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Montag, 28. Oktober 2024

Kompetenzverlagerung auf Verwalter gem. § 27 Abs. 1 WEG

Streitig war zwischen den Beteiligten ob der Wohnungseigentümerversammlung die Kompetenz hatte, dem Verwalter zu ermächtigen, für die Erneuerung einer Fensteranlage drei Angebote, wobei bei Beauftragung die Kosten nicht über einen bestimmten Betrag liegen dürften und die Fenster der Optik der bisherigen Fensteranlage entspreche müsste. Die Kläger hatten diesen Beschluss gerichtlich angefochten. Nachdem noch das Amtsgericht die Klage abwies, gab ihr das Berufungsgericht statt. Die zugelassene Revision war erfolgreich.

Der BGH führte aus, dass nach dem bis 30.11.2020 geltenden Recht seien Beschlüsse zur Kompetenzverlagerung auf den Verwalter mit Rechtunsicherheiten im Hinblick auf die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung verbunden gewesen. Nach Inkrafttreten des WEMoG zum 01.12.2020 habe der erkennende Senat bereits entschieden, dass die Wohnungseigentümer auf der Grundlage ihres Selbstorganisationsrechts durch Beschluss dem Verwalter über seine gesetzlichen Befugnisse hinausgehende Entscheidungskompetenzen für Maßnahmen der Instandsetzung und -haltung sowie für die Einschaltung von Sonderfachleuten übertragen könne, wenn diese Kompetenzverlagerung für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einem nur begrenzten und überschaubaren Risiko führe /Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 215/20 -). Nach § 27 Abs. 2 WEG (n.F.) könnten die Wohnungseigentümer nunmehr die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Verwalters für das Innenverhältnis nach § 27 Abs. 1 WEG einschränken und erweitern. Soweit sie nach § 19 Abs. 1 WEG in Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung durch Beschluss entscheiden dürften, könnten sie gem. § 27 Abs. 2 WEG ihre Entscheidungskompetenz auf den Verwalter übertragen.

Daran gemessen halte sich der angefochtene Beschluss, den bereits beschlossenen Austausch der Fensteranlagen in Auftrag zu geben, im Rahmen der ihnen nach § 27 Abs. 2 WEG eingeräumten Beschlusskompetenz. Die Fenster stünden zwingend im Gemeinschaftseigentum (§ 5 WEG, BGH, Urteil vom 14.06.2019 - V ZR 254/17 -) und die Maßnahme diene danach der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums iSv. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG.

Der Beschluss sei auch hinreichend bestimmt. Ob dem Verwalter inhaltliche Kriterien der Aufgabenerfüllung vorgegeben werden müssten, sei (anders als vom Berufungsgericht angenommen) keine Frage der Bestimmtheit, sondern betreffe die Frage der Reichweite der Delegation ordnungsgemäßer Verwaltung, da je weiter die Delegation reiche, desto weniger bestimmt sei naturgemäß die in dem Beschluss enthaltene Umschreibung der von dem Verwalter zu treffenden Entscheidungen.

Die Beschlussfassung entspreche auch ordnungsgemäßer Verwaltung iSv. § 18 Abs. 2 WEG , was – auch wenn es in § 27 Abs. 2 WEG keinen Ausdruck fände - allgemeiner Auffassung entspreche und sich aus § 19 Abs. 1 WEG für alle Beschlüsse der Wohnungseigentümer ergäbe.  Aus dem Gesetz ergebe sich, dass es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche, wenn die Wohnungseigentümer dem Verwalter über die ihm bereits durch Gesetz (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) eingeräumten Aufgaben und Befugnisse hinaus weitreichender auch die Kompetenz übertragen würden, Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu treffen, die übergeordnete Bedeutung hätten oder zu erheblichen Verpflichtungen der GdWE führen würden. Aus einem Umkehrschluss aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ergäbe sich zudem, dass eine Delegation von Aufgaben auch dann erfolgen dürfe, wenn sie nicht eilig oder zur Abwendung von Nachteilen erforderlich seien, da es andernfalls der Regelung in § 27 Abs. 2 WEG nicht bedürfte. Das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer lasse bei der Entscheidung, welche Aufgaben sie innerhalb ihrer Beschlusskompetenz gem. § 27 Abs. 2 WEG auf den Verwalter übertrage, einen weiten Ermessenspielraum zu, wobei es vorliegend keiner Erörterung bedürfe, wo die Grenzen dieses Ermessens im Einzelnen verlaufen würden. Bei einer Erhaltungsmaßnahme entspreche die Delegation regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn – wie hier – die Wohnungseigentümer die grundlegende Entscheidung für die Vornahme getroffen hätten und der Verwalter nur über die Ausführung im Einzelnen entscheiden soll, da die Erzteilung von Aufträgen zur Instandsetzung oder Sanierung ohnehin nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würden, wen die Aufbringung der erforderlichen Mittel gesichert sei (BGH, Urteil vom 17.10.2017 – V ZR 184/16 -). Für den weiten Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer bei der Delegation von Aufgaben spreche auch ein praktisches Bedürfnis, da der Aufwand zur Durchführung einer Eigentümerversammlung vermieden und eine effiziente Verwaltung ermöglicht würde (so BT-Drs. 19/18791 S. 75).

Es sei auch nicht erforderlich, dass dem Verwalter in dem Beschluss ausdrücklich ein für ihn verbindlicher Entscheidungsmaßstab vorgegeben würde. Die Umsetzung von Beschlüssen treffe zwar nicht mehr den Verwalter, sondern die GdWE (§ 18 Abs. 1 WEG), die allerdings die ihr zugewiesenen Aufgaben durch ihre Organe erfülle und internes Organ für die Ausführung sei der Verwalter, der die Entscheidungen umsetze  (BGH, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 263/21 -). Würden dem Verwalter infolge der Kompetenzverlagerung Entscheidungsbefugnisse verbleiben, übe er die Befugnisse aus, die er auch ohne Delegation hätte. Sowohl bei seiner eigenen Entscheidungskompetenz nach § 27 Abs. 1 WEG als auch bei einer Kompetenzverlagerung nach § 27 Abs. 2 WEG müsse er als Organ der GdWE nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung handeln. Er sei zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, das billigste oder das technisch hochwertigste Angebot anzunehmen, müsse aber unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit nach pflichtgemäßen Ermessen bei mehreren Optionen diejenige wählen, die dem Interesse der Wohnungseigentümer nach billigen Ermessen gerecht würde (§ 18 Abs. 2 WEG).

Wenn es – wie hier – nur um die Durchführung der Maßnahme im Einzelnen gehen würde, gebe infolgedessen das Gesetz den Entscheidungsmaßstab hinreichend konkret vor, weshalb ihm im Beschluss nicht auferlegt werden müsse, dass der nach pflichtgemäßen Ermessen zu handeln habe. Bei seiner Entscheidung, welchen Handwerker er nach Einholung der Angebote beauftragt, habe er das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten und bei der Abwägung müsse er alle für die Entscheidung relevanten Umstände beachten.

Hier sei der Beschluss zum Austausch der Fenster gefasst worden. Dem Verwalter sei vorgegeben worden, drei weitere Angebote einzuholen. Die Kosten seien vorgegeben worden. Damit seien die wesentlichen Entscheidungen über die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme und der Finanzierung getroffen worden. Die Auftragsvergabe und die Durchführung im Einzelnen habe ohne weiteres auf den Verwalter delegiert werden können. Unschädlich sei, dass in dem Beschluss nicht auf das Leistungsverzeichnis und die Prioritätenliste eines beauftragten Sachverständigen Bezug genommen worden sei, da es ohnehin ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, die Unterlagen, auf denen der Beschluss über die Erneuerung der Fenster beruhe. Bei der Auftragsvergabe in den Blick zu nehmen und nur in begründeten Fällen abzuweichen, was nicht ausschließen würde, dass der Verwalter andere Prioritäten setzen könne, wenn sich die Verhältnisse ändern.

BGH, Urteil vom 05.07.2024 - V ZR 241/23 -

Samstag, 12. Oktober 2024

WEG: Normgerechte Auslegung der Beschlussfassung zum Hausgeld

Mit dem sogen. Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) wurde auch § 28 Abs. 5 WEG a.F. zu den Rechenwerken des Wirtschaftsplanes und der Jahresabrechnung geändert. Die Beschlussfassung bezieht sich nach dem jetzigen § 28 Abs. 1 S.1 und Abs. 2 S. 1 WEG nur noch auf die Vorschüsse, Anpassung der Vorschüsse und Nachforderungen. Dies führte zu vielen Fehlern in den folgenden Beschlussfassungen und Beschlüssen. Dies hat der zuständige V. Zivilsenat des BGH erkannt und verlangt eine objektive Auslegung der entsprechenden Beschlüsse. Bereits in seinem Beschluss vom 25.10.2023 - V ZB 9/23 - zu einem Beschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt wird“ hatte er ausgeführt, dass dieser Beschluss nächstliegend dahingehend auszulegen sei, dass die Wohnungseigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Vorschüsse festlegen wollen.

In dem diesem Beitrag zugrunde liegenden Urteil hatte die Wohnungseigentümerversammlung den Beschluss gefasst, dass „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 … genehmigt“ werden und die „Abrechnungsspitzen … zum 01.09.2021 fällig“ würden.  Das Amtsgericht hatte die dagegen erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Das Landgericht als Berufungsgericht hatte den Beschluss insoweit für nichtig erklärt, als mit diesem die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen genehmigt wurden. Die dagegen gerichtete Revision sah der BGH unter Fortführung seiner Rechtsprechung gemäß seinem Beschluss vom 25.10.2023 als begründet an.

Das Landgericht hatte die Nichtigkeit angenommen, da der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz nach § 28. Abs. 2 S. 1 WEG gefehlt habe, die sie entgegen der früheren Rechtslage nur zu Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan habe, zustehe, nicht aber für eine Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen. Eine gesetzeskonforme Auslegung käme hier nicht in Betracht, da nicht nur die Abrechnungsspitzen fällig gestellt worden seien, sondern nach dem Beschlusstext auch die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen genehmigt worden seien.

Der BGH stimmte dem Berufungsgericht dahingehend zu, dass nach der seit dem 01.12.2020 gültigen Fassung des § 28 Abs. 1 S. 1 WEG nach Ablauf des Wirtschaftsjahres nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung von Vorauszahlungen Beschlüsse gefasst werden können und auch nur insoweit entgegen vorheriger Rechtslage nur Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan (für das betroffene Jahr) erforderlich seien. Das Zahlenwerk, aus dem sich die Zahlungsverpflichtungen ergäben, sei nicht mehr Gegenstand der Beschlussfassung, sondern diene nur noch nach § 28 Abs. 2 S. 2 WEG deren Vorbereitung (BT-Drs. 19/18791, S. 77).

Unter Verweis auf seine Entscheidung vom 25.10.2023 verwies der BGH darauf, dass ein in 2020 gefasster Beschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt“ werde, nächstliegend dahingehend auszulegen sei, dass damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse) festgelegt würden.  Er habe dort bereits darauf hingewiesen, dass Beschlüsse objektiv und „aus sich heraus“ auszulegen seien, wobei es maßgebend darauf ankäme, wie er nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen sei. Dies spräche nächstliegend dafür, dass nach Inkrafttreten von § 28 Abs. 1 S. 1 WEG entsprechend dieser Norm nur über die Vorschüsse ein Beschluss gefasst werden sollte, auch wenn nach dem Wortlaut zugleich der Wirtschaftsplan genehmigt werden sollte.

Entsprechendes gelte auch für die Jahresabrechnung. Hier sei der Beschluss, durch den „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes“ genehmigt würden, nächstliegend dahingehend auszulegen, dass damit nur ein Beschluss zu den in den Einzelabrechnungen ausgewiesenen Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorauszahlungen festgelegt werden sollen. Es sei auch hier davon auszugehen, dass die zu einer rechtmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer nicht das Zahlenwerk als solches genehmigen, sondern nur entsprechend der gesetzlichen Vorgabe einen Beschluss über die Abrechnungsspitze fassen wollten. Damit aber sei die Genehmigung auf die Abrechnungsspitzen beschränkt, wofür sich aus § 28 Abs. 2 S. 1 WEG die Beschlusskompetenz ergäbe.

BGH, Urteil vom 19.07.2024 - V ZR 102/23 -

Freitag, 30. August 2024

WEG: Qualifizierte Mehrheit bei Änderung von Regelungen in Gemeinschaftsordnung und Öffnungsklausel

Die sogen. Öffnungsklausel betrifft Änderungen (zulässiger) Vereinbarungen der Wohnungseigentümer (Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung) nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG. Grundsätzlich bedarf die Änderung einer Vereinbarung der Mitwirkung sämtlicher Wohnungseigentümer. Neben gesetzlichen Öffnungsklauseln, nach denen eine Vereinbarung auch durch Beschluss geändert werden kann (z.B. §§ 16 Abs. 2 S. 2, 12 Abs. 4 und 21 Abs. 5 WEG) kann allerdings auch eine Öffnungsklausel vereinbart werden, also in die Gemeinschaftsordnung aufgenommen werden, nach der die Wohnungseigentümer allgemein oder in bestimmten Fällen nicht nur mittels einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer, sondern im Beschlussweg mit der (qualifizierten) Mehrheit eine Änderung vornehmen können.

Dem Rechtsstreit lag hier eine notariell bei Begründung des Wohnungseigentums 1984 protokollierte   und im Grundbuch gewahrte Gemeinschaftsordnung zugrunde, die u.a.  besagte, dass das Gebäude zu Wohnzwecken und gewerblichen Zwecken diene (Z. 2 Abs. 1) und der Bestimmungszweck des Gebäudes sowie der einzelnen Sondereigentumsräume „nur mit einer Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten Miteigentümer geändert werden kann“ (Z. 2. Abs. 4). Für die Änderung der Gemeinschaftsordnung sei ggf. zusätzlich die Zustimmung von Hypotheken- und Grundschuldgläubigern erforderlich (Z. 21 Abs. 1). Auf Antrag des Beteiligten wurde in einer Eigentümerversammlung vom 14.06.2022 mit Mehrheit der Beschluss gefasst, dass zum Einen die Vertretungsberechtigung in Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts nicht mehr auf Miteigentümer oder den Verwalter beschränkt ist, und die Teileigentumseinheiten 02 und 03 in Wohnungseigentum umgewandelt werden können, wird dies vom jeweiligen Sondereigentümer gewünscht. Der Geschäftsführer der Verwaltung beantragte mit notarieller Urkunde die „Änderung der Teilungserklärung“ zu den benannten Beschlüssen in den Grundbüchern der Gemeinschaft einzutragen. Mit Zwischenverfügung wies das Grundbuchamt darauf hin, dass die Zustimmung der dingliche berechtigten in Abt. III der Grundbücher erforderlich sei und setzte zur Behebung eine Frist. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abhalf.

Das Beschwerdegericht hob zwar die Zwischenverfügung auf die Beschwerde hin auf, doch dürfte dies dem Beteiligten nicht weiterhelfen.

Das Beschwerdegericht wies darauf hin, dass dann, wenn der beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen stehen würde, den Antrag entweder unter Angabe der Gründe zurückweisen oder (wie hier in der Sache geschehen) dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Behebung des Hindernisses setzen müsse (§ 18 Abs. 1 S. 1 GBO). Eine Zwischenverfügung (Hinweis mit Fristsetzung) käme aber nur dann in Betracht, wenn das Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragsstellung bei dem Grundbuchamt behoben werden könne (BGH, Beschluss vom 01.10.2020 - V ZB 51/20 -). Das Hindernis könne hier aber weder durch das vom Grundbuchamt aufgezeigte Abhilfemittel und schon gar nicht auf den Zeitpunkt der Antragsstellung behoben werden.

Dass für die vorgesehene Änderung der Vertretungsberechtigung bei der Stimmabgabe keine Öffnungsklausel für eine Änderung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss vorläge, sei offenkundig, weshalb der entsprechende Beschluss nicht Grundlage für eine Eintragung im Grundbuch sein könne.  

Vorliegend hätten nicht alle Wohnungseigentümer Erklärungen abgegeben noch wären sie übereinstimmend. Streitbefangen seien Beschlüsse seien Beschlüsse die zwar auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet seien, aber nicht auf Grund der Gemeinschaftsordnung gefasst worden seien.  Es würde eine entsprechende Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung fehlen.

Offen bleiben könne dabei, ob in Ansehung der Regelung unter Z. 2 Abs. 4 die Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss überhaupt geregelt sei oder es dort nur um Zweckbestimmungen gehe, also ob Wohnungseigentum auch gewerblich genutzt werden dürfe, was hier (noch) nicht streitgegenständlich sei.

In der Sache sei der Beschluss auf Umwandlung auf die Schaffung einer Öffnungsklausel gerichtet, aufgrund derer der Beteiligte als derzeitiger Eigentümer der Teileigentumsrechte ohne weitere Beteiligung der anderen Miteigentümer eine Umwandlung in Wohnungseigentum vornehmen könne. Ein entsprechender Änderungsvorbehalt sei in der Gemeinschaftsordnung bisher nicht geregelt, was bedeute, dass zunächst eine entsprechende Vereinbarung der Miteigentümer untereinander erforderlich sei. Diese Vereinbarung läge bisher nicht vor.

Unter Verweis auf § 10 Abs. 3 S. 2 WEG verwies das Beschwerdegericht darauf, dass Beschlüsse zur Wirksamkeit gegenüber Sondernachfolgern, die nicht aufgrund einer Vereinbarung ergehen würden, keiner Eintragung im Grundbuch bedürfen. Daraus folge zugleich deren fehlende Eintragungsfähigkeit (BGH, Beschluss vom 16.09.1994 - V ZB 2/93 -; hier wies der BGH auf die Notwendigkeit einer Anfechtung hin). 

An das Grundbuchamt erging durch das Beschwerdegericht der Hinweis, dass nicht eine Zwischenverfügung zur Vorlage einer Vereinbarung ergehen könne, da mittels der Zwischenverfügung nicht auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hingewirkt werden könne, welches Grundlage einer einzutragenden Rechtsänderung werden könne.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2024 - 1 W 378/23 -

Dienstag, 18. Juni 2024

Durchsetzung von Mängelansprüchen bei WEG mit verselbständigten Untergemeinschaften

Die Klägerin, selbst Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), teilte als Bauträgerin das Grundstück, auf dem sich zwei Häuser befanden, wobei sie in jedem der Häuser (G-Str. 54 und G-Str. 56) Untergemeinschaften bildete. In der Gemeinschaftsordnung war aufgenommen worden, dass „die auf dem Grundstück aufstehenden Wohngebäude … im Ergebnis so weit wie möglich getrennt und unabhängig voneinander behandelt werden (sollen), so dass die Einheiten 1 bis 8 (G-Str. 54) und die Einheiten 9 – 13 (G-Str. 56) jeweils eine gesonderte Wirtschaftsgemeinschaft und hinsichtlich ihres Gebäudes eine eigene, getrennte Eigentümergemeinschaft bilden“. Ferner war aufgenommen, dass jede Untergemeinschaft eine eigene Eigentümerversammlung abhält, „die nur diese Gemeinschaft betrifft“.

Auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft vom 04.02.2020 wurde u.a. beschlossen, die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche pp. die den Erwerben gegen die Klägerin als Bauträger zustehen, an sich zu ziehen. In der Folge wurde von der GdWE Klage gegen die Klägerin erhoben, wobei es sich bei den geltend gemachten Mängeln ausschließlich um solche handelte, die sich auf das Objekt G-Str, 54 bezogen. In einer weiteren Eigentümerversammlung vom 15.10.2021 der Gesamtgemeinschaft wurde zum Einen beschlossen, den Prozess zunächst fortzusetzen und ein vom Gericht beauftragtes Gutachten abzuwarten um dann mit der Klägerin einen Vergleich anzustreben (TOP 14), zum Anderen wurde eine Sonderumlage zur Prozessfinanzierung beschlossen (TOP 15). Die Klägerin wandte sich mit ihrer Klage gegen die benannten Beschlüsse der Versammlung vom 15.10.2021.

Während das Amtsgericht der Klage stattgab, wurde sie vom Landgericht abgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH stellte fest, dass die Gesamtgemeinschaft zu TOP 14 Beschlusskompetenz hatte. Sie habe auf der Grundlage des Beschlusses vom 04.02.2020 die auf Mängelbeseitigung gerichteten Rechte durch den nicht angefochtenen Beschluss wirksam an sich gezogen und sei deshalb auch am 15.10.2021 befugt gewesen, über die mit dem Prozess verbundenen Folgeangelegenheiten zu entscheiden. Den Beschluss über die Vergemeinschaftung der Mängelrechet vom 04.02.2020 habe auch nur die Gesamtgemeinschaft, nicht die Untergemeinschaft G-Str. 54 fassen können.

Es könnten in Mehrhausanlagen durch Vereinbarung gem. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG weitgehend verselbständigte Untergemeinschaften gebildet werden. Damit könnte den Mitgliedern der für einzelnen Gebäude gebildeten Untergemeinschaften durch die Gemeinschaftsordnung zwar die Kompetenz eingeräumt werden, unter Ausschluss anderer Eigentümer die Durchführung von Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen für das zu der jeweiligen Untergemeinschaft gehörende Gebäude zu beschließen, wenn zugleich bestimmt sei, dass auch diese Mitglieder alleine für die Kosten aufzukommen haben. Gleichwohl müsse aber auch dann, wenn die Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit über Lasten und Kosten entscheiden könnten, eine einheitliche Jahresabrechnung für die Gesamtgemeinschaft erstellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2021 –-V ZR 163/20 -). Offen bleibe, wie es sich verhalte, wenn nach der Teilungserklärung eine eigene Teilversammlung abgehalten werden dürfe und gleichwohl die Gesamtversammlung abstimmte.

Die Rechte wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums stünden den Erwerben aus den jeweiligen mit dem Veräußerer abgeschlossenen Verträgen zu. Der Erwerber könne deshalb solange seine individuellen Rechte aus dem Vertrag gegen den Veräußerer selbst verfolgen, solange dadurch nicht schützenswerte gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers beeinträchtigt würden. Die GdWE sei von vornherein für die Geltendmachung und Durchsetzung solcher Rechte alleine zuständig, die ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen seien und ein eigenständiges Vorgehen der einzelnen Wohnungseigentümer nicht zulassen würden. Das würde das Minderungsrecht und den kleinen Schadenersatz betreffen. Darüber hinaus könne die GdWE im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums die auf ordnungsgemäße Herstellung desselben gerichteten Rechte durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen (BGH, Urteil vom 15.01.2010 - V ZR 80/09 -).

Diese Beschlusskompetenz zur Vergemeinschaftung von Mängelrechten würde auch dann der Gesamtgemeinschaft (und nicht der Untergemeinschaft) zustehen, wenn die Mängel nur den einer Untergemeinschaft zugeordneten Teil einer Anlage betreffen würden. Ansonsten wäre eine effektive Rechtsverfolgung beeinträchtigt. Zum Einen würde sich vielfach zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vergemeinschaftung noch nicht sicher abschätzen lassen, ob sich ein Sachmangel auf das Gebäude mit den Mängelsymptomen beschränkt, zum Anderen sei denkbar, dass ein Haus einer Mehrhausanlage einen Mangel aufweise, die Mangelsymptome aber an einem anderen Haus zum Vorschein treten würden. Es müsse aber von vornherein klar und eindeutig feststehen, welchem Rechtsträger die Beschlusskompetenz zustünde; dies sei nur zu erreichen, wenn wie Beschlusskompetenz alleine der Gesamtgemeinschaft zugeordnet würde.

BGH, Urteil vom 23.01.2024 - V ZR 132/23 -

Montag, 2. Oktober 2023

WEG: Pflicht des ausgeschiedenen Verwalters zur Erstellung der Jahresabrechnung für Vorjahr

Die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) begehrte mit ihrer Klage die Verurteilung der von ihr mit Beschluss vom 05.11.2021 mit sofortiger Wirkung abberufenen Verwalterin (Beklagte) die Erstellung der Jahresabrechnung 2020.  Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien, dass die Klägerin der Beklagten die Verwaltungsunterlagen zur Verfügung stellt und diese binnen 14 Tagen die Jahresabrechnung erstellt. Die zu beantwortenden Rechtsfragen waren die Grundlage für die vom Gericht sodann zu treffende Kostenentscheidung.

Nach einem Urteil des AG Kassel vom 11.11.2021 - 800 C 850//21 -, auf welches die Beklagte abstellte, soll der abberufene Verwalter für die Erstellung der Jahresabrechnung nicht zuständig sein. Es begründete dies mit der Änderung des WEG zum 01.12.2020durch das WEMoG, wonach die Erstellung der Jahresabrechnung Aufgabe der GdWE selbst sei und der Verwalter infolge der gesetzlichen Neufassung nur noch Organ der GdWE zur Umsetzung sei. Damit sei der jeweilige aktuelle Verwalter handlungsverpflichtet (§ 28 Abs. 2 WEG) und die frühere Rechtsprechung des BGH nicht mehr anwendbar.

Dem folgte das AG Wiesbaden nicht. Nach seiner Auffassung bliebe der der abgewählte Verwalter weiterhin verpflichtet und könne von daher auch verklagt werden. Es kondiziert, dass nach der Gesetzesänderung die GdWE für die Erstellung der Jahresabrechnung zuständig sei und der Verwalter nur ihr Organ. Allerdings würde die Beendigung der Organstellung nicht die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung tangieren. Zu berücksichtigen sei hier der Verwaltervertrag zwischen der GdWE und dem Verwalter als deren Organ. Mit seinem Urteil vom 16.02.2018 - V ZR 89/17 - habe der BGH in der Erstellung der Jahresabrechnung eine fortwirkende nachvertragliche Verpflichtung des ausgeschiedenen Verwalters gesehen, wenn der Anspruch zur Erstellung in der Amtszeit des Verwalters entstanden sei. Der Leitsatz der Entscheidung des BGH lautet:

Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung gemäß § 28 Abs. 3 WEG trifft den Verwalter, der im Zeitpunkt der Entstehung der Abrechnungspflicht Amtsinhaber ist. Scheidet der Verwalter im Laufe des Wirtschaftsjahres aus seinem Amt aus, schuldet er - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung - die Jahresabrechnung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr unabhängig davon, ob im Zeitpunkt seines Ausscheidens die Abrechnung bereits fällig war.“ 

Die Fälligkeit, so der BGH, würde nichts darüber aussagen, wer die Leistung schulde, weshalb für die Frage, welcher Verwalter verpflichtet sei, auf deren Zeitpunkt der Entstehung abzustellen sei. Dies wäre, auf den vorliegenden Streitfall bezogen, die abberufene Beklagte, da die Entstehung der Jahresabrechnung 2020 mit Ablauf des Jahres 2020 eintrat und sie zu diesem Zeitpunkt Verwalterin und nach § 28 Abs. 2 WEG zum Handeln verpflichtet war.

Der Entscheidung des AG Wiesbaden ist zuzustimmen. Das AG Kassel und die dies stützende Literatur (so Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. § 28 Rn. 106) stellen fehlerhaft nur auf die Organstellung des Verwalters ab mit Hinweis darauf, dass diese Organpflicht keine nachwirkende Verpflichtungen begründe. Zwar ist dem zuzustimmen, doch ergibt sich hier eine naschwirkende Verpflichtung aus dem Verwaltervertrag, nach dem der Verwalter die Jahresabrechnung zu erstellen gehabt hätte, worauf zutreffend das AG Wiesbaden abstellte. Auf eine nachwirkende Vertragsverpflichtung hatte auch der BGH abgestellt, die durch des Gesetzesänderung zum 01.12.2020 nicht tangiert wurde.

Ob daneben auch der neue Verwalter (hier infolge seiner Organstellung) verpflichtet sein könnte die Jahresabrechnung (gar ohne gesonderte Vergütung) zu erstellen, war nicht entscheidungsrelevant (wie auch im Fall des BGH aaO.).

Dass die Kosten vom AG Wiesbaden gleichwohl der Klägerin auferlegt wurden erfolgte vor dem Hintergrund, dass die GdWE der ausgeschiedenen Verwalterin die Unterlagen zur Erstellung der Jahresabrechnung nicht zur Verfügung stellen wollte, sondern ihr nur eine Einsichtnahme in diese ermöglichen wollte.

AG Wiesbaden, Beschluss vom 26.05.2023 - 92 C 2882/22 -

Freitag, 30. Juni 2023

Grundpfandrechtserstreckung bei interner Miteigentumsanteilsübertragung in WEG

Die Beteiligten Wohnungseigentümer einigten sich, dass das für die Beteiligte 2 eingetragene (und frei von Belastungen in Abt. III befindliche) Sondereigentum Gemeinschaftseigentum wird und der Miteigentumsanteil der Beteiligten zu 2. auf den Grundbuchblättern von weiteren Beteiligten anteilsmäßig übertragen wird. Das Grundbuchamt erließ eine Zwischenverfügung, mit der es in Bezug auf die begünstigten Grundbuchblätter eine Nachverpfändung der in diesen Grundbuchblättern eingetragenen Grundbuchrechte forderte, ferner die jeweiligen betroffenen Eigentümer aufforderte, sich auch in Ansehung der neuen Miteigentumsanteile in Ansehung der Belastungen in Abt. III deren Grundbücher (Grundschulden) sich auch insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen müssten. Zudem forderte es Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Nachgereicht wurden von den Beteiligten die Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Im Übrigen kamen sie den Anforderungen in der Zwischenverfügung nicht nach. Das Grundbuchamt wies daraufhin die Eintragungsanträge (sowie den Antrag auf Schließung des Teileigentumsgrundbuchblattes der Beteiligten zu 2.) zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde war erfolgreich. Weder sei eine Nachverpfändung notwendig noch eine Vollstreckungsunterwerfung.

Zur Problematik: Das in Abteilung III mit einer Grundschuld belastete Sondereigentum kann vom Gläubiger regelmäßig z.B. durch einen Zwangsversteigerungsantrag in Anspruch genommen werden. Doch bezieht sich die Grundschuld nur auf das Sondereigentum, wie es zum Zeitpunkt dessen Eintragung bestand. Werden dem Sondereigentum nach Wahrung der Grundschuld Miteigentumsanteile zugeschlagen, würden die Rechte des Grundschuldgläubigers tangiert, wenn sich die Grundschuld nach Übertragung von anderen Miteigentumsanteilen nicht mehr auf alle Miteigentumsanteile erstrecken würde; in diesem Fall würden im Falle einer Zwangsversteigerung nicht alle Miteigentumsanteile versteigert werden können. Dies zugrundelegend hatte das Grundbuchamt die Nachverpfändung der hinzukommenden Miteigentumsanteile und die Vollstreckungsunterwerfung gefordert.

Grundsätzlich hielt das OLG fest, dass die interne Übertragung von Miteigentumsanteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Sondereigentum als zulässig angesehen würde, allerdings streitig sei, ob sich Belastungen des Wohnungseigentums, dem die Miteigentumsanteile zugefügt würden, auch auf die hinzugefügten Miteigentumsanteile beziehen würden (so z.B. LG Wiesbaden, Beschluss vom 08.01.2004 - 4 T 652/03 -), oder aber diesbezüglich eine Nachverpfändung erforderlich sei (BayObLG, Beschluss vom 26.09.1958 - 2 Z 104/58 -).

Das OLG verwies in seinem Beschluss auf einen Beschluss des BGH vom 18.06.1976 - V ZR 156/76 -. Der BGH sähe in der Änderung der mit einem bestimmten Sondereigentumsanteil verbundenen Miteigentumsquote eine Inhaltsänderung iSv. § 877 BGB. Damit würden sich die auf den bisherigen Miteigentumsanteilen lastenden Grundpfandrechte kraft Gesetzes auch auf den inhaltlich geänderten Miteigentumsanteil erstrecken. Da dies für den Grundpfandrechtsgläubiger rechtlich vorteilhaft sei, bedürfe es nicht seiner Zustimmung.

OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.2022 - 15 W 271/22 -

Dienstag, 28. März 2023

Wer kann vom WEG-Verwalter Auskunft / Einsichtnahme in Unterlagen verlangen ?

Noch immer besteht in großen Umfang Unkenntnis über doch gravierende Änderungen, die die letzte umfassende Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes zum 01.12.2020 bewirkte. Dies gilt auch zum Umfang der Rechte der Wohnungseigentümer. Gegenständlich war das Begehren der klagenden Wohnungseigentümerin, die von der Beklagten (der bis kurz vor Klageerhebung Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft war) Einsicht in Kontoauszüge der Jahre 2018 bis 2020. Das Amtsgericht wies die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation ab; die dagegen gerichtete Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Eine Rechtsbeziehung zwischen dem Wohnungseigentümer und dem Verwalter würde nicht bestehen und von daher könne nicht der einzelne Wohnungseigentümer Ansprüche, wie hier, gegen den Verwalter geltend machen, sondern nur (noch) der Verband (LG München, Beschluss vom 16.02.2022 - 36 T 1514/22 -). Die rechtliche Eigenständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (des Verbandes) wird immer deutlicher.

Auch könne die Klägerin hier keine Ansprüche aus dem Rechtsinstitut eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier der Wohnungseigentümer) herleiten. Aus diesem Rechtsinstitut würden sich keine hier geltend gemachte Leistungsansprüche herleiten lassen. Von daher könne hier auf sich beruhen, ob der Wohnungseigentümer in den Schutzbereich des Verwaltervertrages entsprechend einbezogen sei. Das Argument der Klägerin, das Einsichtnahmerecht geltend machen zu können, der Verwalter verwalte Fremdgelder, greife nicht, da das Verwaltungsvermögen schon nach der Rechtslage vor dem 01.12.2020 dem Verband zugeordnet gewesen sei und sich daran nichts geändert habe (§ 10 Abs. 6 WEG a.F., § 9a Abs. 3 WEG n.F.) und dies auch die Instandhaltungsrücklage beträfe.

Das Einsichtnahmerecht des Wohnungseigentümers in die Verwaltungsunterlagen sei abschließend in § 18 Abs. 4 WEG geregelt. Dieses Recht richte sich nach dem Wortlaut gegen den Verband („…kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen“). Den Verband habe die Klägerin hier aber nicht verklagt. Nach Angaben der Klägerin könne dieser auch den Anspruch nicht erfüllen, da der alte (von ihr verklagte) Verwalter die Unterlagen nicht an den aktuellen Verwalter herausgegeben habe. Auch dies begründe kein eigenes Recht der Klägerin. Der Herausgabeanspruch stünde dem Verband zu.

Zwar bestünde auch nach der jetzigen Rechtslage ein Rechenschaftsanspruch gegenüber dem (alten) Verwalter (trotz Streichung des § § 28 Abs. 2 WEG a.F., LG Dortmund, Urteil vom  01.0.2022 - 1 S 172/21 -), doch sei Gläubiger auch hier der Verband.

Auch konnte die Klägerin mit dem Argument, die anderen Wohnungseigentümer hätte kein Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung und würden gegen den ehemaligen Verwalter keine Ansprüche geltend machen wollen, nicht durchdringen. Das Landgericht verwies darauf, dass in diesem Fall die Klägerin entsprechende Beschlüsse der Gemeinschaft herbeiführen müsse und im Falle ihrer Ablehnung ggf. durch eine Beschlussersetzungsklage dagegen vorgehen müsse.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.10.2022 - 2-13 S 59/22 -

Sonntag, 9. Oktober 2022

WEG: Anspruch von Nutzung von Teileigentum zu Wohnzwecken ?

Die Parteien waren Mitglieder einer Teileigentümergemeinschaft, die aus sieben Einheiten bestand. Nach der Teilungserklärung „dürfen“ die Einheiten „zur beruflichen oder gewerblichen Nutzung“ dienen, „insbesondere als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden“. Der Beklagte war Eigentümer einer als Arztpraxis vermieteten Einheit im Erdgeschoss; nach Errichtung eines Ärztehauses in der Nachbarschaft kündigte der Mieter. Er bildete die Einheit um und vermiete sie als Wohnraum. Das Amtsgericht wies die auf Unterlassung der Vermietung als Wohnraum gerichtete Klage zurück. Die Berufung dagegen war erfolgreich. Mit seiner Revision bei dem BGH drang der Beklagte nicht durch.

Es bestünde ein Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG. Danach könne jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechend der Vereinbarung (Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung) verlangen. Die Nutzung der Einheit des Beklagten zu Wohnzwecken widerspreche der Teilungserklärung (TE) bzw. im weiteren Sinne den in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen der Gemeinschaftsordnung.

Soweit es in der TE heiße, die Einheiten „dürfen“ beruflich oder gewerblich genutzt werden, würde es sich trotz des verwandten Verbs „dürfen“ um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handeln iSv. § 15 Abs. 1 WEG handeln (BGH, Urteil vom 27.10.2017 - V ZR 193/16 -). Dies ergäbe sich aus der Vorbemerkung zu der TE, demzufolge das gesamte Gebäude „zur beruflichen und gewerblichen Nutzung dienen wird“.

Der BGH wies darauf hin, dass eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung sich aber als zulässig erweisen können, wenn sie „bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung“. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, auch wenn die Teilungserklärung jegliche berufliche oder gewerbliche Nutzung als lediglich für Apotheke und Arztpraxis erlauben sollte. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass die Anlage ausschließlich aus Teileigentumseinheiten bestünde und das gesamte Gebäude gewerblichen oder beruflichen Zwecken diene. Es könne dahinstehen, wie es sich bei einer Anlage mit Wohnungs- und Teileigentum verhalte. Bei der notwendigen typisierenden Betrachtungsweise sei die Nutzung eines Teileigentums zu Wohnzwecken in einem lediglich beruflichen oder gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzungsart, da eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (Küchengerüche, Freizeit- und Kinderlärm, Musik pp.) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (wie im Hausflur herumstehender Gegenstände) verbunden sei und ganztägig, auch an Wochenenden, erfolge. Nicht entscheidend sei, on durch die Wohnnutzung ein geringerer Besucherandrang vorläge oder sich die Anlage in einem reinen Wohngebiet befinde. Die Teileigentümer hätten ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter der Anlage erhalten bleibe, um mögliche Konflikte durch eine in der TE nicht angelegte gemischte Nutzung von vornherein zu vermeiden. Sie dürften darauf vertrauen, dass sich alle Teileigentümer an die vereinbarten Zweckbestimmungen halten.

Der Umstand, dass eine Heimnutzung, die typischerweise dem Aufenthalt von Menschen rund um die Uhr dient, als in Teileigentumseinheiten grundsätzlich statthaft angesehen würde (BGH aaO.), spreche hier nicht gegen das Unterlassen. Eine Heimnutzung müsse von einer reinen Wohnnutzung abgegrenzt werden, da sie sich von dieser unterscheide.

Der Beklagte könnte einen Anspruch auf eine Änderung der TE gem. § 10 Abs. 3 S. 2 WEG haben. Dieser fall läge vor, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Eigentümer, unbillig erscheine. Dies ließe sich hiernach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneinen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Kodifizierung des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG die Hürden an die Anpassung bewusst abgesenkt habe, indem nun nur noch „schwerwiegende Gründe“ und nicht mehr „außergewöhnliche Umstände“ erforderlich seien. Solche schwerwiegenden Gründe könnten vorliegen, wenn (wie der beklagte behauptet) eine dauerhafte gewerbliche Vermietung angesichts der Lage und Ausstattung des Gebäudes nicht ernsthaft zu erwarten sei. Darüber hinaus müsse geprüft werden, welche Interessen aus Sicht der anderen Eigentümerneben dem formalen Interesse gegen die Anpassung sprechen würden. Hier könnten bauliche Gegebenheiten bedeutsam sein, da die Einheit des Beklagten im Erdgeschoß läge und so möglicherweise den Eindruck von der Anlage prägen könnte, wobei allerdings auch zu berücksichtigen sei, dass der Beklagte dafür gesorgt haben soll, dass die zwei aus dem Teileigentum hervorgegangenen Wohnungen über einen hinter der Eingangstür gelegenen gemeinsamen Windfang betreten würden. Auch müsse bei der Abwägung nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG bedacht werden, dass sich ein dauerhafter Leerstand für die gesamte Anlage nachteilig erweisen könnte.

Allerdings könne der Beklage einen eventuell danach bestehenden Anpassungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 4 WEG dem Unterlassungsanspruch nicht einredeweise entgegenhalten (BGH, Beschluss vom 13.07.1995 - V ZB 6/94 -). Die Gemeinschaftsordnung würde solange gelten, bis sie durch Vereinbarung aller Eigentümer oder durch richterliche Entscheidung ersetzt worden sei. Berechtigte Anpassungsbegehren müssten in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden, damit klar und eindeutig ist, welche Vereinbarungen im Verhältnis der Wohnungs-/Teileigentümer untereinander gelten. Dieses Ziel könne nicht erreicht werden, wenn eine entsprechende Einrede geltend gemacht werden könne. Durch eine die Einrede berücksichtigende Entscheidung würde auch nicht eine Anpassung in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden können. Keiner Entscheidung bedürfe es, wie zu verfahren gewesen wäre, wenn der Beklagte Widerklage auf Anpassung der Gemeinschaftsordnung erhoben hätte (da eine Widerklage nicht vorlag).

BGH, Urteil vom 15.07.2022 - V ZR 127/21 -

Montag, 8. August 2022

Qual der (gerichtlichen) Verwalterbestellung in zerstrittener Zweier-WEG

Die Antraggegnerin (AG), eine Wohnungseigentümergemeinschaft, hatte keinen Verwalter. Der Antragsteller (AS) war einer der zwei Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, das andere Mitglied lehnte eine Fremdverwaltung ab. Nachdem ein in 2021 mit den Stimmen des AS gewählter wegen unüberbrückbarer Differenzen mit dem zweiten Mitglied der AG sein Amt niederlegte, beantragte der AS per einstweiliger Verfügung die gerichtliche Bestellung eines Verwalters. Das Amtsgericht wies den Antrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit zurück. Die eingelegte Beschwerde war zwar zulässig, wurde aber vom Landgericht (LG) in der Sache zurückgewiesen.

Zunächst stellte sich für das LG die Frage, ob für die AG ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein selbständiges Rechtsgebilde und aktiv wie auch passiv parteifähig. Allerdings würde vorliegend die AG durch den weiteren Wohnungseigentümer vertreten, wie es auch vom AS in seiner Antragsschrift angegeben worden sei (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.07.2021 - 2-13 S 5/21 -).

Vom Grundsatz her vertrat das LG entgegen dem Amtsgericht die Auffassung, dass zumindest für eine vorübergehende Verwalterbestellung eine Eilbedürftigkeit angenommen werden könnte, da nach § 9b WEG eine Vertretung der AG nur durch einen Verwalter oder alle Eigentümer gemeinschaftlich möglich sei, was vorliegend wegen der Differenzen zwischen dem AS und dem weiteren Eigentümer kaum praktikabel sei.

Auch würde der Verfügungsanspruch bestehen, da in jeder Wohnungseigentümergemeinschaft ein Anspruch auf einen Verwalter bestünde. Auf eine erforderliche Vorbefassung der Eigentümer in einer Eigentümerversammlung könne hier, in einer zerstrittenen Zwei-Personen-WEG mit gleichem Stimmrecht verzichtet werden, zumal die Teilungserklärung für Beschlussfassungen Einstimmigkeit vorsehe.

Allerdings würde es hier an der Angabe eines übernahmewilligen Verwalters ermangeln, ohne dessen Angabe ein Verwalter nicht bestellt werden könne. Die Beschlussersetzung durch das Gericht trete an die Stelle der Beschlussfassung der Eigentümerversammlung. Der Prüfungsmaßstab für die Eigentümer und das Gericht für eine Verwalterbestellung sei damit identisch. Bei der Verwalterbestellung durch die Eigentümer handele es sich um eine Ermessensentscheidung und die Ermessensbasis könne nicht durch eine gerichtliche Beschlussersetzungsklage verringert werden. Mithin müssten die Parteien des Rechtsstreits im Rahmen des prozessualen Beibringungsgrundsatzes die zur Ermessensausübung erforderlichen Tatsachen vortragen, damit das Gericht in der Weise entscheiden könne, wie es an sich Aufgabe der Eigentümerversammlung sei. Es sei deshalb Sache des AS, geeignete Personen für die Verwalterbestellung vorzuschlagen, deren Konditionen für den Verwaltervertrag mitzuteilen und deren Zustimmung zur Übernahme durch gerichtliche Bestellung darzulegen (zumindest einer müsste entsprechend vorgeschlagen werden, LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.11.2019 - 2-13 T 82/19 -).

Der AS hatte vorgetragen keinen zur Übernahme bereiten Verwalter zu finden, da keiner die Verwaltung in einer zerstrittenen Zweier-Gemeinschaft übernehmen wolle.  Auch das Gericht könne niemanden zur Übernahme zwingen; es sei auch nicht Aufgabe des Gerichts, anstelle der Eigentümer einen übernahmebereiten Verwalter zu ermitteln.

Auch wenn man annehmen wollte, dass es sich um ein Gestaltungsurteil handele, bei dem das Gericht einen Ermessenspielraum habe, und ferner die Auffassung vertreten würde, dass der heutige § 44 Abs. 1 S. 2 WEG im Vergleich zu dem alten § 21 Abs. 3 WEG keine inhaltlichen Auswirkungen habe, sei es nicht Aufgabe des Gerichts die für die Entscheidung notwendigen Tatsachen, auch für eine Ermessensentscheidung, beizubringen, sondern Sache der Parteien. Der Vorgang sei nicht vergleichbar mit der Bestellung eines Insolvenzverwalters oder eines Betreuers, da dort das Gericht im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig würde. Die Stellung des WEG-Verwalters sei nicht ansatzweise vergleichbar, wobei auch in der gerichtlichen Praxis übernahmebereite Verwalter dem Gericht nicht bekannt seien.

Ob hier eine analoge Anwendung des § 29 BGB in Betracht komme könne auf sich beruhen, da der AS diesbezüglich keinen Antrag gestellt habe, der zudem in die freiwillige Gerichtsbarkeit falle und vom Rechtspfleger zu entscheiden sei (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a RPflG).  Allerdings sei nach Auffassung der Kammer die Möglichkeit im Wohnungseigentumsrecht durch den Gesetzgeber in Form der Beschlussersetzungsklage abschließend geregelt.

Die Kammer wies in der Entscheidung auf Praxisdefizite der neuen Regelung gegenüber der bisherigen Regelung in § 27 Abs. 3 S. 3 WEG a.F. gerade für Kleinstgemeinschaften hin. Diese müsse aber der Gesetzgeber lösen.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.05.2022 - 2-13 T 26/22 -

Sonntag, 31. Juli 2022

Photovoltaikanlage auf Balkon der Wohnungseigentumsanlage (§ 20 WEG)

Die Wohnungseigentumsanlage war mit Balkonen versehen, vor denen sich Pflanzkübel befanden, die teilweise bepflanzt waren. Der Beklagte, ein Sondereigentümer in der WEG, hatte auf dem seiner Wohnung zugeordneten Balkon eine Photovoltaikanlage installiert. Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte deren Beseitigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Das Amtsgericht wie die Klage mit der Begründung ab, es sei von der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft nicht der Nachweis der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums geführt worden, zumal es sich - wenn überhaupt - nur um eine unerhebliche nachteilige Veränderung des optischen Eindrucks handeln würde. Auf die Berufung hin wurde das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Rechtsgrundlage für das berechtigte Begehren der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) sei § 1104 Abs. 1 BGB iVm. §§ 20, 14 Abs. 1 WEG mangels einer Duldungspflicht der Klägerin nach § 1004 Abs. 2 BGB.

Eine „bauliche Veränderung“ iSv. § 20 Abs. 1 WEG vorliege, bei der es sich um eine Maßnahme handele, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehe, liege nicht nur vor, wenn in die Substanz des Gemeinschaftseigentums eingegriffen würde. Entscheidens sei, ob eine auf Dauer angelegte Maßnahme zu einer Veränderung des  gemeinschaftlichen Eigentums führe, wobei eine optische Veränderung ausreichend sei (OLG Hamburg, Beschluss vom 17.01.2005 - 2 Wx 103/04 - zu einem Fassadenanstrich). Diese optische Veränderung nahm das Berufungsgericht an. Nach dem in den Akten befindlichem Lichtbild sei lediglich die Balkonbrüstung des Beklagten mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet. Unstreitig sollen dort vorher nur Pflanztröge optisch wahrnehmbar gewesen sein. Damit habe sich die die Anlage das Gesamtbild für die Eigentümer und Dritte deutlich verändert. Da es ich insoweit um eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums handele, könne die Klägerin deren Beseitigung grundsätzlich verlangen, ohne dass es auf eine Wesentlichkeit ankäme.

Dem Beseitigungsverlangen könne nur eine Duldungsverpflichtung nach § 1004 Abs. 2 BGB entgegenstehen, die hier vom Landgericht verneint wurde.

Eine Duldungspflicht würde sich hier nicht aus einem Gestattungsanspruch iSv. § 20 Abs. 1 WEG herleiten lassen. Ein diesbezüglicher Antrag des Beklagten sei von der Eigentümerversammlung abgelehnt worden. Er würde auch nicht bestehen. Der Anspruch auf förmliche Gestattung einer baulichen Veränderung gem. § 20 Abs. 3 WEG verlange, dass alle Eigentümer, deren Rechte über das Maß eines geordneten Zusammenlebens beeinträchtigt wären, einverstanden seien. Durch die hier gegebene optische Beeinträchtigung seien im Hinblick auf einen Vorher-Nachher-Vergleich (BGH, Urteil vom 18.11.2016 - V ZR 49/16 - alle Eigentümer betroffen, da die betroffene rückwärtige Fassade des Hauses weithin einsehbar sei. Die Balkone seien mit vorgelagerten Pflanztrögen ausgestattet und ein Großteil der Bewohner habe diese zur Begründung genutzt. Es ergäbe sich der Eindruck einer terrassierten, kastenartigen Fassade, die durch die horizontale Bepflanzung aufgebrochen sei. Diesem Gesamteindruck laufe die angebrachte Photovoltaikanlage zuwider, die Kollektoren würden sich deutlich von der üblichen Gestaltung abheben und auch dem flüchtigen Betrachter ins Auge stechen. Aus dem Umstand, dass einige Pflanztröge nicht begrünt worden seien, würde sich das Gesamterscheinungsbild nicht wesentlich ändern; es würde nicht dazu führen, dass bereits (frühere) Veränderungen zu einem uneinheitlichen Gesamtbild geführt hätten, das durch die jetzige Maßnahme nicht mehr wesentlich verstärkt würde (BGH aaO.). Bei der teilweise fehlenden Begrünung läge keine prägende optische Gestaltung vor; vielmehr würde es sich bei der Photovoltaikanlage um das einzige optisch hervorstechende Bauteil handeln.

Ein Anspruch des Beklagten ergäbe sich auch nicht aus einer anlogen Anwendung von § 20 Abs. 2 WEG. Der Gesetzeswortlaut enthalte eine enumerative Aufzählung von privilegierten Maßnahmen, bei ordnungsgemäßer Verwaltung im Rahmen einer Entscheidung der Eigentümerversammlung zu berücksichtigen sind. Die Photovoltaikanlage falle nicht unter die Auflistung in § 20 Abs. 2 S. 1 WEG; nur im Rahmen gesetzgeberisch abschließenden Regelung der Privilegierung käme eine analoge Anwendung allenfalls in Betracht. § 20 Abs. 2 WEG enthalte (entgegen der Ansicht in Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. 2021 zu § 20 Rn. 103 zum Klimaschutz) keine entsprechende Zielsetzung, weshalb alleine ein schützenswertes Interesse (Hügel/Elzer: Klimaschutz u.ä.) einer analogen Anwendung dem gesetzgeberischen Willen widerspräche.  

LG Bamberg, Urteil vom 22.07.2022 - 42 S 9/22 WEG -

Donnerstag, 28. April 2022

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist kein Kaufmann (zur Gerichtstandvereinbarung, § 38 ZPO)

Bei der Klägerin handelte es sich um ein gewerbliches Reinigungsunternehmen, die für die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) tätig war. Ihren Werklohnanspruch machte sie ursprünglich gegen die in Form einer GmbH geführten WEG-Verwalterin vor dem AG W. geltend. Dort wurde die Klage erhoben, da nach den AGB der Klägerin als Erfüllungsort und Gerichtsstand W. benannt wurde. Die Klage gegen die GmbH nahm die Klägerin zurück und richtete sie nunmehr gegen die WEG. Die beklagte WEG rügte die Unzuständigkeit des AG W. Nach Anhörung verwies das AG W. den Rechtsstreit an das AG H.-M., in dessen örtlichen Bereich das Wohnungseigentum lag. Das AG H.-M. sah die Verweisung als willkürlich an, erklärte sich für unzuständig und legte den Rechtsstreit dem OLG Celle zur Zuständigkeitsbestimmung vor mit der Begründung, die WEG sei qua Gesetz teilrechtsfähig und von daher wie eine juristische Person zu behandeln.

Das OLG erklärte das AG H.-M. (bzw. das LG Aurich, zu dessen Bezirk des AG H.-M. gehört) als zuständiges Gericht und führte aus, der Verweisungsbeschluss sei nicht objektiv willkürlich und von daher nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Für eine Willkür sei nicht ausreichend, dass der Verweisungsbeschluss evtl. inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft sei. Vielmehr setze Willkür voraus, dass der Beschluss bei verständiger Würdigung nach den das Grundgesetz beherrschenden Gedanken (gemeint dürfte hier insbes. die Beachtung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1GG ebenso wie das Gebot des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 GG sein) nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar sei (BGH, Beschluss vom 09.06.2015 - X ARZ 115/15 -).

Das AG H.-M. hatte sich von dem Gedanken leiten lassen, dass in den AGB der Klägerin eine Gerichtsstandklausel enthalten ist, derzufolge für gerichtliche Auseinandersetzungen Gerichtsstand W. ist. Ist der Vertragspartner Kaufmann, kann (auch in AGB) ein Gerichtsstand für schuldrechtliche Auseinandersetzungen abweichend vom Gerichtsstand des Sitzes/Wohnsitzes des Gegners (§ § 13, 17 ZPO) ein Gerichtsstand bestimmt werden (§ 38 ZPO).

Das OLG führte aus, dass das AG W. zutreffend eine Kaufmannseigenschaft der WEG verneint habe, weshalb auf sich beruhen könne, ob eine unzutreffende rechtliche Einordnung durch das AG W. hier die Annahme einer Willkür rechtfertigen könne.

Zwar sei die WEG teilrechtsfähig, doch würde dies nichts dazu aussagen, ob sie auch als Kaufmann einzustufen sei. Wer im Sinne von § 38 Abs. 1 ZPO Kaufmann sei würde das Handelsrecht in §§ 1 bis 7 HGB regeln. Erfasst würden danach alle Betreiber eines Handelsgewerbes, mithin jeder Gewerbetreibende, soweit der Gewerbebetrieb nicht nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere (Anm.: derjenige, der sich darauf beruft, dass sein Gewerbebetrieb keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere, muss dies im Streitfall darlegen und beweisen). Ferner würden unter den Begriff des Kaufmanns alle im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden, Land- und Forstwirte sowie alle Handelsgesellschaften fallen, unabhängig davon, ob der Zweck auf den Betreib eines Handelsgewerbes gerichtet sei oder ob sie kraft gesetzlicher Fiktion (vgl. z.B. § 12 Abs. 3 GmbHG, § 3 Abs. 1 AktG) als solche gelten. Die WEG falle nicht darunter.

Von daher sei es unerheblich, ob die WEG als Verbraucherin iSv. § 13 BGB oder als Unternehmerin iSv. § 14 BGB anzusehen sei, auch wenn die Einordnung als Verbraucherin nach dem Schutzzweck der Norm des § 13 BGB in der Regel nicht zu verneinen sei (Anm.: Der BGH hat mit Urteil vom 24.03.2015 - VIII ZR 243/13 - entscheiden, dass die WEG immer dann einem Verbraucher gleichzustellen sei, wenn anzusehen sei, wenn ihr zumindest ein Verbraucher angehöre und der streitbefangene Vertrag nicht unternehmerischen oder gewerblichen Zwecken diene).

OLG Celle, Beschluss vom 22.12.2021 - 18 AR 27/21 -

Mittwoch, 27. April 2022

WEG: Beschluss zum Verbot der Nutzung der Tiefgarage mit E-Autos

Die E-Mobilität ist auch in der Rechtsprechung angekommen. So hat sich schon mancher die Frage gestellt, wie leicht ein E-Autos Feuer fangen kann und wie schwer es ist, dieses zu löschen. Und die weitergehende Frage daraus ist, ob das Fahrzeug in einer (Tief-) Garage geparkt werden sollte oder nicht. Das AG Wiesbaden musste sich nun damit auseinandersetzen, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss das Abstellen von E-Autos in Tiefgaragen verbieten kann. Dies wurde vom Amtsgericht verneint, welches damit den entsprechenden Beschluss für unwirksam erklärte. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte und Instanzgerichte dem folgen oder anders entscheiden.

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der WEG und Klageerhebung wurde der der Wohnung des Klägers zugeordnete Tiefgaragenstellplatz von einem Mieter des Klägers für ein Hybrid-Fahrzeug genutzt. Nach dem angefochtenen Beschluss wurde das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt. Der Klägervertrat die Ansicht, der Eigentümerversammlung ermangele es an einer Beschlusskompetenz und zudem greife der Beschluss in sein Sondernutzungsrecht ein und verstoße gegen die gesetzgeberische Zielsetzung der Förderung der Elektromobilität. Die Beklagtenseite wies u.a. auf die Gefahr durch die Lithium-Ionen-Batterien hin, mit denen die Fahrzeuge betrieben würden und die sich entzünden könnten. Nicht nur sei die Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand, es könne nicht mit Löschschaum gelöscht werden und das Fahrzeug müsste von der Feuerwehr in einen Container zum Ausbrennen gezogen werden, wobei ein solcher Container nicht in die Tiefgarage verbracht werden könne, weshalb er mit einer weitergehenden Gefahr für das Gemeinschaftseigentum in der Tiefgarage ausbrennen müsse.

Das Amtsgericht bejahte die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung gem. § 19 Abs. 1 WEG. Es handele sich danach vorliegend um Nutzungsreglungen des Gemeinschafts- und Sondereigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das Sondernutzungsrecht aushöhle, doch würde diese Grenze durch den Beschluss nicht überschritten, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt würde.

Allerdings verstoße der Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Gesetzgeber habe jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf Gestattung baulicher Maßnahmen gegeben, die dem Laden elektrisch beriebener Fahrzeuge dienen, § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Dieses Recht würde mit dem Beschluss ins Leere laufen. Die einzelnen Wohnungseigentümer könnten zwar die Installation einer Ladesäule erzwingen, sie dann aber nicht nutzen. Es läge damit ein Verstoß gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform vor. Vor diesem Hintergrund verstoße der Beschluss selbst dann gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn man zugunsten der Beklagtenseite die besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstelle.

Anmerkung: Das Amtsgericht hat sich im Hinblick auf die Grundlage einer gesetzgeberischen Intention, der Norm des § 20 Abs. 2 WEG und den Grundlagen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht mit der Frage der akuten Brandgefahr und erhöhten Gefährdung des Gemeinschaftseigentums auseinandergesetzt. Zu fragen wäre hier, ob die gesetzgeberische Intention mit dem Grundrecht der Gewährleistung des Eigentum sin Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar ist. Zwar steht dieses unter Gesetzesvorbehalt, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Grundsätzlich gewährleistet Art. 14 GG einen verfassungsrechtlichen Schutz gegen staatliche Eingriffe in das Eigentum und gewährleistet einen effektiven Rechtsschutz. Danach dürfen solche Sachbereiche nicht der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören (BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - I BvR 638/64 -). Hier geht es gerade um diesen vermögensrechtlichen Bereich, wenn seitens der Eigentümergemeinschaft eine nicht kalkulierbare Gefährdung des Gemeinschaftseigentums bei Brand derartiger Fahrzeuge geltend macht. So wird teilweise vorgegeben, dass bei Parkern mit Hebebühne der untere Parker nicht unter den Fußboden der Garage gefahren werden darf, damit die Feuerwehr im Brandfall auch Zugriff hat. Der Brandschutz ist ein wesentliches Element des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens, gerade bei Mehrfamilienhäusern, auch in Bezug auf Tiefgaragen. So gilt es auch Regelungen zur Menge der Lagerung von brennbaren Stoffen in Garagen (vgl. 17 Abs. 4 bay. GaStellV). Es dürfte zumindest fraglich sein, ob hier die gesetzgeberische Intention der Förderung der Elektromobilität zu Lasten des Eigentum Dritter vorgeht. Damit hätte sich das Amtsgericht auseinandersetzen müssen.

AG Wiesbaden, Urteil vom 04.02.2022 - 92 C 2541/21 -

Montag, 28. März 2022

WEG: Folgenbeseitigungsanspruch bei rechtskräftig für unwirksam erklärten Beschlüssen

1. Im Mai 2017 beschloss die Eigentümerversammlung der WEG die Erneuerung der Wohnungseingangstüren und die Vergabe des Auftrags an einen Handwerksbetrieb (unter Zahlung eines Vorschusses in Höhe von € 100.000,00). Der Beschluss wurde angefochten.

Während des laufenden gerichtlichen Anfechtungsverfahrenswurde der Beschluss aufgehoben und ein neuer Beschluss gefasst, der dann auch angefochten wurde und rechtskräftig aufgehoben wurde.

Der Handwerksbetrieb baute nur 31 Türen ein und stellte den Einbau der restlichen 92 Türen mit Hinweis auf das (zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene) Anfechtungsverfahren ein.

Daraufhin fasste die Eigentümerversammlung den Beschluss, den Handwerksbetrieb unter Fristsetzung zum Einbau der restlichen Türen aufzufordern und nach Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten, ferner ggf. den gezahlten Vorschuss gerichtlich geltend zu machen. Die Kläger des vorliegenden Verfahrens haben den Beschluss angefochten. Nachdem der Handwerksbetrieb die Türen nicht eingebaut hatte und zwischenzeitlich infolge der im Beschluss vorgesehen und durchgeführten Klage ein rechtskräftiges Versäumnisurteil gegen den Handwerksbetrieb auf Rückzahlung erging, wurde von den Parteien der Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Amtsgericht hatte nach § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Er hatte den Beklagten die Kosten auferlegt, die dagegen sofortige Beschwerde einlegten.  Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

2. Nach § 91a ZPO ist bei einem in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits vom Gericht nach billigen Ermessen nach dem Sach- und Rechtsstand des aktuellen Streitstandes zu entscheiden.

Der Verwalter sei gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F. nach dem ursprünglichen Beschluss verpflichtet gewesen, den Beschluss umzusetzen, wobei diese Verpflichtung solange bestanden habe, bis der Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG.  Der Verwalter sei mithin zur Beauftragung verpflichtet gewesen.

Die gerichtliche Feststellung der Ungültigkeit des Beschlusses wirke sich nicht auf das Vertragsverhältnis der WEG zum Handwerksbetrieb aus, da der Beschluss nur die interne Willensbildung der WEG beträfe.

Allerdings sei zu prüfen, ob nach Rechtskraft der Ungültigkeitserklärung des Beschlusses es immer noch ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, die Erfüllung des Vertrages vom Vertragspartner geltend zu machen. Innerhalb der WEG sei bestünde ein Folgenbeseitigungsanspruch mit der Folge, dass die Auswirkungen des unwirksamen Beschlusses soweit wie möglich rückgängig gemacht würden. Beträfe dieser Folgenbeseitigungsanspruch einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt, habe die Gemeinschaft einen weiten Ermessensspielraum, was bei einer entsprechenden Kosten-Nutzen-Analyse es auch rechtfertigen könne, von der Rückgängigmachung der Beschlussfolgen abzusehen. (Ob im Falle eines Absehens von der Rückgängigmachung Nachteile von Eigentümern auszugleichen seien, sei eine Frage des Einzelfalls, heute geregelt in § 14 Abs. 3 WEG).

Vorliegend seien die Baumaßnahmen rechtskräftig als nicht ordnungsgemäß eingestuft worden. Damit sei alles zu unternehmen, um eine Vertiefung des Zustandes im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu verhindern. Sei der unwirksame Beschuss noch nicht vollständig vollzogen, habe eine weitere Beschlussumsetzung zu unterbleiben. Darüber hinaus erfasse der Folgenbeseitigungsanspruch auch Verträge mit Dritten, die noch nicht vollständig tätig geworden seien. In diesem Fall müssten alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, weitere Maßnahmen des Vertragspartners zu verhindern. Dazu gehöre das Anstreben einer einvernehmlichen Vertragsauflösung oder bei Werkverträgen (wie hier) auch die Kündigungsmöglichkeit nach § 648a BGB.

Eine derartige Vertragsbeendigung sei aber nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Beschlusses gewesen, wonach dem Handwerksbetrieb zunächst eine Frist zur Leistungserbringung gesetzt werden sollte. Damit habe für die Gemeinschaft ein erhebliches Risiko bestanden, dass die beauftragten Arbeiten durchgeführt würden und diese der Gefahr ausgesetzt, die nutzlosen, gegebenenfalls im Rahmen der Folgenbeseitigung Arbeiten mit entsprechenden Aufwand rückabzuwickeln.

Der Umstand, dass es dazu infolge der endgültigen Arbeitseinstellung des Handwerksbetriebs nicht gekommen sei, ist nicht entscheidend. Abzustellen sei hier für die Ordnungsgemäßheit des Beschlusses nicht der Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren, sondern der Kenntnisstand der Eigentümerversammlung bei der Beschlussfassung. Da zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar war, dass der Handwerksbetrieb seien Arbeiten endgültig einstellen würde und mithin die Gefahr der Erfüllung durch diesen bestanden habe, habe der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.11.2021 - 2-13 T 71/21 -

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Unterlassener Abschluss einer Gebäudeversicherung durch (faktischen) Verwalter und Anfechtung der Wiederwahl

Die Klägerin hatte die Wiederwahl der Beklagten als Verwalterin der Wohnungseigentümer-gemeinschaft (WEG) vom März 2019 angefochten. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Da die Klägerin nach Einleitung des Berufungsverfahrens durch die Beklagte ihr Wohnungseigentum aufgab und auf einen Dritten übertrug und zudem auch die Bestellzeit der beklagten Verwalterin aus dem angefochtenen Beschluss ablief, wurde die Hauptsache für erledigt erklärt. Das Landgericht verneinte die Erfolgsaussichten der Beklagten und erlegte dieser die Kosten des Verfahrens auf.

Die Beklagte war bereits vormals Verwalterin gewesen. Der Bestellzeitraum endete zum 31.12.2017. Allerdings wurde kein anderer Verwalter von der WEG berufen und die Beklagte führte das Amt unstreitig faktisch weiter aus. So habe sie, so das Landgericht, die Abrechnungen erstellt, Eigentümerversammlungen einberufen und geleitet und die Beschluss-Sammlung geführt. Si sei damit faktische Verwalterin gewesen. Auch wenn zwischen den Parteien die Einzelheiten des Rechtsverhältnisses zwischen der beklagten als (faktische) Verwalterin und der WEG streitig seien, würden die Parteien doch darin übereinstimmen, dass das Pflichtenprogramm eines bestellten Verwalters (einschließlich seiner Haftung) hier zugrunde liegen würde, entweder da von einem Auftragsverhältnis gem. § 662 BGB auszugehen sei, oder da die Grundsätze der fehlerhaften Anstellung heranzuziehen seien.

Vor diesem Hintergrund könnten Fehler bei der Verwaltertätigkeit der Beklagten nach dem 31.12.2017 zur Prüfung der angefochtenen Verwalterwahl herangezogen werden wie in dem Fall, dass der wiederbestellte Verwalter bis zu seiner Wahl ordnungsgemäß bestellter Verwalter gewesen wäre.

Voraussetzung für die Anfechtung der Wiederwahl sei, dass ein wichtiger Grund vorliegen würde, der gegen die Bestellung der Beklagten als Verwalterin sprechen würde. Wie bei der Abberufung des Verwalters nach § 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F. könne ein wichtiger Grund nur bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung aller (nicht einmal notwendigerweise vom Verwalter verschuldeter) Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Zusammenarbeit mit dem gewählten Verwalter unzumutbar wäre und das erforderliche Vertrauensverhältnis von vornherein nicht zu erwarten sei. Dies sei u.a. dann  anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die dafür sprächen, dass der Gewählte unfähig oder ungeeignet für das Amt erscheine. Ein solcher Grund würde aber die Wohnungseigentümer noch nicht ohne weiteres dazu verpflichten, den Verwalter abzuberufen (§ 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F.), vielmehr sei (auch im Rahmen einer Wiederwahl) eine Prognose vorzunehmen , ob er das Amt ordnungsgemäß ausüben wird, was einen Beurteilungsspielraum einräume. Erst bei Überschreitung dieses Beurteilungsspielraums würde nach altem Recht die Nichtabberufung und (auch nach geltendem Recht) die Wiederwahl den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Erforderlich sei deshalb, dass es objektiv nicht mehr vertretbar erscheine, den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände (hier) erneut zu bestellen. Dies sei dann der Fall, wenn die Mehrheit der (abstimmenden) Wohnungseigentümer aus der Sicht eines vernünftigen Dritten gegen ihre eigenen Interessen handele, weil sie – etwa aus Bequemlichkeit – massive Pflichtverletzungen tolerieren solle (BGH, Urteil vom 10.02.2012 - V ZR 105/11 -; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.12.2019 - 2-12 S 143/18 -).

Das Amtsgericht hatte darauf abgestellt, dass das Gebäude über einen längeren Zeitraum ohne Gebäudeversicherung gewesen sei. Dies stelle, so das Landgericht, eine Lücke im Versicherungsschutz mit einem Totalverlustrisiko dar, welches die Eigentümer nicht hinnehmen müssten. Hinzu käme hier, das die Eigentümer auf der von der Beklagten geleiteten Eigentümerversammlung vom 22.10.2018 den Abschluss einer Gebäudeversicherung beschlossen hätten, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerer Zeit eine solche nicht bestanden habe. Im März 2019, zum Zeitpunkt der Wiederwahl, sei immer noch keine Gebäudeversicherung abgeschlossen gewesen. Damit sei es von den Eigentümern objektiv nicht mehr hinnehmbar, diesem Verwalter weiterhin die Verwaltung eines erheblichen Teils ihres Vermögens anzuvertrauen. Kein Eigentümer müsse gegen seinen Willen hinnehmen, wenn gleichwohl die Mehrheit der Eigentümer unter diesen Umständen meinen, diesem Verwalter gleichwohl vertrauen zu können (LG Frankfurt am Main aaO.).

Der Verweis der Berufung darauf, dass eine Gebäudehaftpflichtversicherung bestanden habe, verkenne, dass § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG a.F. (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 WEG n.F.) nicht nur eine Haftpflichtversicherung sondern auch die für die Eigentümer von besonderen Interesse Gebäudeversicherung erfordere, um das Risiko im Schadensfall abzuwenden (Anm.: Wird der Kauf einer Eigentumswohnung finanziert, sehen die Darlehensbedingungen der Finanzierungsinstitute in der Regel vor, dass eine Gebäudeversicherung bestehen muss).

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.06.2021 - 2-13 S 25/20 -

Donnerstag, 15. April 2021

Nachbarlicher Ausgleichsanspruch in WEG nicht gegen Sondereigentümer bei Ursache durch Mieter

Die Klägerin war Gebäudeversicherer eines Gastronomen, der in dem aus zwei Einheiten bestehenden Haus (aufgeteilt nach WEG) in einer Einheit einen Gastronomiebetrieb unterhielt. Bei der weiteren Einheit handelte es sich um eine Zahnarztpraxis, deren Sondereigentümer der Beklagte war, der diese vermietet hatte. In der Zahnarztpraxis brach in der Nacht vom 20. auf den 21.12.2009 bei -20° C eine Kaltwasserleitung, die von den früheren Bruchteilseigentümern (dem Vater des Gastronomen und dem Beklagten) vor Begründung der WEG in einem Podest lose verlegt war und zu einem Zahnarztstuhl führte. Es entstand in der gastronomischen Einheit ein Wasserschaden, den die Klägerin regulierte. Sie machte aus übergegangenen Recht (§ 86 VVG) den Aufwand für die Schadensbeseitigung von € 73.137,40 als nachbarlichen Ausgleichsanspruch geltend.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Entscheidend war für die Zuerkennung der Forderung, ob es sich hier für den Versicherungsnehmer der Klägerin um einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch handelt. Ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch soll nach der ständigen Rechtsprechung des BGH  vorliegen, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des anderen Grundstücks nicht dulden muss, allerdings aus besonderen Gründen nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß entschädigungslos hinzunehmender Beeinträchtigung übersteigen. Erfasst würden auch sogen. Grobimmissionen wie Wasser. Ob der Anwendungsbereich des § 2 HPflG (Haftung für Rohrleitungsanlage) eröffnet sei, sei nicht entscheidend, da sich die Ansprüche nicht gegenseitig ausschließen würden.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB käme auch dann in Betracht, wenn die Nutzung von Sondereigentum durch rechtswidrige Einwirklungen beeinträchtigt würde, die vom Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers ausgehe. Dies allerdings dann nicht, wenn das Sondereigentum durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt würde. Vorliegend gehöre aber die zum Zahnarztstuhl führende Leitung nicht zum Gemeinschaftseigentum, da die ausschließlich die zweckentsprechende Nutzung der Zahnarztpraxis ermögliche und daher die maßgeblichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 WEG für Gemeinschaftseigentum nicht vorlägen. Damit stünde fest, dass die Einwirkung von dem im Sondereigentum des Beklagten stehenden Räumen ausgingen.

Entscheidend sei daher, ob der Beklagte Störer sei. Dies aber ließe sich nach der Entscheidung des Landgerichts nicht beurteilen. Die Störereigenschaft würde nicht alleine aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück folgen, von dem die Beeinträchtigung ausgehe. Sie müsse auch mittelbar auf den Willen des Eigentümers bzw. Besitzers zurückgehen. Entscheidend für diese Feststellung sei, ob es sachliche Gründe gebe, dem Eigentümer oder Besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Die sei dann zu bejahen, wenn sich für diese eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergäbe. Dabei handele es sich nicht um eine Sorgfaltspflicht im schuldrechtlichen Sinne, sondern um eine wertende Betrachtung ob hier eine Zurechnung für den störenden Zustand angenommen werden könne. Kriterien seien dabei u.a. Veranlassung, Gefahrenbeherrschung oder die Vorteilsziehung.  Beispielhaft wird für eine solche bejahende Wertung vom BGH auf den Fall verwiesen, dass Wasser infolge Rohrbuchs auf das Nachbargrundstück gelangt oder ein haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte/Leitungen in Brand gerate. Diese Störungen würden kein allgemeines Risiko begründen, welches sich (wie z.B. bei einem Blitzschlag) ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können, weshalb auch nur der jeweilige Grundstückseigentümer darauf Einfluss nehmen könne.

Allerdings sei hier zusätzlich die eingeschränkte Verantwortlichkeit des Eigentümers für Handlungen seines Mieters zu beachten. Sollte schadensursächlich ein fehlendes Beheizen gewesen sein (wie beklagtenseits behauptet), wäre der Beklagte nicht verantwortlich. Eine Haftung des Beklagten als mittelbarer Handlungsstörer käme nicht in Betracht. Der Eigentümer könne für Handlungen seines Mieters als mittelbarer Handlungsstörer nur verantwortlich gemacht werden, wenn er dem Mieter den Gebrauch einer Sache mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen hätte oder es unterließe, ihn von einem fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch abzuhalten. Ein Vermieter müsse ohne besondere Anhaltspunkte nicht davon ausgehen, dass ein Mieter bei strengen Frost die Mieträume nicht beheizt.

Gleichfalls wäre der Beklagte als Eigentümer nicht Zustandsstörer. Geht der Schaden zwar von einem in seinem Eigentum stehenden Bauteil oder Gerät (hier die Kaltwasserleitung) aus, ist die Ursache aber allein auf ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Mieters zurückzuführen, ist der Vermieter nur dann Zustandsstörer, wenn die Beschaffenheit des Bauteils bzw. Gerätes nicht ordnungsgemäß war und für den Schaden mitursächlich gewesen sein könnte. Denn lediglich in diesem Fall hätte auch ein Abwehranspruch gegen ihn bestanden, der (mangels Kenntnis) nicht hätte durchgesetzt werden können und damit den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch begründet.

BGH, Urteil vom 18.12.2020 - V ZR 193/19 -

Dienstag, 9. März 2021

WEG: Ermessen bei Absehen von Rückbau unzulässiger baulicher Veränderung von Gemeinschaftseigentum

 

In 1977 wurde auf dem Gemeinschaftseigentum eine Garage errichtet und vor einigen Jahren eine Gartenhütte. Ein Antrag au Beseitigung dieser Bauwerke wurde in der Eigentümerversammlung vom 25.07.2018 mit Mehrheitsbeschluss zurückgewiesen. Der Kläger erhob Anfechtungsklage, die vom Amtsgericht als unbegründet abgewiesen wurde. Mit seiner Berufung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das Landgericht gab im berufungsverfahren der Klage statt.

Das Landgericht wies darauf hin, dass zwar im Rahmen seiner Beurteilung das jetzt geltende WEG-Recht einschlägig sei, sich hier aber materiell gegenüber dem bisherigen Recht keine anderweitige Beurteilung ergäbe. Entscheidend sei, ob der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspräche (§ 21 Abs. 4 WEG a.F., § 19 Abs. 1 WEG n.F.), was nicht der Fall sei.

Eine Negativbeschluss könne nur erfolgreich angefochten werden, wenn nur eine positive Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen haben würde. Dies fordere vorliegend eine Ermessensreduzierung auf Null. Allerdings müsse  eine Anfechtungsklage gegen eine Negativbeschluss auch dann Erfolg haben, wenn zwar nicht notwendig eine Ermessensreduzierung auf Null vorläge, aber die Wohnungseigentümer ein ihnen zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hätten, da auch in diesem Fall der Anfechtende in seinem Recht auf ordnungsgemäße  Verwaltung verletzt sei.

Da die Errichtung von Garage und Gartenhütte rechtwidrig erfolgt seien, entspräche der Rückbau in der Regel ordnungsgemäßer Verwaltung, da dies der Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes entspräche. Allerdings könne ein Ansehen davon u.U. auch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wobei den Wohnungseigentümern insoweit ein Ermessen zustehe. Das aber würde hier nach dem jetzigen WEG voraussetzen, dass die bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG n.F. genehmigt würde, womit dann auch Klarheit über Nutzung und Kosten geschaffen würde (§ 21 WEG n.F.).

§ 20 Abs. 1 WEG n.F. lautet:

„Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.“

Der Negativbeschluss als solcher reicht allerdings nach dem Urteil des LG Frankfurt am Main für eine Ermessensausübung nicht aus. Vielmehr müssten sich die Wohnungseigentümer über ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechende Alternativen zum Rückbau bewusst gewesen sein und die bei einer Abwägungsentscheidung mit einbezogen haben. Nicht ausreichend seien theoretische denkbare Nutzungsalternativen (wie sie im berufungsverfahren mit Fahrradunterstand, Lagerraum pp. benannt seien. Die Abwägung hätte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung stattfinden müssen und zudem alternativ zum Abriss entsprechende Nutzungen ermöglicht oder zumindest in die Wege geleitet werden müssen. Das sei nicht geschehen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung seien Garage und Gartenhaus weder im Interesse der Gemeinschaft tatsächlich genutzt worden noch habe es Regeln zu deren Nutzung gegeben.

Es sei auch keine Verjährung eingetreten, da der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nicht verjähre (BGH, Urteil vom 27.04.2012 - V ZR 177/11 -).

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.01.2021 - 2-13 S 26/20 -

Freitag, 26. Februar 2021

WEG: Durch Rechtsänderung fehlt Miteigentümer das Prozessführungsrecht zur Störungsabwehr

Die Parteien sind Wohnungseigentümer in einer kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger wandte sich gegen die Nutzung eines Parkplatzes in der Garage durch den Beklagten und verlangte, dass dem Beklagten das Abstellen von Gegenständen im Treppenhaus untersagt werden soll. Das Amtsgericht gab der Klage zur Parkplatzbenutzung dahingehen statt, dass der beklagte nicht häufiger als an 73 Tagen im Jahr diesen nutzen dürfe (sein Anteil am Gemeinschaftseigentum betrage 1/5 und entsprechend könne er den Parkplatz nutzen) und wies die Klage zu, Abstellen von Gegenständen mit der Begründung ab, es fehle an einer Beeinträchtigung. Beide Parteien legten gegen die am 25.11.2019 verkündete amtsgerichtliche Entscheidung Berufung ein, soweit sie unterlegen waren.

Das Landgericht hob das amtsgerichtliche Urteil auf und wies die Klage insgesamt ab. Dabei verwies das Landgericht darauf, dass die Abweisung bereits wegen der zum 01.12.2020 erfolgten Rechtsänderung im Wohnungseigentumsgesetz erfolgen müsse, die auch hier im laufenden Verfahren zu beachten sei. Während nach bisherigen Recht Abwehransprüche aus dem Binnenrecht dem einzelnen Eigentümer zustanden, § 15 Abs. 3 WEG a.F., wurde dies mit der Novellierung zum 01.12.2020 auf den Verband übertragen, da nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG die Verpflichtung zur Einhaltung des Binnenrechts nur noch gegenüber dem Verband bestünde, der auch gem. § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG alleine für die Ansprüche aus § 1004 BGB zuständig sei.

Zwar würden die Ansprüche nach § 1004 BGB weiterhin auch dem Eigentümer zustehen, es ermangele ihm aber nach § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG an der Prozessführungsbefugnis. Mit der Regelung in § 9a Abs. 2 Alt. 1 BGB sei in Abweichung von § 1011 BGB dies dem Verband als Träger des Verwaltungsmonopols zugewiesen worden.

Das Landgericht sah hier Probleme im Hinblick auf die Dauer von Gerichtsverfahren vor dem Hintergrund, dass z.B. bei einer evtl. erforderlichen Beschlussersetzungsklage zur Durchsetzung eines Beseitigungsanspruchs wegen baulicher Veränderungen bis zur Bestandskraft des Urteils im Beschlussersetzungsverfahrens Verjährung des Beseitigungsanspruchs eingetreten sein könnte. Ggf. müsste hier der Verband mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes gezwungen werden, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Jedenfalls sah das Landgericht in derartigen Konsequenzen keine Veranlassung hier den eindeutigen gesetzgeberischen Willen in Frage zu stellen.

Übergangsvorschriften wären im neuen Rehct nicht benannt; lediglich gem. § 48 Abs. 5 WEG würde das alte Verfahrensrecht für laufende Verfahren weiterhin gelten. In Ermangelung von Übergangsvorschriften zum materiellen recht sei daher die Rechtsänderung hier im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Mithin habe der Eigentümer mit Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung zum 01.12.2020 das Recht zur eigenen Geltendmachung der Ansprüche verloren. Da nach der Rechtsprechung des BVerfG der Gesetzgeber im Hinblick auf Überleitungen über einen breiten Gestaltungsspielraum verfüge, komme hier auch keine Eingrenzung  analog § 48 Abs. 5 WEG in Betracht, noch mit Blick auf einen effektiven Rechtsschutz nach Art. 14 GG.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.01.2021 - 2-13 S 155/19 -