Die Beklagte war Eigentümerin eines Bereichs vor dem Bahnhof. Auf der Pflasterung waren gelbe Markierungsbänder angebracht, die für die Dauer eines Marktes einen Sicherheitsbereich des Bahnhofs kennzeichnen sollten; die Anbringung erfolgte durch die Markverwaltung der Beklagten in Abstimmung mit Sicherheitsbehörden. Die Streifen wurden im Auftrag der Beklagten durch die Streitverkündeten angebracht. Der Kläger rutschte auf dem Klebestoffrest eines (gelösten) Markierungsstreifen bzw. auf einem solchen Streifen aus. Verfing sich mit einem Fuß in der Schlinge des abgelösten Markierungsbandes und stolperte, wobei er sich Verletzungen zuzog, für die er von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzfähigkeit zukünftiger Schäden begehrte.
Neben prozessualen Fragen, die die Anträge und das angefochtene erstinstanzliche Urteil dem Berufungsgericht aufgaben, ging es in der Sache um die Haftung der Beklagten dem Grunde nach.
Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte sah das Berufungsgericht als verwirklicht an, da sich auf ihrer dem Verkehr freigegebenen Fläche vor dem Eingang des Bahnhofs auf dem Bodenpflaster die (sich teilweise abgelösten) Markierungsklebestreifen befanden und dies eine Sturzgefahr begründet habe. Die Feststellung des Landgerichts zu den abgelösten Streifen sei auch von der Beklagten im Rahmen der Berufung nicht angegriffen worden und deshalb zugrunde zu legen.
Nicht entscheidungserheblich sei die Behauptung der Beklagten, sie habe die Auswahl der Markierungsstreifen auf die Streitverkündete übertragen. Selbst in diesem Fall würde die fortlaufende Pflicht zur Überwachung der auf der Verkehrsfläche angebrachten Markierung bei ihr verbleiben. Dem Verschuldensvorwurf könne die Beklagte nicht dadurch entgehen, dass von ihr täglich wiederholte Kontrollen der Klebestreifendurchgeführt würden. Nach der Neuverklebung am Vortag habe bis zum Schadensfall um 7.30 Uhr keine Kontrolle stattgefunden. Da unstreitig bekannt gewesen sei, dass sich Streifen lösen konnten, dies auch zuvor erfolgt sei, würden solche evtl. auch mehrmals täglich erfolgende Kontrollen nicht ausreichend sein. Das Ablösen sei auf der bekannten Grundlage jederzeit möglich und könnte damit unmittelbar zu einer Gefahr führen. Das Berufungsgericht unterschied hier zwischen einer sich über längere Zeit aufbauende Gefahr (wie Laubfall oder unachtsam von Passanten hingeworfener Unrat) und einer akut bekannte Gefahrenlage wie hier bei den sich plötzlich ablösenden Streifen: Bei der bekannten Gefahrensituation durch die Markierungsstreifen habe die Beklagte mit einer lediglich periodischen Überwachung ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügen können, da so ein auf dieser hoch frequentierten Verkehrsfläche erforderlicher ständiger Schutz gegenüber der bekannten und stets möglichen Gefahr nicht sicherzustellen gewesen sei.
Für ein Mitverschulden des Klägers sei nichts ersichtlich. Dass ihm die Gefahrenlage und das Ablösen der Bänder bekannt gewesen oder erkennbar gewesen sei, ließe sich nicht feststellen. Das Vorhandensein der Markierungsklebebänder stelle sich nicht als Warnung vor diesen selbst dar.
Hanseatisches
Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 11.03.2020 - 1 U 56/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 11. Oktober 2016 mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das als Grundurteil bezeichnete Teil-Grundurteil des Landgerichts Bremen vom 15. Mai 2019 (Az. 1 O 1244/17) wird zurückgewiesen und das Verfahren wird zur Durchführung des Betragsverfahrens über die Höhe des Anspruchs an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Gegenstandswert wird auf EUR 31.063,68 festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund der Geltendmachung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.
Der Kläger, ein selbständiger Taxifahrer, stürzte am 11.10.2016 um ca. 07.30 Uhr unmittelbar vor dem Eingang … des A.-Bahnhofs, dessen Eigentümerin die Beklagte als Stadtgemeinde … ist.
Zu diesem Zeitpunkt waren auf der Pflasterung gelbe Markierungsbänder angebracht, um für die Dauer des Aufbaus und der Durchführung des B.-Markts einen Sicherheitsbereich vor dem Ein- und Ausgangsbereich … des A.-Bahnhofs zu kennzeichnen. Die Einrichtung des Sicherheitsbereichs erfolgte durch die Marktverwaltung in Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden.
Bei den Markierungsbändern handelte es sich um ein Markierungssystem Typ …. Die Anbringung der Markierungsstreifen erfolgte durch die Streitverkündete, die hierzu von der Beklagten beauftragt worden war.
Der Kläger erlitt durch den Sturz eine Oberarmkopftrümmerfraktur links, eine Prellung der linken Hand und eine Prellung des rechten Knies. Er wurde bis zum 17.10.2016 stationär behandelt, war bis zum 31.12.2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben; ab dem 02.01.2017 erfolgte eine dreiwöchige Wiedereingliederung. Im März 2018 erfolgte eine weitere Operation mit Krankschreibung vom 01.03. bis 14.03.2018 sowie ambulante Behandlungen bis zum 26.03.2018.
Zum Unfallhergang hat der Kläger vor dem Landgericht behauptet, er sei auf dem Klebstoffrest eines Markierungsstreifens bzw. auf einem solchen Markierungsstreifen ausgerutscht oder habe sich mit seinem Fuß in einer Schlinge des abgelösten Markierungsbandes verfangen und sei deshalb gestolpert.
Die gewählten Markierungsbänder seien zur Absperrung eines Bereichs in der Fußgängerzone nicht geeignet gewesen. Die Bänder seien quer über das Pflaster verlegt worden, wobei die Zwischenräume zwischen den Platten nicht verklebt worden seien und hier Feuchtigkeit habe eindringen können. Zudem seien bei der Verlegung die Vorgaben des Herstellers nicht beachtet worden. Es sei durch das feuchte und kühle Wetter ein „Schmierseifeneffekt“ aufgetreten und die Markierungsstreifen hätten sich abgelöst und auch Schlaufen bzw. Stolperfallen gebildet.
Die von den Markierungsbändern ausgehenden Gefahren seien für Besucher des Bahnhofs weder erkennbar noch beherrschbar gewesen; Kontrollen durch die Beklagte hätten nicht stattgefunden.
Vor dem Landgericht hat der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld – dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 15.000 € – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.943,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit der Klage sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.239,40 € zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch etwaige zukünftige materielle Schäden aus dem Unfallereignis vom 11.10.2016 mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vor dem Landgericht behauptet, die Markierungsbänder seien auch für die Verwendung auf Pflastersteinen geeignet. Von den Markierungsbändern sei mangels „Schmierseifeneffekt" und mangels Ablösung keine Gefahr ausgegangen. Allenfalls am Ende des jeweiligen Streifens sei eine Ablösung zu erkennen. Der Bereich sei mehrmals täglich von der Marktverwaltung kontrolliert und abgelöste Markierungsstreifen seien entfernt worden. Noch am 10.10.2016 seien Markierungsstreifen nachgeklebt worden.
Auch im Fall einer vermeintlichen Ablösung hätte der Kläger die Gefährlichkeit der Stelle erkennen müssen, da die gelbe Farbe die Notwendigkeit einer erhöhten Aufmerksamkeit verdeutliche. Deshalb meint die Beklagte, der Kläger müsse sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen.
Das Landgericht hat mit als Grundurteil bezeichnetem Urteil vom 15.05.2019 entschieden, dass der Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld und Ersatz des Schadens infolge seines Sturzes am 11.10.2016 vor dem Eingang … des A.-Bahnhofs dem Grunde nach gerechtfertigt sei.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach aufgrund einer Amtspflichtverletzung in Form einer Verkehrssicherungspflichtverletzung zustünden (§ 839 BGB, Art. 34 GG i.V.m. Bremisches LStrG). Der Beklagten habe die Amtspflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit auf dem Bahnhofsvorplatz oblegen, da es sich hier um einen dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Platz handele. Diese Verkehrssicherungspflicht sei verletzt worden: Zum einen ergebe sich aus der Verlegeanweisung, dass die betreffenden Markierungsstreifen nicht auf Fugen gelegt werden dürfen und die Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sie die Streitverkündete auch mit der Auswahl der Markierungsstreifen beauftragt habe; zum anderen sei bewiesen worden, dass von den Markierungsstreifen aufgrund von Ablösungen eine Sturzgefahr ausging. Der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht stehe nicht entgegen, dass lose Streifen bei Kontrollen entfernt worden seien, da bis dahin jeweils für längere Zeit eine Gefahrenlage habe bestehen können und es lasse auch die Übertragung der Verlegearbeiten auf die Streitverkündete die nachfolgende Überwachungspflicht unberührt. Der Kläger habe bewiesen, im engen räumlichen Zusammenhang zu den pflichtwidrig verlegten bzw. abgelösten Markierungsstreifen zu Fall gekommen zu sein, daher streite der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz kausal auf den gefährlichen Zustand zurückzuführen sei. Ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers sei nicht zu berücksichtigen, da für die Beklagte nicht zu beweisen gewesen sei, dass es für den Kläger erkennbar gewesen sei, dass der Markierungsstreifen hoch stand oder wegrutschte.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung macht die Beklagte geltend, dass die Marktverwaltung die Streitverkündete mit der Verlegung der Markierungsstreifen beauftragt habe und dass sie daher habe auf eine fachgerechte Auswahl und Anbringung der Markierungsstreifen vertrauen dürfen. Zudem sei sie, die Beklagte, einer Überwachungspflicht hinreichend nachgekommen durch täglich wiederholte Kontrollen unter hierbei vorgenommenen Entfernen abgelöster Streifen sowie der Einforderung der Neuverklebung durch die Streitverkündete. Diese Neuverklebung sei am 10.10.2016 vorgenommen worden und zur Zeit des Unfalls, am 11.10.2016 um 07:30 Uhr morgens, sei noch keine erneute Kontrolle der neuverlegten Streifen zu erwarten bzw. erforderlich gewesen. Zudem sei bei den Kontrollen ein Schmiereffekt nicht bemerkt worden, so dass auch nicht von einer Ungeeignetheit der Markierungen auszugehen gewesen sei. Schließlich müsse eine etwaige Haftung der Beklagten hinter einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers zurücktreten. Wenn zu Lasten der Beklagten eine Offensichtlichkeit der Gefahr unterstellt werde, müsse gleichzeitig auch eine Kenntnis des Klägers festgestellt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung sowie die Zurückverweisung an das Landgericht zur Durchführung des Betragsverfahrens.
Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Kläger rügt, dass es sich bei der Behauptung der Beklagten, die Streitverkündete auch mit der Auswahl geeigneter Markierungsstreifen beauftragt zu haben, um neuen Vortrag handele, dessen Verspätung der Kläger rügt. Zudem müsse die Beklagte auch ein eigenes Verschulden der Streitverkündeten gegen sich gelten lassen, wenn sie die Streitverkündete als Verwaltungshelferin mit der Anbringung von Markierungsstreifen als Verkehrsregelungen betraue. Weiter meint der Kläger, dass sich der Beklagten habe aufdrängen müssen, dass das Material nicht geeignet sei, wenn, wie vom Zeuge … bekundet worden sei, auch im Vorjahr Markierungsstreifen sich gelöst hätten und hätten nachgeklebt werden müssen. Wenn sich, wie von den Zeugen bestätigt worden sei, ständig Streifen lösten und entfernt oder nachgeklebt werden müssten, dann sei die Markierung zu entfernen und nicht wieder zu verwenden, da auch tägliche Kontrollgänge nicht gewährleisten könnten, dass es bei einem derart stark frequentierten Bereich wieder kurzfristig zu weiteren Ablösungen komme. Dem Kläger hingegen sei die Gefährlichkeit des Bereichs nicht bekannt und nicht erkennbar gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien in der Berufungsinstanz verwiesen.
II.
Nach der frist- und formgerechten Einlegung der Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 15.05.2019, bei der es sich um ein Teil-Grundurteil handelt, war durch den Senat die Entscheidung über den Feststellungsantrag des Klägers (Klagantrag zu 3.), der vom Landgericht unbeschieden geblieben ist, an sich zu ziehen (siehe unter 1.) und es war über diesen Antrag wie unter Ziffer I tenoriert zu entscheiden (siehe unter 2.). Die Berufung gegen das Teil-Grundurteil des Landgerichts vom 15.05.2019 war in der Sache zurückzuverweisen, da das Landgericht in dieser Entscheidung eine zutreffende Haftungsverteilung dem Grunde nach angenommen hat, und das Verfahren war in der Sache zur Durchführung des Betragsverfahrens über die Höhe des Anspruchs an das Landgericht zurückzuverweisen (siehe unter 3.).
1. Bei dem als Grundurteil bezeichneten Urteil des Landgerichts vom 15.05.2019 handelte es sich tatsächlich um ein Teil-Grundurteil, in dem das Landgericht ein Grundurteil lediglich in Bezug auf die Zahlungsanträge des Klägers zu 1. und 2. erlassen hat, nicht aber auch in Bezug auf den unbezifferten Feststellungsantrag im Klagantrag zu 3. In Bezug auf einen unbezifferten Feststellungsantrag ist ein Grundurteil unzulässig (siehe BGH, Urteil vom 30.04.2003 – V ZR 100/02, juris Rn. 7, NJW 2003, 2380; Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06, juris Rn. 10, BGHZ 182, 116). Die Entscheidung des Landgerichts vom 15.05.2019 konnte auch nicht im Wege der Auslegung als auf den Erlass sowohl eines Teil-Grundurteils in Bezug auf die Zahlungsanträge des Klägers zu 1. und 2. als auch eines (zulässigen) Teil-Endurteils in Bezug auf den Feststellungsantrag im Klagantrag zu 3. gerichtet verstanden werden: Der Tenor der Entscheidung ist ausdrücklich und eindeutig auf eine Entscheidung über den Klaganspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld bezogen und nicht auf die mit dem Antrag zu 3. verfolgte Feststellungsaussage und es lassen auch die Urteilsgründe nicht erkennen, dass das Landgericht insoweit eine Teil-Endentscheidung treffen wollte, die nicht hinsichtlich der Höhe noch der weiteren Beweiserhebung unterliegen sollte. Eine Umdeutung im vorgenannten Sinne scheidet daher aus (vgl. so auch BGH, Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06, juris Rn. 10 f., BGHZ 182, 116; OLG München, Urteil vom 12.01.2018 – 10 U 1616/17, juris Rn. 21 f, NJW 2018, 1327). Hat das Landgericht damit lediglich ein Teil-Grundurteil in Bezug auf die Zahlungsanträge des Klägers zu 1. und 2. erlassen, so liegt der Fall eines wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen unzulässigen Teilurteils vor, da es an einem Teil-Endurteil über den Feststellungsantrag fehlt (siehe BGH, a.a.O.). Von der für den Fall eines unzulässigen Teilurteils bestehenden Möglichkeit der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO konnte vorliegend aber abgesehen werden, da der Senat aus Gründen der Sachdienlichkeit die Entscheidung über den in erster Instanz noch nicht entschiedenen Teil an sich ziehen und damit die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausräumen konnte (siehe BGH, Urteil vom 13.10.2008 – II ZR 112/07, juris Rn. 7, NJW 2009, 230), worauf der Senat im Termin vom 19.02.2020 hingewiesen hat, ohne dass es im Übrigen eines entsprechenden Antrags oder Einverständnisses der Parteien bedurfte (siehe BGH, a.a.O.).
2. Auf den vor dem Landgericht gestellten, dort unbeschieden gebliebenen und nach den vorstehenden Grundsätzen vom Senat an sich gezogenen Feststellungsantrag des Klägers im Klagantrag zu 3. war festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 11.10.2016 mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, wobei sich die Haftung der Beklagten hier bereits aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. den Verkehrssicherungspflichten der Beklagten als Eigentümerin der betreffenden Verkehrsfläche ergibt.
a. Die Beklagte hat hier ihre Verkehrssicherungspflichten dadurch verletzt, dass sich auf ihrer Verkehrsfläche vor dem Eingang des A.-Bahnhofs auf dem Bodenpflaster Markierungsklebebänder befanden, die sich teilweise abgelöst hatten, was eine Sturzgefahr begründete. Die Feststellungen des Landgerichts zu den vorhandenen Ablösungen der Markierungsklebebänder hat auch der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen: Die Beklagte hat diese Feststellungen in ihrer Berufung nicht angegriffen und es gebieten auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen. Auch der Sturz des Klägers und dessen dadurch erlittene Verletzungen sind nicht bestritten.
b. Auf das Vorbringen der Beklagten, die Anbringung und gegebenenfalls auch die Auswahl der Markierungsstreifen auf die Streitverkündete übertragen zu haben, kommt es vorliegend nicht an, da jedenfalls die fortlaufende Pflicht zur Überwachung der auf der ihr gehörenden Verkehrsfläche angebrachten Markierungen bei der Beklagten verblieb.
c. Die Kausalität der Verkehrssicherungspflichtverletzung für die eingetretene Rechtsgutsverletzung in Form der Verletzung des Klägers war nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises festzustellen, da der Kläger nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Landgerichts im räumlichen Kontext der Pflichtverletzung zu Fall gekommen ist, was der Verwirklichung der typischerweise hierdurch begründeten Gefahr entspricht.
d. Dem Vorwurf des Verschuldens an der Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass sie täglich wiederholte Kontrollen der Verklebung der Markierungsstreifen vorgenommen habe und dass zum Zeitpunkt des Unfalls am 11.10.2016 um 07:30 Uhr nach der Neuverklebung am Vortag noch keine erneute Kontrolle zu erwarten bzw. erforderlich gewesen sei: Da unstreitig bekannt war, dass sich Streifen lösen konnten und dass dies zuvor erfolgt war, unabhängig davon, ob dies ein ständiges oder lediglich ein grundsätzlich vorkommendes Ereignis gewesen sein soll, genügen solche gegebenenfalls auch mehrmals täglich erfolgenden Kontrollen gerade nicht: Das Ablösen von Teilen der Markierungsstreifen konnte aufgrund dieser bekannten Grundlage jederzeit erfolgen und damit unmittelbar zu einer Gefahr führen. Es ist auch nicht vorgetragen, dass die Neuverklebung technisch anders erfolgt wäre als die Erstverklebung, so dass auch nicht ein abweichender Geschehensablauf zu erwarten gestanden hätte. Anders als bei sich über längere Zeit aufbauenden Gefahren, wie z.B. Laubfall, oder unvorhersehbar eintretenden Gefahren, z.B. von Passanten hinterlassenem Unrat, konnte daher die Beklagte mit einer lediglich periodischen Überwachung ihren Verkehrssicherungspflichten nicht genügen, da so ein auf dieser hochfrequentierten Verkehrsfläche erforderlicher ständiger Schutz gegenüber dieser bekannten und jederzeit möglichen Gefahr gerade nicht sichergestellt werden konnte.
e. Ein Mitverschuldensvorwurf war dem Kläger nicht entgegenzuhalten, da nicht festzustellen war, dass gerade ihm die Gefahrenlage bekannt gewesen oder in der konkreten Situation ein abgelöster Markierungsbandteil für ihn erkennbar gewesen war. Das Vorhandensein der Markierungsklebebänder als solcher musste vom Kläger gerade nicht als Warnung vor Gefahren durch Teilablösungen dieser Bänder erkannt werden; auch sonst fehlt es an substantiiertem Sachvortrag dazu, woraus konkret gerade der Kläger bei der bestimmungsgemäßen Nutzung der von der Beklagten nicht gesperrten Verkehrsfläche im Eingangsbereich zum A.-Bahnhof die hier drohende Gefahr durch abgelöste Markierungsbandteile hätte erkennen müssen.
3. Aus den vorstehenden Erwägungen war daher auch die Berufung gegen das Teil-Grundurteil des Landgerichts vom 15.05.2019, mit dem das Landgericht ein Zwischenurteil über den Grund über die Klaganträge zu 1. und 2. erlassen hat, unbegründet, da das Landgericht in dieser Entscheidung zutreffend eine alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach angenommen hat. Auf den Zurückverweisungsantrag des Klägers war nach Zurückweisung der Berufung daher die Sache insoweit nach § 538 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ZPO zur Durchführung des Betragsverfahrens über die Höhe des Anspruchs an das Landgericht zurückzuverweisen.
4. Die Entscheidung über die Kosten, auch über die Kosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht, war der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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