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Dienstag, 25. Juni 2024

Amtspflichtverletzung wegen unterlassener Straßensperrung bei Sturm ?

Der Kläger befuhr bei einem orkanartigen Sturm eine Straße, wobei es sturmbedingt zu einer Schädigung seines Fahrzeugs durch einen umstürzenden Baum kam. Er machte gegen den Träger der Straßenbaulast Schadensersatzansprüche geltend, da er die Auffassung vertrat, dieser hätte die Straße wegen des Sturms sperren müssen. Seine Klage wurde abgewiesen; das OLG erließ einen Beschluss gem. § 522 ZPO um den Kläger darauf hinzuweisen, dass es gedenke die Berufung zurückzuweisen.

Dabei ging das OLG auch davon aus, dass dem Träger der Straßenbaulast als Amtspflicht die Pflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit obliege. Diese erstrecke sich auch auf die der Straße zuzuordnenden Straßenbäume (nicht auf Bäume, die am Rand eines an eine Straße grenzenden Waldstücks stünden). Hier seien die Maßnahmen zu treffen, die einerseits gegen Astbruch und Umsturz erforderlich seien, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand auch zumutbar seien. Deshalb genüge es, wenn die Standsicherheit dieser Bäume in regelmäßigen Abständen kontrolliert würde. Dabei seien die als Gefahr anzusehenden Bäume oder teile derselben zu entfernen; sollte dies in angemessener Zeit nicht möglich sein, könne dem Träger der Straßenbaulast die Pflicht treffen, die Straße bis zur Beseitigung des gefahrbringenden Baumes für den Verkehr zu sperren. Der Kläger habe nicht erklärt, dass der Träger der Straßenbaulast bei Baumkontrollen eine fehlende Standsicherheit durch den Baum festgestellt habe.

Auch der Umstand, dass nicht jede von einem Baum oder einem Ast ausgehende Gefahr von außen erkennbar sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht läge nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen würden, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen würden (BGH, Urteil vom 21.01.1965 - III ZR 217/63 -).

Die Möglichkeit, dass bei einem Sturm auch ein gesunder Straßenbaum umfallen oder Teile davon abbrechen und damit Verkehrsteilnehmer gefährden können, begründe keinen Anspruch.  Die dem Träger der Straßenbaulast obliegende Straßenverkehrssicherungspflicht umfasse nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 06.02.2007 - VI ZR 274/05 -). Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Der Grundsatz laute, dass im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht sein müsse, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte. Danach müsse nicht ein eine Straße oder ein Teil einer Straße bei einem aufkommenden Sturm zum vorbeugenden Schutz abgesperrt werden.

Auch müsse der Verkehrssicherungspflichtige nur diejenigen Gefahren ausräumen bzw. vor ihnen warnen, die für den Benutzer bei erforderlicher Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar seien oder auf die er sich nicht rechtzeitig einrichten könne (OLG Köln, Beschluss vom 07.01.2016 - 7 U 160/15 -). Es sei aber allgemein bekannt, dass bei einem orkanartigen Sturm unversehens Gegenstände oder umstehende Bäume oder Teile von ihnen auf die Straße stürzen, weshalb sich jeder Verkehrsteilnehmer auf die Gefahren selbst einstellen könne.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 28.06.2023 - 11 U 170/22 -

Samstag, 13. Februar 2021

Haftung des Landes bei Riss von Schafen durch einen Wolf ?

 

Die Kläger, Schafhalter und -züchter, machten gegen das Land Schleswig-Holstein Ansprüche wegen Verlustes von 12 Schaden geltend, der durch mehrere Angriffe eines Wolfs auf deren Schafherde im Zeitraum 25.10 bis 16.11.2018 entstand. Es kam zu Verhandlungen über die Art der Einzäunung bzw. des Zaunmaterials und schließlich zur Errichtung (zusammen mit Mitarbeitern des Landes) mit elektrischen Weidezäunen gesicherten Nachtpferches. Es wurde festgestellt, dass für die Risse der Wolf GW924 verantwortlich war. Nachdem dieser in der Folge bei einem anderen Halter einen als wolfssicher eingestuften Zaun überwand, wurde vom Land im Januar 2019 die Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zur Tötung des Wolfes erteilt. Er wurde im Januar 2020 überfahren.

Die Kläger behaupteten, durch die Wolfsangriffe sei es zum Verlammen (Abort) bei 140 trächtigen Schafen gekommen. Dafür begehren sie Schadensersatz und weiterhin Feststellung, dass das Land zum Ersatz von Schäden durch Wolfsangriffe verpflichtet sei. Die Klage wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Das OLG erließ einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO, demzufolge es beabsichtige, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (was dann auch in der Folge mit Beschluss vom  03.11.2020 erfolgte.

Wie das Landgericht negierte das OLG einen Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG wegen Amtspflichtverletzung durch das Land. Es gäbe keine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung, eine Anwesenheit von Wölfen in Schafzuchtgebieten in Schleswig-.Holstein zu verhindern. In Betracht käme nur eine Genehmigung zum Töten von Wölfen auf der Grundlage des § 45 Abs. 7 Nr. 1 BNatSchG als Ausnahme vom hier einschlägigen Tötungsverbot für besonderes geschützte Arten nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Diese Ausnahme greife in Einzelfällen, um ernste landwirtschaftliche Schäden abzuwenden. Eine entsprechende Genehmigung habe das Land nicht pflichtwidrig unterlassen, sondern erteilt.

Ob eine Genehmigung erteilt wird läge im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Zwar hätten die Kläger einen Anspruch auf richtige Ermessensausübung. Diesen sah das OLG hier aber als gegeben an. Die Abschussgenehmigung sie erteilt worden, nachdem der Wolf eine als wolfssicher geltende Schutzmaßnahme überwunden habe. Erst damit fehlten ersichtlich geeignete Maßnahmen, um landwirtschaftliche Schäden durch dieses Tier abzuwenden. Mithin habe auch erst zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzung für die Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 S. 2 BNatSchG vorgelegen. Das OLG weist (wohl hilfsweise) darauf hin, dass hier eine frühere Genehmigung auch nicht nachweislich geholfen hätte, da selbst nach der Genehmigung eine Tötung des Wolfes nicht gelungen sei.

Ferner würde auch kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Enteignung oder des enteignungsgleichen Eingriffs bestehen, da ein solcher seitens des Landes nicht vorgelegen habe. Nicht ein Handeln des Landes habe zu den behaupteten Schäden geführt. Ein positives Handeln sei aber für einen Eingriff im enteignungsrechtlichen Sinne erforderlich; nicht ausreichend sei ein reines Unterlassen und Untätigbleiben. Hier habe das Land nicht getan, um die Wolfspopulation im Land zu fördern. Ferner wäre erforderlich, dass das Land unmittelbar in das Eigentum eingreift, was hier auch nicht erfolgt sei.

Ebenfalls wäre auch kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt gegeben, dass das Eigentum und die Berufsfreiheit der Kläger zu schützen sei. Diesem Schutz sei das Land durch die Leitlinien zur Gewährung von Billigkeitsleistungen im Artenschutz mit den Verwaltungsvorschriften zur Entschädigung von Landwirten für Wolfsangriffe und der Unterstützung bei der Schaffung von Schutzmaßnahmen entsprochen. Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass eine Schutzpflichtverletzung bestünde, würde dies mangels einer entsprechenden gesetzlichen Norm nicht eine Entschädigungs- oder Ausgleichsanspruch begründen können. Derartiges könne nicht durch Richterrecht eingeräumt werden (BGH, Urteil vom 10.12.1987 - III ZR 220/86 -).

Schleswig-Holsteinisches OLG, Hinweisbeschluss vom 24.09.2020 - 11 U 61/20 -

Freitag, 20. November 2020

Haftung der Gemeinde wegen Verletzung von Unterhaltungspflichten an Gewässern (Löschteich)

 

In der Nähe des Hauses des Klägers befand sich ein Teich, der als Löschwasserentnahmestelle diente und von der beklagten Gemeinde betrieben wurde. Eine Straßenflächen wurde in den Teich entwässert. Der Teich wurde vor c. 20 Jahren bei Bauarbeiten beschädigt. Als es im Sommer 2014 zu starken Regefällen kam, lief Wasser in den Keller des Hauses des Klägers und führte dort zu Schäden.

Das Landgericht hatte der Klage in einem Grundurteil stattgegeben und die Haftung der Beklagten aus einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG hergeleitet. Dem folgte das OLG nicht. Unabhängig davon, ob die beklagte bei dem betrieb des Löschwasserteichs eine Amtspflicht verletzt habe, hätten sie jedenfalls keine drittschützende Amtspflicht gehabt; die öffentliche-rechtliche Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung sei gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen. Die Nicht- oder Schlechterfüllung bei der Gewässerunterhaltung  führe daher nicht zur Haftung aus einer Amtspflichtverletzung.

Allerdings sei eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB gegeben. Bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Gewässerunterhaltungspflicht greife die Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht (BGHZ 125, 186ff). Eine eventuell konkurrierende Haftung der Gewässeraufsicht würde diese hier (anders als im Falle des § 839 BGB) nicht verdrängen. Der beklagten unterlag die Gewässerunterhaltung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LWG SH als Eigentümerin des Gewässers.

Mit dem Teich habe die Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen. Es gab zwar einen Zulauf über die Straßenentwässerung, aber keinen funktionierenden Ablauf, wodurch die Gefahrenlage geschaffen worden sei, dass der Teich überläuft und weiteres auf der Straße nachlaufendes Wasser zurückstaue. Die Kontrolle und Reparatur des beschädigten Ablaufrohrs (welches in früheren Jahren bei Bauarbeiten beschädigt wurde) sei der Beklagten zumutbar gewesen.

Die Haftung der Beklagten entfalle auch nicht deswegen, da es sich bei dem regen um ein katastrophales Ereignis gehandelt habe, für welches keine Vorsorge hätte getroffen werden müssen. Zwar hafte die Gemeinde dann nicht, wenn es sich um Schäden handelt, die durch höhere Gewalt verursacht würden, also nicht aufgrund von Fehlern beim Betrieb oder der Errichtung eines Gewässers auftreten, sondern durch nicht zu erwartende katastrophale Regenfälle. Die Berufung der Gemeinde darauf hätte aber zur Voraussetzung, dass diese alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbaren Aufwand möglichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen hätte, um eine Überschwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder sich der Schaden auch bei diesen Maßnahmen ereignet hätte. Allerdings hätte hier ein funktionierender Ablauf den Schaden verhindert.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 02.07.2020 - 11 U 191/19 -