Die Klägerin war Eigentümerin
einer mit notariellen Vertrag vom 29.66.2012 erworbenen und selbst bewohnten Eigentumswohnung,
und veräußerte diese mit notariellen Vertrag vom 11.07.2017. Unstreitig war,
dass im Hinblick auf die Haltedauer an sich der Veräußerungsgewinn nicht
steuerpflichtig war. Allerdings unterhielt die Klägerin in der Wohnung ein (steuerlich
von der Finanzverwaltung in den Vorjahren auch mit dem Höchstbetrag von €
1.250,00 anerkanntes) Arbeitszimmer, welches ca. 10% der Grundfläche der
Wohnung ausmachte. Im Hinblick hierauf berechnete das Finanzamt einen von der
Klägerin aus dem Veräußerungsgeschäft zu versteuernden Gewinn. Nachdem der
dagegen durch die Klägerin eingelegte Einspruch vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen
wurde, erhob die Klägerin Klage, dem das Finanzgericht stattgab. Die Revision
des FA wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) zurückgewiesen.
Die Streitfrage betraf § 22 Nr. 2
iVm. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EstG, ob ein Gewinn aus der Veräußerung der
Eigentumswohnung in Bezug auf den Bereich des Arbeitszimmers steuerlich zu
berücksichtigen ist. Das FA berief sich auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 (BStBl.
I 2000, 1382 Rn. 21). Dass sich dem Rechtsstreit auf Seiten des FA anschließende
Bundesministerium der Finanzen (BMF) verwies darauf, dass der als häusliches Arbeitszimmer
genutzte Teil der Wohnung bei Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung
nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EstG zuzuordnen sei
und damit hier auch nicht von der Besteuerung des darauf entfallenden
Veräußerungsgewinns ausgenommen sei.
Zu den Einkünften nach § 22 Nr. 2
EStG zählen auch private Veräußerungsgeschäfte iSv. § 23 EstG. Eine
Rückausnahme bilden Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke und
grundstücksgleiche Rechte wie z.B. Erbbaurechte, bei denen der Zeitraum
zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt oder (i) die
im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung
ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder (ii) im Jahr der Veräußerung und den
beiden vorangegangenen Kalenderjahren zu eigenen Wohnzwecken geeignet war und genutzt
wurde (§ 23 Abs. 1 S.1 1 Nr. 1 S. 3 EstG).
Vom BFH wurde darauf hingewiesen,
dass seien Rechtsprechung zum Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in
einer dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden
Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG wieder Geltung
verschaffenden Ausnahmeregelung (BT-Drucks. 14/265, S. 181) sehr weit gefasst
werde. Danach sei ausreichend, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest
auch selbst nutze, weshalb eine gemeinsame Nutzung mit Familienangehörigen oder
einem Dritten nutze. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liege aber dann
nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich
an einen Dritten überlasse, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Aber auch ein
zeitweiliges Bewohnen würde zu „eigenen Wohnzwecken“ erfolgen, wenn zwar der
Steuerpflichtige die Wohnung nur zeitweise bewohne, sie ihm aber in der übrigen
Zeit als Wohnung zur Verfügung stünde (z.B. Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung
bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten
Haushaltsführung genutzt würden); sei deren Nutzung auf Dauer angelegt, käme es
darauf an, on der Steuerpflichtige noch eine oder mehrere Wohnung(en) habe und
wie oft er sich darin aufhalte (BFH, Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16 -).
Nach diesen Grundsätzen läge eine
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vor, wenn sich in der im Übrigen selbst
bewohnten Eigentumswohnung ein häusliches Arbeitszimmer befände (anders als im
BMF-Schreiben aaO. ausgeführt). Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
S. 3 EStG noch die Gesetzesbegründung gäben Anhaltspunkte dafür, bei Vorliegen
eines häuslichen Arbeitszimmers dieses von der Begünstigung ausnehmen zu
wollen.
„Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“
sei eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit und die Eigengestaltung der
Haushaltsführung und es häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneter
Lebenssachverhalt, die in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem
häuslichen Arbeitszimmer verknüpft seien. Eine private Mitbenutzung des
Arbeitszimmers sei zudem nicht überprüfbar und deshalb nicht vollständig
auszuschließen, weshalb ein häusliches Arbeitszimmer bereits angenommen würde,
wenn dieses nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke (und unter
10% für Wohnzwecke) genutzt würde.
Der Gesetzgeber habe ausweislich
der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/23, S. 180 und BT-Drucks. 12/265, S. 181
„soweit“) auch berücksichtigt, dass sich die Befreiung nicht auf die gesamte
Wohnung beziehen müsse, wenn z.B. eine Fremdvermietung eines Zimmers in der
Wohnung erfolge. Hätte er auch das häusliche Arbeitszimmer von der Befreiung
ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies auch mit aufzunehmen. Zudem habe
der Gesetzgeber die Besteuerung im Falle der Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen
Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt angesehen (BT-Drucks. 14/23, S.
180), was dann auch für das häusliche Arbeitszimmer gelten müsse, was im Falle
des Wohnsitzwechsels in dieser Wohnung wegfalle.
BFH, Urteil vom 01.03.2021 -
IX R 27/19 -