Die Parteien stritten um eine Entgeltfortzahlung
durch den Arbeitgeber (Beklagte) im Krankheitsfall, § 3 Abs. 1 EFZG. Dabei
machte der Kläger 10 Arbeitstage aus einem Zeitraum vom 18.08. bis 23.09.2020
geltend, für die er jeweils eine Erstbescheinigung vorgelegt hatte und vortrug,
welche ICD-10-Codes mit welchen korrespondierenden Diagnosen oder Symptomen in
den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU-Bescheinigungen) aufgeführt seien. Es
lagen krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeiten in 2019 ab dem 24.08.2019 an 68
Arbeitstagen und in 2020 bis zum 18.08.2920 an 42 Arbeitstagen vor. Zu etwaigen
Vorerkrankungen machte der Kläger Angaben zur Arbeitsunfähigkeitszeiten, die
nach seiner Einschätzung auf denselben ICD-10-Code. Diagnosen und Symptomen
beruhen würden und meinte, aus Datenschutzgründen sei er nicht verpflichtet,
sämtliche Erkrankungen aus der vorhergehenden Zeit zu benennen, da nicht dieselbe
Erkrankung iSv. § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG vorliegen könne. Es sei für keine
Erkrankung aus dem streitgegenständlichen Zeitraum der Sechs-Wochen-Zeitraum
des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ausgeschöpft. Die Beklagte, die bis zum 18.08.2020
Entgeltfortzahlung geleistet hatte, ging davon aus, dass es sich bei den Erkrankungen
im streitbefangenen Zeitraum um nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG berücksichtigungsfähige
Vorerkrankungen handele, weshalb keine Verpflichtung zur weiteren
Entgeltfortzahlung bestünde. Das Landgericht gab der Klage statt; das Landesarbeitsgericht
änderte das Urteil ab und wies die Klage zurück. Die zugelassene Revision wurde
vom BAG zurückgewiesen.
Bei schuldloser Erkrankung hat
der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung von sechs Wochen, § 3
Abs. 1 S. 1 EFZG. Wird der Arbeitnehmer danach neuerlich infolge derselben
Krankheit arbeitsunfähig, verliert er gem. § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG wegen der
erneuten Arbeitsunfähigkeit seinen Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren
Zeitraum von sechs Wochen dann nicht, wenn er vor der erneuten
Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig
war oder bei Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit
eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist. Dies darlegend führte das BAG aus,
dass ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen vor Ablauf der benannten
Fristen nur entstünde, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit
beruhen würde.
Da der Arbeitgeber zwar mittels
der AU-Bescheinigungen über eine Erkrankung des Arbeitnehmers informiert ist,
aber durch diese idR. die Art der Erkrankung nicht erfährt und daher nicht prüfen
kann, ob innerhalb der maßgeblichen Fristen eine gleiche Krankheit vorliegt,
musste sich das BAG mit der Darlegungslast der Parteien auseinandersetzen. Es verwies darauf, dass bei einer die
Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs.
1 S.2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG eine abgestufte Darlegungslast gelten würde (BAG,
Urteil vom 13.07.2005 - 5 AZR 389/04 -). Danach sei der Arbeitnehmer verpflichtet
darzulegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegen würde, soweit sich dazu
keine Angaben aus der AU-Bescheinigung entnehmen ließen. Hierzu könne er eine
ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreite der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung
vorliegt, habe der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss
erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden (BAG, Urteil vom
31.03.2021 - 5 AZR 197/20 -). Damit müsse er im Hinblick auf den maßgeblichen
Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden
mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden und die
behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden; erst auf dieser Grundlage
sei es dem 8beklagten) Arbeitgeber möglich, substantiiert vorzutragen. Auf ein Bestreiten
durch den Arbeitgeber würde die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht
mehr ausreichend. Zudem könne sich eine AU-Bescheinigung, die von einem anderen
Arzt als Erstbescheinigung ausgestellt würde, könne sich ohnehin nicht zum
(Nicht-) Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung verhalten. Die Folgen der
Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung habe allerdings der
Arbeitgeber zu tragen (BAG, Urteil vom 21.03.2021 - 5 AZR 197/20 -).
Im Weiteren führte das BAG aus,
dass die Zuweisung der abgestuften Darlegungslast keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken begegne und auch mit dem Unionsrecht im Einklang stehen würde. Dabei
ging es auch auf den vom Kläger geltend gemachten Datenschutz ein, bei dem es
sich um unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht
handeln würde. Die DS_GBO enthalte zahlreiche Öffnungsklauseln (z.B. Art. 88
DS-GVO), mit denen sie ausdrücklich die Normsetzungskompetenz auf die
Mitgliedsstaaten übertrage, wodurch die sich von einer klassischen Verordnung
unterscheide und in die Nähe einer Richtlinie rücken ließe. Für solche
Regelungen verbliebe es bei der Kontrolle primär am Maßstab der Grundrechte des
Grundgesetzes. Aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des
Prozessrechts, insbesondere von § 138 Abs. 3 ZPO (nicht bestrittene Tatsachen
gelten als zugestanden), könnten sich abweichende Anforderungen an die
Darlegungslast wegen einer Verletzung des gem. Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1
GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei ergeben (BAG,
Urteil vom 27.07.2017 - 2 AZR 681/16 -). Im Hinblick auf die Bindung an die
insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen
Verfahrensgestaltung (BVerfG, Urteil vom 13.02.2007 - 1 BvR 421/05 -) müssten die
Gerichte prüfen, ob einer Partei einer Partei eine Darlegung abverlangt werden
könne, die in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form der informellen
Selbstbestimmung eingreift. Im Hinblick auf die abgestufte Darlegungs- und Beweislast
(wobei den Arbeitnehmer die primäre Darlegungslast, den Arbeitgeber sodann die
Beweislast trifft) sei, wie das BAG im Einzelnen begründet, die Offenlegung der
Gesundheitsdaten und der damit verbundene Eingriff in sein Recht auf informelle
Selbstbestimmung verhältnismäßig und gerechtfertigt. Er diene dem im
Rechtsstaatsprinzip verankerten legitimen Zweck, eine materiell richtige
Entscheidung anzustreben (BVerfG, Urteil vom 13.02.2007 - 1 BvR 421/05 -) und
sei auch erforderlich. Die Erforderlichkeit ergebe sich daraus, dass Alternativen
nicht gleich effektiv seien. So sei eine Auskunft der Krankenkassen über deren
Einschätzung keine dem Justizgewährungsanspruch genügende Kontrolle. Zwar könne
der Arbeitgeber eine Nachfrage halten, damit er ggf. schnell das Bestehen eines
Anspruchs auf Entgeltfortzahlungsanspruch feststellen könne, doch anders als es
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG für die AU-Bescheinigung vorsehen, entziehe das Gesetz
dem Arbeitgeber auf eine Mitteilung nach § 69 Abs. 4 Halbs. 1 SGB X nicht ein
Leistungsverweigerungsrecht, wobei die Krankenkassen wegen ihrer unmittelbar
betroffenen finanziellen Interessen nicht als unparteiische Dritte angesehen
werden könnten (die, entfalle der Entgeltfortzahlungsanspruch wegen einer
Fortsetzungserkrankung, selbst zahlungspflichtig würden).
Auch eine eingeschränkte
Offenlegung der Ursachen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten zur
Beurteilung einer Fortsetzungserkrankung stünde im Widerspruch mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ebenso wenig käme in Betracht, nur dem Gericht
gegenüber Vortrag zu halten bzw. die
Krankheiten nur einem Sachverständigen darzulegen scheide als ein dem
Rechtsstaatsprinzip widerlaufendes „geheimes Verfahren“ aus, Art. 20 Abs. 3 GG;
es verstoße zudem gegen das Verfahrensgrundrecht der Gewährung rechtlichen
Gehörs nach Art. 103 GG. Der Arbeitgeber müsse zudem Kenntnis von behaupteten
Krankheitsursachen haben, um dazu Stellung nehmen zu können.
Vorliegend sei mit dem
Landesarbeitsgericht davon auszugehen, dass in Ermangelung eines
substantiierten Sachvortrags des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum von
einer Fortsetzungserkrankung auszugehen sei keine weiteren
Entgeltfortzahlungsansprüche begründet seien.
Es genüge, unabhängig von der vom
Kläger getroffenen zeitlichen und inhaltlichen Vorauswahl, kein bloßer Verweis
auf Diagnoseschlüssel nach der IC-10 Klassifikation. Eine
Fortsetzungserkrankung lasse sich nicht nur bei einem identischen Krankheitsbild
feststellen, sondern auch dann, wenn die Krankheitssymptome auf demselben
Grundleiden beruhen würden (BAG, Urteil vom 26.10.2016 - 5 AZR 167/16 -). Auf „derselben
Krankheit“ iSv. § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG könne die Arbeitsunfähigkeit auch bei ggf.
immer wiederkehrenden (chronischen) Atemwegserkrankungen beruhen. Ohne einen
konkreten Vortrag des Arbeitnehmers, welche gesundheitlichen Einschränkungen
und Beschwerden bestanden, ließe sich nicht beurteilen, ob eine Fortsetzungserkrankung
in Betracht käme. Die Angabe der Diagnoseschlüssel nach der IC-10
Klassifikation bzw. deren „Übersetzung“ in Krankheiten und Symptome genüge
diesen Anforderungen nicht.
Auch müssten sich die Darlegungen
des Arbeitnehmers zum Nichtvorliegen einer Fortsetzungserkrankung umfassend auf
die Arbeitsunfähigkeitszeiten im maßgeblichen Zeitraum beziehen. Daran würde es
hier aufgrund der Vorauswahl des Klägers ermangeln.
BAG, Urteil vom 18.01.2023
- 5 AZR 93/22 -