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Samstag, 27. März 2021

Sorgfaltswidriger Fahrspurwechsel (Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO) verdrängt Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs

Nach den Feststellungen (durch Unfallrekonstruktionsgutachten) verließ der Beklagte mit seinem Fahrzeug den linken Fahrstreifen um auf den rechts daneben befindlichen Fahrstreifen, auf dem der Kläger fuhr, aufzufahren. Dies würde nach Ansicht des Kammergerichts (KG) die alleinige Haftung des Beklagten begründen.

Der Beklagte habe einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen bzw. mit seinem solchen begonnen. Damit sei für die Anforderungen an einen solchen auf § 7 Abs. 5 StVO abzustellen. Die Norm lautet:

„In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. 2Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.“

§ 7 Abs. 5 StVO verlange mithin bei einem Fahrstreifenwechsel die Einhaltung der  äußersten Sorgfalt, damit eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Mithin würde eine ausreichende Rückschau verlangt und die Ankündigung des Fahrstreifenwechsels durch rechtzeitiges Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers. Ereigne sich wie hier ein Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel spräche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass derjenige, der den Spurwechsel vornimmt, den Unfall durch Verstoß gegen diese Pflichten schuldhaft verursachte (KG, Urteil vom 02.10.2003 - 12 U 53/02 -; OLG München, Urteil vom 05.12.2014 - 10 U 323/14 -). Dabei käme es nicht darauf an, ob der Fahrstreifenwechsel bereits vollständig vollzogen sei, da der die Sorgfaltsanforderung mit dem Verlassen des (ggf. auch markierten) Fahrstreifens beginne (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2016 - I-1 U 158/15 -). Vorliegend habe der Beklagte seinen Fahrstreifen zumindest mit dem rechten Vorderrad und dem vorderen Teil seines Fahrzeugs verlassen. Der sich aus dem begonnene Fahrstreifenwechsel ergebende Anscheinsbeweis sei auch vom Beklagten nicht widerlegt worden.

Derjenige, der unter Verstoß an das Sorgfaltsgebot einen Fahrstreifenwechsel vornehme, hafte in Ansehung der in § 7 Abs. 5 StVO normierten zu beachtenden höchstmöglichen Sorgfalt in der Regel alleine. Eine Mithaftung des anderen Unfallbeteiligten alleine aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs (§ 7 StVG) trete zurück. Derjenige, der den Fahrstreifenwechsel vornehme, müsse Anhaltspunkte für eine Mithaftung des anderen Beteiligten aufgrund gefahrerhöhender Umstände, insbesondere eines Verkehrsverstoßes, darlegen und beweisen. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Der Gutachter habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger angesichts der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Reaktionszeit den Unfall nicht habe vermeiden können.

Kammergericht, Urteil vom 10.02.2021 - 25 U 160/19 -

Samstag, 26. März 2016

Fahrtenbuchauflage: Unbekannter Fahrer und ein möglicher Punkt

Bild: pixabay
Das OVG Münster  stimmte, wie die Vorinstanz, der Verwaltung zu, die gegen den Kläger eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von einem Jahr verhängte. Hintergrund der Fahrtenbuchauflage war gewesen, dass mit dem Fahrzeug des Klägers ein verkehrsverstoß begangen wurde, der nach dem neuen Punktesystem zum 1.5.2015 nach Anlage 13 zur FeV mit jedenfalls einem Punkt zu bewerten sei. Da der Fahrer nicht ermittelt werden konnte, erging gegen den Halter die Fahrtenbuchauflage.


Das OVG Münster ließ die Berufung gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht zu. Es verwies darauf, dass der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung habe, wobei es nicht darauf ankommen würde, ob eventuell andere Verwaltungsträger als der hier zuständige anders entscheiden würde. Darüber hinaus sei die Entscheidung auch nicht fehlerhaft.

Die Fahrtenbuchauflage ist nach der Auffassung des OVG eine probate Maßnahme, wenn ein erheblicher Verkehrsverstoß vorläge und der Fahrer nicht ermittelt werden könne. Mit der Fahrtenbuchauflage wird sichergestellt, das im Wiederholungsfall der Fahrer durch Einsicht in das Fahrtenbuch ermittelt werden kann. Die  - für die Fahrtenbuchauflage notwendige -  Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes ließe sich aus dem Punktesystem ableiten. Nach der Reform des Punktesystems zum 1.5.2015 decke ein Punkt eine große Spanne von Verkehrsverstößen ab, wobei nah diesem neuen System Punkte nur noch vorgesehen wären für Verkehrsverstöße, die die Verkehrssicherheit tatsächlich beeinträchtigen würden.


OVG Münster, Beschluss vom 13.01.2016 – 8 A 1030/15 -