„Fasse Dich kurz“ – ein Aufkleber aus alten Zeiten in Telefonzellen.
Dieser Grundsatz soll jedenfalls aber nicht in anwaltlichen Schriftsätzen
gelten, folgt man hier dem BGH. Danach hat der Anwalt „die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen
Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen“. In diesem
Zusammenhang weist der BGH auch darauf hin, dass aus dem Grundsatz „iura novit curia“ („Das Recht kennt der
Gerichtshof“) keine Einschränkung der Verpflichtung des Anwalts hergeleitet
werden könne.
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Der BGH musste sich (wieder
einmal) mit einem Anwaltsregress befassen. In dem Vorprozess hatte der beklagte
Anwalt die Klägerin im Zusammenhang mit einem Schadensfall aus einem Speditionsgeschäft
vertreten. In dem Verfahren war streitig, welches Versicherungsrisiko von dem
Spediteur eingedeckt werden sollte. Der Klage wurde lediglich im geringen
Umfang stattgegeben. Im Rahmen des Regresses machte nun die ehemalige Mandantin
geltend, der Beklagte habe im Ausgangsverfahren nicht hinreichend deutlich
gemacht, dass die Spedition zur Eindeckung einer Allgefahrenversicherung
verpflichtet gewesen sei. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage
ab; der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG
zurück.
Zutreffend verweist der BGH in
seiner Entscheidung darauf, dass im Zivilrechtsstreit grundsätzlich die
Beibringung des Tatsachenstoffs Sache der Parteien ist. Allerdings, so der BGH,
ist der Anwalt verpflichtet, über den Tatsachenvortrag hinaus „das Gericht davon zu überzeugen, dass und
warum seine Rechtsauffassung richtig ist“. Kommen verschiedene Rechtsgründe
in Betracht, muss der Anwalt alle Rechtsgründe ins Feld führen und den
Sachvortrag so gestalten, dass alle Gründe auch konkret dem Gericht dargelegt
werden.
Im konkreten Fall hielt der BGH
dem verklagten Anwalt allerdings vor, dass er den Terminus der
All-Risk-Versicherung nicht erläutert habe. Hier würde es sich nicht um einen
einfachen Rechtsbegriff (wie z.B. Eigentum) handeln, weshalb zum
substantiierten Vortrag die Erläuterung des damit versicherten Risikos gehört.
Anmerkung: Bekanntlich wird ein Rechtsstreit nicht von den Anwälten
sondern vom Gericht entschieden. Von daher ist an sich bereits unverständlich,
weshalb der Anwalt nach Auffassung des BGH letztlich das Gericht belehren soll,
gegebenenfalls sogar penetrant belehren soll, damit es die von ihm vertretene
(eventuelle sogar zutreffende) Auffassung teilt. Der Verfasser muss sich häufig
den Hinweis des Gerichts anhören, man würde auch die Rechtsnorm, die
Rechtsprechung pp. kennen; lapidar wird daher dann immer darauf hingewiesen,
dass dies sein möge, der BGH aber in seinen Haftungsprozessen gegen Anwälte
offenbar andere Auffassung sei.
Richtig ist im vorliegenden
Verfahren des BGH, dass natürlich nicht nur der Name der konkret
abgeschlossenen Versicherung zu benennen war, sondern auch der dahinter
stehende Versicherungsumfang zu benennen war, da es gerade um den
Versicherungsumfang in dem Rechtsstreit ging. Es kann nicht davon ausgegangen
werden, dass ein Richter in der Materie der Bezeichnung bestimmter
Versicherungen firm ist, unabhängig davon, dass es sich nicht um gesetzliche
Einordnungen handelt sondern um versicherungsvertragliche Bestimmungen und
damit notwendig Gegenstand eines Sachvortrages sein muss, unabhängig davon,
dass eine Definition des Inhalts in den Fachkommentaren zu finden wäre. Allerdings:
Hätte nicht der Richter auf die fehlende Darlegung nach § 139 ZPO hinweisen
müssen ?
BGH, Urteil vom .12.2015 – IX ZR 272/14 -