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Donnerstag, 22. Februar 2024

Amtshaftung bei Schaden durch vom beauftragten Unternehmer aufgestellten Straßenschild

Die Klägerin erlitt an einem abgestellten Fahrzeug einen Schaden durch ein umgefallenes Straßenschild. Dieses wurde von der Beklagten im Zusammenhang von Bauarbeiten an einer Straße auf dem Bürgersteig aufgestellt und kündigte eine Umleitung an (Zeichen 457.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die zuständige Landesbehörde (hier: Hessen Mobil) vergab den Auftrag für die Arbeiten der R. GmbH, die wiederum die Beklagte mit der Aufstellung entsprechender Verkehrsschilder beauftragte. Die Klägerin machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung wurde vom Landgericht unter Zulassung der Revision abgewiesen. Der BGH wies die von der Klägerin eingelegte Revision zurück. 

Das Landgericht hatte die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da hier geltend gemachte Ansprüche nach § 823 BGB hinter einen möglichen Amtshaftungsanspruch, der allenfalls in Betracht käme, zurücktreten würden. Dem folgte der BGH; die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da eine eigene deliktische Haftung der Beklagten gemäß § 839 BGB iVm. Art. 34 S. 1 GG ausgeschlossen seien. Im Anwendungsbereich des § 839 BGB würden damit konkurrierende Ansprüche aus §§  823 ff BGB verdrängt werden. Im Rahmen der Haftung aus § 839 BGB trete gem. Art. 34 S. 1 BGB im Wege befreiender Haftungsübernahme der Staat bzw. die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle desjenigen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt habe. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten bei der Aufstellung des Verkehrsschildes in Ausübung eines ihnen anvertrauten Amtes gehandelt. 

Entscheidend dafür, ob das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstelle, sei, ob die eigentliche Zielsetzung der Tätigkeit hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen sei und ob zwischen der Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang bestünde, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden müsse. Dabei sei nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion (seiner Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit diene) abzustellen. 

Damit könnten auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies komme nicht nur in den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmers mit hoheitlichen Aufgaben in Betracht, sondern auch dann, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig würden (BGH, Urteil vom 06.06.2019 – III ZR 124/18 .).  Erforderlich sei, dass in innerer Zusammenhang zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, so dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug“ oder „Erfüllungsgehilfe“ des Hoheitsträgers handele und dieser die Tätigkeit des Privaten des wie eine eigene gegen sich gelten lassen müsse. 

Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund trete, je enger die Verbindung zwischen übertragender Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielrau des Privaten sei, desto näher liege es, den Handelnden als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. 

Vorliegend habe der hoheitliche Charakter im Vordergrund gestanden. Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen (§ 45 StVO) sei eine hoheitliche Aufgabe. Es handele sich – jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen um Maßnahmen der Eingriffsverwaltung, da die durch sie angeordneten Ge- und Verbote Verhaltensbefehle seien, die für Verkehrsteilnehmer bindend sind. Die Anordnung oblige der Straßenverkehrsbehörde (§ 45 Abs. 3 StVO) und im (hier vorliegenden) Ausnahmefall, wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgen würden, der Straßenbaubehörde (§ 45 Abs. 2 S. 1 und 4 StVO). Auch die tatsächliche Umsetzung der Verkehrsregelung stelle eine hoheitliche Aufgabe dar zu der der Baulastträger nach § 45 Abs. 5 S. 1 StVO verpflichtet sei. 

Ein enger Zusammenhang bestünde auch bei Straßenbauarbeiten, bei denen die Durchfahrt durch die betroffene Straße verboten würde und dies mittels Verkehrszeichen umgesetzt wird (Zeichen 250) sowie zum Ausgleich für das Durchfahrtverbot eine Umleitung eingerichtet würde. Es würde sich dabei um eine einheitliche Verkehrsregelung handeln, in deren Mittelpunkt das Durchfahrtsverbot als Maßnahme der Eingriffsverwaltung stünde, die mir ihrem im Vordergrund stehenden hoheitlichen Charakter die mir ihr zusammenhängenden einzelnen Verkehrsregelungen präge. Letztere und die sie umzusetzenden Verkehrszeichen seien daher im Hinblick auf die Frage, ob auch bei ihnen der hoheitliche Charakter im Vordergrund stünde, wie das Durchfahrtverbot zu beurteilen, unabhängig davon, ob es die einzelnen Regelungen Ge- oder Verbote enthalten würden. 

Damit handele es sich bei dem die Umleitung ankündigenden Verkehrsschild (Zeichen 475.1) um die Umsetzung einer Maßnahme, bei der der hoheitliche Charakter im Vordergrund stünde. Der Kern der zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11.07.2017 sei die Baumaßnahme auf der Kreisstraße gewesen. Im Bereich der Baumaßnahme sei, wie sich aus dem Umleitungsplan in Anlage zur verkehrsrechtlichen Anordnung ergeben würde, ein Durchfahrverbot angeordnet und die Umleitung, die mit dem fraglichen Verkehrsschild angekündigt wurde, war Bestandteil des Umleitungsplanes. 

Die Beklagte habe auch nicht über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum verfügt. Vor dem Autohaus, vor dem das Fahrzeug stand, sei nach dem Plan eine Umleitungsankündigung (Zeichen 475.1.) anzubringen gewesen. Die Verpflichtung, ein Schild vor dem Autohaus anzubringen, ließe der Beklagten keinen relevanten Entscheidungsspielraum aus; dieser sei nicht relevant, wenn die Stelle des Aufstellens vor dem Autohaus ausgewählt werden könne. 

BGH, Urteil vom 11.01.2024 - III ZR 15/23 -

Dienstag, 24. Oktober 2023

Videoaufzeichnung in WEG-Anlage und individueller Abwehranspruch

Die Klägerin als Wohnungseigentümerin begehrte den beklagten Wohnungseigentümern die Unterlassung der Aufstellung von Kameras, mit denen der Hausflur vor ihrer Wohnung aufgenommen werde. Die Parteien verglichen sich und erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Amtsgericht erlegte der Klägerin die Kosten auf. Die dagegen von der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde hatte teilweise Erfolg und führte zur Kostenaufhebung der gegenseitigen Kosten.

Das Landgericht stellte unter Verweis auf den Beschluss vom 28.10.2008 - VIII ZB 28/08 - darauf ab, dass im Rahmen der hier nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung nicht in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen dieser Kostenfolge keine bedeutsamen Rechtsfragen entschieden werden müssten. Vorliegend sei die Sach- und Rechtlage keinesfalls als geklärt anzusehen, weshalb eine Kostenaufhebung sachgerecht sei.

Das Amtsgericht hatte die Klage als unzulässig angesehen. Dem wollte das Landgericht nicht ohne weiteres folgen und verwies darauf, dass zwar nach dem reformierten Wohnungseigentumsgesetz (zum 01.12.2020) Wohnungseigentümer Abwehransprüche nach § 1004 BGB bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr selbst geltend machen könnten und der Abwehranspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bei der Gemeinschaft liege (BGH, Urteil vom 28.01.2022 - V ZR 106/21 -).

Nach Auffassung des Landgerichts sei es der Klägerin hier aber nicht um derartige Ansprüche gegangen. Sie wolle vielmehr die Unterlassung von Videoaufzeichnungen vom Eingangsbereich ihrer Wohnung bzw. Beseitigung eines entsprechenden Überwachungsdrucks. Im Kern verlange sie das Unterlassen von Aufnahmen von ihr beim Betreten/Verlassen der Wohnung. Solche Ansprüche würden sich aus § 823 BGB iVm. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus der DSGV ergeben und es würde sich nicht um Ansprüche handeln, die nach § 9a Abs. 2 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen worden seien. Die Ansprüche würden sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben und hätten ihre Rechtsgrundlage auch nicht in dem Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es handele sich um Individualansprüche der jeweils Beeinträchtigten (hier der Klägerin); deren Eigenschaft (auch) als Wohnungseigentümer führe nicht dazu, dass die GdWE an deren Stelle den Anspruch geltend machen müsse. Es handele sich auch nicht um eine mittelbare Folge einer primären Störung des Gemeinschaftseigentums (BGH, Urteil vom 28.01.2022 - V ZR 106/21 -). Der auf Abwehr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts gerichtete Anspruch sie ein individueller Anspruch. Betroffen sei nicht die WE-Anlage insgesamt oder das Sonder- oder Gemeinschaftseigentum.

Offen sei u.a., ob der Unterlassungsanspruch im geltend gemachten Umfang der Klägerin zugestanden habe, zudem hätten die Beklagten die Aufstellung funktionierender Kameras bestritten. Der Rechtsstreit sei daher offen gewesen. 

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.05.2023 - 2-13 T 33/23 -

Dienstag, 26. September 2023

Unebenheiten auf Außenterrasse einer Gaststätte (Verkehrssicherungspflicht)

Streitgegenständlich war ein Sturz des Klägers auf einer in Art eines Biergartens angelegten Außenterrasse eines Gasthauses, bei der der Terrassenbelag aus verschiedenen Natursteinarten gestaltet war, die - ersichtlich - Niveauunterschiede und sonstige Unebenheiten und Vertiefungen hatten. Mit seiner Berufung wandte sich der Kläger erfolglos gegen das klageabweisende Urteil. Das OLG wies den Kläger in dem nachfolgend dargelegten Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO auf die mangelnde Erfolgsaussicht seiner Berufung hin und wies diese sodann mit Beschluss vom 18.07.2023 zurück.

Der Kläger habe bereits die konkrete Ursache des Sturzes nicht vorgetragen, weshalb ein pflichtwidriges verhalten des beklagten zum Belag der Außentertrasse nicht festgestellt werden könne. Bei seiner Angabe, er sei über eine nicht eben verlegte Platte des Natursteinbodens gestolpert, ohne eine örtliche Eingrenzung der Unfallstelle vorzunehmen. Auch die vorgelegten Fotos würden dies nicht ersetzen, da eine Zuordnung nicht vorgenommen worden sei. Auch der Vortrag im Rahmen der Berufung, der Boden weise mindestens 1,6 cm Höhendifferenz in der Stufe auf, würde keinen konkreten Bezug zur Unfallstelle haben. 

Der Kläger habe auch nicht nachweisen können, infolge einer Unebenheit gestürzt zu sein. Im Rahmen einer informatorischen Anhörung  habe der Kläger angegeben, er habe  auf dem Weg zurück von der Toilette seine Freundin angeschaut und sei dann unvermittelt hingefallen. Die Freundin hatte Bilder von dem Weg gemacht aus erklärt, „Da mag er hängengeblieben sein“, um auf Nachfrage zu ergänzen, sie habe nicht sehen können, weshalb der Kläger stürzte. Das genüge nicht um auf einen durch Unebenheit verursachten Sturz zu schließen. 

Aber auch aus allgemeinen Erwägungen sah das OLG hier eine Haftung im Hinblick auf den Gesamtzustand  nicht als gegeben an. 

Auch käme dem Kläger hier kein Beweis des ersten Anscheins zugute. Soweit der Kläger meinen würde, der Anscheinsbeweis sei anzunehmen, wenn sich ein Sturz im Bereich einer gefährliche Stelle ereigne, könne darauf nicht abgestellt werden, da die konkrete Sturzstelle nicht bekannt sei und mithin nicht nachgewiesen sei, dass dort eine gefährliche Stelle gewesen sei. Die Ausführungen des Klägers würden sich lediglich allgemein zur Terrasse verhalten. Das sah das OLG nicht als ausreichend an. Es verwies darauf, dass die Gestaltung der Terrasse in ihrer Gesamtheit nicht als besonders gefahrenträchtig einzuordnen sei. 

Das OLG verwies auf die Rechtsprechung des BGH, derzufolge Vorkehrungen durch den Verkehrssicherungspflichtigen zu treffen seien, der eine Gefahrenlage für Dritte schaffe oder andauern lasse (BH, Urteil 31.10.2006 - VI ZR 223/05 -). Haftungsbegründend würde die Gefahrenquelle erst, sobald sich aus der zu verantwortenden Situation vorausschauend für einen sachkundigen  Urteilenden die naheliegende Gefahr ergäbe, , dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden könnten (BGH, Urteil vom 03.02.2004 - VI ZR 95/03 -). Es seien die Vorkehrungen zu treffen, die nach den konkreten Umständen vorausschauend zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar seien. Der Dritte sei in der Regel nur vor gefahren zu schützen, die er selbst ausgehend von der sich ihm konkret bietenden Situation, bei der zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden könne (s. auch OLG Köln, Urteil vom 23.06.1993 - 2 U 198/92 -). Für die Terrasse bedeute dies, den Boden in einem zum Begehen geeigneten verkehrssicheren Zustand zu halten. 

Hier habe der Beklagte die mit vorhandenen Unebenheiten der Platten verbundene Gefahr weder ausräumen noch davor warnen müssen, da der Umstand bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt rechtzeitig erkennbar gewesen sei. Ein schlechthin gefahrenfreier Zustand habe nicht hergestellt werden müssen. Es sei auf dem ersten Blick sichtbar ein ungleichmäßiges Erscheinungsbild gegeben. Damit habe der Kläger seinen Gang an die Örtlichkeiten anzupassen gehabt. 

Richtig sei zwar, dass der Gastwirt auch damit rechnen müsse, dass seine Gäste sich wegen Genusses alkoholischer Getränke oder sonstiger Umstände unverständig verhalten und in ihrer Gehsicherheit beeinträchtigt sein könnten (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 10.05.2013 - 1 U 54/12 -). Auf einen solchen Zustand habe sich der Kläger aber nicht berufen, wobei ferner ein Vortrag des Klägers fehle, dass selbst bei verminderter Aufmerksamkeit ein gefahrloses betreten nicht möglich gewesen wäre. Nicht entgegen getreten sei der Kläger zudem den Angaben des Beklagten, dass es vor dem Sturz des Klägers weder für Gäste noch Personal Schwierigkeiten beim Begehen der Terrasse gegeben habe. Und der Kläger habe zudem angegeben, er habe auf seinem Weg seine Freundin angesehen, also den Blick des erkennbar nicht gleichmäßig ebenen Zustandes des Belages nicht auf diesen gerichtet. 

Bei Verletzung einer Schutznorm, die einen Schaden wie hier verhindern solle, würde zwar ein Anscheinsbeweis für Kausalität und Verschulden sprechen. Doch habe der Kläger keine Schutznorm benannt (er habe sich nur auf Normen für den Innenbereich berufen) und es sei eine solche auch nicht ersichtlich. 

OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 18.07.2023 - 17 U 33/23 -

Mittwoch, 18. Januar 2023

Holzpolter und die Verwirklichung der Verkehrssicherungspflicht

Einleitend führte das OLG in seinem Hinweisbeschluss aus, dass, wenn Holzstämme entlang von Waldwegen gelagert würden, besondere Verkehrssicherungspflichten für die Eigentümer bzw. des den Wald Bewirtschaftenden bestehen würden. Danach aber verwies es allerdings darauf, dass der Mensch die Natur so hinzunehmen habe, wie er sie vorfinde, um allerdings zu verdeutlichen, dass vor natürlichen gefahren nicht gewarnt werden müsse (abbrechende Äste pp.). Bei künstlichen Anlagen (wie Brücken/Stege) und Holzlagern und Verrichtungen im Wald (so insbes. Fällarbeiten) könnten Gefahren bestehen, die möglicherweise über die natürlichen Gefahren hinausgehen könnten und denen der Eigentümer / Bewirtschafter aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht heraus vorbeugen müsse (BGH; Urteil vom 02.10.2012 - VI ZR 311/11 -).  

Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht leite sich aus dem in § 823 Abs. 1 BGB verankerten Verbot, andere in ihren absoluten Rechtsgütern zu schädigen, ab. Dabei müsse nicht jeder abstrakten Gefahr begegnet werden und eine absolute Sicherheit könne und müsse nicht gewährleistet werden. Vielmehr müsse bei sachkundiger Betrachtung die Möglichkeit naheliegen, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten. In diesen Fällen seien Vorkehrungen zur Sicherung zu treffen, und zwar in vernünftigen Grenzen im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren (BGH, Urteil vom 20.09.1994 - VI ZR 162/93 -). Es müsse der Grad an Sicherheit erreicht sein, der der im entsprechenden Bereich herrschenden Verkehrsauffassung genügt (BGH, Urteil vom 03.06.2008 - VI ZR 223/07 -).

Dass - wie hier - geerntetes Holz bis zur Abholung seitlich der Waldwege gelagert würde, sei üblich und zulässig. Das Holz dürfe nicht auf der Verkehrsfläche gelagert werden und nicht in diese hineinragen, wenn die ein gefahrloses Passieren bei ausreichend verbliebener Wegbreite behindere (§ 4 LWaldG RLP). Auch müsse ein Abrollen oder Verrutschen der Stämme ausgeschlossen sein. Der Lagerort müsse die entsprechenden Sicherheiten bieten. Besondere Sicherungen seien grundsätzlich nur angezeigt, wenn der Holzlagerplatz aus besonderen Gegebenheiten heraus besondere Gefahren für solche Benutzer des Weges bieten, bei denen nicht damit gerechnet werden könne, dass sie diese Gefahren kennen würden. In einem solchen Fall könne es angezeigt sein, den Holpolter auch gegen das Besteigen durch Personen abzusichern, namentlich wenn der Holzpolter in der Nähe von Spiel-, Grillplätzen oder Waldkindergärten errichtet würde, da eine Absicherung für die Kinder geboten sei (so eine wirksame Absperrung um den Polter herum oder Sperrung der Waldwege zum Polter hin). „Möglicherweise“ würde dies auch dort gelten, wo im Wald mit Kindern, nicht in Begleitung von Erwachsenen zu rechnen sei, da bei diesen die Kenntnis von gefahren und eine Einsicht in den Selbstschutz häufig nicht vorhanden sei.

Ansonsten sei aber eine besondere Absicherung nur gegen ein selbständiges Abrutschen oder Abrollen der Stämme erforderlich (a.A. LG Bonn, Urteil vom 18.07.2014 - 4 O 102/13 -). Es sei allgemein bekannt, dass von aufgestapelten Holzstämmen bei deren Besteigen besondere Gefahren ausgehen würden, dieses also dabei ab-/wegrutschen und der Waldbesucher sich dabei erheblich verletzen könne. Allerdings sei es zum Zwecke des Abtransports notwendig, diese Stämme am Waldweg zu lagern, und dürfe der Verkehrssicherungspflichtige - von den obigen Ausnahmen abgesehen -regelmäßig darauf vertrauen, dass sich der Waldbenutzer umsichtig und vorsichtig verhalte.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.08.2022 - 1 U 258/21 -

Donnerstag, 10. November 2022

Verkehrssicherungspflicht für einen untergeordneten Weg auf einem Grundstück

Nach der Behauptung der Antragstellerin (AS) stürzte sie auf einem Steinweg, der parallel zu der angrenzenden und von der AS angemieteten Garage entlang des Hauses der Antragsgegnerin (AG) verläuft und über eine offene Tür von der Garage aus erreichbar ist. Es sei (bei fehlender Beleuchtung) dunkel gewesen, die Bodenfliesen des Weges seien nass gewesen. Durch den Sturz habe sie sich diverse Frakturen zugezogen. Für eine beabsichtigte Klage auf materiellen und immateriellen Schadensersatz beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die vom Landgericht wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage versagt wurde. Die dagegen von der AS eingelegte Beschwerde wies das OLG zurück.

Das Landgericht habe zutreffend eine einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende Verkehrssicherungspflichtverletzung (§§ 823 Abs. 1 u. 2, 253, 249 BGB, 229 StGB) der AG verneint, da diese nicht verpflichtet gewesen sei, diesen Weg gegen Sturzgefahren abzusichern. Zwar träfe die AG grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf ihr Grundstück und das darauf stehende Gebäude und sie müssen auch damit rechnen, dass Fußgänger diesen Weg nutzen. Derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, sei verpflichtet, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 06.02.2007 - VI ZR 274/05 -).

Allerdings könne nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden; dies sei im praktischen Leben nicht erreichbar. Erforderlich sei, dass eine sachkundige Beurteilung die naheliegende Möglichkeit ergäbe, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten.  Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei genüge getan, wenn diejenigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden, die ein verständiger, umsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar seien (BGH aaO.). Käme es ausnahmeweise doch zu einen Schaden in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, da zwar eine Gefährdung anderer nicht völlig ausgeschlossen seien, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten seien, so müsse dies der Geschädigte selbst tragen (BGH aaO.; Anm.: Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos).

Danach habe es sich hier nicht um eine der Abhilfe bedürftige Gefahrenstelle gehandelt. Die Sicherung der hier betroffenen Zuwegung zur Terrasse müsse nicht gegen alle erdenklichen von dem Weg ausgehenden Gefahren erfolgen. Sie greife nur insoweit, als die Gefahr für einen Nutzer, der selbst die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sei, mit der er nicht rechnen müsse und auf die er sich nicht hätte einrichten können. Der Nutzer des Zuweges müsse grundsätzlich den Zustand hinnehmen, in dem sich der Zuweg erkennbar befände und sich den gegebenen Umständen anpassen (BGH, Urteil vom 13.07.1989 - III ZR 122/99 -). Sei der Nutzer bei gebotener Sorgfalt befähigt, selbst Schäden abzuwenden, bestünden für die AG keine weitergehenden Pflichten. Bei unübersichtlichen Situationen sei vom Nutzer eine erhöhte Aufmerksamkeit zu verlangen  (BGH, Urteil vom 13.07.1989 aaO.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.09.2008 - 4 U 114/08 -).  

Die AS habe hier erstmals bei Dunkelheit einen für sie erkennbar nicht als eigentlichen Zugangsweg zu dem Wohnhaus der AG führenden Weg genutzt, um so über die Terrasse in due Wohnung der AG zu gelangen. Dass dieser Weg auch von Pflegekräften und Angehörigen der AG verwandt würde, ändere daran nichts, da er damit nicht zum eigentlichen Zuweg zum Wohnhaus der AG würde; die Nutzung erfolge nur durch einen begrenzten und lebensnah zu unterstellenden mit den Umständen vertrauten Personenkreis. Eine Notwendigkeit, diesen Weg zu nutzen, habe nicht bestanden, auch wenn andere Pflegekräfte diesen nutzten und der AS  Eingang zum Wohnhaus bekannt gewesen sei.

Nur der letzte Teil des Weges sei mit Bodenfliesen versehen gewesen; er sei im Übrigen ebenerdig und in ungeordneter Reihenfolge mit Basaltplatten belegt gewesen, mit einer Stufe abgehoben, die bereits besondere Aufmerksamkeit geboten hatte. Zudem würde die AS selbst schildern, dass der Weg mit Ästen, Blättern und Moos bedeckt und regennass gewesen sei. Diese Beschaffenheit habe die AS erkannt, was für den Senat feststünde, wie sich auch aus der Tatsache ergäbe, dass der Weg von Bäumen/Büschen und regennass gewesen sei.

Bei objektiver Wertung müsse davon ausgegangen werden, dass die AG unterstellen konnte, dass einem sorgsamen und die konkreten Gegebenheiten des Weges in Betracht ziehenden Nutzer die Beschaffenheit des Weges erkennbar war und er daher bei der Nutzung seine Sorgfaltspflichten daran orientiere. Die AS selbst behaupte selbst nicht, dass sie sich in der Dunkelheit und eingedenk der Unübersichtlichkeit der Bodenbeschaffenheit mit angepasster, besonderer Sorgfalt bewegt habe.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.09.2022 - 17 W 17/22 -

Mittwoch, 26. Oktober 2022

Abwehr nicht erwünschter Werbe-Mails

Der Kläger hatte gegenüber der Beklagten mit Mail vom 16.12.2021 einer Nutzung seiner personenbezogenen Daten widersprochen, erhielt aber gleichwohl am 09.01.2022 eine Mail von der beklagten, mit der diese für ein Mediathek-Abonnement warb. Weitere entsprechende Mails erfolgten trotz Abmahnung vom 16.01.2022 am 16.01. und 23.01.2022.

Der Kläger erhob Klage und beantragte Unterlassung der Kontaktaufnahme per Mail durch den Kläger zu Werbezwecken, ohne zuvor erteilter Erlaubnis, gegen Strafandrohung. Die Beklagte verteidigte sich u.a. damit, der Kläger könne ganz einfach eine Einwilligung auf der Webseite der Beklagten in dem „Kundenveraltungssystem“ entziehen könne.

Das Amtsgericht gab der auf Unterlassung gerichteten Klage gem. §§ 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB statt. Es läge ein rechtswidriger Eingriff der Beklagten in die Persönlichkeitssphäre des Klägers vor, welches als allgemeines Persönlichkeitsrecht den Bereich privater Lebensgestaltung geschützt würde (BGH, Urteil vom 19.12.1995 - VI ZR 15/95 -; BVerfGE 44, 197, 203).  Damit bestünde ein Recht des Einzelnen, frei darüber zu entscheiden, mit welchen Personen in welchem Umfang Kontakt aufgenommen werden soll.  Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze daher vor Belästigungen durch eine unerwünschte Kontaktaufnahme. Allerdings könne nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorliegen, wenn die - als solche nicht ehrverletzende - Kontaktaufnahme gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolge; die Einschränkung erfolge, da ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (BGH, Urteil vom 15.12.2015 - VI ZR 134/15 -).

Die Versendung der Werbung mittels E-Mail an den Kläger nach dessen Widerspruch sei nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG unzulässig. Der Verweis auf das „Kundenverwaltungssystem“, indem der Kläger selbst die Einstellung vornehmen können, dass er nicht kontaktiert würde, rechtfertige nicht die untersagte Zusendung. Der Widerspruch gegen die elektronisch versandte Werbung sei an keine Form gebunden, weshalb dieses System vom Kläger nicht genutzt werden musste; es sei Sache der Beklagten ihre Kundendaten zu verwalten und dies könne nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Klägers sei auch rechtswidrig gewesen. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei durch das fortgesetzte Verhalten nach Ausspruch des Widerspruchs indiziert.

Der Antrag sei auch nicht zu weit gefasst, da er insbesondere enthalte, dass eine Einwilligung durch den Kläger möglich sei.

AG München, Urteil vom 05.08.2022 - 142 C 1633/22 -

Mittwoch, 16. März 2022

Haftung für Schädigung an Sporthalle bei und trotz regelgerechtem Spiel

Die Klägerin war Betreiberin einer Tennishalle, in der der Beklagte regelmäßig als Freizeitsportler einen Platz mietete. Am 16.10.2018 prallte in Ball gegen eine der Glasscheiben an der neben dem Platz mit einer Entfernung von 2,50 m liegenden Außenwand, die dabei zerbrach. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin wurde dieser vom Oberlandesgericht (OLG) zugesprochen, da nach seiner Ansicht der Ball bei einem regelgerechten Spiel gegen die Scheibe prallte und dies vom Spieler nicht mangels eines Verschuldens nicht zu vertreten sei. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtstreit an das OLG zurück. Die Begründung des OLG, mit der Ansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB bzw. aus § 823 Abs. 1 BGB verneint wurden, halte einer Prüfung nicht stand.

Der BGH geht von einem gewerblichen Mietverhältnis aus, bei dem der Vermieter Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache auch nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend machen könne (BGH, Urteil vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17 -). Bei der Pflicht, den Mietgegenstand in einem vertragsgemäßen Gebrauch iSv. § 538 BGB zu halten, und danach aus der aus der Besitzüberlassung folgenden Obhutspflicht den Mietgegenstand schonend und pfleglich zu behandeln und alles zu unterlassen, was zu einer durch § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen würde, handele es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB aus dem Mietverhältnis.  

Veränderungen und Verschlechterungen (einschl. Beschädigungen), die der Mieter durch vertragsgemäßen Gebrauch verursache, habe er aber nach § 538 BGB nicht zu vertreten.  Der Umfang des vertragsgemäßen Gebrauch ergäbe sich aus der Vereinbarung und dem Vertragszweck. Vertragsgemäß seien ausschließlich solche Auswirkungen, die auf dem üblichen Gebrauch im Rahmen des Vertragszwecks beruhen würden. Daher könne eine Beschädigung der Mietsache nur dann vom vertragsgemäßen Gebrauch umfasst sein, als sie vom Vertragszweck umfasst würde. Dass hier die Beschädigung der Glasscheibe vom vertragsgemäßen Gebrauch umfasst worden sei, ließe sich nicht erkennen. Der Vertragszweck umfasse die räumlichen Grenzen des für die Sportausübung verfügbaren Raums und damit nicht den Bereich der Glasscheibe an einer Außenwand neben dem Platz.

Fehlerhaft habe das OLG darauf abgestellt, es habe dem Beklagten an einem Verschulden gefehlt. Für ein Vertretenmüssen könne nicht alleine (wie es das OLG vornahm) darauf abgestellt werden, ob die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) eingehalten wurden. Diese Wettkampfregeln seien beachtlich für Ansprüche bei Verletzungen von Spielen untereinander. Anders als das OLG meinte, können die entsprechenden Erwägungen hier nicht übertragen werden, da die Interessenslage zwischen Mieter und Vermieter nicht der Interessenslage zwischen den Teilnehmern eines sportlichen Wettkampfes entspräche. Vielmehr würde sich bei der Beschädigung der Mietsache keine Gefahr verwirklichen, die Vermieter und Mieter unter gleichen Bedingungen (ähnlich den am Wettkampf beteiligten Sportlern) gemeinsam in Kauf genommen hätten. Die Abgrenzung erfolge zwischen Mieter und Vermieter gerade über § 538 BGB.

Vor diesem Hintergrund schloss der BGH (anders als das LG) auch eine Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB nicht aus. Es sei anerkannt, dass bei Sachbeschädigungen, jedenfalls soweit sie nicht unmittelbar Leistungsgegenstand seien, vertragliche und deliktische Ansprüche nebeneinander bestehen.

Für das weitere Verfahren gab der BGH dem OLG auf, ein Mitverschulden der Klägerin als Vermieterin zu prüfen., welches sich daraus ergeben könnte, dass die Seitenlinie des Platzes von der Außenwand nur 2,50 m entfernt gewesen sei und (nach der Behauptung des Beklagten) dass die Glasscheibe als Fensterverglasung für eine Tennishalle nicht zulässig sei.

BGH, Urteil vom 02.02.2022 - XII ZR 46/21 -

Dienstag, 11. Mai 2021

Rückstauschaden durch Mangel der Kanalisation und (verneinte) Amtshaftung

Deliktische Ansprüche gegen den öffentlich-rechtlichen Wasserwirtschaftsverband gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB iVm Art 34 S. 1 GG scheitern nach Auffassung des BGH auch denn, wenn bei umbaubedingter Verjüngung der Abwasserleitung infolge einer objektiven und vorwerfbaren Pflichtverletzung des Verbandes zu einem Rückstauschaden bei einem Anlieger kommt. Auch die Haftung des beauftragten Tiefbauunternehmers scheide in diesem Fall aus. Der Schaden läge außerhalb des Schutzbereichs der im Zusammenhang mit der Durchführung der Bauarbeiten möglicherweise verletzten Pflichten. Der betroffene Anlieger habe  nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen dürfen, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die durch übliche, vom Anlieger selbst vorzunehmende Sicherungsvorrichtungen hätten verhindert werden können.

Der Schutzzweck der verletzten Amtspflicht diene der inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Amtshaftung. Deshalb sei eine Pflichtverletzung als solche noch nicht geeignet, einen Ersatzanspruch zu begründen, da noch hinzukommen müsse, dass das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt sein soll.

Unabhängig davon, ob ein Kanalnetz zum Schadenszeitpunkt unterdimensioniert sei, bestünde zur Vermeidung von Rückstauschäden die Besonderheit, dass der Grundstückeigentümer selbst verpflichtet sei, geeignete Vorkehrungen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene (also die Straßenoberkante) zu treffen. Zur Begründung verwies der BGH darauf, dass es selbst ordnungsgemäß geplanten und ausgeführten Kanalsystemen immer wieder (so aufgrund selten auftretender heftiger Regenfälle) zu einem Rückstau käme und der Anlieger deshalb damit rechnen müsse, dass zeitweise auf seine Leitungen ein Druck einwirken könne, der bis zur Straßenoberkante reiche. Der Anlieger dürfe nicht darauf vertrauen, dass er vor Rückstauschäden bewahrt würde, die bei normalen, durch die üblichen Sicherungsvorkehrungen auszugleichenden Druckverhältnisse entstehen würden.

Es käme auch nicht darauf an, ob der Rückstau durch dauerhafte Unterdimensionierung (so durch fehlerhafte Planung) der Kanalisation oder durch zeitlich begrenzte Arbeiten (evtl. dort bei einer ungenügenden Absicherung einer provisorischen Wasserableitung) an dem Kanalsystem verursacht würde. Es sei ein Wertungswiderspruch bei dauerhaft auswirkender Falschplanung das Fehlen einer anschlussseitigen Sicherung vom Schutzzweck der Pflicht zur ausreichenden Dimensionierung der Kanalisation auszunehmen, dies aber bei einer vorrübergehenden Maßnahme zu verneinen.

Einschränkend führte der BGH aus, dass jedenfalls dann, wenn die einschlägige Satzung eine Verpflichtung zur Rückstausicherung versehe, der Träger des Kanalnetzes (und auch der beauftragte Tiefbauunternehmer) darauf vertrauen dürfe, dass sich der Anlieger vor einem in verschiedenen Konstellationen möglichen Rückstau sichert. Im zu entscheidenen Fall sah dies die kommunale Satzung vor, indem diese den Anlieger verpflichtete Ablaufstellen unterhalt der Rückstauebene durch Rückstausicherungen einzubauen und dies auch zum Zeitpunkt des Baus des Hauses des Klägers  bereits geregelt war. Mit dieser Satzungsnorm soll der Anlieger vor Schädigungen durch Rückstau bewahrt werden. Sowohl der Wasserwirtschaftsverband als auch der Tiefbauunternehmer hätten darauf vertrauen dürfen, dass die notwendige Rückstausicherung eingebaut sei und funktioniere.

Es gäbe auch keine kostenmäßige Begrenzung für die vom Anlieger vorzunehmende Sicherung. Vielmehr läge die konkrete Entwässerungssituation ebenso wie die Auswahl der Rückstausicherung in der Risikosphäre des Anliegers.

BGH, Urteil vom 19.11.2020 - III ZR 134/19 -

Mittwoch, 7. April 2021

Verkehrssicherungspflicht: Bekannte mögliche Stolperfallen auf belebten Plätzen durch sich lösende Klebebänder am Boden

Die Beklagte war Eigentümerin eines Bereichs vor dem Bahnhof. Auf der Pflasterung waren gelbe Markierungsbänder angebracht, die für die Dauer eines Marktes einen Sicherheitsbereich des Bahnhofs kennzeichnen sollten; die Anbringung erfolgte durch die Markverwaltung der Beklagten in Abstimmung mit Sicherheitsbehörden. Die Streifen wurden im Auftrag der Beklagten durch die Streitverkündeten angebracht.  Der Kläger rutschte auf dem Klebestoffrest eines (gelösten) Markierungsstreifen bzw. auf einem solchen Streifen aus. Verfing sich mit einem Fuß in der Schlinge des abgelösten Markierungsbandes und stolperte, wobei er sich Verletzungen zuzog, für die er von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzfähigkeit zukünftiger Schäden begehrte.

Neben prozessualen Fragen, die die Anträge und das angefochtene erstinstanzliche Urteil dem Berufungsgericht aufgaben, ging es in der Sache um die Haftung der Beklagten dem Grunde nach.

Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte sah das Berufungsgericht als verwirklicht an, da sich auf ihrer dem Verkehr freigegebenen Fläche vor dem Eingang des Bahnhofs auf dem Bodenpflaster die (sich teilweise abgelösten) Markierungsklebestreifen befanden und dies eine Sturzgefahr begründet habe.  Die Feststellung des Landgerichts zu den abgelösten Streifen sei auch von der Beklagten im Rahmen der Berufung nicht angegriffen worden und deshalb zugrunde zu legen.

Nicht entscheidungserheblich sei die Behauptung der Beklagten, sie habe die Auswahl der Markierungsstreifen auf die Streitverkündete übertragen. Selbst in diesem Fall würde die fortlaufende Pflicht zur Überwachung der auf der Verkehrsfläche angebrachten Markierung bei ihr verbleiben. Dem Verschuldensvorwurf könne die Beklagte nicht dadurch entgehen, dass von ihr täglich wiederholte Kontrollen der Klebestreifendurchgeführt würden. Nach der Neuverklebung am Vortag habe bis zum Schadensfall um 7.30 Uhr keine Kontrolle stattgefunden. Da unstreitig bekannt gewesen sei, dass sich Streifen lösen konnten, dies auch zuvor erfolgt sei, würden solche evtl. auch mehrmals täglich erfolgende Kontrollen nicht ausreichend sein. Das Ablösen sei auf der bekannten Grundlage jederzeit möglich und könnte damit unmittelbar zu einer Gefahr führen. Das Berufungsgericht unterschied hier zwischen einer sich über längere Zeit aufbauende Gefahr (wie Laubfall oder unachtsam von Passanten hingeworfener Unrat) und einer akut bekannte  Gefahrenlage wie hier bei den sich plötzlich ablösenden Streifen: Bei der bekannten Gefahrensituation durch die Markierungsstreifen habe die Beklagte mit einer lediglich periodischen Überwachung ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügen können, da so ein auf dieser hoch frequentierten Verkehrsfläche erforderlicher ständiger Schutz gegenüber der bekannten und stets möglichen Gefahr nicht sicherzustellen gewesen sei.

Für ein Mitverschulden des Klägers sei nichts ersichtlich. Dass ihm die Gefahrenlage und das Ablösen der Bänder bekannt gewesen oder erkennbar gewesen sei, ließe sich nicht feststellen. Das Vorhandensein der Markierungsklebebänder stelle sich nicht als Warnung vor diesen selbst dar.

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 11.03.2020 - 1 U 56/19 -

Samstag, 6. Februar 2021

Obligatorische Angabe „Herr“ oder „Frau“ im Internetbestellformular rechtfertigt Unterlassungsbegehren

 

Die Entscheidung ist schon deshalb interessant, da nicht von dem Kläger oder der Klägerin und auch nicht von der Beklagten oder dem Beklagten gesprochen wird, sondern von der beklagten Person bzw. der klagenden Person. Die geschlechtsneutrale Formulierung hängt mit dem Sachverhalt und dem Begehren der „klagenden Person“ zusammen. Diese wollte via Internet bei der Beklagten Person etwas kaufen und musste dort bei dem Bestellvorgang expressis verbis zwischen den Anredeformen „Herr“ und „Frau“ wählen. Gleiches war der Fall bei der Registrierung; ohne die entsprechende Angabe wurde weder der Bestellvorgang noch die Registrierung fortgesetzt. Daraufhin begehrte sich zum Einen Unterlassung und zum Anderen eine Geldentschädigung in Höhe von € 5.000,00. Während der Anspruch auf Geldentschädigung abgewiesen wurde, war der Unterlassungsantrag erfolgreich.

Das Landgericht (LG) negierte einen Verstoß gegen § 21 AGG (Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes [AGG]). Eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, 2 AGG liege wegen eines fehlenden Bezuges zur vertraglichen Leistung nicht vor. Von daher scheide auch eine Geldentschädigung auf der Grundlage von § 21 Abs. 2 S. 2 AGG aus.

Der Unterlassungsanspruch sei aber nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB begründet. Zu den geschützten Rechtspositionen würde nach § 823 Abs. 1 BGB auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gehören. Dieses würde auch die geschlechtliche Identität umfassen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 - 1 BvR 2019/17 -). Die Anreden „Herr“ und „Frau“ würden jeweils dem männlichen bzw. weiblichen Geschlecht zugeschrieben. Wenn wie hier die klagende Person gezwungen würde, eine dieser Anreden zu wählen, was aber nicht der Identität der klagenden Person entspräche. Die beklagte Person habe darauf auch keinen Anspruch, da dies für die von ihr zu erbringenden Dienstleistungen (wie sie selbst einräumte) völlig irrelevant sei. Eine individuelle Entscheidung eines Menschen zu seiner Geschlechtsidentität sei zu respektieren (BVerfG, Beschluss vom 15.08.1996 - 2 BvR 1833/95 -). Die Geschlechtsidentität würde auch über die Anrede zum Ausdruck kommen. Wenn eine Änderung des Namens nach dem Transsexuellengesetz bereits geändert wurde, sei dies zu berücksichtigen. Allerdings ei dies nicht nur auf diesen Fall begrenzt. Die Anrede sei nach dem Selbstverständnis der betroffenen Person zu ihrer selbstempfundenen Geschlechtszugehörigkeit auszurichten. Die Entscheidung des BGH vom13.03.2018 - VI ZR 143/17 - würde dem nicht entgegenstehen, da sich dort der BGH auf Vordrucke und Formulare beschränkte und festhielt, dass kein Anspruch bestünde, dort mit den generischen Maskulinum angesprochen zu werden; hier würde es um die Anrede einer bestimmten Person in konkret an diese gerichtete Erklärungen gehen. Der Umstand, dass es noch keine Anredeform für Personen aus dem heterogenen Kreis der Personen nicht nicht-binärer Geschlechtsidentität gäbe, sei nicht entscheidend.

Allerdings würde sich aus § 823 BGB kein Anspruch auf Entschädigung ableiten lassen. Eine Geldentschädigung könne nur verlangt werden, wenn die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen schwerwiegenden Eingriff bedeuten würde und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden könne. Auch wenn hier bei der Rechnung die Anrede „Herr“ erfolgte, sei zu berücksichtigen, dass dieses Schreiben nur an die klagende Person gerichtet worden sei und der beklagten Person keine Böswilligkeit zur Last gelegt werden könne.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.12.2020 - 2-13 O 131/20 -

Freitag, 20. November 2020

Haftung der Gemeinde wegen Verletzung von Unterhaltungspflichten an Gewässern (Löschteich)

 

In der Nähe des Hauses des Klägers befand sich ein Teich, der als Löschwasserentnahmestelle diente und von der beklagten Gemeinde betrieben wurde. Eine Straßenflächen wurde in den Teich entwässert. Der Teich wurde vor c. 20 Jahren bei Bauarbeiten beschädigt. Als es im Sommer 2014 zu starken Regefällen kam, lief Wasser in den Keller des Hauses des Klägers und führte dort zu Schäden.

Das Landgericht hatte der Klage in einem Grundurteil stattgegeben und die Haftung der Beklagten aus einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG hergeleitet. Dem folgte das OLG nicht. Unabhängig davon, ob die beklagte bei dem betrieb des Löschwasserteichs eine Amtspflicht verletzt habe, hätten sie jedenfalls keine drittschützende Amtspflicht gehabt; die öffentliche-rechtliche Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung sei gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen. Die Nicht- oder Schlechterfüllung bei der Gewässerunterhaltung  führe daher nicht zur Haftung aus einer Amtspflichtverletzung.

Allerdings sei eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB gegeben. Bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Gewässerunterhaltungspflicht greife die Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht (BGHZ 125, 186ff). Eine eventuell konkurrierende Haftung der Gewässeraufsicht würde diese hier (anders als im Falle des § 839 BGB) nicht verdrängen. Der beklagten unterlag die Gewässerunterhaltung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LWG SH als Eigentümerin des Gewässers.

Mit dem Teich habe die Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen. Es gab zwar einen Zulauf über die Straßenentwässerung, aber keinen funktionierenden Ablauf, wodurch die Gefahrenlage geschaffen worden sei, dass der Teich überläuft und weiteres auf der Straße nachlaufendes Wasser zurückstaue. Die Kontrolle und Reparatur des beschädigten Ablaufrohrs (welches in früheren Jahren bei Bauarbeiten beschädigt wurde) sei der Beklagten zumutbar gewesen.

Die Haftung der Beklagten entfalle auch nicht deswegen, da es sich bei dem regen um ein katastrophales Ereignis gehandelt habe, für welches keine Vorsorge hätte getroffen werden müssen. Zwar hafte die Gemeinde dann nicht, wenn es sich um Schäden handelt, die durch höhere Gewalt verursacht würden, also nicht aufgrund von Fehlern beim Betrieb oder der Errichtung eines Gewässers auftreten, sondern durch nicht zu erwartende katastrophale Regenfälle. Die Berufung der Gemeinde darauf hätte aber zur Voraussetzung, dass diese alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbaren Aufwand möglichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen hätte, um eine Überschwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder sich der Schaden auch bei diesen Maßnahmen ereignet hätte. Allerdings hätte hier ein funktionierender Ablauf den Schaden verhindert.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 02.07.2020 - 11 U 191/19 -

Mittwoch, 9. September 2020

Die verflixten Stufen zum Hochaltar und die Verkehrssicherungspflicht


Die 65-jährige Klägerin war zur Taufe ihres Enkelsohnes in der (katholischen) Kirche. Der Hochaltar war über vier Treppenstufen (dahinter, über eine weitere Treppenstufe erreichbar, das Taufbecken) erreichbar, wobei Bodenfläche und Treppenstufen farblich identisch sind und die Stufen unbeleuchtet waren. Die Klägerin, die unter einem zerebralen Aneurysma der Arteria Carotis intera litt, will ihrer Behauptung zufolge beim Rückweg vom Hochaltar gestürzt sein, die sie die Stufe nicht wahrgenommen habe. Bei dem Sturz habe sie sich beide Handgelenke und die rechte Schulter gebrochen. Das Landgericht wies ihre Klage ab. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil wurde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des OLG scheidet mangels einer Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte als Eigentümerin der Kirche ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB der Klägerin aus. Zwar müsse jeder, der Gefahrenquellen schaffen die notwendigen Vorkehrungen zu Schutz Dritter treffen, doch gäbe es keine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließe. Die zu treffende Vorsorge beträfe daher Gefahrenquellen, mit denen der übliche Verkehr nicht rechnen müsse und auf die er sich  auch nicht ohne weiteres selbst einstellen könne.

Die Erwartungshaltung bei erkennbar älteren Gebäuden sah das OLG als niedriger an gegenüber neuen Gebäuden, auch wenn dies nicht dringende Sicherheitsbedürfnisse (wie z.B. standfeste Treppen und ausreichende Trittbreite in alten Gebäuden) ausschließe. Darüber hinaus würden Art und Ausmaß der Verkehrssicherungspflichten in Kirchen von den religiösen Besonderheiten mitgeprägt. Dies zugrunde legend würden weder die fehlende Markierung noch eine fehlende Beleuchtung der Treppenstufen einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht in der Kirche darstellen.

Beim Betreten des Altarraumes könne sich der Besucher auf die vorhandenen baulichen Ausführungen einstellen. Hier ging die Klägerin auch ohne Sturz die Stufen zum Taufbecken hoch. Da die Treppenanlage für sie erkennbar gewesen sei, habe ein überraschendes Auftreten einer Gefahrenquelle nicht vorgelegen. Standsicherheit und Trittbreite seien von der Klägerin auch nicht gerügt worden.

Das Landgericht habe hier auch die religiöse Besonderheit hervorgehoben, wonach sich Besucher von katholischen Kirchen im Wesentlichen auf das Kirchenschiff konzentrieren würden, das Betreten des Altarraumes die Ausnahme für besondere Zeremonien (wie hier Taufe) darstelle. Wer den Bereich des Hochaltars betrete, dem könne die Abstufung nicht entgehen.

Aber auch bei Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung wäre der Klägerin ein Anspruch zu versagen. Das Eigenverschulden der Klägerin würde diesen verdrängen, § 254 Abs. 1 BGB. Dieses käme bei einem Schaden aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht immer dann in Betracht, wenn für einen sorgfältigen Menschen Anhaltspunkte für eine solche Verkehrssicherungspflicht erkennbar gewesen wären und damit die Möglichkeit gehabt habe, sich auf diese Gefahr einzustellen. Da die Klägerin nach ihrem Vortrag auf dem Rückweg gestolpert sein will, hatte sie Kenntnis von den Stufen und hätte sich auf diese einstellen können. Dieses Unterlassen stelle sich als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar, durch die eine mögliche Pflichtverletzung der Beklagten zur Kenntlichmachung der Treppenstufen zurückgedrängt würde.

OLG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2020 - 2 U 83/20 -

Freitag, 15. November 2019

Waschstraße: Aufschieben des automatisch beförderten Fahrzeugs und Haftung nach § 7 StVG


Der Beklagte zu 1. nutzte mit seinem PKW eine Waschstraße. Das Fahrzeug befand sich auf dem Förderband, mithin im automatischen Transportvorgang der Waschstraße. Der Motor des Fahrzeuges wurde erst nach Eintritt des Schadens gestartet. Zu dem Schaden kam es dadurch, dass sich die Mitnehmerrolle unter dem PKW des Beklagten zu 1. hindurchzog (was nach Angaben des Sachverständigen auch nicht auf ein Abbremsen zurückzuführen sei) und das nachfolgende Fahrzeug des Klägers aufgeschoben wurde.

Eine Haftung des Beklagten nach § 7 StVG scheide aus, da sich der PKW des Beklagten nicht im Betrieb befunden habe. Ein Fahrzeug sei nicht im Betrieb, wenn die eigenständige Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keinerlei Rolle spiele. Da sich das Fahrzeug auf dem Förderband befand und von diesem Fortbewegt wurde, würden sich die eigentlichen Gefahren des Betriebs eines Fahrzeuges durch Größe, Gewicht und Geschwindigkeit nicht entfalten.

Auch eine Haftung nach § 823 BGB scheide aus. Hier hätte der Kläger eine Verursachung und ein Verschulden des Beklagten zu 1. darzulegen und nachzuweisen. Nach den Angaben des Sachverständigen scheide dies aber aus. Soweit vom Kläger die fehlende  Anhörung des Beklagten zu 1. durch das Landgericht gerügt wurde, könne er damit nicht gehört werden, da sich der Kläger hier zum Beweis einer Behauptung eines bestimmten, zum Unfall führenden Verhaltens des Beklagten dann auf dessen Parteivernehmung hätte beziehen müssen, was nicht erfolgte.

In Ansehung dieser Erwägungen wurde die klägerische Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 03.07.2019 und Beschluss vom 05.08.2019 - 12 U 57/19 -

Montag, 1. Juli 2019

Verkehrssicherungspflicht und Stolperfalle Baumscheibe/-gitter


Die Klägerin stürzte im Bereich eines im Innenhof einer Wohnanlage befindlichen Baumgitters, welches sich deutlich von der umliegenden Pflasterung abhob. On der Mitte des Gitters war jedoch kein Baum; diese war, was nicht erkennbar war, nicht mit Erde ausgefüllt und wies zwischen Gitter und Erde eine Differenz von 10cm auf, weshalb die Klägerin stürzte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das OLG sah eine Haftung dem Grunde nach von 50% als gegeben an.  

Richtig habe allerdings das Landgericht die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für die Begründung einer Verkehrssicherungspflicht und die im öffentlichen Straßenverkehr zu erwartenden Sicherungserwartungen von Fußgängern dargelegt. Allerdings würden diese Sicherungserwartungen grundsätzlich nur für Unebenheiten auf den eigentlichen Laufflächen von Gehwegen mit einheitlicher und durchgehender Pflasterung (OLG Hamm, Urteil vom 15.12.1999 - 11 U 101/00 -).  Die zum Schutz oder zur Bewässerung eines Baumes eine vom Gehwegbelag sich optische deutlich unterscheidbare Baumscheibe eingebracht, diene diese erkennbar nicht als Gehfläche für Fußgänger, auch wenn im Hinblick darauf zwei entgegenkommende Fußgänger nicht aneinander vorbei kommen würden. Damit würde ein Fußgänger, der doch über eine entsprechende Baumscheibe geht und wegen des Niveauunterschieds zwischen Pflasterung und Baumscheibe zu Fall kommt, regelmäßig auf eigene Gefahr handeln (Saarl. OLG, Urteil vom 14.01.2016 - 4 U 49/15 -).

Vorliegend unterscheide sich der Vorgang aber dadurch, dass die Klägerin nicht im Bereich Gehweg / Baumgitter wegen eines dortigen Niveauunterschieds gefallen, sondern wegen eines von ihr nicht mehr zu erwartenden Nieveauunterschieds zwischen dem Metallgitter und dem unverfüllten Erdloch in dessen Mitte, welches sich nach der Entfernung des Baums ausweislich von Lichtbildern den Eindruck einer einheitlich begehbaren Fläche gemacht habe. Die Warnfunktion durch einen Bau, der erkennbar mache, dass der Fußgänger rund um den Baum herum nicht mit einer durchweg sicheren Verkehrsfläche rechnen könne, sei entfallen. Allerdings läge, da der Unterscheid zwischen Gehwegbelag und Baumscheibe deutlich sei, eine Mithaftung der Geschädigten in Höhe von 50% vor, § 254 BGB.

Es erscheint allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb bei einem Sturz bei Betreten der Baumscheibe durch einen Niveauunterschied zum Pflaster, auch wenn ein Baum dort nicht stehen  sollte, eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen nicht bestehen soll, sie aber nach einem gleichwohl erfolgten Betreten der Baumscheibe wegen einer (evtl. nicht erkennbaren)  Vertiefung in der Mitte (Erdloch) wieder aufleben soll und nur noch ein Mitverschulden bestehen soll, welches hier   gerade aus dem Bereich stammt, der im Falle eines Sturzes bei Betreten der Scheibe sogar einen Haftungsausschluss des Verkehrssicherungspflichtigen (in Ansehung der Sichtbarkeit der Scheibe als für eine Begehung durch Fußgänger nicht geeignet) begründe.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2019 - 7 U 128/18 -

Samstag, 22. Juni 2019

WEG: Keine geborene Vergemeinschaftung für Schadensersatz/Beseitigung wegen baulicher Veränderungen (Rechtsprechungsänderung)


Die Beklagte ließ fünf Dachflächenfenster einbauen; ihr nachtäglicher Antrag auf Genehmigung wurde auf einer Eigentümerversammlung der Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) zurückgewiesen. Nunmehr klagten einige Wohnungseigentümer auf Beseitigung dieser Fenster und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Mit Beschluss vom 25.07.2017 (nach Zustellung der Klage) fasste die Eigentümergemeinschaft den Beschluss, dass die Gemeinschaft den Rückbauanspruch der übrigen Eigentümer gegen die Beklagte an sich ziehe; unberührt bleiben sollte ein eventueller Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft wegen des Einbaus. Gegen diesen Beschluss erhob der dortige Kläger Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgab; auf die Berufung hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage ab. Über die (zugelassene) Revision war noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH in dem vorliegenden ursprünglichen Rechtsstreit nicht entschieden.

In dem vorliegenden Rechtstreit hatte das Amtsgericht der Klage auch stattgegeben. Auch hier hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage zurück. Auf die zugelassene Revision der Kläger hob der BGH das Urteil auf verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Das Landgericht hatte eine Prozessführungsbefugnis der Kläger verneint. Zwar handele es sich bei dem Einbau der Fenster um eine optische Änderung des Gesamteindrucks des Gebäudes und stelle daher eine unzulässige Maßnahme nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG dar. Den auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB könne aber nur die teilrechtsfähige WEG geltend machen, was auch für den konkurrierenden Anspruch gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung und Wiederverschließung des Daches gelte. Zwar könnten Wohnungseigentümer selbst Ansprüche nach § 15 Abs. 3 WEG oder § 1004 BGB selbst geltend machen; im Falle einer Anspruchskonkurrenz sei aber eine einheitliche Betrachtungsweise geboten, weshalb zur Verhinderung der Vereitelung eines Anspruchs der WEG die Ansprüche insgesamt durch die WEG geltend gemacht werden müssten.

Dem folgte der BGH nicht. Für das geltend gemachte Recht bestünde keine geborene Ausübungsbefugnis der WEG.

Nur soweit Wiederherstellung begehrt würde, habe der entscheidende Senat des BGH eine geborene Ausübungsbefugnis der WEG angenommen (Urteil vom 07.02.2014 - V ZR 25/13 -). Daran halte er nicht mehr fest. Es läge bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des Gemeinschaftseigentums ausnahmsweise keine geborene Ausübungsbefugnis (§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 1 WEG), sondern nur eine gekorene Ausübungsbefugnis der WEG (§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2 WEG) vor, wenn und soweit (wie hier vom Landgericht angenommen) sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum am Grundstück gem. § 1004 BGB stünden, was auch gelte, wenn damit auch der Wiederherstellungsanspruch umfasst würde.

Die vom Landgericht zutreffend angesprochene Anspruchskonkurrenz, die mangels einer Vergemeinschaftung bestünde. Da aber ein gleichzeitig von der WEG ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB geltend gemacht werden könnte und damit für den Anspruch des Eigentümers nach § 1004 BGB und dem der WEG nach § 823 BGB derselbe Streitgegenstand bestünde. Könne die Rechtsverfolgung nur gebündelt von der WEG oder durch die einzelnen Wohnungseigentümer erfolgen. Bei wertender Betrachtung müsse die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers betreffend den Beseitigungsanspruch aus dem Miteigentum am Grundstück gem. § 1004 BGB insgesamt umfassen, also auch, soweit er auf die Wiederherstellung gerichtet ist, weshalb hier ausnahmsweise nur eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbandes (der WEG) bestünde. Bei der gekorenen Ausübungsbefugnis sei ausreichend, dass die Tätigkeit des Verbandes förderlich ist, bei der geborenen Ausübungsbefugnis müsse sie hingegen nach der Interessenslage erforderlich sein. Man könne hier auch nicht von dem nach § 1004 BGB klagenden Eigentümer verlangen, dass er sich nur mit der Beseitigung zufrieden gibt und darauf hofft, dass die Gemeinschaft die Wiederherstellung beschließt bzw. er einen entsprechenden Beschluss einklagen müsse, zumal einige Eigentümer von der baulichen Veränderungen mehr, andere weniger betroffen seien, weshalb es weder erforderlich noch wünschenswert sei, den Verband von vornherein mit der Durchsetzung und dem damit zusammenhängenden Kostenrisiko zu belasten.

Dagegen spräche auch nicht, dass damit das Wahlrecht des Verbandes zwischen Naturalrestitution und Geldersatz vereitelt würde. Für § 1004 BGB bestünde ein solches Wahlrecht nicht. In Ansehung der konkurrierenden Schadensersatzansprüche sei es hinnehmbar, dass der Verband nicht ohne weiteres Geldersatz verlangen könne, unabhängig davon, ob sich dies mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung iSv. § 22 Abs. 1 WEG überhaupt vereinbaren ließe.  

Der BGH wies ergänzend darauf hin, dass das Landgericht nach Zurückverweisung prüfen müsse, ob der Beschluss nichtig sei, mit dem die WEG die Ansprüche an sich gezogen habe (- gekorene - Vergemeinschaftung). Die Nichtigkeit könne und müsse unabhängig von der Anfechtungsklage geprüft werden, da die Nichtigkeit für und gegen alle wirkt und keiner Geltendmachung bedürfe, unabhängig von der entsprechenden Möglichkeit gem. § 43 Nr. 4 WEG. Würde es die Nichtigkeit nicht feststellen, müsste es das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Anfechtungsprozess entsprechend § 148 ZPO aussetzen. Die entsprechende entsprechende Anwendung des § 148 ZPO sei geboten, da eine Entscheidung in der Sache mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar sei.

BGH, Urteil vom 26.10.2018 - V ZR 328/17 -

Donnerstag, 6. Juni 2019

Verkehrssicherungspflicht: Sturz über Bordstein am Standort eines Verkaufsstandes


Die Klägerin, die mit ihrer Klage materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche von dem beklagten als Betreiber eines Spargelstandes begehrte, stürzte ihrer Behauptung zufolge nach dem Einkauf von Spargel. Der Spargelstand befand sich unstreitig auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes im Bereich einer Parktasche, deren eine Seite zu einem Fußweg führte, der mit einem Bordstein von der Parktasche abgetrennt war. Die Klage wurde abgewiesen.

Vom Landgericht wurde darauf hingewiesen, dass bei angenommener Richtigkeit des Sturzes der Klägerin über den Bordstein beim Verlassen des Spargelstandes stürzte. Eine Haftung würde hier eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten voraussetzen. Damit müsste der Beklagte einen zusätzlichen gefahrenkreis eröffnet haben; im Rahmen dessen würde ihm die Pflicht treffen, allgemeine Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Dritter zu verhindern. Dabei müsse der Verkehrssicherungspflichtige aber nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, sondern nur für solche, mit denen bei bestimmungsgemäßen (oder nicht ganz fernliegenden bestimmungswidrigen) Gebrauch zu rechnen sei und deren Abwendung auch wirtschaftlich zumutbar sei. Eine völlige Gefahrlosigkeit von Verkehrsflächen könne nicht erwartet werden , weshalb vom Verkehrssicherungspflichtigen nur diejenigen Gefahren beseitigt werden müssten, die von dem Nutzer trotz erforderlicher Sorgfalt nicht erkennbar seien und auf der er sich nicht einstellen könne (BGH, Urteil vom 13.07.1989 - III ZR 122/88 -).  

Hier handele es sich, wie aus Lichtbildern deutlich würde, nicht  um eine leicht überstehende Kante, sondern um ein gut und schon von Weitem erkennbares, sich deutlich vom Boden abhebendes Hindernis. Hinzu käme, dass sich die Fläche des Parkplatzes vor der Einfassung eine andere Pflasterung aufweise als der Fußweg dahinter. De4r Bereich sei durch die Einfassung gegliedert und auch die übrigen Parkflächen seien durch die Randsteine vom Fußweg abgegrenzt, weshalb der Blick des Verkehrsteilnehmers auf die Einfassung gelenkt sei.

Von daher käme es auf die Höhe der Einfassung nicht an, die aber bei 15 – 17cm eine Höhe habe, mit der Fußgänger regelmäßig konfrontiert würden, so beim Betreten von Bordsteinen (Gehwegen) von der Fahrbahn aus.

Selbst wenn man aber hier den Bordstein als Gefahrenquelle ansehen würde, obläge nicht dem Beklagten eine Abwendungspflicht. Diese läge bei dem Betreiber des Parkplatzes. Unabhängig davon sei erkennbar dass die Bordsteine den Parkplatzbereich deutlich vom Fußweg abtrennen sollen und damit einer Gefahr vorbeugen sollen, die darin bestünde, dass auf der einen Seite Personen aussteigen und  Fahrzeugtüren sich öffnen und in den Fußweg hineinragen, während danebwn Fußgänger laufen.

Zwar könne durch das Aufstellen des Standes auf einer solchen Parkbucht eine neue Gefahr geschaffen werden, für die der Standbetreiber verkehrssicherungspflichtig sei. Dieser Umstand läge hier nicht vor. Die Gefahr, dass Personen von der Parkbucht aus über den Bordstein unmittelbar auf den Fußweg gehen würden, bestehe nicht nur dann, wenn sich auf der Parkbucht ein Verkaufsstand befände, sondern auch dann, wenn die Fläche zum Parken genutzt würde. Es sei auch gerichtsbekannt, dass Personen, die in der Parkbucht parken würden, dort aussteigen würden und quer über die Parkbucht und damit den Bordstein auf den Fußweg gehen würden, solange sie keinen Einkaufswagen haben.  Da damit jedenfalls vom Standbetreiber hier keine neue Gefahrenquelle geschaffen worden sei, wäre selbst dann eine Haftung des Beklagten nicht gegeben, wenn man der Annahm sein wollte, dass der Bordstein als solcher eine Gefahrenquelle darstellen würde, da dann nur der Betreiber des Parkplatzes haftbar wäre, nicht der Beklagte als Betreiber des Spargelstandes.

LG Darmstadt, Urteil vom 08.05.2019 - 11 O 200/18 -

Donnerstag, 15. November 2018

Zur Haftung zwischen Mietern bei einem Wasserschaden


Die Parteien waren Mieter in einem Mehrfamilienhaus. Der Kläger machte gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche geltend, nachdem im Mai 2015 nach seiner Behauptung Wasser nach einer unsachgemäßen Reparatur unkontrolliert aus einem Wasserhahn in der Wohnung des Beklagten auf den Boden gelaufen sei und von dort über Decken und Wände in die Wohnung des Klägers eingedrungen sei. Dadurch seien Schäden an den Tapeten verursacht worden, wofür der Kläger Schadensersatz begehrte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Unabhängig von dem bestrittenen tatsächlichen Vortrag des Klägers und der Frage, wer überhaupt Eigentümer der Tapete sei, fehle es an einer Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten.

Der Mietvertrag zwischen dem Vermieter und dem Beklagten würde sich nicht als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier des Klägers) darstellen. Selbst ein  Untermieter wäre nach anerkannter Rechtsprechung nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogen und könne von daher nicht daraus Ansprüche wegen vom Vermieter verursachter Schäden gegen diesen erheben. Der Untermieter sei auch nicht schutzbedürftig, da ihm Ansprüche gegen den Hauptmieter zustünden (BGH, Urteil vom 15.02.1978 - VIII ZR 47/77 -). Das müsse dann auch im Verhältnis mehrerer Mieter im selben Gebäude untereinander gelten; der Kläger habe eigene Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter und sei dadurch ausreichend geschützt (BGH, Urteil vom 12.12.2003 - V ZR 180/03 -).

Auch sei kein Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB anzuerkennen (BGH, Urteil vom 12.12.2003 aaO.). Dieser habe seine Grundlage in einem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis als Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlich sei. § 906 BGB knüpfe an die Beschränkung des Eigentumsrechts nach § 903 BGB an, welches im Mietrecht nicht greife; dies stelle auch keine planwidrige Regelungslücke dar, da nicht davon ausgegangen werden könne, dem Gesetzgeber sei die Möglichkeit des Streits von Mietern über beeinträchtigende Immissionen verborgen geblieben, zumal es hier keiner spezifischen Regelung bedürfe, da jeder Mieter vom Vermieter eine von Mitmietern ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen könne (BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 180/03 -).

Der Kläger habe sich in erster Linie gegen die landgerichtliche Entscheidung gesandt, da dieses einen deliktischen Anspruch des Mieters deshalb verneinte, dieser habe das Eigentum an der Tapete nicht dargetan. Ist aber (wovon hier auszugehen sei) eine Tapete ohne Zerstörung nicht von der Wand zu trennen und damit nicht Gegenstand besonderer Rechte, § 93 BGB, würde sie nach § 94 Abs. 2 BGB zu den wesentlichen Bestandteilen zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen gehören und im Eigentum des Grundstückseigentümers.

Auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Störung des Besitzes sei nicht gegeben. Grundsätzlich sei zwar ein Haftungsschaden des Besitzers ersatzfähig, wenn dieser wegen der Beschädigung der Mietsache durch Dritte selbst Ansprüchen ausgesetzt sei (BGH, Urteil vom 09.04.1984 - III ZR 234/83 -). Derartige Ansprüche würden sich aber aus der Beschädigung der Tapete hier nicht ergeben, da der Vermieter insoweit gegen den geschädigten Mieter keinen Anspruch habe.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.09.2018 - 10 U 8/18 -

Mittwoch, 22. August 2018

Verkehrssicherungspflicht des Waschstraßenbetreibers


Die Beklagte betrieb eine Waschstraße.  Es handelte sich um eine vollautomatisierte Anlage, bei der das Fahrzeug in geringer Geschwindigkeit vom Schleppband gezogen wird. Die linken Räder befinden sich dabei in einer Fördereinrichtung, während die rechte Räder über den Boden laufen. Vor dem Fahrzeug des Klägers betätigte der Fahrer des dort geschleppten Fahrzeuges grundlos die Bremse, wodurch dessen Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehen blieb, demgegenüber das Fahrzeug des Klägers und hinter diesem befindliche Fahrzeuge weitergezogen wurden. Dadurch bedingt wurde das Fahrzeug des Klägers auf das liegengebliebene Fahrzeug und das hinter dem klägerischen Fahrzeug befindliche Fahrzeug auf das Fahrzeug des Klägers geschoben.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens dir Klage abgewiesen. Auf die vom Landgericht zugelassene und vom Kläger eingelegte Revision hob der BGH die landgerichtliche Entscheidung auf und verwies den Rechtstreit an das Landgericht zurück.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten negierte das Landgericht im Hinblick darauf, dass es nur durch ein Fehlverhalten des Fahrzeugführers vor dem klägerischen Fahrzeug zu dem Schadensfall gekommen sei. Auch läge keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte vor, da die Waschanlage nach den Ausführungen des Sachverständigen den anerkannten Regeln der Technik entspräche und eine Sicherung gegen einen Vorgang wie hier sei weder üblich und aus technischer Sicht funktionell und auch unter Kostengesichtspunkten kaum möglich, wie auch eine ständige Videoüberwachung jedes einzelnen in der Anlage befindlichen Fahrzeugs nicht üblich sei.

Die Ansicht zu Frage der Schutzpflichtverletzung durch die Beklagte hält nach Ansicht des BGH einer Prüfung nicht stand. Insoweit habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass auch eine Schutzpflichtverletzung in Betracht zu ziehen sei, wenn die Beklagte gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung der Waschstraße nicht erfüllt habe. Seien (wie hier) Schädigungen durch zwar seltene, aber vorhersehbare nicht eingehaltene Verhaltensregeln durch Nutzer möglich, müsse der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass es nicht zu solchen Verhaltensfehlern kommt. Er müsse also die Nutzer in geeigneter und zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln informieren.

Mangels gegenteiliger Feststellungen durch das Landgericht müssen im revisionsverfahren davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den vor dem Kläger geleiteten Fahrzeugführer keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der beim Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahr erteilt habe.

Anmerkung: Die Entscheidung des BGH besagt leider nichts dazu, welche konkreten Hinweise dem Nutzer vom Betreiber einer entsprechenden Waschstraße konkret erteilt werden sollen und auf welche Art und Weise er dies dem Nutzer (verständlich) übermitteln soll. Da es viele Hinweise gibt, die zu beachten wären (nicht nur das Unterlassen vom Bremsen, sondern z.B. auch vom Lenken, Gasgeben), stellt sich schon die Frage, wie der Betreiber dem Kunden entsprechendes übermitteln soll, will der Nutzer doch nur hineinfahren, waschen fahren und weiterfahren können, und sich nicht länger mit Broschüre / Hinweisblättern auseinandersetzen. Dies unabhängig davon, dass es sich doch um an sich allgemein bekannte Umstände handelt, weshalb ein Verlangen der ausdrücklichen Übermittlung zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht uberspitzt erscheint.

BGH, Urteil vom 19.07.2018 - VII ZR 251/17 -

Freitag, 13. Juli 2018

Baugeldverwendungspflicht: Zur Haftung des Geschäftsführers einer insolventen GmbH nach § 1 Abs. 3 S. 1 BauFordSiG


Die Bauherrin von zwei Windkraftanlagen beauftragte die Firmen m.W. GmbH & Co. KG und m.L. GmbH & Co. KG als Generalunternehmer (für je eine Windkraftanlage), diese wiederum beauftragte die E. GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, mit dem Bau der Kabeltrassen für diese Windkraftanlagen. Die E. GmbH beauftragte wiederum die Klägerin mit den notwendigen Bohrungen für den Bau der Kabeltrassen. Die E. GmbH erhielt von den Generalunternehmern zumindest € 134.153,21 und € 675.925,36. 2013 beendete die Klägerin ihre Arbeiten und berechnete für die Arbeiten an der einen Anlage Restwerklohn von € 33.581,93, für die andere von € 54.386,45. Eine Zahlung durch die E GmbH erfolgte nicht; über deren vermögen wurde 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet.


Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin von dem damaligen Geschäftsführer der E. GmbH, dem Beklagten, Schadensersatz mit der Behauptung, dieser habe gegen das Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz – BauFordSiG) verstoßen. Das Landgericht gab der Klage statt, Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Die vom Beklagten eingelegte Revision wurde vom BGH ebenfalls zurückgewiesen.

Die E. GmbH sei als Nachunternehmer als Empfänger von Baugeld anzusehen und von daher gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG verpflichtet gewesen, das Baugeld zur Sicherung der Klägerin zu verwenden, wie sich aus § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFordSiG ergäbe. Entgegen der Rechtslage bis zum Inkraftreten der benannten Normen am 01.01.2009 sei allerdings der nur mit einem Teil der Baumaßnahme beauftragte (Nach-) Unternehmer nicht als Empfänger von Baugeld anzusehen gewesen. Dies sei mit Inkrafttreten des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFordSiG geändert worden; danach sei Baugeld der Geldbetrag, den der Empfänger (hier: E. GmbH) von einem Dritten (hier den Generalunternehmern) für eine im Zusammenhang mit der Herstellung eines Baues oder Umbaues stehende Leistung erhalte, die der Empfänger einem Dritten versprochen habe, wenn an dieser Leistung andere Unternehmer auf Grund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrages beteiligt wären. Dabei käme es nicht darauf an, ob es sich bei den Leistungen des Dritten handele; soweit der Senat  in einem Beschluss vom 24.01.2013 - VII ZR 47/11 - von wesentlichen Bestandteilen gesprochen habe, habe sich dies nur auf sachen-rechtlich wesentliche Bestandteile nach §§ 93, 94 BGB in Ansehung des Tatbestandsmerkmals des § 1 BauFordSiG bezogen und habe keinen Bezug zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass nur Dritte geschützt werden sollen, die zu einem bestimmten Prozentsatz am der Gesamtvergütung beteiligt wären.

Die E. GmbH habe nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz Baugeld in einer die Werklohnforderungen der Klägerin übersteigenden Höhe erhalten. Damit habe der Beklagte gem. § 1 Abs. 4 BauFordSiG darzulegen und zu beweisen, dass das Baugeld ordnungsgemäß verwandt worden sei (BGH, Urteil vom 20.12.2012 - VII ZR 187/11 -).  

Da der Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanz wusste, dass die E. GmbH die von den Generalunternehmern gezahlten Beträge nicht zur Bezahlung der Klägerin nutzte, habe er zumindest bedingt vorsätzlich gegen die Baugeldverwendungspflicht verstoßen. Ein Verbotsirrtum des Beklagten sei auch zu verneinen. Dies sei nach der sogen. Schuldtheorie zu beurteilen. Bei einem fahrlässigen Verbotsirrtum würde die Sanktion als Vorsatztat nicht ausgeschlossen. Ein entlastender Verbotsirrtum läge nur vor, wenn der Beklagte nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie nach seinem Lebens- und Berufskreis zumutbaren Anspannung des Gewissens die Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seines Handelns nicht zu gewinnen vermocht hätte. Bei auftauchenden Zweifeln hätte er sich Rat einholen müssen. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Der Beklagte sei Geschäftsführer eines mit großen Bauvorhaben betrauten Unternehmens gewesen und habe sich nach den für seinen Tätigkeitsbereich einschlägigen Regeln zu erkundigen. Bei Einholung eines Rechtsrats hätte er erfahren, dass für die von den Generalunternehmen gezahlten Vergütungen eine Baugeldverwendungspflicht für die Klägerin ernsthaft in Betracht käme.


Der Beklagte sei daher zur Zahlung der restlichen Werklohnforderung als Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFordSiG verpflichtet.


BGH, Urteil vom 17.05.2018 - VII ZR 92/16 -