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Freitag, 7. Februar 2025

Ist im Rechtsstreit widersprüchlicher Vortrag beachtlich ?

Die Klägerin hatte zunächst eine Schlussrechnung vorgelegt, in der vom Gesamtbetrag € 32.757,58 mit dem Vermerk abgezogen waren, „abzgl. Restleistungen in Teilbereichen der Fa. V.“. Nach Hinweis des Gerichts, der Abzug von € 32.757,58 erschließe sich nicht, weshalb dies die Klägerin aufschlüsseln wollte. Sie legte dann aber eine mit der ersten Schlussrechnung inhaltsgleiche Schlussrechnung vor, die lediglich den Abzug nicht enthielt; stattdessen wurde die Klage um den Betrag erweitert. Damit entspreche die Rechnung nun dem Aufmaßprotokoll, so die Klägerin. Der vormalige Abzugsbetrag sei ein Nachlass der Nachunternehmerin an die Klägerin wegen der bestrittenen vollständigen Fertigstellung gewesen, für den Fall, dass die Klägerin sofort zahle, den sie an den Beklagten weitergereicht habe und nunmehr gestrichen habe, nachdem dieser nicht gezahlt habe. Das Landgericht wies die Klage mangels prüfbarer Rechnung ab; die Berufung wurde vom Kammergericht als Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.

Der BGH sah hier den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) als verletzt an. Insoweit sei von der Klägerin zutreffend gerügt worden, indem das Berufungsgericht wegen Widerspruchs zum früheren Vortrag, den Vortrag zur zweiten Schlussrechnung, es seien nur erbrachte Leistungen enthalten, für unbeachtlich gehalten habe, einen Beweis für den behaupteten Grund des Vortragswechsels gefordert habe, und das Beweisangebot der Klägerin zum neuen Vortrag übergangen habe.

Der BGH hielt fest, dass keine Partei gehindert sei, ihren Vortrag im Laufe des Rechtsstreits zu ändern wie auch zu präzisieren. Entstünden dabei Widersprüchlichkeiten im eigen Parteivortrag, könne dies (nur) im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO Beachtung finden. Eine Nichtberücksichtigung dieses neuen Vortrags würde auf eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung hinauslaufen und damit auch gegen Art. 103 GG verstoßen (BGH, Beschluss vom 23.11.2023 - V ZR 170/22 -).

Vorliegend hätte mithin das Berufungsgericht den nach seiner Ansicht entscheidungserheblichen bestrittenen Vortrag der Klägerin, die zweite Schlussrechnung umfasse nur erbrachte Leistungen, durch Einholung des beantragen Sachverständigengutachtens nachgehen müssen. Es durfte diesen Vortrag nicht übergehen, selbst wenn es darin einen Widerspruch zu einem früheren Vortrag sehe. Erst nachdem es den Beweis erhoben habe, dürfe der Vortragswechsel im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden. Nicht zulässig sei es auch, vor einer Beachtung des neuen Vortrages, die Gründe für den Vortragswechsel und Beweise dafür zu verlangen.

BGH, Beschluss vom 20.11.2024 - VII ZR 191/23 - 

Donnerstag, 17. März 2016

Anwaltsregress: Umfassender Sachvortrag und rechtliche Würdigung zu allen Anspruchsgrundlagen ist erforderlich

„Fasse Dich kurz“ – ein Aufkleber aus alten Zeiten in Telefonzellen. Dieser Grundsatz soll jedenfalls aber nicht in anwaltlichen Schriftsätzen gelten, folgt man hier dem BGH. Danach hat der Anwalt „die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen“. In diesem Zusammenhang weist der BGH auch darauf hin, dass aus dem Grundsatz „iura novit curia“ („Das Recht kennt der Gerichtshof“) keine Einschränkung der Verpflichtung des Anwalts hergeleitet werden könne.

Bild: pixabay
Der BGH musste sich (wieder einmal) mit einem Anwaltsregress befassen. In dem Vorprozess hatte der beklagte Anwalt die Klägerin im Zusammenhang mit einem Schadensfall aus einem Speditionsgeschäft vertreten. In dem Verfahren war streitig, welches Versicherungsrisiko von dem Spediteur eingedeckt werden sollte. Der Klage wurde lediglich im geringen Umfang stattgegeben. Im Rahmen des Regresses machte nun die ehemalige Mandantin geltend, der Beklagte habe im Ausgangsverfahren nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Spedition zur Eindeckung einer Allgefahrenversicherung verpflichtet gewesen sei. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab; der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Zutreffend verweist der BGH in seiner Entscheidung darauf, dass im Zivilrechtsstreit grundsätzlich die Beibringung des Tatsachenstoffs Sache der Parteien ist. Allerdings, so der BGH, ist der Anwalt verpflichtet, über den Tatsachenvortrag hinaus „das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist“. Kommen verschiedene Rechtsgründe in Betracht, muss der Anwalt alle Rechtsgründe ins Feld führen und den Sachvortrag so gestalten, dass alle Gründe auch konkret dem Gericht dargelegt werden.

Im konkreten Fall hielt der BGH dem verklagten Anwalt allerdings vor, dass er den Terminus der All-Risk-Versicherung nicht erläutert habe. Hier würde es sich nicht um einen einfachen Rechtsbegriff (wie z.B. Eigentum) handeln, weshalb zum substantiierten Vortrag die Erläuterung des damit versicherten Risikos gehört.

Anmerkung: Bekanntlich wird ein Rechtsstreit nicht von den Anwälten sondern vom Gericht entschieden. Von daher ist an sich bereits unverständlich, weshalb der Anwalt nach Auffassung des BGH letztlich das Gericht belehren soll, gegebenenfalls sogar penetrant belehren soll, damit es die von ihm vertretene (eventuelle sogar zutreffende) Auffassung teilt. Der Verfasser muss sich häufig den Hinweis des Gerichts anhören, man würde auch die Rechtsnorm, die Rechtsprechung pp. kennen; lapidar wird daher dann immer darauf hingewiesen, dass dies sein möge, der BGH aber in seinen Haftungsprozessen gegen Anwälte offenbar andere Auffassung sei.

Richtig ist im vorliegenden Verfahren des BGH, dass natürlich nicht nur der Name der konkret abgeschlossenen Versicherung zu benennen war, sondern auch der dahinter stehende Versicherungsumfang zu benennen war, da es gerade um den Versicherungsumfang in dem Rechtsstreit ging. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Richter in der Materie der Bezeichnung bestimmter Versicherungen firm ist, unabhängig davon, dass es sich nicht um gesetzliche Einordnungen handelt sondern um versicherungsvertragliche Bestimmungen und damit notwendig Gegenstand eines Sachvortrages sein muss, unabhängig davon, dass eine Definition des Inhalts in den Fachkommentaren zu finden wäre. Allerdings: Hätte nicht der Richter auf die fehlende Darlegung nach § 139 ZPO hinweisen müssen ?


BGH, Urteil vom .12.2015 – IX ZR 272/14 -