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Sonntag, 20. Oktober 2024

Falschbeantwortung von Fragen in der Kaskoversicherung

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sein Quad eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Dieses wurde nach seiner Behauptung am gestohlen und er hatte am 05.12.2019 Anzeige wegen Diebstahl erstattet. Ein Beauftragter der Beklagten befragte den Beklagten am 25.03.2020, so (Frage 8), ob er allgemeine finanzielle Schwierigkeiten habe, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft abgegeben habe (wobei auch angegeben werden konnte, dass keine Vermögensauskunft abgegeben worden sei), was de Beklagte mit „Nein“ beantwortete. Im Schuldnerverzeichnis war allerdings die Nichtabgabe der Vermögensauskunft in 2018 durch Kläger vermerkt. Die Beklagte versagte den Versicherungsschutz. Das Landgericht wies die Klage des Versicherungsnehmers ab; auf seien Berufung wies das OLG nach § 522 ZPO darauf hin, dass beabsichtigt sei, diese wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit zurückzuweisen.

Dabei könne, so das OLG, dahinstehen, ob überhaupt ein Diebstahl vorläge. Die Versagung der Vermögensauskunft sei wegen vorsätzlicher Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers im Hinblick auf die Angabe zur Nichtabgabe der Vermögensauskunft berechtigt gewesen.

Ein Versicherungsnehmer ist nach § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zu belehren, was vorliegend in Textform im Rahmen der Befragung erfolgt sei (weshalb es in Ansehung der Arglist des Klägers auf die Belehrung auch nicht ankäme). Schon in den vertraglich vereinbarten AKB der Beklagten sei ausgeführt, dass Fragen der Beklagten „zu den Umständen des Schadensereignissees, zum Umfang des Schadens und zur Leistungspflicht der Beklagten wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden müssten. Hier habe der Beklagte bei der Beantwortung der Frage 8 verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802 c ZPO verweigert habe und die gem. § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei. Es läge auch Vorsatz vor, der zwar von dem Versicherer zu beweisen wäre, wobei allerdings dem Versicherungsnehmer die Substantiierungslast treffe. Der Versicherungsnehmer müsse mithin die in seiner Sphäre liegenden Umstände dartun und der Nachprüfung zugänglich machen, die zu der objektiven Falschangabe geführt hätten. Hier sei die Fragestellung eindeutig gewesen und der Kläger habe auch nach der Zusendung des Protokolls keine Berichtigung vorgenommen, auch keine Rückfragen gestellt, sondern das Protokoll unterschrieben. Seine Behauptung, mit der Fragestellung habe man ihn „aufs Glatteis“ führen wollen sei – so das OLG – abwegig.  

Arglist läge vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirke, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletze und dabei bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstoße, da er damit rechne, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben könnte. Auf eine Bereicherungsabsicht käme es nicht an. Ausreichend sei, wenn der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge, etwa da er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen wolle und wisse, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen könne (BGH, Urteil vom 21.12.2012 - IV ZR 97/11 -). Ausreichend sei, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, die Regulierung zu beschleunigen oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss zu nehmen.

Die Beweislast für Arglist treffe den Versicherer. Aus wissentlich falschen Angaben im Rahmen der Auskunftsobliegenheit im Schadensfall ließe sich allerdings nicht ohne weiteres auf Arglist schließen, da häufig falsche Angaben aus Gleichgültigkeit, Trägheit oder wegen der Annahme ihrer Bedeutungslosigkeit gemacht würden (BGH, Urteil vom 04.05.2009 - IV ZR 62/07 -). Aber auch hier würde dem Versicherungsnehmer die subsidiäre Darlegungslast treffe, weshalb er plausibel darlegen müsse,  wie und weshalb es zu diesen unrichtigen Angaben gekommen ist (BGH, Urteil vom 11.05.2011 – IV ZR 148/09 -).

Der Kläger habe widersprüchliche Angaben gemacht. So habe er bei der Befragung (Frage 11) erklärt, er wolle einfach keine Finanzierung haben, da er das nicht möge, demgegenüber schriftsätzlich vorgetragen wurde, dass er bei Banken o.ä. ohnehin keinen Kredit bekommen hätte; tatsächlich wurde das Quad aber über eine Bank durch einen Dritten finanziert, da der Kläger keinen Kredit bekam. Bei der Beantwortung der Frage 11 sei es ihm darum gegangen, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen zu seiner finanziellen Situation zu vermeiden. Auch wenn der Kläger als juristischer Laie seine finanzielle Situation als von den Fragen nicht umfasst angesehen haben sollte, käme es darauf nicht an, da er eine zulässige Frage auch dann beantworten müsse, wenn er die befragten Umstände als unerheblich ansehe. Das OLG sei überzeugt, dass dem Kläger nicht nur bewusst gewesen sei, dass seine Täuschung Einfluss auf das regulierungsverhalten haben könnte, sondern dass es ihm auch darauf angekommen sei.

Da damit Arglist vorläge, käme es nicht darauf an, ob die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich gewesen wäre, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG.

Allerdings kann es unter Umständen vom Versicherer rechtsmissbräuchlich sein, die völlige Leistungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen, § 242 BGB. Das, so das OLG, könne der Fall sein, wenn die Täuschung nur einen geringen teil des versicherten Schadens betreffe und weitere Billigkeitsgründe zugunsten des Versicherungsnehmers berücksichtigt werden könnten. Bruchteilsgrenzen gebe es nicht. Es sei der Hintergrund der Regelung zu beachten, wonach bei der Schadensregulierung nach einem Versicherungsfall die Vertragspartner auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen seien. Um das Vertrauensklima zu schützen, solle der Versicherungsnehmer von vornherein durch Androhung einer harten Sanktion von der Versuchung abgehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen (Hinweisbeschluss des OLG Rostock vom 08.01.2020 - 4 U 136/19 -).

Anmerkung: Nicht problematisiert hat hier das OLG den Umstand, dass zwar nach dem mitgeteilten Sachverhalt eine Eintragung im Schuldnerregister wegen Nichtabgabe des Vermögensauskunft erfolgte, aber eine solche nicht abgegeben wurde. Die konkrete Fragestellung bezog sich nicht darauf, ob die Vermögensauskunft verlangt wurde. Offenbar ist das OLG der Ansicht, dass die Eintragung im Schuldnerregister der Abgabe derselben gleichzusetzen ist, da damit die grundlegende Pflicht zu Abgabe einer solchen festgestellt wurde. Die Frage bezieht sich auf finanzielle Verhältnisse des Versicherungsnehmers, die natürlich von Interesse sind, wenn es zu einem behaupteten Diebstahl gekommen sein soll. Entzieht sich der Schuldner der gesetzlichen Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft, soll er nicht demjenigen gleichgestellt werden, der nicht zu einer aufgefordert wurde und/oder keine abgegeben hat. Ob dem aber die Fragestellung durch den Versicherer gleichgestellt werden kann, gar – wie das OLG meint – deutlich sei, dürfte zu bezweifeln sein. Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass auch die Antwort hätte abgegeben werden können, dass keine Vermögensauskunft abgegeben wurde, was der Kläger nicht bejahte, sondern nur verneinte, dass er eine abgeben habe.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24 -

Freitag, 13. September 2024

Privatgutachterkosten (auch) für Versicherer notwendige Prozesskosten

Die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft, machte im Rahmen der Kostenfestsetzung nach Abschluss des streitigen Verfahrens auch von ihr aufgewandte Kosten für ein von eingeholtes privates Sachverständigengutachten geltend. Dem wurde vom Gericht entsprochen. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Klägerseite, soweit es diese Kosten betraf, sofortige Beschwerde ein, die vom OLG als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Das OLG stelle zutreffend darauf ab, ob die Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen für die Versicherungsgesellschaft zur (hier) Rechtverteidigung notwendig war, § 91 Abs. 2 ZPO. Dabei berücksichtigte das OLG den Umstand, dass die Beauftragung des medizinischen Sachverständigen durch die Beklagte nah Klageerhebung eggen sie im Februar 2016 erst im Juni 2018 erfolgt sei, nachdem ein für sie negatives gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten vorgelegen habe.

Dabei stellte das OLG auf die Rechtsprechung des BGH ab, derzufolge darauf abzustellen sei, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante betrachtet als sachdienlich angesehen hätte, wobei dies insbesondere bejaht würde, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung eines Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage wäre und mithin – liegt wie hier ein negatives Gerichtssachverständigengutachten vor – dieses selbst nicht zu erschüttern vermag (BGH, Beschluss vom 20.12.2011 - VI ZB 17/11 -). Vorliegend habe auch von einem größeren Versicherungsunternehmen nicht erwartet werden können, dass insoweit interne Sachkunde vorgehalten würde (es ging um Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schädigung des Sehnervs); der BGH hatte diesbezüglich zu einem Versicherungskonzern entschieden.  

Die Beklagte habe die schriftliche Stellungnahme des privaten Sachverständigen zur Akte gereicht und zur Grundlage ihrer Stellungnahme gemacht. Ob das Gutachten schließlich Eingang in das Urteil findet oder nicht, sich also positiv für die Partei auswirkt oder nicht, sei nicht entscheidend.

Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger den Stundensatz des privaten Sachverständigen bei der Festsetzung berücksichtigte. Für den privaten Sachverständigen seien nicht die Stundensätze nach dem JVEG maßgeblich, welches auch nicht entsprechend angewandt werden könne. (BGH, Beschluss vom 25.01.2007 - VII ZB 74/06 -). Lediglich bei einer erheblichen Abweichung sei eine besondere Darlegung der Notwendigkeit von Gebühren in dieser Höhe erforderlich (BGH aaO.), was hier nicht vorläge.

OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2024 - I-17 W 42/24 -

Freitag, 24. Mai 2024

Versicherungsschutz ohne eindeutige Einbruchsspuren

Der Vater des Klägers, der dessen Erbe ist, hatte eine Hausratversicherung bei der Beklagten abgeschlossen, der die VHB 84 zugrunde lagen. Nach § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 VHB 84 liegt ein Einbruchdiebstahl u.a. vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt. In der Nacht vom 17. auf den 18.12.2016 soll ein unbekannter Täter (in Abwesenheit des Versicherungsnehmers) in das Wohngebäude des Versicherungsnehmers eingedrungen sein; er soll sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft haben, nachdem er zunächst versucht hätte, das mittlere Fenster aufzuhebeln. Die auf Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Im Beschlusswege nach § 522 ZPO wies das OLG die Berufung des Klägers zurück. Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG.

Der BGH hielt die Anforderungen, die das OLG an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls stellte, als überspannt.

Im Rahmen der Sachversicherung seien aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er müsse nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweisen, mithin ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zuließen (BGH, Urteil vom 08.04.2015 - IV ZR 171/13 -). Dazu gehöre neben der Unauffindbarkeit der am Tatort entwendeten und als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Nachschlüsseldiebstählen – Einbruchsspuren vorhanden seien. Diese Einbruchsspuren müssten nicht stimmig in dem Sinne sein, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen ließen. Da der Versicherungsnehmer idR. keine Zeugen oder sonstige Beweismittel beibringen könne, sei die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbiete, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden könne.

Das OLG habe darauf abgestellt, dass der Sachverständige das Einstiegfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachung zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren habe öffnen können. Damit aber würde das OLG für den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls das Vorhandensein eines widerspruchsfreien stimmigen Spurenbildes verlangen. In der Sache vermisse das OLG den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls sei. Nur wenn ein Einbruch auf dem Weg, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheine, aus anderen Gründen völlig auszuschließen sei, könne es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachwies der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen.

Vorliegend hätte das OLG das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht aufgrund verbliebener Unklarheiten verneinen und dem Kläger einen unzureichenden Vortrag zum Tatgeschehen vorwerfen dürfen. Es habe zu Unrecht eine ins Detail gehende und widerspruchsfreie Schilderung des Tatgeschehens verlangt.

Würde das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls bejaht, könne der Versicherer darlegen und bewiesen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht sei (wofür die Unstimmigkeit im Spurenbild Bedeutung erlangen könne). Dem Versicherer komme ebenfalls eine Beweiserleichterung zu. Erforderlich sei lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die aber nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer (erheblicher) Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen würden, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht worden sei. Das Fehlen weiterer Spuren für sich oder im Zusammenhang mit anderen Indizien könne ausreichend sein, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung zu begründen.

BGH, Urteil vom 17.04.2024 - IV ZR 91/23 -

Sonntag, 28. April 2024

Beendigung der Verjährungshemmung durch Entscheidung des Versicherers

Die beklagte Versicherung erhob gegen den von dem Kläger gegen sie als Pflichtversicherer eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall geltend gemachten Schadensersatzanspruch die Einrede der Verjährung. Das Landgericht wies deshalb die Klage zurück; die Berufung hatte auch keine Aussicht auf Erfolg.

Die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall sollen nach den Ausführungen des Berufungsgerichts mit Schreiben vom 02.06.2003 geltend gemacht worden sein. Damit sei die Verjährung gegenüber der Beklagten gehemmt gewesen. Die Hemmung habe bis zum Zugang des Schreibens der Beklagten vom 14.10.2009 angedauert. Dieses Schreiben habe eine Entscheidung des Versicherers iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG dargestellt. 

§ 115 Abs. 2 S. 3 VVG lautet: „Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht.“ 

Hierfür käme nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine anspruchsbejahende und damit grundsätzlich für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers in Betracht (BGH, Urteile vom 14.03.2017 - VI ZR 226/16 – und 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Ziel der Regelung sei, den Geschädigten für den Fall langwieriger Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Folgen der Verjährung zu schützen. Diese Schutzfunktion entfalle, sobald sich der Versicherer zum angemeldeten Anspruch eindeutig erklärt habe, da damit für den Geschädigten Klarheit bestünde, welche Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und Verhinderung einer Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln der §§ 202 ff BGB bedürfe. 

Die Mitteilung des Versicherers, auf Grund der die Verjährungshemmung ende, müsse allerdings eine klare und umfassende Erklärung darstellen, was nicht bedeute, dass der Versicherer in seiner mitgeteilten Entscheidung sich für jeden in Betracht kommenden Schadensposten betragsmäßig festlegen müsse, wenn sich ergebe, dass er über etwa schon bezifferte Schäden hinaus auch die weiteren nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Schadenspositionen regulieren würde. Damit käme es für die Wertung, ob eine Erklärung eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 3 S. 2 VVG sei, von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. 

Vorliegend hatte die Beklagte mitgeteilt, dass sie ein Schmerzensgeld von € 15.000,00 für ausreichend erachte und darüber hinaus gebeten, dass der Klägers einen materiellen Schaden abschließend beziffere und Belege vorlege, damit ein abschließendes Regulierungsgespräch stattfinden könne. Damit habe das Schreiben den Anforderungen des § 115 Abs. 3 S. 2 VVG genügt. 

Bei dem immateriellen Schaden sei deutlich geworden, dass die Beklagte lediglich einen Betrag von € 15.000,00 als angemessen ansah und weitere Zahlungen nicht in Betracht kämen. Mit der Aufforderung, den materiellen Schaden zu belegen sei auch klargestellt worden, dass künftige Forderungen freiwillig gezahlt würden, sofern sie belegt seien. Der Verweis auf ein zu führendes Regulierungsgespräch ändere vorliegend daran nichts, da dies vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass die Beklagte bereits Zahlungen in Höhe von € 26.000,00 erbracht hatte und damit € 9.000,00 mehr, als sie für das Schmerzengeld bereit war zu zahlen. Für die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen, ob durch diesen Betrag der noch zu belegende materielle Anspruch rechnerisch abgegolten war oder nicht (weshalb auch der Kläger zur Darlegung und Belegung aufgefordert worden sei). 

Um festzustellen, ob eine „Entscheidung“ iSv. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG vorliege, käme der Entwicklung des Anmeldeverfahrens und insbesondere dem Konkretisierungsgrad der Schadensmeldung besondere Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 30.04.1991 - VI ZR 229/90 -). Das (nicht vorgelegte) Anmeldeschreiben vom 02.06.2003 enthalte offensichtlich keine konkrete Geltendmachung von Folgeschäden, weshalb der Erklärung der beklagten vom 14.10.2009 weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn nach entnommen werden könne, die Leistungsbereitschaft beschränke sich nur auf bestimmte bezifferte Rechnungsbeträge; die Erklärung habe sich erkennbar auf den Anspruch des Klägers insgesamt erstreckt, und Einwendungen zum Grund seien nicht erhoben worden. 

Für den Kläger habe damit hinreichend Sicherheit und Klarheit zur Einstandsbereitschaft der Beklagten bestanden. Von der eigenen weiteren Vorsorge des Geschädigten, trotz der positiven Entscheidung des Versicherers einer Verjährung für noch nicht bezifferbare Ansprüche (z.B. durch Erhebung einer Feststellungsklage) vorzubeugen, sei dieser durch § 115 Abs. 2 S. 3 VVG nicht freigestellt worden, was hier der Kläger versäumt habe. 

Mithin wird die Verjährung nur für den Zeitraum ab Anmeldung des Anspruchs bei dem Versicherer bis zu dessen (positiver oder negativer) Entscheidung gehemmt. Mit dem Zugang dessen Entscheidung läuft die Verjährungsfrist weiter. Vorliegend, darauf verweist das Berufungsrecht ergänzend, sei der Kläger auch der Aufforderung zur Vorlage von belegen nicht nachgekommen und die Hemmung der Verjährung habe auch durch „Einschlafen lassen“ der Verhandlungen geendet (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.04.2004 - 2 U 142/03 -). 

Kammergericht, Beschluss vom 10.07.2023 - 25 U 46/22 -

Mittwoch, 1. März 2023

Erfüllungswirkung bei Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung ?

Kann der Schuldner seine Zahlungsverpflichtung erfüllen, wenn er seine Leistung unter einem Vorbehalt erbringt ? Nur um diese Frage ging es noch im Berufungsverfahren: Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hatte im Zusammenhang mit einer Schadensersatzforderung der Klägerin an diese € 19.187,08 gezahlt und dabei im Abrechnungsschreiben ausgeführt, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ und „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ erfolge. Die Klägerin meinte, dies stelle keine ordnungsgemäße Erfüllung dar und beantragte in dem Schadenersatzprozess gegen den Versicherungsnehmer als Beklagten die Feststellung, dass dieser keinen Rückforderungsanspruch habe. Das Landgericht hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) folgte dem im Ergebnis, negierte allerdings bereits ein Feststellungsinteresse der Klägerin iSv. § 256 ZPO.

Richtig sei im Grundsatz, dass infolge des von der Klägerin gegen den beklagten Versicherungsnehmer geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ein Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin (hier infolge des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 116 SGB X) bestünde. Würde mithin der beklagte den von seinem Versicherer gezahlten Betrag von der Klägerin zurückfordern, würde dieser ein Vermögensschaden drohen.  Allerdings habe der Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Für die hier erhobene negative Feststellungsklage sei erforderlich, dass hier der Beklagte als Schuldner eine entsprechende Bestandsbehauptung (“Berühmen“) der von der Klägerin verneinte und gegen ihn gerichteten Ansprüche aufstellen würde. Fehle es daran bei Klageerhebung oder entfalle dies im Laufe des Prozesses, sei bzw. würde die negative Feststellungsklage unzulässig. Die Klägerin habe ein solches Berühmen durch den Beklagten selbst nicht behauptet. Sie befürchte vielmehr eine Rückforderung durch den Versicherer des Beklagten, der die Zahlung leistete. Ob dies für ein „Berühmen“ ausreiche könne auf sich beruhen, da sich die negative Feststellungsklage nicht gegen den Versicherer richte und etwaige Rückforderungsansprüche auch nur dem Versicherer, nicht dem Beklagten zustehen würden.

Das Feststellungsinteresse würde aber der Klägerin bereits deshalb fehlen, da die auf die Klägerin übergegangenen, vom Versicherer gezahlten Schadensersatzansprüche durch Erfüllung erloschen seien, § 362 BGB. Nur wenn durch den erklärten Vorbehalt eine Erfüllung nicht eingetreten sei, würde ein rechtlich anerkanntes Feststellungsinteresse an der Nichtberechtigung zur Rückforderung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bestehen, damit durch Beseitigung des Vorbehalts tatsächlich Erfüllung eintrete.

Bei dem Vorbehalt sei zu unterscheiden:

Will der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegenwirken und damit die Wirkung des § 814 BGB ausschließen mit der Möglichkeit, das Gezahlte gem. § 812 BGB zurückfordern zu können, würde dies die Erfüllung nicht in Frage stellen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/05 -). Der Gläubiger habe nach § 362 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch auf Erfüllung der Leistung, nicht aber auf ein Anerkenntnis des Bestehens der Forderung.

Leiste der Schuldner allerdings in der Weise unter Vorbehalt, dass dem Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsstreit auch die Beweislast für das Bestehen der Forderung treffe, würde dies die Schuldentilgung in der Schwebe halten und eine Erfüllung nach § 362 BGB ausschließen. Dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits (z.B. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel) leiste und einen Rechtsstreit gleichwohl fortsetze. Bei einer vorgerichtlichen Zahlung (wie hier) sei bei einem entsprechenden Vorbehalt keine Erfüllungswirkung anzunehmen, wenn der Schuldner zur Abwendung eines empfindlichen Übels leiste oder unter der Voraussetzung, dass die Forderung zu Recht besteht (BGH aaO.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).

Es sei bei der nach §§ 133, 157 BGB erforderlichen Auslegung der Erklärung im Zweifel davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gemeint ist. Dies sei auch hier der Fall. Die Ausführung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ solle klarstellen, dass die Forderung nicht anerkannt würde; mit der Formulierung „ohne Prädjudiz dem Grunde und der Höhe nach“ würde klargestellt, dass der streitige Anspruch zwar (teilweise) erfüllt würde, damit aber nicht die Anerkennung des Anspruchs verbunden sei sowie der erfüllte Anspruch möglicherweise unbegründet sei. Der Haftpflichtversicherer wollte mithin für den Fall einer etwaigen Rückforderung die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den Rückforderungsausschluss des § 814 BGB vermeiden, was zulässig sei. Die Beweislast für den Bestand der Forderung sollte im Falle einer Rückforderung mithin nicht auf den Gläubiger verlagert werden, sondern verblieb bei der Versicherung.

Die Gläubigerin hätte die Annahme der Leistung durch den Versicherer auch nicht ablehnen können, ohne in Annahmeverzug zu geraten, da sie zwar einen Anspruch auf die Leistung hatte, nicht aber auf ein Anerkenntnis. Damit fehle es hier der Klägerin an einem Feststellungsinteresse.

Selbst wenn man sich vorstehender Ansicht nicht anschließen sollte, würde es hier der Klägerin an einem Feststellungssinteresse ermangeln, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre, da die Zahlung von dem Versicherer geleistet wurde. Bei der Zahlung durch den Versicherer handele es sich, wie in dem Anweisungsfällen, in deren Rahmen die Leistungskondiktion in den jeweiligen Leistungsbeziehungen (Deckungs- und Valutaverhältnis) zu erfolgen habe und nicht im Wege der Direktkondiktion zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger.  Bei der Zahlung des Versicherers an den Gläubiger des Versicherungsnehmers handele es sich um die Leistung eines Dritten gem. § 267 BGB, weshalb der Kondiktionsanspruch dem Versicherer zustehe (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XIII ZR 130/89 -), da dieser nach § 267 BGB eine fremde Verbindlichkeit in Erfüllung seiner Freistellungspflicht gegenüber dem beklagten geleistet habe. Es läge hier auch keine Anweisung des Versicherungsnehmers an den Versicherer vor, da der Versicherungsnehmer den Schadensfall an den Versicherer gemeldet habe,  damit dieser etwaige berechtigte Ansprüche des Geschädigten für ihn erfülle.

Die Anspruchsinhaberschaft des Rückforderungsanspruchs sei eine doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Hier sei ein Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten und damit ein rechtliches Intereses an der Feststellung des Nichtbestehens dieses Anspruchs gegen den Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden; die doppelrelevante Tatsache sei bereits bei der Zulässigkeit relevant. Denn mit dem erstrebten Urteil gegen den Beklagten würde die Gefahr einer Rückforderung durch den Versicherer nicht beseitigt, da das Urteil für diesen keine Rechtswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte.

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -

Montag, 18. Juli 2022

Gebäudeversicherung: Obliegenheitsklausel „Rückstausicherung“ in der Klauselkontrolle (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung abgeschlossen und verlangte von dieser aus einem Wasserschaden wegen Rückstaus Entschädigung. In den Versicherungsbedingungen zu den grundsätzlich versicherten Überschwemmungs- und Rückstauschäden wurde dem Kläger auferlegt, Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten. Die Beklagte machte grobe Fahrlässigkeit wegen unterlassener „Rückstausicherung“ des Klägers geltend und kürzte den Anspruch um 50%. Die Klage auf Zahlung der weiteren 50% wurde vom Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Das OLG stellte fest, dass im Rahmen der Wohngebäudeversicherung Elementarschäden infolge von Rückstau mitversichert seien und ein solcher Rückstauschaden eingetreten sei. Eine Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers als Versicherungsnehmer läge nicht vor, da es an einer wirksamen Vereinbarung zu Wartungsobliegenheiten ermangele.

Soweit der Kläger nach den Versicherungsbedingungen zur Vermeidung von Überschwemmungs- und Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten habe, habe er diese jedenfalls angebracht. Streitig zwischen den Parteien sei, ob du wie Wartungen vorgenommen worden seien. Das aber kann nach Auffassung des OLG dahinstehen, da diese Regelung „Funktionsbereit“ wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.  Wegen der einschneidenden Sanktionen, die an die Obliegenheitsverletzung geknüpft seien, müsse das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich so vereinbart sein, dass klar und deutlich erkennbar sei, was verlangt würde (BGH, Urteil vom 16.09.2009 - IV ZR 246/08 -).

Eine entsprechende klare Handlungsregelung würde fehlen. Für den durchschnittlichen um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer sei lediglich erkennbar, dass er über den Einbau einer Rückstausicherung hinaus verpflichtet sei, deren Funktionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. „Funktionsbereit“ könne sowohl als Wartungs- als auch als bloße Reparaturverpflichtung verstanden werden, da das „Vorhalten“ gefordert würde. Allerdings sah sich das OLG vorliegend nicht veranlasst, diese hier zu entscheiden. Die die Unwirksamkeit bedingenden Gründe würden sich hier aus einer Regelung des § 23 VGB 2011 der Beklagten ergeben, demzufolge versicherte Sachen (insbes. wasserführende Anlagen/Einrichtungen) stets in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel/Schäden unverzüglich zu beseitigen seien. Dem Versicherungsnehmer würde insoweit eine allgemeine Instandhaltungsverpflichtung auferlegt. Im Vergleich zu § 23 VGB 2011 der Beklagten sei die hier fragliche Klausel völlig konturenlos; weder würden Wartungs- noch Instandhaltungsobliegenheiten benannt. Unklar bliebe, welche Verhaltensweisen insoweit vom Versicherungsnehmer erwartet würden. Bei Wartungen wären auch Wartungsintervalle zu benennen, da sonst offen bleiben würde, an welche Voraussetzungen der Kausalitätsgegenbewies des Versicherungsnehmers zu knüpfen sei.

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.05.2022 - 7 U 71/21 -

Sonntag, 24. April 2022

Folgen der Versicherungsfallanzeige gegenüber Versicherungsmakler statt Versicherer

Der Kläger hatte eine Jagdhundeunfallversicherung bei der Beklagten im Hinblick auf mögliche Verletzungen von beteiligten Jagdhunden bei einer Jagd am 18.11. 2020 zu einem bestimmten Datum unter der Internetpräsenz der D.F., bei der es sich um eine Versicherungsmaklerin handelte, abgeschlossen, die ihm auch den Versicherungsschein und die Prämienrechnung hatte zukommen lassen. Seiner Behauptung nach verletzte sich einer der teilnehmenden Hunde bei einer Auseinandersetzung mit einem Wildschwein. Er machte geltend, er habe dies am 19.11.2020 der D.F. gemeldet, der er die Tierarztrechnungen zum Zwecke der Erstattung habe zukommen lassen. Letztmals habe er die Zahlung am 06.04.2021 dieser gegenüber angemahnt. Die Beklagte als Versicherer zahlte vorgerichtlich einen Teilbetrag und lehnte weitere Zahlungen ab. Sie machte schließlich im streitigen Verfahren u.a. geltend, der Kläger sei seiner Obliegenheit zur ünverzüglichen Schadensanzeige nicht nachgekommen; die D.F. habe eine Schadensmeldung des Klägers vom 05.12.2020 erst am 24.03.2021 an sie weitergeleitet. Vom Kläger wurde geltend gemacht, die D.F., sei ihm gegenüber als Vertragspartner aufgetreten und dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Die Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Dieses folgte der Ansicht des beklagten Versicherers, dass er eine Obliegenheit dieser gegenüber verletzt habe und von daher keine weiteren Zahlungen beanspruchen könne.

Grundlage war § 11 Ziffer 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen AVB/LV. In diesen wird für den Fall einer Obliegenheitspflichtverletzung des Versicherungsnehmers geregelt, dass bei vorsätzlicher Verletzung der Versicherungsschutz insgesamt entfalle. Bei grob fahrlässiger Verletzung sei der Versicherer berechtigt, „seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen“.  In § 9 Ziffer 1 AVB/TL heißt es, dass der Versicherungsnehmer „erheblicher Krankheit oder erheblichem Unfall eines versicherten Tieres unverzüglich tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig dem Versicherer Anzeige zu erstatten“ habe.

Das Amtsgericht ging von einer grob fahrlässigen Unterlassung dieser Anzeigeverpflichtung des Versicherungsnehmers aus. Zwar habe er einen Tag nach dem Unfall der D.F. gegenüber die Schadensmeldung gemacht. Wenn aber die D.F. als Versicherungsmaklerin diese nicht weitergeleitet habe, so hafte diese ihm gegenüber für einen ihn daraus treffenden Schaden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2018 - I-4 U 47/14 -). Da die Schadensmeldung erst ca. vier Monate zuging sei dies ihr gegenüber nicht mehr unverzüglich.

Die Beklagte als Versicherer müsse sich auch die gegenüber der D.F. abgegebene Schadensmeldung nicht zurechnen lassen. Eine Zurechnung käme nur für das Wissen ihrer Organe und Vertreter in Betracht (§ 166 Abs. 2 BGB). Ein Versicherungsmakler verfüge aber nicht wie ein Versicherungsvertreter über die für die Zurechnung erforderliche Vertretungsmacht; er stünde im Lager des Versicherungsnehmers und nicht des Versicherers. Versicherungsmakler sei nach § 59 Abs. 3 VVG derjenige, der gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernehme, ohne von einem Versicherer oder Versicherungsvertreter damit betraut worden zu sein.

Anders ergäbe sich hier auch nicht aus einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht.

Bei einer Duldungsvollmacht müsse es der vertretene wissentlich geschehen lassen, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftrete und der Geschäftsgegner dies so verstehen hätte dürfe, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt sei. Die Beweislast für das Vorliegen solcher Umstände träfe denjenigen, der sich darauf berufe (hier den Kläger). Nähere Darlegungen und Beweisangebote seien vom Kläger nicht erfolgt. Zwar habe die Internetpräsens der D.F. und die Übersendung der Unterlagen durch die D.F. den Anschein erwecken können, als sei diese sein Vertragspartner. Allerdings ließe sich aus den Vertragsunterlagen entnehmen, dass nicht die D.F., sondern die Beklagte als Versicherer Risikoträger sei, was dem Kläger bei Lesen des Versicherungsscheins hätte auffallen müssen.  

Eine Anscheinsvollmacht scheide hier auch aus, da dies zur Voraussetzung hätte, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt und bei ordnungsgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der Geschäftspartner andererseits hätte annehmen dürfen, der Vertretene dulde und billige das Verhalten. Aber auch dazu würde es an Darlegungen und Beweisangeboten des Klägers ermangeln.

AG Bautzen, Urteil vom 29.03.2022 - 20 C 415/21 -

Donnerstag, 7. April 2022

Kaskoversicherung: Klausel Neuwertversicherung bei Totalschaden

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung, die er anlässlich eines Totalschadens des versicherten Pkw in Anspruch nahm. Dabei begehrte er eine Neupreisentschädigung. Diese besagte nach den Versicherungsbedingungen, dass der Versicherer anstelle des Widerbeschaffungswertes den Neupreis zahlt, wenn der Versicherungsfall (Totalschaden oder Verlust) innerhalb von 36 Monaten nach Erstzulassung eintritt. Allerdings wurde in der Klausel nicht ausgeführt, wann ein Totalschaden vorliegt. Der Vertrag verwies auf die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB), nach deren Ziffer 1.5.1 (2) ein Totalschaden vorliegt, wenn die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen.

Das Landgericht wies die Klage ab und das OLG wies in seinem Hinweisbeschluss darauf hin, dass es beabsichtigte, die zulässige Berufung als unbegründet zurückzuweisen. Ein bedingungsgemäßer Totalschaden läge nicht vor, der den Ersatz des Neupreises begründe.

Nach einem Schadensgutachten würden sich die Reparaturkosten auf € 17.142,55 belaufen. Der Wiederbeschaffungswert sei aber mit € 22.500,00 ausgewiesen, läge mithin über den Reparaturkosten. Damit bestand auch nach Haftpflichtgrundsätzen kein wirtschaftlicher Totalschaden. Nicht entscheidend sei, ob ein sogen. Unechter Totalschaden vorliegt, bei dem die Schadensbehebung im Wege der Reparatur zwar geringere Kosten als eine Ersatzbeschaffung verursache, dem Geschädigten aber die Reparatur nicht zuzumuten sei. Allerdings folge das Schadensersatzrecht anderen rechtlichen Prämissen als das hier anwendbare Versicherungsvertragsrecht, welches hier anwendbar ist. Während im Schadensersatzrecht der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB die Möglichkeit habe die Schadensbehebung in die eigenen Hände zu nehmen, ließe sich dies auf den Kaskoversicherungsvertrag nicht unmittelbar übertragen.

Entscheidend sei daher für die Bewertung als bedingungsgemäßer Totalschaden die Auslegung der Versicherungsbedingungen. Diese seien so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstünde. Abzustellen sei dabei auf einen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse. Entscheidend sei zunächst der Wortlaut, der mit dem Bedingungswerk verbundene Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln (soweit für den Versicherungsnehmer erkennbar) seien zusätzlich zu berücksichtigen.

Danach würde sich hier für diesen durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der die maßgeblichen Versicherungsbedingungen (hier in den AKB) mit dem Begriff des Totalschadens verbindet, ohne weiteres ergeben, dass dieser Begriff losgelöst von den Grundsätzen des Haftpflichtrechts geregelt sei.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 24.06.2021 - 20 U 96/21 -

Dienstag, 14. Dezember 2021

Wohngebäudeversicherung: Wasserschaden durch undichte Silikonfuge

Der Kläger nahm die Beklagte als Wohngebäudeversicherer im Hinblick auf einen Nasseschaden in Anspruch. In den Bedingungen der beklagten Versicherung heiß es unter anderem: 

"§ 3 Leitungswasser

1. Bruchschäden innerhalb von Gebäuden

Der Versicherer leistet Entschädigung für innerhalb von Gebäuden eintretende

b) frostbedingte Bruchschäden an nachfolgend genannten Installationen:

aa) Badeeinrichtungen, Waschbecken, Spülklosetts, Armaturen …

2. Bruchschäden außerhalb von Gebäuden

3. Nässeschäden

Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.

Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. 

In einem Duschbad des Hauses kam es durch eine undichte Silikonfuge im Duschbereich zu einem Schaden. Die Beklagte negierte einen versicherungsvertraglichen Anspruch. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung von € 17.575,70. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, im Berufungsverfahren mit € 4.635,60 stattgegeben. Die Revision der beklagten Versicherung führte zur Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH legte die hier verwandte versicherungsvertragliche Klausel dahingehend aus, dass die Beklagte für einen Wasserschaden infolge einer undichten Fuge nicht einzustehen habe.

Die Auslegung von Versicherungsbedingungen orientiere sich an einem durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer und wie dieser sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstünde.  Auf versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse käme es bei diesem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht an. Abzustellen sei damit zunächst auf den Wortlaut, zusätzlich seien der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zu berücksichtigen.

Hier würde der Versicherungsnehmer unter „Leitungswasser“ und dann, da eine defekte Fuge kein Bruchschaden sei, unter „Nässeschäden“ nachlesen. Danach würde der Versicherer Entschädigung leisten, wenn Leitungswasser bestimmungswidrig austreten würde und dabei etwas zerstört oder beschädigt. Das Wasser müsse aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitung) oder damit verbundenen Schläuchen oder sonstigen wasserführenden Teilen sowie Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. Bei Lesen dieser Bedingungen würde der durchschnittliche Versicherungsnehmer feststellen, dass bei einer undichten Fuge Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung pp. komme, weshalb er die Alternative in Betracht ziehen würde, dass Wasser aus „den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen“ ausgetreten sei. Die „Einrichtung“ würde er als eine (technische) Vorrichtung oder Anlage einstufen, wobei er dem Wortlaut der Klausel entnehmen könne, dass dies mit dem Rohrsystem verbunden sein müsse. Da aber läge auch für ihn ersichtlich bei einer undichten Fuge nicht vor.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde auch der Klausel keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden sei. Eine entsprechende Sachgemeinschaft würde er nicht annehmen, da der Klauselwortlaut dafür nichts hergeben würde; das Wort „Sachgesamtheit selbst käme auch nicht vor.

Nach Auffassung des BGH erwarte der durchschnittliche Versicherungsnehmer von einer Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und (soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergäben) lückenlosen Schutz und er würde sich, so der BGH, durch die Klausel nicht in seiner Erwartung  getäuscht, sondern  das Leistungsversprechen dahingehend verstehen, dass Schäden durch austretendes Leitungswasser nur gedeckt seien, wenn das Wasser aus bestimmten, abschließend aufgezählten Quellen stamme.

BGH, Urteil vom 20.10.2021 - IV ZR 236/20 -

Freitag, 18. September 2020

Haftung des bei Haftpflichtversicherung angestellten Sachverständigen gegenüber Geschädigten

Durch Verschulden des Versicherungsnehmers der Haftpflichtversicherung, bei der der beklagte  Sachverständige angestellt war, wurde das Fahrzeug der Klägerin beschädigt. Der Beklagte war von dem Versicherer hinzugezogen worden. Die Werkstatt wies den Beklagten im Rahmen der Prüfung darauf hin, dass auch die Zusatzriemen, die die Nebenaggregate antreiben würden, ausgewechselt werden müssten. Dies wurde vom Beklagten als unnötig angesehen, es würden nur die Kosten in die Höhe getrieben.  Die Werkstatt führte dann die Reparatur nach der Vorgabe des Beklagten durch. Bei einer nachfolgenden Fahrt entstand an dem Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden, was auf den unterlassenen Austausch des Zusatzantriebsriemens zurückzuführen war. Die Klägerin nahm den Werkunternehmer als auch den Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch. Erstinstanzlich wurden der Sachverständige und der Werkunternehmers verurteilt. Lediglich der beklagte Sachverständige legte Rechtsmittel ein. Dieses war im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht erfolgreich.

Allerdings negierte der BGH eine Haftung des Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, da er nicht als freier Sachverständiger sondern Angestellter des Haftpflichtversicherers tätig geworden sei. Das Anstellungsverhältnis sei nicht geeignet, Schutzwirkung zugunsten der Klägerin zu entfalten. Die Haftung ergäbe sich allerdings aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Beklagte habe durch seine Erklärung gegenüber dem Werkunternehmer diesen veranlasst, die Reparatur nach seien Vorgaben durchzuführen, was den Schaden bedingt habe.  Ein Zurechnungszusammenhang sei hier auch nicht durch ein (vorsätzliches) Dazwischentreten des Werkunternehmers unterbrochen worden, was dann der Fall wäre, wenn sich bei einem Zweiteingriff nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht hätte. Hier habe der Beklagte die Entscheidung des Werkunternehmers auf Verzicht des Austauschs gerade intendiert und damit die besondere Gefahr verwirklicht, die er durch seine Erklärung geschaffen habe (wobei es nicht darauf ankäme, ob sich der Werkunternehmer durch die Erklärung zu der Entscheidung herausgefordert gesehen habe).

Die Eigentumsverletzung sei auch widerrechtlich gewesen. Allerdings sei die Rechtswidrigkeit nicht schon durch die kausale Herbeiführung der Verletzungsfolge indiziert. Es müsse ein Verstoß einer gegenüber der Geschädigten bestehenden Rechts- oder Verkehrspflicht vorliegen, um ein pflichtwidriges Verhalten bei Setzen der Erstursache zu sehen. Dies sei vorliegend daraus herzuleiten, dass der Beklagte als Kfz-Sachverständiger bei Inanspruchnahme seiner Sachkunde und zugleich als Vertreter der für den Ausgleich der Reparaturkosten zuständigen Versicherung sich ohne Rücksprache mit der Klägerin in die von dieser beauftragte Reparaturmaßnahme durch den Werkunternehmer eingeschaltet und maßgeblichen  Einfluss auf diesen ausgeübt habe. Dabei hätte er die Interessen der Klägerin nicht gefährden dürfen, wogegen er verstoßen habe, indem er den Werkunternehmer von der gebotenen Reparaturmaßnahme abhielt.

BGH, Urteil vom 07.07.2020 - VI ZR 308/19 -

Montag, 20. November 2017

Kaskoversicherung: Erstattung des Bruttowiederbeschaffungswerts bei Ersatzbeschaffung unabhängig vom Anfall von Umsatzsteuer

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Nach einem Unfallschaden mit Totalschaden des versicherten Fahrzeuges begehrt er von der Beklagten Zahlung von € 9.579,83 (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und abzüglich Selbstbeteiligung). Tatsächlich hatte der Kläger Wiederbeschaffung Kosten mit netto € 64.500,00 oberhalb der Brutto-Wiederbeschaffungskosten aufgewandt.

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger den mit Umsatzsteuer berechneten Wiederbeschaffungswert zugrunde legen kann, wenn er für die Wiederbeschaffung (wie hier) keine Umsatzsteuer gezahlt hat, obwohl die Wiederbeschaffungskosten insgesamt höher waren als der zugrunde gelegte Bruttowert. Der diesen Erstattungsanspruch auf Bruttobasis negierenden Beklagten Versicherung folgte das Landgericht. Auf die Berufung des Klägers gab das OLG allerdings der Klage statt.

Das OLG sah einen Erstattungsanspruch auf Grund der dem versicherungsvertrag zugrundeliegenden AKB [hier: A.2.6.1.a), e) AKB 2013] als begründet an. Dabei verwies es auf eine eine ähnliche Klausel eines Versicherers (dort § 13 AKB) betreffende Entscheidung des Saarländischen OLG vom 28.01.2009 - 5 U 278/08 -, in der das Saarl. OLG zutreffend darauf hingewiesen habe, dass (wie vorliegend auch) die Klausel mit ausreichender Klarheit zum Ausdruck bringen würde, dass ebenso wie im Schadensrecht der tatsächlich aufgewandte Betrag bis zur Höhe des Bruttowiderbeschaffungswertes ersetzt werde, und zwar unabhängig davon, ob im Kaufpreis eine Regelumsatzsteuert, eine Differenzsteuer oder gar keine Umsatzsteuer enthalten sei. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde die Formulierung auf die fiktive Abrechnung beziehen, also den Fall, dass eine Ersatzbeschaffung oder Reparatur nach Vorlage eines Gutachtens doch nicht erfolge. Er käme nicht auf den Gedanken, dass im Falle eines Kaufs von Privat (ohne Anfall der Umsatzsteuer) dies von der Regelung in den AKB erfasst werde.

Ferner, so das OLG, müsse man auch den Fall bedenken, dass der Versicherungsnehmer ein Ersatzfahrzeug exakt zu dem Kaufpreis des ermittelten Wertes für das beschädigte Fahrzeug erwerbe, nur eben ohne Umsatzsteuerausweis sondern, da von Privat, auf Nettobasis. Er würde nicht auf den Gedanken kommen, dass ihm die Kosten nicht in voller Höhe erstattet würden, sondern die nach Gutachten ermittelte Umsatzsteuer fiktiv abgesetzt würde.

Darüber hinaus spräche auch der Zweck einer Kaskoversicherung für die Auslegung zu einen Gleichlauf mit der schadensrechtlichen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Versicherungsnehmer erstrebe mit dieser Versicherung regelmäßig nicht nur Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens, sondern auch Befreiung vom Risiko der Durchsetzung beim Gegner bei unklarer Haftungslage. Er könne der an § 249 Abs. 2 S. 2 BGB angelehnten Klausel nicht entnehmen, dass der Umfang des Anspruchs gegen den Versicherer generell gegenüber dem Anspruch gegen den (alleine haftenden) Schädiger zurückbleibe.


OLG Celle, Urteil vom 06.10.2016 - 8 U 111/16 -

Dienstag, 20. September 2016

Versicherungsmakler: Unerlaubte Rechtsberatung bei Schadensregulierung im Auftrag des Versicherers

Der beklagte Versicherungsmakler wurde von der Rechtsanwaltskammer Köln (Klägerin) auf Unterlassung in Anspruch genommen, schadensregulierend, wie in einem bestimmten Schreiben des Beklagten, tätig zu werden. In diesem Schreiben hatte der Beklagte mitgeteilt, der zuständige Versicherer habe ihn mit der Schadensregulierung beauftragt. Weiterhin heißt es, dass die versicherte Firma bis zum Zeitwert des beschädigten Objekts unter Berücksichtigung dessen Alter und Gebrauchs Ersatz zu leisten habe. Da die Anschaffungsrechnung vom geschädigten Anspruchsteller nicht vorgelegt werden konnte, obwohl er zum Nachweis der Schadenshöhe verpflichtet sei, würde von dem Betrag ein Abzug neu für alt vorgenommen; Reinigungskosten wären dabei bereits berücksichtigt (es erfolgt ein Verweis auf Entscheidungen von zwei eines Amtsgerichten).


Die Klage wurde vom Land- und Oberlandesgericht abgewiesen. Die Revision der Anwaltskammer war erfolgreich.

Auszugehen sei von der Definition des Versicherungsmaklers in § 59 Abs. 3 VVG. Dieser sei für den Auftraggeber geschäftsmäßig mit der Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen beauftragt, ohne von einem Versicherer oder Versicherungsvertreter damit beauftragt worden zu sein. Eine Doppeltätigkeit als sowohl für den Versicherungsnehmer als auch den Versicherer sei mit dem Leitbild nicht vereinbar. Dementsprechend würde auch § 34d Abs. 1 GewO zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter unterscheiden. Nur beim Versicherungsvertreter gehöre es zu dessen Aufgaben, den Versicherungsvertrag nach Abschluss desselben weiter zu betreuen, evtl. den Versicherungsnehmer rechtzeitig auf Anpassungsbedarf usw. hinzuweisen und den Versicherungsnehmer im Schadensfall sachkundig zu beraten. Der Versicherungsmakler sei Sachwalter des Versicherungsnehmers und stehe „in dessen Lager“ und nicht, wie der Versicherungsvertreter, im Lager des Versicherers. Im Schadensfall könne der Versicherungsmakler im Rahmen des § 5 RDG für den Versicherungsnehmer, nicht für den Versicherer, schadensregulierend tätig werden.

Dies gelte auch im Falle des (vorliegenden) Haftpflichtrechts, da die Interessen des Versicherers und des Versicherungsnehmers nicht korrespondieren müssen. Während der Versicherer regelmäßig ein Interesse daran habe, den zu regulierenden Schadensaufwand möglichst gering zu halten, kann, muss dies aber nicht notwendig bei dem Versicherungsnehmer der Fall sein. Der BGH verweist darauf, dass der Versicherungsnehmer häufig ein Interesse daran hat, dass ein Schaden möglichst rasch und unproblematisch im Interesse seines geschädigten Kunden abgewickelt wird, er also nicht in weitere Kritik seines Kunden gerät.

Auch wäre zweifelhaft, ob es sich hier um eine Nebentätigkeit des Versicherungsmaklers handele. Dies deshalb, da die Regulierung durch den Versicherungsmakler nicht auf einem Vertragsverhältnis mit seinem Auftraggeber, sondern auf einem gesonderten Vertrag mit dem Versicherer beruht.

Neben § 5 RDG würde der Tätigkeit des Versicherungsmaklers auch § 4 RDG entgegenstehen. Der Rechtsdienstleistung steht hier der mögliche Interessenskonflikt des Versicherungsmaklers entgegen, der eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es zu den Aufgaben des Versicherungsmakler gehöre, bei einer für den Versicherungsnehmer unbefriedigenden Regulierung durch den Versicherer zu einem Wechsel des Versicherers zu raten, was dem Interesse des Versicherers entgegensteht.


BGH, Urteil vom 14.01.206 – I ZR 107/14 -

Freitag, 18. März 2016

Versicherungsrecht: Kein Anspruch auf von Versicherung eingeholte Gutachten, es sei denn, § 242 BGB greife im Einzelfall (hier verneint)

Der Kläger verlangte Herausgabe von einem oder Einsichtnahme in ein vom Versicherer der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeholtes Gutachten. Unabhängig davon, ob der Kläger als Miteigentümer der WEG überhaupt ein eigenes Recht hat, hat das Landgericht diesen Anspruch in der Sache verneint. Es musste, da sich zwischenzeitlich die Hauptsache erledigte (§ 91a ZPO) nur noch im Rahmen eines Kostenbeschlusses entscheiden.

Für den geltend gemachten Anspruch fehlte es nach Auffassung des Landgerichts an einer Rechtsgrundlage.

§ 3 Abs. 4 VVG sei nur für die dort konkret benannten Umstände anwendbar und träfe auf Gutachten nicht zu.

§ 202 VVG betrifft lediglich Gutachten im Krankenversicherungsbereich, nicht in den sonstigen Versicherungszweigen (die hier betroffen waren).

Auch § 810 Alt. 1 BGB kommt nach Auffassung des Landgerichts nicht in Betracht. Voraussetzung wäre, dass das Gutachten zumindest auch im Interesse desjenigen erstellt wurde, der die Herausgabe/Einsicht fordert. Wird das Gutachten vom Versicherer eingeholt, um eine eigene Leistungspflicht festzustellen, kommt diese Annahme nach Der Entscheidung des Landgerichts nicht in Betracht. Der Versicherer handele lediglich im eigenen Interesse und nicht auch um eine Aufgabe des Versicherungsnehmers bzw. Versicherten wahrzunehmen.

Auch ein auf § 242 BGB (Treu und Glauben) gestützter Anspruch scheide aus. Dies wurde vorliegend deshalb verneint, da der Kläger zunächst versucht habe im Rahmen der Leitungswasserversicherung resultierende Schäden über diese Versicherung abzurechnen. Dies sei unredlich gewesen; § 242 BGB greife aber nur, wenn sich derjenige, der sich auf § 242 BGB beruft, selbst redlich verhält.


LG München I, Beschluss vom 14.10.2015 – 26 O 8341/15 -