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Donnerstag, 17. März 2016

Anwaltsregress: Umfassender Sachvortrag und rechtliche Würdigung zu allen Anspruchsgrundlagen ist erforderlich

„Fasse Dich kurz“ – ein Aufkleber aus alten Zeiten in Telefonzellen. Dieser Grundsatz soll jedenfalls aber nicht in anwaltlichen Schriftsätzen gelten, folgt man hier dem BGH. Danach hat der Anwalt „die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen“. In diesem Zusammenhang weist der BGH auch darauf hin, dass aus dem Grundsatz „iura novit curia“ („Das Recht kennt der Gerichtshof“) keine Einschränkung der Verpflichtung des Anwalts hergeleitet werden könne.

Bild: pixabay
Der BGH musste sich (wieder einmal) mit einem Anwaltsregress befassen. In dem Vorprozess hatte der beklagte Anwalt die Klägerin im Zusammenhang mit einem Schadensfall aus einem Speditionsgeschäft vertreten. In dem Verfahren war streitig, welches Versicherungsrisiko von dem Spediteur eingedeckt werden sollte. Der Klage wurde lediglich im geringen Umfang stattgegeben. Im Rahmen des Regresses machte nun die ehemalige Mandantin geltend, der Beklagte habe im Ausgangsverfahren nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Spedition zur Eindeckung einer Allgefahrenversicherung verpflichtet gewesen sei. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab; der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Zutreffend verweist der BGH in seiner Entscheidung darauf, dass im Zivilrechtsstreit grundsätzlich die Beibringung des Tatsachenstoffs Sache der Parteien ist. Allerdings, so der BGH, ist der Anwalt verpflichtet, über den Tatsachenvortrag hinaus „das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist“. Kommen verschiedene Rechtsgründe in Betracht, muss der Anwalt alle Rechtsgründe ins Feld führen und den Sachvortrag so gestalten, dass alle Gründe auch konkret dem Gericht dargelegt werden.

Im konkreten Fall hielt der BGH dem verklagten Anwalt allerdings vor, dass er den Terminus der All-Risk-Versicherung nicht erläutert habe. Hier würde es sich nicht um einen einfachen Rechtsbegriff (wie z.B. Eigentum) handeln, weshalb zum substantiierten Vortrag die Erläuterung des damit versicherten Risikos gehört.

Anmerkung: Bekanntlich wird ein Rechtsstreit nicht von den Anwälten sondern vom Gericht entschieden. Von daher ist an sich bereits unverständlich, weshalb der Anwalt nach Auffassung des BGH letztlich das Gericht belehren soll, gegebenenfalls sogar penetrant belehren soll, damit es die von ihm vertretene (eventuelle sogar zutreffende) Auffassung teilt. Der Verfasser muss sich häufig den Hinweis des Gerichts anhören, man würde auch die Rechtsnorm, die Rechtsprechung pp. kennen; lapidar wird daher dann immer darauf hingewiesen, dass dies sein möge, der BGH aber in seinen Haftungsprozessen gegen Anwälte offenbar andere Auffassung sei.

Richtig ist im vorliegenden Verfahren des BGH, dass natürlich nicht nur der Name der konkret abgeschlossenen Versicherung zu benennen war, sondern auch der dahinter stehende Versicherungsumfang zu benennen war, da es gerade um den Versicherungsumfang in dem Rechtsstreit ging. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Richter in der Materie der Bezeichnung bestimmter Versicherungen firm ist, unabhängig davon, dass es sich nicht um gesetzliche Einordnungen handelt sondern um versicherungsvertragliche Bestimmungen und damit notwendig Gegenstand eines Sachvortrages sein muss, unabhängig davon, dass eine Definition des Inhalts in den Fachkommentaren zu finden wäre. Allerdings: Hätte nicht der Richter auf die fehlende Darlegung nach § 139 ZPO hinweisen müssen ?


BGH, Urteil vom .12.2015 – IX ZR 272/14 -