeln. Der Vergütungsanspruch sei nicht aufteilbar zwischen Eigentum und Bauleistung, weshalb die Verjährung einheitlich nach der Leistung zu beurteilen sei, die bei weitem überwiegend das Vertragsverhältnis charakterisiere. Der Charakter über den Kauf würde durch den Bau der Wohnung geprägt, weshalb insoweit der Vergütungsanspruch teilwiese im Werkvertragsrecht (§ 631 BGB) geregelt sie. An der Übertragung des Miteigentumsanteils ohne Bauleistung hätten die Parteien kein Interesse gehabt.  Damit greife die 10-jährie Verjährungsfrist des § 196 BGB nicht. 

Dem folgte der BGH nicht, der vorliegend entgegen dem OLG § 196 BGB anwandte mit der Folge, dass die Forderung noch nicht verjährt sei. 

Richtig sei, dass sich die Bauträgervergütung nicht aufteilen ließe in einen Teil für den Kaufpreis des Grundstücksanteils und einen Teil für die Bauleistungen. Es läge ein einheitlicher Vertrag vor. Bei Bauträgerverträgen sei hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks Werkvertragsrecht, hinsichtlich der Übertragung von Eigentum Kaufrecht anzuwenden. Eine Aufteilung der Bauträgervergütung käme aber nur bei einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien in Betracht, die nicht vorläge. Für den einheitlichen Vergütungsanspruch gelte aber nicht die Verjährungsregelung des § 195 BGB, sondern jene des § 196 BGB.  Dies ergäbe eine Auslegung des § 196 BGB, der als speziellere Regelung § 195 BGB verdränge. 

Nach § 196 BGB würden Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in 10 Jahren verjähren. Die Annahme, das § 106 BGB für den  Vergütungsanspruch des Bauträgers gelte, lasse sich allerdings nicht aus dem Wortlaut ableiten, das die Vergütung die Gegenleistung sowohl für die Übertragung des Eigentums als auch für die Errichtung des Bauwerks sei. Die Errichtung des Bauwerks sei aber von § 196 BGB im Wortlaut nicht erfasst. Aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten sei es aber gerechtfertigt, § 196 BGB als speziellere Regelung des Vergütungsanspruchs des Bauträgers anzuwenden. Da der Vergütungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliege, könne er sich nur nach § 195 BGB oder § 196 BGB richten. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 196 BGB (BT-Drs. 14/7052 S. 179) ergäbe sich, dass mit der Einbeziehung der Ansprüche auf die Gegenleistung in § 196 BGB über die dieser Vorschrift bereits unterfallenden Ansprüche auf Eigentumsübertragung an einem Grundstück hinaus ein in der Sache nicht gerechtfertigtes Ergebnis vermieden werden sollte, das bestehen könnte, wenn derartige Verträge bei Geltung der Regelverjährung nach § 195 BGB für die Ansprüche auf die Gegenleistung nicht beendet werden könnten. Dies greife auch bei Bauträgerverträgen. Da der einheitliche Vergütungsanspruch auch eine Gegenleistung für die von ihm – neben der Bauwerkserrichtung – geschuldete Übertragung des Eigentums an dem Grundstück und damit eine Gegenleistung iSv. § 196 BGB darstelle, sei es gerechtfertigt, insoweit einheitlich die speziellere Verjährungsregelung des § 196 BGB anzuwenden. 

Dem stünde das Urteil des BGH vom 12.10.1978 – VII ZR 288/77 – schon deswegen nicht entgegen, da es auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 12.10.1978 beruhe. Im Übrigen würde der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhalten. 

Damit musste der BGH das Urteil zurückweisen, da das OLG nunmehr neu im Hinblick auf das von den Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht zu entscheiden hat. 

BGH, Urteil vom 07.12.2023 - VII ZR 231/22 -

Mittwoch, 30. August 2023

Rückzahlung nicht verdienter Vorschüsse auf Verwaltervergütung durch (entlassenen) Insolvenzverwalter

Der Kläger, der aktuelle Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Schuldnerin, klagte die Rückzahlung eines von dem vormaligen Insolvenzverwalters (Beklagter) aus der Masse entnommenen Vergütungsvorschusses ein. Dem Vorschuss lag ein Beschluss des Insolvenzgerichts zugrunde, demzufolge dieses für die Tätigkeit des Beklagten einen Vorschuss auf dessen Vergütung von € 60.977,81 festsetzte und dessen Entnahme aus der Insolvenzmasse gestattete. Der Beklagte entnahm den Betrag in 2009. In 2010 entließ des Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter. Dieser stellte in 2013 einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im Insolvenzverfahren. Der Antrag wurde 2017 zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Vergütungsanspruch (wegen auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten) verwirkt habe.

Das Landgericht wies die Rückzahlungsklage auf Grund der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht das Urteil ab und gab der Klage statt. Die (zugelassene) Revision des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil bleib ohne Erfolg.

Der Rückforderungsanspruch richte sich, so der BGH, nicht nach der bereicherungsrechtlichen Norm des § 812 BGB. Die Anspruchsgrund für die Rückforderung ergäbe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 667  BGB (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Mit der Bestellung des Insolvenzverwalters würde hinsichtlich des Vergütungsanspruchs ein Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und der Insolvenzmasse begründet und der neue Insolvenzverwalter sei berechtigt eine Überzahlung auf die gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern:

Der Insolvenzverwalter könne aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss u.a. auf seine Vergütung entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimme, § 9 S. 1 InsVV.  Habe der Insolvenzverwalter mehr aus der Insolvenzmasse entnommen, als ihm nach der maßgeblichen abschließenden und rechtskräftigen Festsetzungsentscheidung des Insolvenzgerichts zusteht, habe er den zuviel entnommenen Anteil an die Masse zu zurückzuzahlen. Erfolge die Entnahme aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Vergütungsbeschlusses, sei er mit Aufhebung oder Änderung zu seinem Nachteil zur Rückerstattung verpflichtet (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -); in diesem Fall ergäbe sich der Rückforderungsanspruch aus der entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 20.03.2014 - IX ZR 25/12 -).  Handelt es sich um einen Vorschuss folge der Rückforderungsanspruch auf Grund des rechtskräftigen Bescheides über die Vergütungsfestsetzung aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB. Es handele sich um eine „Lückenergänzung“. § 65 InsO iVm. § 9 InsVV eröffne die Möglichkeit, in einer §§ 675, 669 BGB vergleichbaren Weise Vorschüsse auf die Vergütung und Auslagen zu erhalten. Weder die Insolvenzordnung noch die dazu ergangene Vergütungsordnung regele aber die die Rückgewähr eines zu viel gezahlten Vorschusses; § 717 Abs. 2 BGB sei nicht anzuwenden, da die Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses keine einem Vollstreckungstitel vergleichbare Wirkung habe.  

Voraussetzung des § 677 BGB sei, dass der vereinnahmte Vorschuss tatsächlich nicht verdient worden sei (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - IX ZR 143/18 - zur Rechtsanwaltsvergütung). Zu unterscheiden sei zwischen Entstehung der Vergütung, deren Fälligkeit und deren Festsetzung. Der Anspruch auf Vergütung entstehe mit der Arbeitsleistung und dem Anfallen der Auslagen (BGH, Urteil vom 05.12.1991 - IX ZB 19/20 -), die Festsetzung der Vergütung mit einem Beschluss des Insolvenzgerichts, § 64 Abs. 1 InsO. Die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Entnahme eines Vorschusses (§ 9 InsVV) entfalte keine bindende Wirkung über die gem. § § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV festzusetzende Vergütung (BGH, Beschluss vom 22.11.2918 - IX ZB 14/18 -). Die Bewilligung eines Vorschusses habe nur vorläufige Bedeutung und mit ihr würde ein Vergütungsanspruch nicht bereits anerkannt.

Führe die Entnahme dazu, dass ein mit der Entfaltung der Tätigkeit bereits entstandene aber noch nicht endgültig festgestellte Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters teilweise nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt wird, stünde dies einer Rückforderung auch nicht entgegen, da die Erfüllungswirkung nur eintrete, sofern ihm ein Vergütungsanspruch zustünde, was erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV verbindlich festgestellt würde (BGH, Urteil vom 17.11.2005 - IX ZR 179/04 -).

Das Insolvenzgericht habe den Antrag auf Festsetzung der Vergütung rechtskräftig zurückgewiesen, da der Beklagte seinen Anspruch auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangener Straftaten verwirkt habe. Die Entscheidung habe auch für die Frage, ob Vorschüsse zurückzuzahlen sind, präjudizielle Wirkung.  Daher könne er auch für Tätigkeiten vor dem inkriminierten Zeitraum 2005 bis 2008 keine Vergütung oder Auslagen verlangen (BGH, Beschluss vom 22.11.2018 - IX ZB 14/18 -).

Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines gem. § 9 InsVV gewährten Vorschusses beginne erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts zu laufen: Es gelte wie bei § 667 BGB die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB.  Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von dem anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entstanden sei nach § 1991 Abs. 1 BGB der Anspruch, sobald er klageweise geltend gemacht werden könnte, was die Fälligkeit des Anspruchs voraussetze, die dem Gläubiger die Möglichkeit der (Leistungs-) Klage verschaffe. Damit setze § 667 BGB in der Regel die Beendigung des Auftrags voraus; im Allgemeinen würde der Anspruch des Insolvenzverwalters erst nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig. Zusätzlich sei den Rückzahlungsanspruch eines Vorschusses nach § 9 InsVV erforderlich, dass das Insolvenzgericht verbindlich über die Höhe der Vergütung nach § 64 InsO, § 8 InsVV entschieden habe; die Entscheidung habe im Streit um die Rückforderung von angeblichen Überzahlungen präjudizielle Wirkung, weshalb in der Regel erst diese Entscheidung  zur Klärung der Vergütung  die Möglichkeit eröffne eine Überzahlung im Wege der Klage geltend zu machen. Der Beschluss des Insolvenzgereichts dazu erging im März 2017, die Klage wurde 2019 (in nicht verjährter Zeit) zugestellt.

Offen ließ der BGH, ob in Fällen, in denen der entlassene Insolvenzverwalter keinen Festsetzungsantrag stelle, eine Rückzahlungsklage zulässig wäre, das Insolvenzgericht durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen den (entlassenen) Insolvenzverwalter zu einem Vergütungsantrag anhalten könne oder auf Antrag des neuen Insolvenzverwalters die Vergütung des entlassenen Verwalters festgesetzt werden könne. Ebenso ließ der BGH offen, wie in einem solchen Fall die Verjährungsfrage zu entscheiden wäre.

BGH, Urteil vom 29.06.2023 - IX ZR 152/22 -

Dienstag, 11. Juli 2023

(Fehlende) Signatur auf Schriftsatz und Verjährung

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend mit der Begründung, der Beklagte habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt und deshalb habe er sich verletzt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Verjährung ab.  Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Berufung.

Die Verjährung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs des Klägers trat mit Ablauf des 31.12.2021 ein. Die Klage wurde am 25.12.2021 durch elektronische Übermittlung lediglich der ersten Seite der Klageschrift und der Anlagen zur Klageschrift durch an anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht worden. Mit dem 27.12.2021 wurde der Kläger zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Unter dem 26.01.2022 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert seine ersichtlich unvollständige Klage zu vervollständigen, was er dann auch unter Überlassung der kompletten Klageschrift tat. Der Beklagte erhob u.a. die Einrede der Verjährung. Mit Verweis auf die eingetretene Verjährung wurde die Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 wies das Landgericht darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung zurückzuweisen. Nachdem der Kläger darauf innerhalb gesetzter Frist nicht reagierte, wies das Landgericht seine Berufung mit Beschluss vom 03.07.2023 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 zurück.

Vom Grundsatz her war die Verjährung bei Einreichung einer Klage am 25.12.2021 noch nicht eingetreten, da Verjährungsablauf der 31.12.2021 war. Streitig war im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung, ob die unvollständige Klage geeignet war, den Eintritt der Verjährung zu hemmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Vorliegend entsprach aber die Klageschrift, so wie sie eingereicht wurde, nicht den prozessualen Anforderungen, was erst nach dem Hinweis durch das Amtsgericht im Januar geheilt wurde.

Das Landgericht wies in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht darauf hin, dass ein elektronisches Dokument wie die Klageschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der den Schriftsatz verantwortenden Person versehen sein müsse oder aber von der verantwortenden Person (einfach) signiert sein müsse und ferner auf einem sicheren Übermittlungsweg (wie dem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“ (beA) eingereicht werden müsse, § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO. Die Klageschrift, wie sie am 25.12.2021 auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereicht wurde, war nicht qualifiziert signiert. Sie wurde nur mit einer Seite (der erste Seite) eingereicht, die auch nicht unterschrieben war.  Die einfache Signatur hätte hier bei der elektronischen Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg ausgereicht, wäre aber auch erforderlich gewesen, § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO.

Eine Ausnahme von dem Erfordernis der einfachen Signatur habe hier auch nicht vorgelegen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hinwies, er sei, wie aus seinem Briefkopf auf der übermittelten Seite der Klageschrift ersichtlich sei, als Einzelanwalt tätig, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Ausnahme. Der BGH habe zwischenzeitlich mit Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 - entschieden, dass die einfache Signatur (z.B. durch maschinenschriftlichen Namenszug oder eingescannter Unterschrift) ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte Signatur die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung  ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringe, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehle es daran, sei das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht worden.  Auch wenn der Briefkopf darauf deute, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Kanzlei als Einzelanwalt betreibe, schließe dies nicht aus, dass ein angestellter Rechtsanwalt tätig sei, ohne auf dem Briefbogen benannt zu sein; auch könnten freiberufliche Rechtsanwälte in der Kanzlei tätig sein. Entsprechend habe zudem auch bereits zuvor das BAG das BAG am 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - entschieden.

Das Fehlen des Namens am Ende des Dokuments (hier der ersten Seite) könne auch nicht durch einen eingangs des Dokuments benannten Namen des Rechtsanwalts ersetzt werden, da dennoch die Möglichkeit bestünde, dass der Schriftsatz von einer anderen Person (namentlich nichtanwaltlichen Personal oder einem externen Rechtsanwalt, der in anwaltlicher Vertretung tätig würde) stamme. Das könne ohne Beweisaufnahme nicht geklärt werden, die allerdings diesbezüglich ausgeschlossen sei.

Auch gehe die Annahme des Klägers fehl. Das Amtsgericht hätte ihn bereits im Zusammenhang mit der Übermittlung der Kostenrechnung  für den Gerichtskostenvorschuss auf die fehlende Wirksamkeit der Klageerhebung hinweisen müssen. Die Bearbeitung des Klageverfahrens erfolge gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten. Die Akte sei der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts erst nach Eingang des Vorschusses am 25.01.2022 vorgelegt worden.

Anmerkung: Rechtsanwälte sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Schriftsätze (und dies gilt auch für bestimmende Schriftsätze wie die Klageschrift) als elektronische Dokument den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg zuzuleiten (§ 130a ZPO). Diese müssen signiert werden (regelmäßig am Ende des Dokuments eine Namensangabe des verantwortenden Rechtsanwalts) oder mit einer qualifizierten Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen sein.

LG Kassel, Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 - 1 S 177/22

Sonntag, 30. April 2023

Gefährdet das „besondere elektronische Anwaltspostfach“ (beA) die Verjährungshemmung ?

§ 130d S. 1 ZPO bestimmt, dass „vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich enzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt … eingereicht werden, … als elektronisches Dokument zu übermitteln“ sind. Dabei sind bestimmte Formen zu wahren (so PDF, Signatur). Nur dann, wenn dies „aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften“ (so Post, Telefax) zulässig, § 130d S. 2 ZPO. Entsprechende Regelungen, wie hier zum Zivilverfahren, gelten auch nach den Prozessordnungen anderer Gerichtsbarkeiten (z.B. § 55a VwGO).

Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 30.11.2022 - IV ZB 17/22 - (siehe den unten stehenden Beitrag vom 28.04.2023) aufgezeigt, dass bei der Übermittlung von Schriftsätzen an Gerichte höchste Sorgfalt geboten ist. Versehentlich hatte dort der Rechtsanwalt die Berufungsbegründung nicht an das zuständige Oberlandesgericht, sondern an das Landgericht versandt. Die Berufung wurde vom Oberlandesgericht - zu Recht, wo der BGH - verworfen, da mit dem Zugang beim Landgericht nicht ein notwendiger fristgerechter Zugang bei dem Oberlandesgericht gewahrt wurde. Das Verschulden des Rechtsanwalts wird der Partei zugerechnet. In diesem Fall hat allerdings der Mandant einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Rechtsanwalt, vorausgesetzt, die Berufung wäre erfolgreich gewesen (was im Rahmen einer Klage auf Schadensersatz dann von dem darüber zur Entscheidung berufenen Gericht zu klären wäre).

Aber wie steht es um den Anspruch des Mandanten, wenn aus technischen Gründen eine Übermittlung des Schriftstückes an das Gericht nicht möglich ist ? Hier bietet zwar § 130d S. 2 ZPO dem Rechtsanwalt die Möglichkeit, nach den „allgemeinen Vorschriften“ seinen Schriftsatz an das Gericht zu senden. Dies ist allerdings für den Rechtsanwalt mit erheblichen Mehraufwand verbunden: Nach § 130d S. 3 ZPO muss der Rechtsanwalt die vorübergehende Störung glaubhaft machen, selbst dann, wenn sie gerichtsbekannt ist (so ArbG Lübeck, Urteil vom 01.10.2020 - 1 Ca 572/20 -, Rn. 87). Erfolgt die Glaubhaftmachung nicht, nicht ausreichend oder verspätet, kann sich daraus auch eine Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten ergeben.

Leider sind Störungen im elektronischen Verkehr mit Gerichten häufig. Nachzulesen sind sie auf der offiziellen Seite des beA zur „beA Verfügbarkeit“.  Dort kann man eine fehlende Verfügbarkeit aber nicht sogleich finden, wenn sie eintritt, sondern mit (unterschiedlicher) zeitlicher Verzögerung), weshalb der gewissenhafte Rechtsanwalt zunächst das Problem bei seiner Anwendung versucht zu finden (verschiedene Versuche, runter- und hochfahren des PC pp.). Interessant wird dies, wenn man ein Problem bei dem Versand feststellt, seinen Softwarespezialisten anruft, dieser Prüfungen vornimmt und dann plötzlich festgestellt wird, dass unter „beA Verfügbarkeit“ plötzlich der Systemausfall eingestellt wird, allerdings mit einer zeitlichen Verschiebung von 15 Minuten, und nach Behebung des Mangels der zeitliche Verzug zur eigenen Feststellung plötzlich mit 20 Minuten deklariert wird (so wie ich es vor einigen Wochen erleben durfte).

Grundsätzlich wäre, folgt aus einer nicht möglichen Versendung aufgrund einer vorübergehenden technischen Störung (sei es am eigenen System oder beim Empfänger) eine Fristversäumung, eine Wiedereinsetzung möglich. Allerdings erfordert dies, dass die Frist oder Notfrist ohne Verschulden nicht eingehalten wurde, § 233 ZPO. Ein verschulden wird man grundsätzlich annehmen können, wenn der Weg des § 130d S. 2 ZPO möglich wäre.

Allerdings ist dem Rechtsanwalt die Möglichkeit des § 130d S. 2 ZPO verwehrt, wenn er den gem. § 130d S. 1 BGB das Schriftstück per beA an das Gerichts- oder Verwaltungspostfach des zuständigen Gerichts sandte und die nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO übermittelte automatisieret Bestätigung (Sendeprotokoll) den erfolgreichen Zugang bei dem adressierten (und zuständigen) Gericht bestätigt. Ergibt mithin die Prüfung des Sendeprotokolls, dass das Schriftstück ordnungsgemäß eingegangen ist, hat er alles getan, um eine Frist zu wahren und für den Fall, dass das Schriftstück bei dem Gericht gleichwohl nicht einging, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Bestätigungsvermerk falsch ist und innerhalb der Frist des § 234 ZPO Wiedereinsetzung beantragt.

Das rechtliche Problem liegt allerdings darin, dass die Wiedereinsetzung lediglich den Ablauf einer prozessualen Frist betrifft, nicht (auch) den Ablauf einer materiellen Frist. Soll mit einer Klage oder sonstigen Antrag (z.B. ein Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens, § 485 ZPO) die Verjährung gehemmt werden (§ 204 BGB), so ist Voraussetzung der rechtzeitige, vor Ablauf liegende Eingang des entsprechenden Antrages bei Gericht erforderlich (und dessen Zustellung bei der Gegenseite „demnächst“). Problematisch ist dies in dem Fall, wenn zwar nach dem Sendeprotokoll der rechtzeitige Eingang bei Gericht bestätigt wird, dieser aber tatsächlich nicht erfolgte.

beA ist unberechenbar. Man denke an die großflächige Störung im Zeitraum vom 18.04.2023 (18.00 Uhr) bis zum 21.04.2023 (21.20 Uhr) in Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Teilen von Baden-Württemberg (zeitmäßig teilweise anders); Sendungen an Gerichte in diesen Bundesländern waren nicht möglich. Nicht genug damit: Für einige Versender war dies nicht erkennbar, das sie ein Sendeprotokoll mit einem Vermerk über den erfolgreichen Eingang erhielten, obwohl ein solcher nicht vorlag. Insoweit erfolgte unter „beA Verfügbarkeit“ der Eintrag:

„Es kann nicht sichergestellt werden, dass Daten, die im Zeitraum vom 18.04.2023, 18:00 Uhr bis zur Einstellung des Produktionsbetriebs am 20.04.2023 um 8:30 Uhr versendet worden sind, beim adressierten Empfänger angekommen sind. Die in diesem Zeitraum versandten Daten müssten dann erneut eingereicht werden.“

Diese erneute Einreichung mag in Ansehung von § 233 ZPO unproblematisch sein, da ein Verschulden des Versenders nicht angenommen werden kann. Anders stellt sich dies aber dar, wenn mit dem Schriftsatz die Verjährung gehemmt werden sollte. Die Wiedereinsetzung in die abgelaufene Verjährungsfrist ist im Gesetz nicht geregelt. Das Gesetz nennt lediglich Umstände, die zwingend zu einer Hemmung führen, wie z.B. die bei Gericht eingehende Klage oder die Zustellung des Antrages auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens (allerdings rückwirkend auf den Eingang bei Gericht, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt, also nicht durch Verschulden des Antragstellers verzögert wird, § 167 ZPO).

Das hätte zur Konsequent, dass dem Rechtsanwalt, der auf die Richtigkeit des Sendeprotokolls vertrauen durfte, kein Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden kann, ihm gegenüber also Schadensersatzansprüche nicht erfolgreich geltend gemacht werden können. Ein Amtshaftungsanspruch gegen das jeweilige Bundesland gem. § 839 BGB dürfte aber auch nicht erfolgreich sein. Es kann zwar geltend gemacht werden, dass die Gerichte und damit das Bundesland (ebenso wie die Rechtsanwaltschaft) dafür Sorge tragen müssen, dass sie im beA-Verfahren über ihr EGVP erreichbar sind, doch können technische Pannen auftreten, die ein Verschulden (welches auch im Rahmen des § 839 BGB erforderlich) nicht zwingend begründen. Diskutabel wäre allenfalls, ob die grundlegende Verpflichtung zur Nutzung von beA und Einreichung mittels eines elektronischen Dokuments über das EGVP des zuständigen Gerichts angesichts der hohen Instabilität des Systems (wie schon die Auflistung auf „beA Verfügbarkeit“ ergibt) ein zumindest fahrlässiges Verhalten darstellt, welches grundsätzlich für den Amtshaftungsanspruch ausreichend ist. Allerdings sind die Länder nur ausführende Organe; die zwingende Umsetzung (zum 01.01.2022) hat der Bundesgesetzgeber beschlossen.

Danach verbliebe es bei dem Schaden des Mandanten, der keine Ansprüche gegen eine Dritten geltend machen kann. Dieses Ergebnis wäre nicht nur unbillig, es würde auch gegen den Justizgewährleistungsanspruch des Art. 2 Abs. 1 GG sprechen. Dieser ist tangiert, wenn nicht der Staat sicherstellt, dass innerhalb der gesetzlichen Frist (hier der Verjährungsfrist) gerichtliche Maßnahmen eingeleitet werden können. Fällt das dafür vorgesehene elektronische System aus und kann deshalb (unverschuldet) der Anspruch nicht bei Gericht anhängig gemacht werden, kommt der Staat seiner sich aus Art. 2 Abs. 2 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG bestehenden Verpflichtung nicht nach. Zwar hat er den Ausfall des Systems in § 130d S. 2 ZPO berücksichtigt, nicht aber den Fall, dass der Absender entgegen den tatsächlichen Umständen ein den erfolgreichen Eingang bei dem zuständigen Gericht bestätigendes Sendeprotokoll erhält und mithin keine Veranlassung hat, einen alternativen Sendeweg zu wählen. Es wäre § 204 BGB dahingehend zu ergänzen, dass die Hemmungsfristen auch dann als gewahrt gelten, wenn das Dokument nach dem Sendeprotokoll gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO bei dem zuständigen Gericht eingegangen sein soll.

Der Gesetzgeber hat ersichtlich diesen Fall nicht bedacht. Damit liegt eine Gesetzeslücke vor. In der Gesetzesbegründung zu § 130a Abs. 5 ZPO zu Satz 2 heißt es (BT-Drs. 17/1234 S. 26) heißt es zum Sendeprotokoll:

„Hierdurch soll der Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit erlangen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind.“

Hierdurch soll der Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit erlangen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind.

Es könnte hier der Rechtsgedanke des § 206 BGB zur höheren Gewalt aufgegriffen werden. Nach § 206 BGB wird die Verjährung gehemmt, wenn innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist höhere Gewalt die Rechtsverfolgung hindert. Hier wird aber verlangt, dass innerhalb der letzten sechs Monate vor Eintritt der Verjährung die Rechtsverfolgung gehindert sein muss. Werden z.B. aus einem Werkmangel Ansprüche kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht und kommt es nun dazu, dass durch Ausfall des elektronischen System bei dem zuständigen Gericht kein Eingang des die Verjährungshemmung bewirkenden Schriftsatzes erfolgt, der Rechtsanwalt gleichwohl ein den Eingang bestätigendes Sendeprotokoll erhält, könnte in Ansehung der 6-Monats-Frist des § 206 nicht auf diesen rekrutiert werden. Der Gläubiger hätte bereits früher den Anspruch geltend machen können; kannte er seien Anspruch früher noch nicht, erfuhr er erst kurz vor Ablauf davon, musste er zwar zunächst den Unternehmer zur Nachbesserung auffordern, um mögliche Kosten des Verfahrens zu ersparen für den Fall, dass der Werkunternehmer die Nachbesserung vornimmt, doch würde dies die fehlende Hemmungswirkung des § 206 BGB nicht tangieren. Der Gesetzgeber hatte bewusst davon Abstand genommen, die Hemmung auf alle Fälle auszudehnen, in denen der Gläubiger ohne Verschulden an der Rechtsverfolgung gehindert war (BT-Drs. 14/6040 S. 119).  

Höhere Gewalt iSv. § 206 BGB wird angenommen, wenn der Gläubiger an der Verfolgung seiner Rechte selbst unter Wahrung der äußersten, billigerweise zu erwartenden Sorgfalt und Anstrengung gehindert worden ist (BAG, Urteil vom 07.11.2002 - 2 AZR 297/01 -; BGH, Urteil vom 06.07.1994 - XII ZR 136/93 - mwN.). Wenn in dem Fall des fehlerhaften Sendeprotokolls schlicht die Durchführung der Versendung des Schriftsatzes an das Gericht nicht möglich gewesen wäre oder als nicht erfolgreich gekennzeichnet worden wäre, hätte der Rechtsanwalt noch einen alternativen Versandweg gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO wählen können. Dem Sendeprotokoll zu vertrauen kann nicht gegen die anzuwendende Sorgfalt und Anstrengung sprechen; es kann nicht erwartet werden, dass stets von der Rechtsanwaltskanzlei bei den entsprechenden Gerichten angerufen wird und nachgefragt wird, ob das Schriftstück eingegangen ist, zumal es dann auch nicht mehr des Sendeprotokolls bedürfte, welches gerade diese Unsicherheit beseitigen und eine Kontrolle des Rechtsanwalts ermöglichen soll.

Der Umstand, dass hier nicht früher der Antrag gestellt wird, kann hier auch nicht (entsprechend § 206 BGB) dem Gläubiger angelastet werden. Er kann - unabhängig davon, ob ihm im Einzelfall eine frühere Antragstellung mit Wirkung der Verjährungshemmung möglich ist -  darauf vertrauen, dass der Justizgewährungsanspruch jederzeit gegeben ist, und mithin auch ein Schriftstück kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist ordnungsgemäß bei dem Gericht eingeht, wenn er ein entsprechendes Sendeprotokoll erhält.

Von daher wäre in diesem Fall nach dem Rechtsgedanken des § 206 BGB zur höheren Gewalt bei einem Fehler des Sendeprotokolls die Verjährungsfrist als gewahrt anzusehen.

Andernfalls bliebe nur die Möglichkeit, soll mittels eines bestimmten Antrages die Verjährung nach § 404 BGB gehemmt werden, den Antrag nicht nur elektronisch zu übermitteln, sondern zusätzlich auch als Telefax oder durch Einwurf in den Gerichtsbriefkasten. Stellt sich dann heraus, dass der elektronisch über beA gesandte Antrag wegen eines Systemfehlers entgegen dem Sendeprotokoll nicht bei Gericht eingegangen ist, unverzüglich die Annahme der richtigen Übertragung glaubhaft zu machen und auf den bereits rechtzeitig dem Gericht auf anderweitigem Weg zugeleiteten Antrag zu verweisen.


Mittwoch, 3. August 2022

Ärztlicher Behandlungsfehler und Beginn des Laufs der Verjährung, §§ 195, 199 BGB

Bei dem Antragsteller wurde von Ärzten der Beklagten am 25.01.2017 eine Leistenhernienoperatin durchgeführt. Danach bildeten sich beim ihm eine Sepsis mit Nierenversagen bei 4-Quadranten-Reritonitis. Nach Ansicht des Antragstellers sei dies auf eine unzureichende Reaktion der Ärzte auf die von ihm geäußerten extremen Schmerzen und eine unzureichende Befunderhebung zurückzuführen.

Für seien Klage auf Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld, vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren und einer Einstandsverpflichtung der Beklagten für mögliche kausale Zukunftsschäden beantragte der Antragsteller Prozesskostenhilfe, § 114 ZPO. Die Beklagte erhob im Rahmen ihrer Stellungnahme die Einrede der Verjährung. Mit Hinweis auf die eingetretene Verjährung lehnte das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da es damit an einer für die Gewährung von Prozesskostenhilfe notwendigen hinreichenden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage ermangele, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die dagegen von dem Antragsteller eingelegte sofortige Beschwerde war erfolgreich.

Wie auch bereits das Landgericht sah auch das Oberlandesgericht im Rahmen seiner Beschwerdeprüfung den Vortrag des Antragstellers zu einer Haftung der Beklagten als ausreichend an, wobei es darauf verwies, dass zwar der Patient einen Behandlungsfehler darlegen und beweisen müsse, allerdings von ihm im Hinblick auf das bestehende Informationsgefälle zwischen ihm und dem Arzt keine genauen Kenntnisse der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert würden und mithin nur maßvolle Anforderungen an seien Substantiierungslast zu stellen seien, wonach er sich auf einen Vortrag beschränken könne, der die Vermutung eines ärztlichen Fehlverhaltens aufgrund der Folgen für den Patienten gestatte (BGH, Urteil vom 08.06.2004 - VI ZR 199/03 -).

Gegen die nach dem für die Gewährung der Prozesskostenhilfe sprechende Erfolgsaussicht gemäß Vortrag des Antragstellers könnte danach lediglich der Eintritt der Verjährung sprechen. Es gilt hier für die in Betracht kommenden Ansprüche gem. §§ 630a ff, 823ff BGB die regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB von drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder aber ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies zugrunde legend wies das OLG als Beschwerdegericht darauf hin, die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis sei nicht schon dann zu bejahen, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt sei. Vielmehr sei erforderlich, dass er auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache hätte schließen können müssen. Erforderlich sei dazu nicht nur die Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sich auch für den medizinischen Laien ergäbe, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen sei oder Maßnahmen nicht getroffen hätte, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich sind. Diese Kenntnis ei aber erst vorhanden, wenn die dem Antragsteller (Patienten) bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arztes und auf die Ursache des Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen würden (BGH, Urteil vom 08.11.2016 - VI ZR 594/215 -). Im Hinblick auf ärztliche Behandlungsfehler sei zudem die Kenntnis des Abweichens vom medizinischen Standard oder des Unterlassens medizinisch gebotener Handlungen erforderlich.  Diese Kenntnis richte sich in Ansehung der Komplexität moderner medizinischer Behandlungsweisen nicht nach wissenschaftlichen Kriterien, sondern der Parallelwertung in der Laiensphäre des Patienten, nach der die Behandlung nicht lege artis durchgeführt worden sei. Er müsse mithin diejenigen Behandlungstatsachen kennen, die in Bezug auf einen Behandlungsfehler ein ärztliches Fehlverhalten und in Bezug auf die Schadenskausalität eine ursächliche Verknüpfung bei objektiver Betrachtung nahelegen. Ob eine Abweichung vom Standard vorläge könne der Laie, mit Ausnahme grundlegender Behandlungsmethoden, erst durch eine ärztliche Begutachtung des Schadens feststellen. Diese Begutachtung sei vorprozessual erst durch ein von der Krankenkasse eingeholtes viszeralchirurgisches MDR-Gutachten vom 18.08.2020, welches der Antragsteller mit Schreiben der Krankenasse vom 24.08.2020 zur Kenntnis erhielt, erfolgt. Ob eine fachgutachterliche Stellungnahme für den Lauf der Verjährungsfrist zwingend sei (so OLG Köln, Urteil vom 05.03.2018 - 5 U 98/16 -) könne auf sich beruhen, da nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher sonstiger Umstände der Antragsteller zuvor die nach den benannten Maßstäben gebotene Kenntnis hätte erlangen können.

OLG Dresden, Beschluss vom 04.05.2022 - 4 W 252/22 -

Donnerstag, 26. August 2021

Umbaupflicht des (gewerblichen) Mieters und Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung durch Vermieter nach § 548 BGB

Im (Ergänzungs-) Mietvertrag vom 01.01.2006 war u.a. vorgesehen, dass die Beklagte „folgende Wertverbesserungen in dem angemieteten Objekt vorzunehmen“ habe, nämlich u.a. Isolierung und fehlende Wandverkleidung an der hintersten Giebelseite auf eigene Kosen mit einer „Wertverbesserung ca. 6.000,0 €“ und „Ausgleich und Versiegelung des Betonfußbodens … Wertverbesserung ca. 2.000,00 bis 2.500,00 €“. Nach Annahme der beklagten waren diese Arbeiten für eine erforderliche Betriebsgenehmigung notwendig.  Im Januar 2009 schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag, in dem aber auf die genannten Verpflichtungen als weiterbestehend Bezug genommen wurde. Allerdings war die Maßnahme wegen Umstrukturierung der Beklagten für diese nicht mehr notwendig, weshalb sie die Arbeiten nicht durchführte bzw. durchführen ließ. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 15.02.2018 forderte der Kläger Schadensersatz in Höhe der Herstellungskosten mit € 2.269,40 für die Wandverkleidung und € 19,327,28 für die Bodenversiegelung.

Land- und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. 

Grundsätzlich könnte der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach §§ 281, 280 Abs. 3 BGB zustehen. Dem könnte hier aber Verjährung entgegenstehen. Zwar stelle sich die Umbauverpflichtung als (Teil der) Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung dar und war diese mangels anderweitiger Vereinbarung sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Damit könnte hier wegen Zeitablaufs Verjährung vorliegen. Entscheidend sei allerdings, welche Ansprüche der Vermieter im Hinblick auf eine Rückgabe der Mietsache im vereinbarten Zustand habe. Wenn nämlich die übernommenen Umbauverpflichtungen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Abnutzungen den bei Rückgabe geschuldeten Zustand festlegen, würden die Ansprüche erst sechs Monate nach Rückgabe der Mietsache verjähren, § 548 Abs. 1 BGB. Zwar könne die auf eigene Kosten vorzunehmende Umgestaltung der Mietsache eine Gegenleistung für die geschuldete Miete darstellen, allerdings auch von § 548 BGB erfasst sein, insoweit der Erfüllungsanspruch zugleich eine Hauptpflicht wiederspiegele, sofern der Zustand festgelegt wird, den die Mietsache bei Mietend haben soll (BGHZ 86, 71, 78).

Der Begriff der Verschlechterung in § 548 Abs. 1 BGB verlange nicht, dass sich der Zustand der Mietsache im Vergleich zum Mietbeginn verschlechtert habe. Ausreichend sei, dass der Zustand bei Rückgabe von jenem abweiche, den die Mietsache nach dem Vertrag haben sollte. Auch hier greife § 548 BGB. Deshalb sei bei einer vom Mieter übernommenen Verpflichtung entscheidend, ob sich diese auf den Zustand am Mietende beziehe. Würde dies bejaht, führe die Nicht- oder Schlechterfüllung zu einen Anspruch nach § 548 Abs. 1 BGB. 

Vorliegend seien die Umbaumaßnahmen mit den Angaben zu Wertverbesserungen näher benannt worden. Dies bedeute, dass nicht nur eine Anpassung an die speziellen Bedürfnisse der Beklagten erfolgen sollte, sondern die konkreten Maßnahmen Wertverbesserungen auch für künftige Nutzungen waren. Es sei daher mit den vom Mieter als Gegenleistung zur Gebrauchsgewährung übernommenen Umbauarbeiten ein veränderter Zustand der Mietsache bei Rückgabe durch die Beklagte geschuldet. 

Da die Klage innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Rückgabe erhoben worden sei, greife die Verjährungseinrede der Beklagten nicht. Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen zur Höhe erfolgte die Zurückverweisung des Rechtsstreits.

BGH, Urteil vom 31.03.2021 - XII ZR 42/20 -

Samstag, 24. April 2021

Deliktische Haftung bei Schädigung anderer Bauteile durch fehlerhafte Werkleistung

Die klagende Versicherung machte aus übergegangenen Recht (§ 86 VVG) Ansprüche wegen eines Wasserschadens gegenüber dem beklagten Werkunternehmer geltend. Die Versicherungsnehmerin war Eigentümerin einer 1995 errichteten Sporthalle, bei der der Beklagte die Installationsarbeiten im Sanitärbereich durchgeführt hatte. In 2009 sollen seien Anzeichen eines Wasserschaden in Nassräumen im Untergeschoss und Leckagen an Wasserabnahmestellen festgestellt worden. Ursächlich dafür soll nach Vortrag der Klägerin eine unsachgemäße mechanische Kürzung der Hahnverlängerungen durch Absägen und eine unzulässige Eindichtung der Verbindungen durch den Beklagtengewesen sein. Mit der Klage würde Ersatz der aus dem Mangel resultierenden weitergehenden Schäden infolge der Durchnässung bereits zuvor vorhandener Gebäudeteile (Wände, Bodenplatte und Fußböden) verlangt. Die Kosten hätten sich auf € 243.944,72 belaufen; unter Abzug einer Wertverbesserung mit € 41.382,61 wurde von der Klägerin der Betrag von € 202.562,11 geltend gemacht.

Die Klage wurde abgewiesen, ebenso die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung. Auf die Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht (OLG) zurückverwiesen.

Der BGH stimmte dem OLG dahingehend zu, dass die Deliktsordnung nicht von der Vertragsordnung verdrängt würde und dass grundsätzlich jede Haftung ihren eigenen Regeln folge. Deliktische Verkehrspflichten hätten (anders als Gewährleistungspflichten aus dem Werkvertragsrecht) nicht den Erwerb einer mangelfreien Sache zum Inhalt und dienten nicht dem Schutz der Nutzungs- und Werteerwartungen. Sie seien vielmehr auf das Interesse gerichtet, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht in Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (sogen. Integritätsinteresse). Decke sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhafte, dann sei er alleine auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, weshalb insoweit kein Raum für deliktische Schadensersatzansprüche bestünde. Sei der Schaden hingegen nicht mit der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse stoffgleich, könne sich im Schaden (auch) das verletzte Integritätsinteresse des Eigentümer oder Besitzers niederschlagen und dieser könne dann grundsätzlich auch von der deliktischen Haftung aufgefangen werden, selbst wenn er mit vertraglichen Gewährleistungs- oder Ersatzrecht konkurriere.

Die Annahme des OLG, ein deliktischer Anspruch auf Ersatz von Kosten für den Austausch von Hahnverlängerungen bestehe nicht, sei nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag der Klägerin sei dieser bereits mangelhaft eingebaut worden. Es läge daher kein Eigentumsverletzung vor (allenfalls also ein hier verjährter Gewährleistungsanspruch). Allerdings würden hier diese Kosten (für den Austausch von Hahnverlängerungen) von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Der von dem OLG vertretenen Auffassung, bei den Schäden an den anderen Bauteilen (Bodenplatte, Wände und Fußböden) sei eine Stoffgleichheit anzunehmen, folgte der BGH nicht.

Stoffgleichheit liege vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung der Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz begehrt wird, ergreife, etwa da die Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar sei. Hierzu würden auch die Fälle gehören, bei denen eine Beseitigung des (wenn auch nur einem Teil der Sache anhaftenden) Fehlers technisch nicht möglich sei oder wenn ein Mangel nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise behoben werden könne. Läge aber ein Mangel vor, der zunächst nur auf einen Teil der Sache beschränkt gewesen sei und entsprechend den benannten Grundsätzen behebbar war, und führe er erst später zu einer Zerstörung der Sache oder zur Beschädigung anderer Teile derselben, habe der von dem Fehler zunächst nicht erfasste Teil der Sache einen eigenen Wert und der Mangelunwert decke sich dann nicht mit dem Schaden. Nicht entscheidend sei, ob der Fehler vor dem Schadenseintritt bei normalen Lauf der Dinge entdeckt werden konnte oder nicht. Wesentlich sei nur, dass der Mangel aus objektiv technischer Sicht hätte aufgespürt werden können, sei es auch erst bei gezielter Suche, sofern diese nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Kosten und Zeit verbunden gewesen wäre. Nur unter diesem letzten Gesichtspunkt könne es für den wirtschaftlichen Stellenwert darauf ankommen, unter welchen Umständen ein vermuteter Fehler erkannt werden kann, da nur in diesem Sinne schwer aufzuspürende Mängel die technische und wirtschaftliche Behebbarkeit in Frage stellen könnten. Die für die Produzentenhaftung entwickelten Grundsätze würden entsprechend auch für die deliktische Haftung des Werkunternehmers gelten, unabhängig davon, ob zwischen dem Werkunternehmer und dem Geschädigten vertragliche Beziehungen bestehen/bestanden. Der anfängliche Mangelunwert und Schaden decken sich mithin, wenn die Fehlersuche und Fehlerbeseitigung Kosten verursache, die etwa dem Wert des Gesamtsache entsprechen oder diese gar übersteigen.

Es käme also (anders als das OLG meinte) nicht darauf an, ob es sich bei der Neuerrichtung der Sporthalle um eine Gesamtbaumaßnahme mit Arbeiten verschiedener Gewerke zur Herstellung eines Funktionszusammenhangs gehandelt habe, wie es auch nicht darauf ankäme, ob die behaupteten Undichtigkeiten zwangsläufig zur Beschädigung der darunter- oder dahinterliegenden Bauteile geführt habe. Entscheidend sei, ob ein Auswechseln der Hahnverlängerungen weitgehend ohne Zerstörung anderer Bauteile möglich sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Sporthalle nicht oder nur in sehr eingeschränkten Maße verwendbar gewesen sei.

Auch aus der Entscheidung des BGH vom 27.01.2005 - VII ZR 158/03 - ließe sich nichts anderes herleiten, wobei offen bleiben könne, ob die dort benannten Beispiele und Erwägungen (dort Rn. 36 und 37) sich mit den benannten Abgrenzungskriterien vereinbaren lasse. Jedenfalls könne diese Entscheidung nicht dahingehend verstanden werden, dass im hier relevanten Zusammenhang eine vertragliche Leistung immer schon dann (zumindest auch) dem Schutz eines anderen Bauteils bezwecke, wenn es bei nicht vertragsgemäßer Leistung beschädigt würden oder werden könnte. Dies sei grundsätzlich bei jeder Leistung der Fall, da alle Gebäude auf das fehlerfreie Funktionieren und Zusammenwirken ihrer Einzelteile angelegt seien. Deshalb scheide eine Eigentumsverletzung an anderen Bauteilen der Sporthalle nicht deshalb aus, weil die fachgerechte Ausführung und Abdichtung der Hahnverlängerungen nicht nur der Funktion der Wasserabgabe diene, sondern darüber hinaus auch verhindern soll, dass Wasser unkontrolliert in die Sporthalle eindringt.  

Fehlerhaft sei auch die Annahme des OLG, dass, wenn nach klägerischem Vortrag der Mangel von Anfang an dem Bauwerk angehaftet habe, an den erst später eingebrachten Fußböden, Wandbekleidungen, Vormauern, Fliesen und Abdichtungen kein unversehrtes Eigentum habe erwerben können und die Kosten einer Schätzung nicht Beschädigungen am Rohbau, sondern offenbar später gefertigter Teile beträfen. Zum Einen ergäbe sich aus dem Tatbestand des Urteils des OLG, dass das Gebäude bereits errichtet gewesen sei (Wände, Bodenplatte und Fußböden), als die Installationen von dem Beklagten eingebracht worden seien. Zum Anderen erschließe sich nicht, weshalb eine Eigentumsbeeinträchtigung nicht vorliegen soll, soweit Gebäudeteile erst nach Einbau der Hahnverlängerungen errichtet wurden, da entscheidend sei, dass das Eigentum zunächst unbeeinträchtigt war und erst später durch austretendes Wasser beschädigt wurde (BGH, Urteil vom 05.05.1981 - VI ZR 280/79 -).  

Nach den bisherigen Feststellungen könne auch nicht von einer Verjährung der deliktischen Ansprüche ausgegangen werden. Die Klage ging am 31.12.2012 bei Gericht ein und wurde demnächst zugestellt. Damit war die Verjährung ab de, 31.12.2012 gehemmt gewesen. Unabhängig von eventuell anderen Hemmungstatbeständen käme es darauf an, ob der Anspruch vor Ablauf des 31.12.2012 entstanden sei. Die Rechtsgutsverletzung erfolgte nicht bereits durch die Installation der Wasserabnahmestellen in 1995, sondern erst durch das austretende Wasser.

BGH, Urteil vom 23.02.2021 - VI ZR 21/20 -

Mittwoch, 17. Februar 2021

Befristeter Verjährungsverzicht ist unabhängig vom Ablauf der Verjährung

 

Die Parteien stritten darüber, ob bereits zum Zeitpunkt der Erhebung einer Klage Verjährung eingetreten sei und die Beklagte erfolgreich die Einrede der Verjährung erheben könne. Mit dem Datum vom 04.02.2004 hatte die Klägerin die Einleitung eines (grundsätzlich die Verjährung hemmenden, sollte sie nicht bereits eingetreten sein) Schlichtungsverfahren beantragt. Mit Schreiben vom 27.11.2006 gab die Beklagte die Beklagte die Erklärung ab, dass sie sich „weiterhin bis einschließlich 31.12.2007 nicht auf die Einrede der Verjährung … berufen“ würde. Das Kammergericht ist im Berufungsrechtszug davon ausgegangen, dass mit dem Einleitung bzw. Beendigung des Schlichtungsverfahrens in Ansehung dieser Erklärung die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen habe. Dem folgte der BGH im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht und verwies den Rechtstreit an das Kammergericht zurück, da bisher vom Kammergericht nicht festgestellt worden sei, wann die Verjährungsfrist zu laufen begann und ob danach eine Verjährung bereits vor dem 31.12.2007 eintrat oder durch die Klageerhebung 2009 noch gehemmt werden konnte.

Das Kammergericht war der vom BGH nicht geteilten Rechtsauffassung, beide Parteien seien der Ansicht gewesen, dass die Verjährung eines möglichen Anspruchs der Klägerin bereits bei Einleitung des Schlichtungsverfahrens am 04.02.2004 eingetreten sei; da die Beklagte mit dem Schreiben vom 27.11.2006 „weiterhin“ auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, könne dieser Verzicht nur so verstanden werden, dass die Frist mit Einleitung des Schlichtungsverfahrens am 04.02.2004 neu zu laufen beginnen solle und ab diesem Zeitpunkt bzw. dem Endes des Schlichtungsverfahrens am 12.11.2007 die Frist von neuem zu laufen beginnen soll und durch die Erhebung der Klage in 2009 erneut gehemmt worden sei.

Für die Entscheidung kam es auf die Auslegung der Erklärung der Beklagten vom 27.11.2007 an.  Auch wenn die Auslegung von Willenserklärungen grundsätzlich dem Tatrichter unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 BGB in umfassender Gesamtwürdigung aller Umstände obliegen würde, könne dies vom Revisionsgericht darauf geprüft werden, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denk- und Erfahrungssätze vorlägen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruhe. Derartige Rechtsfehler nahm der BGH hier an.

Das Kammergericht sie bereits fehlerhaft davon ausgegangen, dass nach dem Antragsschreiben vom 04.02.2004 auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens die Parteien von einer zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretenen Verjährung ausgegangen seien. Am Schluss des Antragsschreibens sei von einer drohenden Verjährung zu einem späteren Zeitpunkt (16.04.2004) die Rede.

Der BGH stellt darauf ab, dass es sich vorliegend um einen befristeten Verjährungsverzicht handele, der den Ablauf der Verjährung selbst nicht beeinflusse. Der Verjährungsverzicht habe regelmäßig zum Inhalt, dass die Befugnis des Schuldners, die Einrede der Verjährung zu erheben, bis zum Ende des vereinbarten Zeitraums ausgeschlossen sei. Dieser Verzicht würde den Gläubiger von der alsbaldigen Erhebung der Klage (vor Ablauf des Zeitraums) entbinden. Erhebe er allerdings nicht innerhalb des Zeitraums Klage, könne sich der Gläubiger bei einer Klage nach Ablauf des Zeitraums wieder auf die Einrede der Verjährung berufen. Erfolge die Klage innerhalb des Zeitraums, würde der Verzicht auf die Einrede greifen und in diesem Fall auch über die Frist hinaus wirken. Allerdings gelte dies nur für den Hemmungstatbestand der Klage, es sei denn der Schuldner habe anderweitiges erklärt.

Für eine darüberhinausgehende Wirkung des Verjährungsverzichts bedürfe es besonderer Anhaltspunkte, so für einen vom Kammergericht angenommen neuen Lauf der Verjährungsfrist. Diese Anhaltspunkte müssten erkennen lassen, dass ein über die Ermöglichung der gerichtlichen Geltendmachung hinausgehender Verzichtswille des Schuldners bestand. Derartiges ließe sich nicht feststellen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Verzicht im vorgenannten Sinn entgegen der Auffassung des Kammergerichts auch dann Sinn machen würde, wenn nach Annahme der Parteien zu dem Zeitpunkt des Verzichts die Verjährung bereits eingetreten sein sollte, das Schlichtungsverfahren die Verjährung also nicht mehr hätte hemmen können. Denn durch den Verzicht konnte die Klägerin ungeachtet einer bereits eingetretenen Verjährung den Ausgang des Schlichtungsverfahrens abwarten und bis Ende 2007 Klage erheben. Auch wenn zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung noch nicht festgestanden habe, dass das Schlichtungsverfahren bis zu, 31.12.2007 abgeschlossen ist, bestand jedenfalls für die Klägerin die Chance, dass die Beklagte die Verzichtserklärung bei längerer Dauer des Schlichtungsverfahrens verlängert.

BGH, Urteil vom 10.11.2020 - VI ZR 285/19 -

Montag, 27. Juli 2020

Verjährung des Erfüllungsanspruchs des Bestellers und Fälligkeit des Werklohnes


Gegenstand war eine Klage auf Restwerklohn aus einem Bauwerkvertrag. Einem Abnahmebegehren der Klägerin nach Fertigstellung der Werkleistung lehnte die Beklagte wegen von ihr behaupteter erheblicher Restarbeiten und Mängel ab. In der Folge überließ die Beklagte der Klägerin ein Protokoll mit Mängeln, von denen einige von der Klägerin abgearbeitet wurden. Sie überließ sodann der Beklagten eine auf den 20.04.2013 datierenden Schlussrechnung. Die Beklagte ihrerseits erstellte ein neues Gutachten, überprüfte und kürzte die Schlussrechnung und machte ihrerseits nunmehr gegen die insoweit selbst berechnete Restforderung der Klägerin Kosten der Ersatzvornahme und Verzugskosten geltend, die insgesamt die nach ihrer Berechnung der Klägerin zustehenden Ansprüche übersteigen würden, wobei sie insoweit einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung geltend machte, wobei sie darauf hinwies, dass die Klägerin für die korrekte Erbringung ihrer Leistungen mangels Abnahme darlegungs- und beweisbelastet sei.

Der von der Klägerin generierte Werklohnanspruch, so der BGH, sei nicht fällig. Grundsätzlich habe die Fälligkeit die Abnahme der Werkleistung zur Voraussetzung, § 641 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Abnahme stünde gleich, dass der Besteller das Werk nicht innerhalb einer vom Unternehmer bestimmten Frist abnehme, obwohl er dazu verpflichtet sei, § 640 Abs. 1 S. 3 BGB, wobei bei endgültiger Abnahmeverweigerung eine Fristsetzung entbehrlich sei. Vorliegend habe die Beklagte das Werk nicht abgenommen noch sei sie dazu verpflichtet gewesen.

Allerdings sei dann nicht auf die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung abzustellen, wenn der Besteller a) nicht mehr Erfüllung sondern Minderung oder Schadensersatz verlange oder b) weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft verweigere oder c) die Erfüllung unmöglich geworden wäre. In diesen Fällen würde ein Abrechnungsverhältnis entstehen, was zum Einen den Vergütungsanspruch des Unternehmers begründe und zum Anderen die Ansprüche des Bestellers wegen unvollständiger oder mangelhafter Arbeiten des Werkes auf Geldausgleich gerichtet wären (Abrechnungsverhältnis). Diese Voraussetzungen seien hier nicht festgestellt worden.

Allerdings sei der Erfüllungsanspruch der Beklagten zwischenzeitlich verjährt.

Unzutreffend sei die Annahme der Klägerin, mit der Erhebung der Verjährungseinrede läge ein den §§ 215, 641 Abs. 1 BGB gleicher Fall vor. Anders als in den Fällen eines Abrechnungsverhältnisses sei es hier dem Unternehmer möglich, den Anspruch des Bestellers (im Wesentlichen mangelfrei) zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine Abnahmepflicht des Bestellers zu schaffen und so die Fälligkeit des Werklohnanspruchs herzustellen. Die Verjährungseinrede hindere vorliegend die Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs des Bestellers, § 214 Abs. 1 BGB, der aber durch den Unternehmer erfüllbar bliebe.

Auch aus § 215 Abs. 1 BGB könne die Klägerin nichts herleiten, da die auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages anwendbare Norm nicht das Zurückbehaltungsrecht begründe, sondern voraussetze und dessen Fortbestand bei Verjährung regele. Im Hinblick auf die Vorleistungspflicht bedürfe es eines Leistungsverweigerungsrechts des Bestellers mangels Abnahme und Abnahmefähigkeit nicht, um die Vergütungsklage abzuwehren.

Ein Nichterfüllungseinwand der Beklagten nach § 320 BGB sei auch nicht erforderlich, § 242 BGB. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) läge auch nicht vor, wenn in dieser Situation der Werklohn nicht fällig würde, da es an der Klägerin läge, die Fälligkeitsvoraussetzungen zu schaffen. Aus dem Umstand, dass der Besteller seinen Erfüllungsanspruch habe verjähren lassen, könne der Unternehmer nichts herleiten, da er nicht gehalten sei, bei berechtigter Verweigerung der Abnahme Maßnahmen zur Verjährungshemmung zu ergreifen.

BGH, Urteil vom 28.05.2020 - VII ZR 108/19 -

Samstag, 18. Mai 2019

Nachbarschaftsrecht: Verlangen auf Zurückschneiden von überwachsenden Ästen und Verjährung sowie Verkehrssicherungspflichtiger am Grenzbaum


In Baden-Württemberg lagen drei Grundstück derart nebeneinander, dass sie seinen gemeinsamen Grenzpunkt hatten, in dessen Nähe ein  Fichte stand, deren Stamm sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befand. Äste dieser Fichte ragten von dem Baumteil, der auf dem Grundstück des Beklagten stand, auf das Grundstück der Klägerin, die von dem Beklagten deren Beseitigung forderte. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Auch die vom Landgericht als Berufungsgericht zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.

1. Nicht zu beanstanden sie die Annahme der Zulässigkeit der Klage, obwohl die Äste von einem Baum stammen würden, der sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befände. Dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB stünde dies nicht entgegen, da es sich bei dem Beklagten und dem dritten Nachbarn nicht um notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO handele. Eine notwendige Streitgenossenschaft erfordere, wenn aus materiell-rechtlichen Gründen nur gemeinsam geklagt werden könne oder gegen diese nur gemeinsam geklagt werden könne. Dieses Erfordernis ergäbe sich aus gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis gem. §§ 747 S. 2, 1008 BGB. Ein solcher Fall läge nicht, da der Beklagte und der dritte Nachbar nicht gemeinschaftlich verpflichtet seien, sondern jeder für sich. Auch aus dem Umstand, dass es sich um einen Grenzbaum iSv. § 923 BGB handele ergäbe sich nichts anderes, obwohl dieser zu jeweils zu dem Teil, zu dem er auf einem Grundstück stünde, in dessen Eigentum stünde (vertikal geteiltes Eigentum). Die Verkehrssicherungspflicht obliege erstrecke sich auf den Teil des Baumes, der auf seinem Grundstück stünde.  Von daher könne die Klägerin hier den Beklagten alleine in Anspruch nehmen, da die Beeinträchtigung von seinem Baumteil ausginge.

2. § 1004 Abs. 1 BGB setze für die Beseitigung von herüberragenden Ästen allerdings voraus, dass dadurch die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde. Läge dies nicht vor, sei das Herüberragen zu dulden. Offen bliebe, ob dies auch für ganz erhebliche Beeinträchtigungen gelte, worauf es vorliegend nach Auffassung des BGH nicht ankäme, wie es auch nicht darauf ankäme und offen bleiben könne, ob die Störungen im Vergleich zur Wirkung des Rückschnitts außer Verhältnis stehen dürften (dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2007 - 8 U 77/06 - und OLG Köln, Urteil vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei verjährt, §§ 195, 199 BGB (anders als der Anspruch nach § 1004 BGB unterliege das Selbsthilferecht des § 910 BGB nicht der Verjährung).

§ 902 BGB (danach unterliegen eingetragene Ansprüche nicht der Verjährung) finde auf Beseitigungsansprüche keine Anwendung. Die Norm umfasse nur die Verwirklichung des Anspruchs, nicht aber die Abwehr von Störungen.

Auch soweit nach der Rechtsprechung des Senats eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht käme, wenn eine einheitliche Dauerhandlung vorläge, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhalte und deshalb den Lauf einer Verjährungsfrist nicht in Gang setze, könne hier darauf deshalb nicht abgestellt werden, da der Anspruch auf Beseitigung nach § 1004 BGB mit dem hinüberwachsen beginne; nehme dies der Nachbar (in Kenntnis des Hinüberwachsens) länger als drei Jahre hin, könne er die Beseitigung im Interesse des Rechtsfriedens nicht mehr verlangen. Diese Frist von drei Jahren war bei Erhebung der Klage bereits abgelaufen.

Anderes lasse sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 NRG BW („Beseitigungsansprüche nach diesem Gesetz verjähren in fünf Jahren. Sind Gehölze im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 betroffen, so beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Bei Pflanzungen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem 1. Juli nach der Pflanzung. Bei an Ort und Stelle gezogenen Gehölzen beginnt sie am 1. Juli des zweiten Entwicklungsjahres. Bei späterer Veränderung der artgemäßen Ausdehnung des Gehölzes beginnt die Verjährung von neuem; dasselbe gilt im Falle des § 16 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe c, wenn die Umtriebszeit von zehn Jahren überschritten wird.“) oder aus § 26 Abs. 3 NRG BW („Der Anspruch auf das Zurückschneiden der Hecken, auf Beseitigung herüberragender Zweige und eingedrungener Wurzeln sowie auf Verkürzung zu hoch gewachsener Gehölze ist der Verjährung nicht unterworfen.“) ableiten. Dies schon deshalb, da der Landesgesetzgeber nach Art. 124 EGBGB zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen könne, doch nicht abweichend vom BGB die Verjährungsfristen zu § 1004 BGB (Bundesrecht) regeln könne. Die verfassungskonforme Auslegung des § 26 NRG BW ergebe daher, dass diese Regeln sich nicht auf einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB bezögen, da sie sonst nichtig wären.

Die Klägerin könne aber auch ihren Anspruch nur aus § 1004 BGB herleiten, nicht aus dem NRG BW. Zwar gewähre § 12 Abs. 2 und Abs. 3 NRG BW Ansprüche auf Rückschnitt für Hecken und sonstige Gehölze im Hinblick auf die Einhaltung eines Grenzabstandes, unabhängig davon, ob darin bereits eine Eigentumsbeeinträchtigung iSv. § 1004 BGB zu sehen sei. Für bestimmte Bäume sei zwar auch ein Zurückschneiden überhängender Äste geregelt (§ 23 Abs. 1 und 2 NRG BW), doch handele es sich hier nicht um einen darunter fallenden Baum, weshalb auf sich beruhen kann, ob diese Regelung nach Art. 122, 111 bzw. 183 EGBGB zulässig vom Landegesetzgeber aufgenommen werden durfte).

BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 136/18 -