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Dienstag, 21. Januar 2025

Bauvorschriften der Landesbauordnungen als Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB

Der Kläger verlangte Sicherungsmaßnahmen zugunsten seines Grundstücks nach Abriss eines Gebäudes auf dem Grundstück seines Nachbarn (des Beklagten). Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe weder nach § 1004 Abs. 1 Sl1 GB iVm. nachbarrechtlichen Vorschriften einen Beseitigungsanspruch noch einen Ausgleichsanspruch nach § 1004 BGB iVm. § 922 S. 2 BGB, da die mit dem Gebäude abgerissene Außenmauer keine Grenzmauer sei. Auch § 1004 BGB iVm. § 906 BGB scheide aus, da es an einer notwendigen Einwirkung fehle. Auch sie kein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 12 Abs. 1 S. 2 BauO LSA gegeben, da hier der Abriss weder die Standsicherheit des Gebäudes des Klägers noch die Tragfähigkeit des klägerischen Grundstücks gefährde.

Das OLG hob auf die Berufung des Klägers das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht. Offen sei nämlich, ob ein Anspruch aus § 1004 BGB analog iVm. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 12 Abs. 1 S. 1 BauO LSA bestünde. Es sei anerkannt, dass § 1004 BGB analog als sogen. quasi-negatorischer Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch für alle deliktisch geschützten Rechtsgüter (mithin auch jenen in § 823 Abs. 1 BGB genannten) und für die durch ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB abgesicherten Interessenssphären gelte (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.1996 - V ZR 335/95 -).

§ 12 Abs. 1 S. 1 BauO LSA verlange die Standsicherheit jeder Anlage im Ganzen wie auch in Teilen. Im Zusammenhang kit § 3 BauO LSA ergebe sich, dass Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten seien, dass insbesondere Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden dürften. § 12  Abs. 1 S. 2 BauO LSA bestimme auch, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden dürften, die Norm habe nachbarschützende Wirkung (OVG Magdeburg, Urteil vom 18.02.2015 - 2 L 22/13 -). Bauvorschriften mit nachbarschützender Wirkung würden gleichzeitig Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB darstellen (vgl. BayObLG, Urteil vom 15.11.1000 - 1Z RR 187/98 -).

§ 12 Abs. 1 S. 2 BauO LSA sei nicht nur bei der Errichtung , sondern auch – wie vorliegend in Betracht kommend – sondern auch bei dem Abriss eines Gebäudes anzuwenden, was sich aus der Systematik der Regelungen in der BauO LSA ergäbe. Denn für die Beseitigung baulicher Anlagen gelte nach § 2 Abs. 4 BauO LSA (in der im Zeitpunkt des  Abrisses Herbst 2013 geltenden Fassung), wonach der Zustand nach dem Abbruch eines Gebäudes gegen die Anforderungen des § 3 Abs. 1 S. 1 BauO LSA verstoßen könne, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet würden. Sei aber bei einem Abriss einer baulichen Anlage die Generalklausel des § 3 Abs. 1 BauO LSA einzuhalten, gelte für den  Abriss einer baulichen Anlage – nicht anders als für deren Errichtung- ebenfalls die Konkretisierung dieser Generalklausel in der Vorschrift über die Standsicherheit in § 12 Abs. 1 BauO LSA.

Das OLG führte sodann aus, dass vom Landgericht bisher nicht aufgeklärt worden sei, ob die Standsicherheit des Gebäudes des Klägers bzw. die Tragfähigkeit seines Grundstücks durch den Abriss des Gebäudes des Beklagten gefährdet sei.

OLG Naumburg, Urteil vom 29.01.2024 - 12 U 75/23 -