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Dienstag, 25. Juni 2024

Amtspflichtverletzung wegen unterlassener Straßensperrung bei Sturm ?

Der Kläger befuhr bei einem orkanartigen Sturm eine Straße, wobei es sturmbedingt zu einer Schädigung seines Fahrzeugs durch einen umstürzenden Baum kam. Er machte gegen den Träger der Straßenbaulast Schadensersatzansprüche geltend, da er die Auffassung vertrat, dieser hätte die Straße wegen des Sturms sperren müssen. Seine Klage wurde abgewiesen; das OLG erließ einen Beschluss gem. § 522 ZPO um den Kläger darauf hinzuweisen, dass es gedenke die Berufung zurückzuweisen.

Dabei ging das OLG auch davon aus, dass dem Träger der Straßenbaulast als Amtspflicht die Pflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit obliege. Diese erstrecke sich auch auf die der Straße zuzuordnenden Straßenbäume (nicht auf Bäume, die am Rand eines an eine Straße grenzenden Waldstücks stünden). Hier seien die Maßnahmen zu treffen, die einerseits gegen Astbruch und Umsturz erforderlich seien, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand auch zumutbar seien. Deshalb genüge es, wenn die Standsicherheit dieser Bäume in regelmäßigen Abständen kontrolliert würde. Dabei seien die als Gefahr anzusehenden Bäume oder teile derselben zu entfernen; sollte dies in angemessener Zeit nicht möglich sein, könne dem Träger der Straßenbaulast die Pflicht treffen, die Straße bis zur Beseitigung des gefahrbringenden Baumes für den Verkehr zu sperren. Der Kläger habe nicht erklärt, dass der Träger der Straßenbaulast bei Baumkontrollen eine fehlende Standsicherheit durch den Baum festgestellt habe.

Auch der Umstand, dass nicht jede von einem Baum oder einem Ast ausgehende Gefahr von außen erkennbar sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht läge nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen würden, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen würden (BGH, Urteil vom 21.01.1965 - III ZR 217/63 -).

Die Möglichkeit, dass bei einem Sturm auch ein gesunder Straßenbaum umfallen oder Teile davon abbrechen und damit Verkehrsteilnehmer gefährden können, begründe keinen Anspruch.  Die dem Träger der Straßenbaulast obliegende Straßenverkehrssicherungspflicht umfasse nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 06.02.2007 - VI ZR 274/05 -). Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Der Grundsatz laute, dass im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht sein müsse, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte. Danach müsse nicht ein eine Straße oder ein Teil einer Straße bei einem aufkommenden Sturm zum vorbeugenden Schutz abgesperrt werden.

Auch müsse der Verkehrssicherungspflichtige nur diejenigen Gefahren ausräumen bzw. vor ihnen warnen, die für den Benutzer bei erforderlicher Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar seien oder auf die er sich nicht rechtzeitig einrichten könne (OLG Köln, Beschluss vom 07.01.2016 - 7 U 160/15 -). Es sei aber allgemein bekannt, dass bei einem orkanartigen Sturm unversehens Gegenstände oder umstehende Bäume oder Teile von ihnen auf die Straße stürzen, weshalb sich jeder Verkehrsteilnehmer auf die Gefahren selbst einstellen könne.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 28.06.2023 - 11 U 170/22 -

Montag, 3. Oktober 2022

Haftung des Besitzers des störenden Grundstücks (grenznaher Baumbewuchs)

Der Kläger erhob gegen den Beklagten zu 1 als Eigentümer des Nachbargrundstücks und gegen dessen Ehefrau, die Beklagte zu 2 als Mitbesitzerin desselben Klage auf Beseitigung von grenznahen Bäumen. Während des Rechtsstreits beseitigte der Beklagte zu 1 die Bäume. Der Rechtsstreit wurde zwischen dem Beklagten zu 1 und dem Klägerübereinstimmend für erledigt erklärt; die Beklagte zu 2 schloss sich dem nicht an, die behauptete, die Bäume nicht gepflanzt zu haben. Die Klage gegen die Beklagte zu 2, die als Feststellungsantrag gegen sie aufrechterhalten blieb, wurde vom Landgericht abgewiesen. Zwar sei sie zulässig, in der Sache aber nicht begründet gewesen. Die Beklagte zu 2 sei nicht Verhaltensstörerin gewesen; der Kläger habe keinen Beweis dafür erbracht, dass nicht nur der Beklagte zu 1, sondern beiden Beklagten gemeinsam die Bäume gepflanzt hätten.

Die Beklagte zu 2 sei unstreitig nicht als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen. Deshalb könne sie auch nicht Zustandsstörerin kraft Eigentümerstellung sein, auch wenn sie ihre Zustimmungserklärung zu dem Baugesuch des Beklagten zu 1 erteilt habe. Aus dieser Zustimmung ergebe sich kein Rechtsschein oder Vertrauenstatbestand für ihre Eigentümerposition.

Unstreitig sei die Beklagte zu 2 aber Mitbesitzerin des Grundstücks gewesen. Soweit sich der Mitbesitz einer Sache wegen ihrer Lage oder Beschaffenheit störend auswirke, könne aber der Besitzer auch Zustandsstörer sein. Umstritten sei aber, ob dies auch in den Fällen gelte, in denen sich die Störung nur durch einen Eingriff in die Sachsubstanz (hier dem Fällen der Bäume) beseitigen lasse. Soweit dies bejaht würde, würde insoweit auf § 77 ZPO verwiesen. Die Gegenmeinung stütze sich auf § 257 BGB, wonach ein Anspruch gerade insoweit ausgeschlossen würde, wie dem Schuldner die Leistung unmöglich sei, wonach der Besitzer unter Bezugnahme auf § 77 ZPO bejaht würde, folge dem das Gericht nicht. Der Gegenmeinung sei zu folgen.

Die Argumentation zu § 77 ZPO sei nicht überzeugend, da prozessuale Regelungen materiell-rechtliche Ansprüche lediglich flankieren und ihnen zur Durchsetzung verhelfen sollen. Sie würden nicht dazu dienen, die Reichweite eines materiell-rechtlichen Anspruchs auszudehnen. Zudem ergäbe sich ein Widerspruch zu § 903 BGB, demzufolge der Eigentümer einer Sache mit dieser nach belieben verfahren könne und Dritte - auch den sein Besitzrecht überschreitenden Mitbesitzer - von jeder Einwirkung ausschließen kann.  Das Eigentum würde nur durch beschränkt dingliche Rechte beschränkt. Daher sei der beklagten zu 2 die vom Kläger begehret Handlung unmöglich gewesen, da sie nicht gegen den Willen des Eigentümers die streitgegenständlichen Bäume hätte beseitigen oder beseitigen lassen durfte.

Anderes ergebe sich auch nicht aus § 862 Abs. 1 BGB, da sich die gleiche Problematik stelle, ob der bloße Mitbesitz als Nichteigentümer gegenüber dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Störungen der Besitzstellung des Nachbarn unterfalle. Es würden hier die Grundsätze des § 1004 BGB gelten.  

LG Baden-Baden, Urteil vom 11.04.2022 - 4 O 19/21 -

Mittwoch, 28. Juli 2021

Nachbarrecht: Beseitigung von überhängenden Ästen auch bei Gefahr für Baum (§ 910 BGB)

Die Äste, von denen Nadeln und Zapfen abfallen, ragten von der 40-jährigen Schwarzkiefer seit 20 Jahren auf das Nachbargrundstück der Kläger. Nachdem diese die Äste nicht zurückschnitten, haben die Beklagten dann überhängende Äste selbst abgeschnitten. Die Kläger begehrten gerichtlich eine Unterlassung von Rückschnitt von Ästen oberhalb von 5m. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht (LG), welches die Revision zuließ, wies die Berufung zurück. Die Revision führte Zur Aufhebung der Vorentscheidungen und Zurückverweisung an das Landgericht.

Fehlerhaft habe das LG bereits eine Duldungspflicht der Kläger iSv. § 1004 Abs. 2 BGB negiert, da es die Regelung des § 910 BGB für eine Beeinträchtigung durch den Nadel- und Zapfenabfall für nicht anwendbar gehalten habe. Allerdings stelle § 910 BGB eine spezialgesetzliche und abschließende Regelung für die Beseitigung von Überhang dar, die unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigungen erfasse (BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 102/18 -).

Das Selbsthilferecht wäre nur ausgeschlossen, wenn es an einer Beeinträchtigung ermangeln würde. Ob eine solche vorliegt sei objektiv festzustellen. Damit sei eine Beeinträchtigung bei einem in 5m Höhe 40cm hierüberragenden Ast zu verneinen (BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 102/03 -). Die darlegungs- und Beweislast, dass von dem Baum keine Beeinträchtigung ausgehen, trage derjenige, auf dessen Grundstück der Baum stünde (BGH aaO.).

Eine Unzumutbarkeit könne nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, bei Beseitigung des Überhangs drohe das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit. Das Selbsthilferecht bestünde ohne Einschränkungen, wenn seine tatsächlichen Voraussetzungen vorlägen. Eingeschränkt würde es nach § 910 Abs. 2 BGB nur insoweit, als das Selbsthilferecht entfällt, wenn die Wurzeln oder Zweige das Nachbargrundstück nicht beeinträchtigen. Verhältnis- und Zumutbarkeitsprüfungen seien nach dem gesetzgeberischen Willen ausgeschlossen. 

Das Recht aus § 910 BGB würde nicht durch nachbarschaftsrechtliche Landesregelungen ausgeschlossen, nach denen Ausschlussfristen bestehen (so § 32 NachbG Bln) und bei Nichteinhaltung von Mindestabständen (wie hier nach § 27 NachbG Bln) eine Klage auf Beseitigung nach fünf Jahren ausschließen würden. Nach Art. 124 EGBGB könnten die Regelungen nicht dem Nachbarn (hier beklagten) Rechte nehmen, die das BGB biete. Mithin könne das Landesrecht § 910 BGB nicht einschränken. Das selbsthilferecht des § 910 Abs. 1 S. 2 BGB begründe ein Recht und keinen Anspruch und unterliege daher nicht der Verjährung. Es sei auch nicht verwirkt, wenn kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, der Beklagte würde sein Recht nicht mehr geltend machen. Auch aus dem Gedanken des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergäben sich keine Einschränkungen; eine daraus abgeleitete Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme habe zur Voraussetzung, dass ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheine (BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18 -), was dann nicht der Fall sei, wenn der Grundstückseigentümer einen auf seinem Grundstück stehenden Baum nicht – wie geboten – regelmäßig beschneide oder beschneiden ließe mit der Folge, dass dessen Äste auf das Nachbargrundstück hinüberwachsen. 

Nur aus naturschutzrechtlichen Gründen könnte käme daher hier eine Beschränkung des Selbsthilferechts in Betracht, was das LG nicht geprüft habe. Von daher sei der Rechtstreit an das LG zurückzuverweisen.

BGH, Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 -

Montag, 1. Juli 2019

Verkehrssicherungspflicht und Stolperfalle Baumscheibe/-gitter


Die Klägerin stürzte im Bereich eines im Innenhof einer Wohnanlage befindlichen Baumgitters, welches sich deutlich von der umliegenden Pflasterung abhob. On der Mitte des Gitters war jedoch kein Baum; diese war, was nicht erkennbar war, nicht mit Erde ausgefüllt und wies zwischen Gitter und Erde eine Differenz von 10cm auf, weshalb die Klägerin stürzte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das OLG sah eine Haftung dem Grunde nach von 50% als gegeben an.  

Richtig habe allerdings das Landgericht die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für die Begründung einer Verkehrssicherungspflicht und die im öffentlichen Straßenverkehr zu erwartenden Sicherungserwartungen von Fußgängern dargelegt. Allerdings würden diese Sicherungserwartungen grundsätzlich nur für Unebenheiten auf den eigentlichen Laufflächen von Gehwegen mit einheitlicher und durchgehender Pflasterung (OLG Hamm, Urteil vom 15.12.1999 - 11 U 101/00 -).  Die zum Schutz oder zur Bewässerung eines Baumes eine vom Gehwegbelag sich optische deutlich unterscheidbare Baumscheibe eingebracht, diene diese erkennbar nicht als Gehfläche für Fußgänger, auch wenn im Hinblick darauf zwei entgegenkommende Fußgänger nicht aneinander vorbei kommen würden. Damit würde ein Fußgänger, der doch über eine entsprechende Baumscheibe geht und wegen des Niveauunterschieds zwischen Pflasterung und Baumscheibe zu Fall kommt, regelmäßig auf eigene Gefahr handeln (Saarl. OLG, Urteil vom 14.01.2016 - 4 U 49/15 -).

Vorliegend unterscheide sich der Vorgang aber dadurch, dass die Klägerin nicht im Bereich Gehweg / Baumgitter wegen eines dortigen Niveauunterschieds gefallen, sondern wegen eines von ihr nicht mehr zu erwartenden Nieveauunterschieds zwischen dem Metallgitter und dem unverfüllten Erdloch in dessen Mitte, welches sich nach der Entfernung des Baums ausweislich von Lichtbildern den Eindruck einer einheitlich begehbaren Fläche gemacht habe. Die Warnfunktion durch einen Bau, der erkennbar mache, dass der Fußgänger rund um den Baum herum nicht mit einer durchweg sicheren Verkehrsfläche rechnen könne, sei entfallen. Allerdings läge, da der Unterscheid zwischen Gehwegbelag und Baumscheibe deutlich sei, eine Mithaftung der Geschädigten in Höhe von 50% vor, § 254 BGB.

Es erscheint allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb bei einem Sturz bei Betreten der Baumscheibe durch einen Niveauunterschied zum Pflaster, auch wenn ein Baum dort nicht stehen  sollte, eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen nicht bestehen soll, sie aber nach einem gleichwohl erfolgten Betreten der Baumscheibe wegen einer (evtl. nicht erkennbaren)  Vertiefung in der Mitte (Erdloch) wieder aufleben soll und nur noch ein Mitverschulden bestehen soll, welches hier   gerade aus dem Bereich stammt, der im Falle eines Sturzes bei Betreten der Scheibe sogar einen Haftungsausschluss des Verkehrssicherungspflichtigen (in Ansehung der Sichtbarkeit der Scheibe als für eine Begehung durch Fußgänger nicht geeignet) begründe.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2019 - 7 U 128/18 -

Samstag, 18. Mai 2019

Nachbarschaftsrecht: Verlangen auf Zurückschneiden von überwachsenden Ästen und Verjährung sowie Verkehrssicherungspflichtiger am Grenzbaum


In Baden-Württemberg lagen drei Grundstück derart nebeneinander, dass sie seinen gemeinsamen Grenzpunkt hatten, in dessen Nähe ein  Fichte stand, deren Stamm sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befand. Äste dieser Fichte ragten von dem Baumteil, der auf dem Grundstück des Beklagten stand, auf das Grundstück der Klägerin, die von dem Beklagten deren Beseitigung forderte. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Auch die vom Landgericht als Berufungsgericht zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.

1. Nicht zu beanstanden sie die Annahme der Zulässigkeit der Klage, obwohl die Äste von einem Baum stammen würden, der sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befände. Dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB stünde dies nicht entgegen, da es sich bei dem Beklagten und dem dritten Nachbarn nicht um notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO handele. Eine notwendige Streitgenossenschaft erfordere, wenn aus materiell-rechtlichen Gründen nur gemeinsam geklagt werden könne oder gegen diese nur gemeinsam geklagt werden könne. Dieses Erfordernis ergäbe sich aus gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis gem. §§ 747 S. 2, 1008 BGB. Ein solcher Fall läge nicht, da der Beklagte und der dritte Nachbar nicht gemeinschaftlich verpflichtet seien, sondern jeder für sich. Auch aus dem Umstand, dass es sich um einen Grenzbaum iSv. § 923 BGB handele ergäbe sich nichts anderes, obwohl dieser zu jeweils zu dem Teil, zu dem er auf einem Grundstück stünde, in dessen Eigentum stünde (vertikal geteiltes Eigentum). Die Verkehrssicherungspflicht obliege erstrecke sich auf den Teil des Baumes, der auf seinem Grundstück stünde.  Von daher könne die Klägerin hier den Beklagten alleine in Anspruch nehmen, da die Beeinträchtigung von seinem Baumteil ausginge.

2. § 1004 Abs. 1 BGB setze für die Beseitigung von herüberragenden Ästen allerdings voraus, dass dadurch die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde. Läge dies nicht vor, sei das Herüberragen zu dulden. Offen bliebe, ob dies auch für ganz erhebliche Beeinträchtigungen gelte, worauf es vorliegend nach Auffassung des BGH nicht ankäme, wie es auch nicht darauf ankäme und offen bleiben könne, ob die Störungen im Vergleich zur Wirkung des Rückschnitts außer Verhältnis stehen dürften (dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2007 - 8 U 77/06 - und OLG Köln, Urteil vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei verjährt, §§ 195, 199 BGB (anders als der Anspruch nach § 1004 BGB unterliege das Selbsthilferecht des § 910 BGB nicht der Verjährung).

§ 902 BGB (danach unterliegen eingetragene Ansprüche nicht der Verjährung) finde auf Beseitigungsansprüche keine Anwendung. Die Norm umfasse nur die Verwirklichung des Anspruchs, nicht aber die Abwehr von Störungen.

Auch soweit nach der Rechtsprechung des Senats eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht käme, wenn eine einheitliche Dauerhandlung vorläge, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhalte und deshalb den Lauf einer Verjährungsfrist nicht in Gang setze, könne hier darauf deshalb nicht abgestellt werden, da der Anspruch auf Beseitigung nach § 1004 BGB mit dem hinüberwachsen beginne; nehme dies der Nachbar (in Kenntnis des Hinüberwachsens) länger als drei Jahre hin, könne er die Beseitigung im Interesse des Rechtsfriedens nicht mehr verlangen. Diese Frist von drei Jahren war bei Erhebung der Klage bereits abgelaufen.

Anderes lasse sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 NRG BW („Beseitigungsansprüche nach diesem Gesetz verjähren in fünf Jahren. Sind Gehölze im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 betroffen, so beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Bei Pflanzungen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem 1. Juli nach der Pflanzung. Bei an Ort und Stelle gezogenen Gehölzen beginnt sie am 1. Juli des zweiten Entwicklungsjahres. Bei späterer Veränderung der artgemäßen Ausdehnung des Gehölzes beginnt die Verjährung von neuem; dasselbe gilt im Falle des § 16 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe c, wenn die Umtriebszeit von zehn Jahren überschritten wird.“) oder aus § 26 Abs. 3 NRG BW („Der Anspruch auf das Zurückschneiden der Hecken, auf Beseitigung herüberragender Zweige und eingedrungener Wurzeln sowie auf Verkürzung zu hoch gewachsener Gehölze ist der Verjährung nicht unterworfen.“) ableiten. Dies schon deshalb, da der Landesgesetzgeber nach Art. 124 EGBGB zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen könne, doch nicht abweichend vom BGB die Verjährungsfristen zu § 1004 BGB (Bundesrecht) regeln könne. Die verfassungskonforme Auslegung des § 26 NRG BW ergebe daher, dass diese Regeln sich nicht auf einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB bezögen, da sie sonst nichtig wären.

Die Klägerin könne aber auch ihren Anspruch nur aus § 1004 BGB herleiten, nicht aus dem NRG BW. Zwar gewähre § 12 Abs. 2 und Abs. 3 NRG BW Ansprüche auf Rückschnitt für Hecken und sonstige Gehölze im Hinblick auf die Einhaltung eines Grenzabstandes, unabhängig davon, ob darin bereits eine Eigentumsbeeinträchtigung iSv. § 1004 BGB zu sehen sei. Für bestimmte Bäume sei zwar auch ein Zurückschneiden überhängender Äste geregelt (§ 23 Abs. 1 und 2 NRG BW), doch handele es sich hier nicht um einen darunter fallenden Baum, weshalb auf sich beruhen kann, ob diese Regelung nach Art. 122, 111 bzw. 183 EGBGB zulässig vom Landegesetzgeber aufgenommen werden durfte).

BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 136/18 -

Sonntag, 6. Dezember 2015

Nachbarrecht: Beschattung durch Bäume begründet keinen Beseitigungsanspruch

Der Kläger, Eigentümer eines Reihenhausgrundstücks, wandte sich mit seiner Klage gegen die Stadt mit dem Ziel, dass ca. 25m hohe Eschen in der angrenzenden städtischen Grünanlage, die dort mit einem Abstand von 9 – 10,3m zur Grundstücksgrenze stehen, gefällt werden. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Bild: pixabay
Die durch die Verschattung bewirkte Einwirkung auf das klägerische Grundstück stelle keine einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB begründende Einwirkung iSd. § 906 BGB dar. Der Entzug von Luft oder Licht stelle sich nach der Rechtsprechung nicht als eine negative Einwirkung iSd. § 906 BGB dar. Der BGH erklärt ausdrücklich, dass er keine Veranlassung zu einer Aufweichung dieser bisher einhelligen Rechtsprechung zu § 906 BGB sehe. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in den meisten Bundesländern Regelungen in Nachbargesetzen über Abstände enthalten sind, weshalb kein Bedürfnis für eine Ausdehnung des § 906 BGB bestünde.

Auch ein Beseitigungsanspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis sei zutreffend von den Vorinstanzen abgelehnt worden. Dieses Rechtsinstitut stelle eine Ausnahmeregelung dar. Voraussetzung wäre, dass der Kläger durch die hohen Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre. Dies sei konkret nicht feststellbar, selbst wenn der gesamte Gartenbereich des Klägers berücksichtigt würde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der nach dem Nachbargesetz (hier: § 41 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a NachbG NRW) vorgesehene Grenzabstand 4m betrage und hier um mehr als das doppelte überschritten wurde.


BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 229/14 -

Sonntag, 6. April 2014

Schadensersatzansprüche und Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen - der nachbarrechtliche Anspruch

Das Amtsgericht Bensheim hat mit Urteil vom 15.11.2013 hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Der Baum sei noch ersichtlich schadhaft gewesen und der Umstand der Hanglage und des hauptsächlichen Astbewuchses talabwärts würden sich nicht als Gefahrenmoment darstellen, wie auch das Alter des Baumes, einer Eiche von ca, 100 Jahren, nicht gefahrrelevant sei, da das Alter für die Baumgattung noch als jung anzusehen sei. Auch negierte das Amtsgericht einen Anspruch aus dem nachbarrechtlichen Abwehranspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, da sich die Nutzung des Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hielt und damit dem Eigentümer keine Verantwortlichkeit trifft.

AG Bensheim, Urteil vom 15.11.2013 - 6 C 374/12 (15)