Der Kläger verlangte
Sicherungsmaßnahmen zugunsten seines Grundstücks nach Abriss eines Gebäudes auf
dem Grundstück seines Nachbarn (des Beklagten). Das Landgericht wies die Klage
mit der Begründung ab, der Kläger habe weder nach § 1004 Abs. 1 Sl1 GB iVm.
nachbarrechtlichen Vorschriften einen Beseitigungsanspruch noch einen Ausgleichsanspruch
nach § 1004 BGB iVm. § 922 S. 2 BGB, da die mit dem Gebäude abgerissene
Außenmauer keine Grenzmauer sei. Auch § 1004 BGB iVm. § 906 BGB scheide aus, da
es an einer notwendigen Einwirkung fehle. Auch sie kein Anspruch nach § 823
Abs. 2 BGB iVm. § 12 Abs. 1 S. 2 BauO LSA gegeben, da hier der Abriss weder die
Standsicherheit des Gebäudes des Klägers noch die Tragfähigkeit des klägerischen
Grundstücks gefährde.
Das OLG hob auf die Berufung des Klägers das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht. Offen sei nämlich, ob ein Anspruch aus § 1004 BGB analog iVm. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 12 Abs. 1 S. 1 BauO LSA bestünde. Es sei anerkannt, dass § 1004 BGB analog als sogen. quasi-negatorischer Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch für alle deliktisch geschützten Rechtsgüter (mithin auch jenen in § 823 Abs. 1 BGB genannten) und für die durch ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB abgesicherten Interessenssphären gelte (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.1996 - V ZR 335/95 -).
§ 12 Abs. 1 S. 1 BauO LSA verlange die Standsicherheit jeder Anlage im Ganzen wie auch in Teilen. Im Zusammenhang kit § 3 BauO LSA ergebe sich, dass Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten seien, dass insbesondere Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden dürften. § 12 Abs. 1 S. 2 BauO LSA bestimme auch, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden dürften, die Norm habe nachbarschützende Wirkung (OVG Magdeburg, Urteil vom 18.02.2015 - 2 L 22/13 -). Bauvorschriften mit nachbarschützender Wirkung würden gleichzeitig Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB darstellen (vgl. BayObLG, Urteil vom 15.11.1000 - 1Z RR 187/98 -).
§ 12 Abs. 1 S. 2 BauO LSA sei nicht nur bei der Errichtung , sondern auch – wie vorliegend in Betracht kommend – sondern auch bei dem Abriss eines Gebäudes anzuwenden, was sich aus der Systematik der Regelungen in der BauO LSA ergäbe. Denn für die Beseitigung baulicher Anlagen gelte nach § 2 Abs. 4 BauO LSA (in der im Zeitpunkt des Abrisses Herbst 2013 geltenden Fassung), wonach der Zustand nach dem Abbruch eines Gebäudes gegen die Anforderungen des § 3 Abs. 1 S. 1 BauO LSA verstoßen könne, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet würden. Sei aber bei einem Abriss einer baulichen Anlage die Generalklausel des § 3 Abs. 1 BauO LSA einzuhalten, gelte für den Abriss einer baulichen Anlage – nicht anders als für deren Errichtung- ebenfalls die Konkretisierung dieser Generalklausel in der Vorschrift über die Standsicherheit in § 12 Abs. 1 BauO LSA.
Das OLG führte sodann aus, dass vom Landgericht bisher nicht aufgeklärt worden sei, ob die Standsicherheit des Gebäudes des Klägers bzw. die Tragfähigkeit seines Grundstücks durch den Abriss des Gebäudes des Beklagten gefährdet sei.
OLG Naumburg, Urteil vom 29.01.2024 - 12 U 75/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am
6. April 2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des
Landgerichts Magdeburg aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger
begehrt Sicherungsmaßnahmen zugunsten seines Grundstücks im Gefolge des
Abrisses eines Gebäudes auf dem Grundstück der Beklagten.
Wegen der
Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und
der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:
Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger gegen
die Beklagte keinen Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1
S. 1 BGB in Verbindung mit den nachbarrechtlichen Sondervorschriften habe.
Ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach § 1004 BGB in Verbindung mit
§ 922 Satz 3 BGB scheide aus, weil die mit dem Gebäude der Beklagten
abgerissene Außenmauer keine Grenzanlage sei. Das Gebäude der Beklagten
inklusive Außenwand gehöre unstreitig der Beklagten allein. Auch eine analoge
Anwendung des § 922 Satz 3 BGB komme nicht in Betracht. Ferner
scheide ein Anspruch des Klägers nach § 1004 BGB in Verbindung mit
§ 909 BGB aus, da das Grundstück der Beklagten nicht vertieft worden sei.
Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch nach § 1004 BGB in
Verbindung mit § 906 BGB, weil es an der notwendigen Einwirkung fehle.
Streitgegenständlich sei nicht die Zuführung von Stoffen auf das Grundstück des
Klägers. Die bloße Beseitigung einer das Nachbargebäude bzw. die darunterliegende
Steilböschung vor Witterungseinflüssen schützenden eigenen Einrichtung sei
keine unmittelbare Einwirkung auf das benachbarte Grundstück. Des Weiteren habe
der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 10 Abs. 3
NbG LSA, denn es handele sich um keine Nachbarwand im Sinne von § 5
Abs. 1 NbG LSA bzw. um einen Anbau an eine solche Nachbarwand. Überdies
habe der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 15 NbG LSA
in Verbindung mit § 10 Abs. 3 NbG LSA. Zwar stelle die abgerissene Außenwand
eine zweite Grenzwand im Sinne von § 14 NbG LSA dar. § 15 NbG LSA sei
jedoch hinsichtlich ihrer zeitlichen Geltung nicht auf den vorliegenden Fall
anwendbar, da die Voraussetzungen der Vorschrift teilweise vor dem
Inkrafttreten des NbG LSA eingetreten seien. Denn die Errichtung der inzwischen
abgerissenen Außenmauer sei bereits im Jahr 1920 erfolgt.
Schließlich
stehe dem Kläger auch kein Anspruch gegen die Beklagte nach § 823
Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA zu.
Zwar sei dem Kläger zuzustimmen, dass § 12 Abs. 1 BauO LSA nicht nur
ein Verbot dahingehend aufstelle, dass eine bauliche Anlage so errichtet wird,
dass sie in ihrer Standfähigkeit von einer anderen baulichen Anlage abhängig
sei. Vielmehr folge aus der Vorschrift auch, dass der Abriss eines Gebäudes die
Standsicherheit eines anderen Gebäudes und die Tragfähigkeit des Baugrundes der
Nachbargrundstücke nicht gefährden dürfe. Allerdings habe der Abriss des
Gebäudes seitens des Beklagten weder die Standsicherheit des Gebäudes des
Klägers noch die Tragfähigkeit des Baugrundes des klägerischen Grundstücks
unmittelbar gefährdet. Nach Einschätzung eines Baugrundgutachters lägen keine
offensichtlichen Indizien vor, die die Standsicherheit infrage stellen würden.
Ferner sei der Stellungnahme über die Standsicherheit der örtlichen
Bausituation des Dipl.-Ing. F. zu entnehmen, dass als Indiz für das Anliegen
von Kalkstein mit einer guten Tragfähigkeit in der Gründungsebene des
Kalksteinbruches spreche, dass das Gebäude auf der Böschungsschulter auch nach
den Abrissarbeiten am Böschungsfuß keinerlei Schäden aufweise. Aus der
Gesamtschau beider Stellungnahmen ergebe sich, dass die Abrissarbeiten die
Standsicherheit des klägerischen Gebäudes nicht unmittelbar gefährdet hätten.
Zwar habe der Dipl.-Ing. F. in seiner Stellungnahme im November 2021
festgestellt, dass die Auswaschungen des Kalksteines direkt unterhalb des
Gebäudes dazu geführt hätten, dass die Gründung der böschungsseitigen
Kelleraußenwand teilweise nicht mehr vorhanden sei. Insoweit sei die
Standsicherheit des Gebäudes des Klägers aber nicht unmittelbar durch die
Abrissarbeiten der Beklagten gefährdet. Die Gefährdung sei vielmehr darauf
zurückzuführen, dass Witterungseinflüsse auf das Grundstück des Klägers
einwirkten. Soweit es möglich sei, dass die Einflussmöglichkeit der Witterung
erst durch die Abrissarbeiten der Beklagten entstanden sei, lasse sich daraus
nicht ableiten, dass die Beklagte auch die Verantwortung dafür trage, das
Grundstück des Klägers vor Witterungseinflüssen zu schützen.
Gegen dieses
Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine
erstinstanzlichen Klaganträge weiterverfolgt und zur Begründung ausführt, dass
die seitens der Beklagten eingeschaltete Prüfungsgesellschaft für Straßen- und
Tiefbau mbH & Co. KG bereits unter dem 4. März 2014 dringend Maßnahmen zur
Gewährleistung der Standsicherheit der Steilböschung gefordert habe. Außerdem
sei angeraten worden, eine weitere Einschätzung einzuholen, ob bzw. inwieweit
der untere Teil des Gebäudes einen Beitrag zur Abstützung der Böschung
geleistet habe bzw. ob die Steilböschung, auf der der obere Gebäudeteil stehe,
noch ausreichend standsicher sei. Dem sei nicht nachgegangen worden. Der
Dipl.-Ing. F. habe festgestellt, dass ein Baugrundgutachter Maßnahmen zum
Erhalt der Standfestigkeit der Böschung vorgeschlagen habe, um die Böschung vor
Verwitterungseinflüssen zu schützen und damit die Standsicherheit des oberen
Gebäudes auch zukünftig zu gewährleisten. Die Beklagte habe nämlich die
natürliche Hanglage mit dem bereits vorhandenen Bauwerk des Klägers enorm
verändert, denn direkt an den Fundamenten des Klägers sei der Hang mit einer
90-Grad-Böschung freigelegt worden. In der Vergangenheit sei zum Schutz vor
direkter Einwirkung an die Böschung eine Schutzmauer errichtet und ein
Gebäudekomplex erbaut worden, worauf die Böschung zuzüglich Gebäudeaufbauten
des Klägers 100 Jahre standsicher hätten genutzt werden können. Dieser
nachträglich errichtete Gebäudekomplex sei zuerst von der Beklagten langfristig
vernachlässigt worden, was schlussendlich zum Abriss geführt habe. Wäre er –
der Kläger –, wie gesetzlich vorgesehen, vor Beginn der Abrissmaßnahme
informiert worden, hätte er seine Bedenken und Einwände bereits vor den
Maßnahmen erläutert und somit versucht, den aktuellen Zustand noch zu
vermeiden.
Nach dem Abriss
habe er den Geschäftsführer der Beklagten darauf angesprochen, dass die durch
den Abriss geschaffene instabile Lage bereits dazu geführt habe, dass auf dem
Grundstück des Nachbarn N. ein Schuppen eingefallen sei. Der Geschäftsführer
habe damals mündlich erklärt, dass er sich persönlich um die Sicherung des
Grundstücks des Klägers kümmern werde. Nachdem dies bis April 2018 noch immer
nicht geschehen sei, habe er bei dem S. Kreis einen Antrag auf
bauaufsichtsrechtliches Einschreiten gestellt, der allerdings am Begriff der
akuten konkreten Gefahr gescheitert sei. Der Statiker F. habe in seiner
Stellungnahme vom 22. November 2019 dokumentiert, dass eine Sicherung der
Böschung nicht durchgeführt worden sei, weshalb die Standsicherheit der auf der
Böschungsschulter befindlichen Gebäude auf längere Sicht nicht gewährleistet
sei.
Er habe neun
Farbfotografien überreicht, aus denen sich einerseits der drastische und
massive Abbruch ergebe und andererseits deutlich werde, wo nun neuerdings seit
dem Abriss im Herbst 2013 sich im Inneren massive Risse gebildet hätten, die in
den vergangenen 150 Jahren noch nicht vorhanden gewesen seien. Die Fotos
verdeutlichten den gefährlichen bzw. instabilen Zustand des Gebäudes, weshalb
die Reparatur des Daches zur Zeit nicht möglich sei, ohne die Mitarbeiter der
Fachbaufirma in Gefahr zu bringen.
Die Beklagte
habe am Fuß des Steilhangs lediglich Bauschutt abgekippt, der nicht
verdichtungsfähig sei und damit für die geforderten Sicherungsmaßnahmen völlig
ungeeignet. Bei der letzten baustatischen Besichtigung im September 2021 habe
der Statiker feststellen müssen, dass die für die Standsicherheit der Böschung
festgelegten Maßnahmen von der Beklagten nicht realisiert worden seien. Die
Auslassungen des Kalksteins direkt unterhalb des Gebäudes hätten nunmehr dazu
geführt, dass die Gründung der böschungsseitigen Kelleraußenwand teilweise
nicht mehr vorhanden sei. Durch die Fugen des Ziegelpflasters im Fußboden des
Kellers sei in einigen Bereichen das Tageslicht zu sehen. Daraufhin sei das
Betreten des unterkellerten Gebäudeteils untersagt worden, da die Standsicherheit
des Gebäudes in diesem Bereich nicht mehr gegeben sei. Beim Ortstermin am 17.
September 2021 seien auch die angebrachten Gipsmarken kontrolliert worden.
Dabei habe festgestellt werden müssen, dass diese in der Zwischenzeit ebenfalls
Risse unterschiedlicher Rissweiten aufwiesen. Der Hang unterhalb des Gebäudes
befinde sich daher weiterhin in Bewegung. Der Statiker F. halte es für dringend
erforderlich, die von ihm bereits 2014 aufgeführten Maßnahmen zur Sicherung der
Standfestigkeit der Böschung durchzuführen.
Nicht
nachvollziehbar sei, dass das Landgericht aus alledem keinen Beseitigungs- bzw.
Ausgleichsanspruch des Klägers gemäß § 1004 BGB habe erkennen können. Die
Beklagte habe ihr gewaltiges Industrieareal abgerissen und auf die Warnung des
Baugrundgutachters und des involvierten Statikers nicht geachtet und dabei die
ausdrücklich geforderten Maßnahmen zur Sicherung der Standsicherheit nicht
erfüllt. Die Beklagte sei auch Verursacherin der mangelhaften Standsicherheit.
Sie hafte daher auf die beantragte Maßnahme.
Der Kläger beantragt:
Das angefochtene und am 6. April 2023
verkündete und dem Kläger am 17. April 2023 zugestellte Urteil des Landgerichts
Magdeburg mit der Geschäfts-Nr. 11 O 1386/20 abzuändern und den Beklagten
zu verurteilen, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zugunsten des Grundstücks
W. 3 in B., Flur 58, Flurstück 1000 vorzunehmen, die erforderlich geworden sind
durch die Abbruchmaßnahmen der Beklagten auf dem tiefer gelegenen
Nachbargrundstück (W. 1 in B., Gemarkung B., Flur 58, Flurstück 1001), um
insbesondere die dadurch beeinträchtigte Standsicherheit der auf ihr
befindlichen Gebäude des Klägers dauerhaft zu gewährleisten;
sowie die Beklagte ferner zu verurteilen,
an den Kläger die außergerichtliche Geschäftsgebühr in Höhe von 1.229,75 €
zzgl. 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (6.
Oktober 2020) zu zahlen.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt
die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
II.
Die zulässige
Berufung des Klägers hat in der Sache vorläufig Erfolg.
1.
Die Beklagte
erhebt allerdings ohne Erfolg den Einwand der fehlenden Sachbefugnis des
Klägers nach § 265 Abs. 3 ZPO.
Zwar hat der
Kläger sein – aus seiner Sicht beeinträchtigtes – Grundstück an seinen Sohn M.
E. und J. S. verkauft, wobei diese am 29. November 2022, also lange nach
Rechtshängigkeit, als neue Eigentümer in das Grundbuch von B. Blatt 10652 (Bl.
32 II) eingetragen worden sind.
Die Veräußerung
hat allerdings nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Prozess
keinen Einfluss. Maßgebend für die Anwendung von § 265 Abs. 2
Satz 1 ZPO ist nämlich § 266 Abs. 1 ZPO. Darin ist eine
Sonderregelung für die Veräußerung von Grundstücken während eines anhängigen
Rechtsstreits enthalten, die der Bestimmung in § 265 Abs. 2 ZPO
vorgeht. Sie erfasst nach einhelliger Auffassung auch Streitigkeiten über
nachbarrechtliche Rechte und Pflichten, wie sie sich zum Beispiel aus
§ 906 BGB ergeben. Das hat seinen Grund darin, dass in diesem Fall
"bildlich gesprochen das Grundstück als das berechtigte oder verpflichtete
Subjekt und der jeweilige Eigentümer nur als dessen Vertreter erscheint."
So liegen die Dinge im Anwendungsbereich von § 906 BGB. Nach Abs. 1
der Vorschrift müssen die Einwirkungen, die gegebenenfalls nach § 1004
Abs. 1 BGB abgewehrt werden können, auf einer bestimmten Nutzung oder auf
dem eigentumsbeeinträchtigenden Zustand eines Grundstücks beruhen. Anders ist
es, wenn die Einwirkungen auf einer Handlung beruhen, die damit nichts zu tun
hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand einen Stein auf ein
Nachbargrundstück wirft oder als Straßenmusikant den Anlieger störende
Geräusche erzeugt. Derartige Einwirkungen fallen nicht unter § 906 BGB.
Macht der Rechtsnachfolger des veräußernden Grundstückseigentümers von seiner
Berechtigung, den Rechtsstreit zu übernehmen, keinen Gebrauch und ist er
mangels Antrags des Prozessgegners auch nicht zur Übernahme verpflichtet
(§ 266 Abs. 1 ZPO), führt der Rechtsvorgänger den Rechtsstreit nach
§ 265 Abs. 2 ZPO weiter (z. B. BGH, Urteil vom 15. Februar 2008 – V
ZR 222/06, zitiert nach Juris).
Im Übrigen kann
der Beklagte gemäß § 265 Abs. 3 ZPO nur dann ausnahmsweise einwenden,
dass der Kläger seine Sachbefugnis verloren habe, wenn der Rechtsnachfolger
gemäß § 325 Abs. 2 ZPO die Streitsache gutgläubig im Hinblick auf die
Rechtshängigkeit des Rechtsstreits erworben hat. Von einem gutgläubigen Erwerb
kann hier allerdings keine Rede sein. Denn die Erwerber kannten ausweislich
Ziffer 3 des Kaufvertrages vom 29. September 2022 (Bl. 48 II) durchaus den
vorliegenden Prozess.
2.
In der Sache
hat die zulässige Berufung des Klägers insoweit vorläufigen Erfolg, als das
angefochtene Urteil auf seinen Hilfsantrag aufzuheben und die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist,
weil das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem wesentlichen Mangel leidet,
aufgrund dessen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist
(§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Die
angefochtene Entscheidung des Landgerichts leidet an einem wesentlichen
Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, denn das
Landgericht hat seine Entscheidung auf einen nur unzureichend aufgeklärten
Sachverhalt gestützt und dabei unter Verletzung des Anspruchs der Klägers auf
die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dessen
Beweisangebot zu dem von der Beklagten bestrittenen Zusammenhang zwischen dem
Abriss von Gebäuden durch die Beklagte bzw. ihres Unterlassens zureichender
Sicherungsmaßnahmen und der gefährdeten Standsicherheit der Gebäude des Klägers
übergangen, die Behauptung des Klägers vielmehr ohne Beweisaufnahme zugunsten
der Beklagten verneint.
a.
Der Kläger kann
allerdings nicht allein auf der Grundlage des § 1004 BGB, wie von ihm im
Berufungsverfahren betont, die eingeklagten Sicherungsmaßnahmen verlangen.
Im Bereich des
Nachbarrechts reicht dies nicht aus. Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich
zwar grundsätzlich gegen die von einem Nachbargrundstück ausgehenden
Einwirkungen, die sein Eigentum beeinträchtigen, zur Wehr setzen (§ 1004
BGB). Inhalt und Umfang dieses Anspruchs im Einzelnen ergeben sich aber aus der
gesetzlichen Regelung des Nachbarrechts, das durch einen Ausgleich der einander
widerstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur
als Bundesrecht im BGB findet (§§ 906 ff BGB), sondern auch in den die
allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen ändernden und ergänzenden
Rechtsvorschriften enthalten ist, die nach Art. 1 Abs. 2,
Art. 65, 124 Satz 1 EGBGB dem Landesgesetzgeber vorbehalten sind
(BGH, Urteil vom 12. November 1999 – V ZR 229/98, zitiert nach Juris). Der
Eigentümer darf also mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren, auch wenn
dies nachteilige Auswirkungen auf das Nachbargrundstück hat, solange ihm das
Nachbarrecht seine Handlung nicht verbietet (z. B. BGH, Urteil vom 29. Juni
2012 – V ZR 97/11, zitiert nach Juris). Nach diesen Grundsätzen des
Bundesgerichtshofs kann der Senat also nicht der abweichenden Auffassung
folgen, dass der Abriss eines Gebäudes ohne die erforderliche Abstützung des
Nachbargebäudes eine Eigentumsbeeinträchtigung ist, deren Beseitigung nach
§ 1004 BGB verlangt werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 6.
September 2004 – 16 U 211/03 betr. Abriss einer Doppelhaushälfte; Fritzsche,
in: BeckOK BGB, Stand 1. August 2023, Rdn. 39 f. zu § 1004 BGB).
b.
Die Kammer hat
auch zutreffend verschiedene Anspruchsgrundlagen geprüft und verneint, was von
der Berufung nicht angegriffen wird:
Das Landgericht
hat zu Recht einen Anspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 922
BGB verneint, weil die Beklagte keine Grenzeinrichtung im Sinne von § 921
BGB abgerissen hat. Es hat außerdem eine analoge Anwendung des § 922 Satz 3
BGB zutreffend abgelehnt (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23. Dezember 2010 – 2 U
79/10, zitiert nach Juris, zu Grenzwänden in geschlossener Bebauung).
Zutreffend hat
die Kammer einen Anspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 906 BGB
verneint, weil es an Einwirkungen (unwägbare Stoffe) im Sinne dieser Vorschrift
fehlt.
Einen Anspruch
aus § 10 Abs. 3 NbG LSA hat die Kammer zu Recht verneint, weil sich
die Vorschrift nur auf eine Nachbarwand im Sinne von § 5 Abs. 1 NbG
LSA bzw. auf einen Anbau an eine solche Nachbarwand bezieht. Die inzwischen
abgerissene Außenwand hatte allerdings nicht die Eigenschaft einer Nachbarwand,
also einer auf der Grundstücksgrenze stehenden Wand.
Außerdem hat
das Landgericht überzeugend festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte
auch keinen Anspruch aus § 15 NbG LSA in Verbindung mit § 10
Abs. 3 NbG LSA hat, weil die abgerissene Wand lange vor dem Inkrafttreten
des Nachbarschaftsgesetzes errichtet worden ist (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom
23. Dezember 2010 – 2 U 79/10, zitiert nach Juris).
c.
Zu Recht hat
die Kammer auch einen Anspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 909
BGB verneint, weil das Grundstück der Beklagten nicht vertieft worden ist.
Zwar stellt der
Kläger mit der Berufung abermals darauf ab, dass die Beklagte mehrere 11 bis 13
Meter hohe Gebäude abgerissen hat, so dass die in ca. sechs Meter Höhe an einer
steilen Böschung mit einer Neigung von fast 90 Grad befindlichen Fundamente der
Gebäude des Klägers freigelegt worden sind. Dies ist allerdings keine
Vertiefung im Sinne des § 909 BGB. Nach dieser Vorschrift darf ein
Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des
Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für
eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. Die Entfernung von
aufstehenden Gebäuden stellt aber keine Vertiefung im Sinne von § 909 BGB
dar; denn eine solche setzt – bezogen auf das Grundstück des Beklagten – eine
Senkung des Bodenniveaus voraus und umfasst nicht die Entfernung oberirdischer
Gebäudeteile (z. B. BGH, Urteil vom 29. Juni 2012 – V ZR 97/11, zitiert nach
Juris). Dass hier Boden abgetragen worden sei, behauptet der Kläger nicht.
Auch kommt eine
analoge Anwendung des § 909 BGB nicht in Betracht. Der Abriss von Gebäuden
ist nicht einer Vertiefung gleichzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2012 –
V ZR 97/11, zitiert nach Juris, zum Entfernen einer Mauer).
d.
Schließlich
lässt sich der Anspruch des Klägers auch nicht aus dem nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnis herleiten, das die Kammer nicht geprüft hat.
Der
Bundesgerichtshof (Urteil vom 29. Juni 2012 – V ZR 97/11, zitiert nach Juris)
hat für den vergleichbaren Fall, dass der Nachbar das Unterlassen des Abrisses
einer sein eigenes Grundstück abstützenden Mauer verlangt, ausgeführt, dass die
Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn nach ständiger Rechtsprechung des
Senats insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die
Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende
Sonderregelung erfahren haben. Zwar ist auch auf sie der allgemeine Grundsatz
von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn
eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den
konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses
zusammengefasst werden. Eine daraus folgende selbständige Verpflichtung ist
aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme
und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung
hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend
geboten erscheint. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser
aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das
Rechtsinstitut darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen
Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren. Ein Ausnahmefall, der eine
Unterlassungsverpflichtung rechtfertigen könnte, wird allein durch die
„faktische Stützungsfunktion“ der Mauer nicht begründet. Andernfalls würde der
Beklagten eine zeitlich unbeschränkte und verursacherunabhängige Pflicht zur
Absicherung des Grundstücks des Klägers auferlegt. Das verkehrte die
gesetzliche Zuordnung von nachbarlichen Rechten und Pflichten in ihr Gegenteil.
Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis kann nur die Pflicht zu
einer Ankündigung derartiger Abrissarbeiten hergeleitet werden, die so
rechtzeitig erfolgen muss, dass sie den Grundstücksnachbarn in die Lage
versetzt, vorher eigene Stützungsmaßnahmen zu treffen; nur in diesem eingeschränkten
Rahmen kann sich eine Unterlassungspflicht ergeben (vgl. BGH, a.a.O.).
e.
Es ist
allerdings noch offen, ob der Kläger gegen die Beklagte aus § 1004 BGB
analog in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 12
Abs. 1 Satz 2 BauO LSA Anspruch auf Vornahme der notwendigen
Sicherungsmaßnahmen hat, um die Standsicherheit der Gebäude des Klägers
dauerhaft zu gewährleisten.
aa.
Dabei ist
§ 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA ein Schutzgesetz im Sinne von
§ 823 Abs. 2 BGB.
Anerkannt ist,
dass § 1004 BGB analog als sog quasi-negatorischer Beseitigungs- oder
Unterlassungsanspruch für alle deliktisch geschützten Rechtsgüter (insbesondere
die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Güter) und für die durch ein
Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB abgesicherten
Interessenssphären gilt (z. B. Thole, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2023,
Rdn. 7 zu § 1004 BGB; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. September 1996 – V ZR
335/95, zitiert nach Juris).
Nach § 12
Abs. 1 Satz 1 BauO LSA muss jede Anlage im Ganzen und in ihren
einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein. Die Forderung nach der
Standsicherheit von baulichen Anlagen ist eine Grundforderung und stellt eine
Konkretisierung der Generalklausel des § 3 BauO LSA dar. Gemäß § 3
Abs. 1 BauO LSA sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und
instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere
Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet
werden. Als Standsicherheit bezeichnet werden kann die Eigenschaft einer
baulichen Anlage, die die vorgesehene Beanspruchung der baulichen Anlage
gewährleistet, ohne dass derart starke physische Veränderungen an der baulichen
Anlage entstehen können, die eine Gefährdung bedeuten würden, insbesondere eine
Einsturzgefahr hervorrufen könnte, die Leben oder Gesundheit von Menschen und
Tieren gefährden würde. In den Begriff der Standsicherheit müssen außer dem
Tragwerk selbst weitere Faktoren einbezogen werden, insbesondere ist der
Baugrund für die Standsicherheit von Bedeutung. […] § 12 Abs. 1
Satz 2 BauO LSA bestimmt ferner, dass die Standsicherheit anderer
baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks
nicht gefährdet werden darf. Beim Nachweis der Standsicherheit müssen alle
baulichen Anlagen berücksichtigt werden, auf die durch die bauliche Maßnahme
Einwirkungen ausgeübt werden, insbesondere auch Nachbargebäude. […] Die
Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA hat nachbarschützende
Wirkung. Entsteht durch ein Bauvorhaben, das dieser Vorschrift nicht
entspricht, eine Gefahr für geschützte Rechtsgüter eines Nachbarn, kann sich
daraus für den Nachbarn ein Anspruch auf ordnungsrechtliches Einschreiten
ergeben (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 18. Februar 2015 – 2 L 22/13, Rz. 49
ff., zitiert nach Juris).
Bebauungsvorschriften,
die nachbarschützenden Charakter besitzen, stellen gleichzeitig Schutzgesetze
im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, etwa über die zulässige
Geschosszahl, über Abstandsflächen, über Höhenbeschränkungen oder über die
Tragfähigkeit des Baugrundes und die Standsicherheit baulicher Anlagen (z. B.
Spindler, in: BeckOGK, Stand 1. Dezember 2023, Rdn. 284 zu § 823 BGB; vgl.
auch das Bayerische Oberste Landesgericht, Urteil vom 15. November 1999 – 1Z RR
187/98, zitiert nach Juris, zu Art. 13 S. 3 BayBO).
bb.
Zu Recht hat
die Kammer angenommen, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 1
Satz 2 BauO LSA nicht nur für die Errichtung, sondern – wie im
vorliegenden Fall in Rede stehend – auch für den Abriss eines Gebäudes gilt.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO LSA muss eine bauliche Anlage
im Ganzen und in ihren Teilen für sich allein standsicher sein, wobei die
Standsicherheit anderer Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der
Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden darf. Die Vorschrift gilt daher
vordergründig für bauliche Anlagen. Dessen ungeachtet folgt aus der Systematik
der Regelungen der BauO LSA ihre Anwendung auch auf den Abriss einer baulichen
Anlage.
Für die
Beseitigung baulicher Anlagen gilt nämlich nach § 3 Abs. 4 BauO LSA
in der vorliegend auf einen Abriss im Herbst 2013 anwendbaren, in der vom 10.
September 2013 bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung die Vorschrift des
§ 3 Abs. 1 BauO LSA entsprechend bzw. sinngemäß (vgl. OVG Magdeburg,
Beschluss vom 22. Juli 2013 – 2 M 82/13, Rz. 20, zitiert nach Juris). Insofern
kann der Zustand eines Grundstücks nach dem Abbruch eines Gebäudes also gegen
die Anforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA verstoßen,
wonach Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten
sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben,
Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Hat der
Abriss einer baulichen Anlage aber die Anforderungen der Generalklausel des
§ 3 Abs. 1 BauO LSA einzuhalten, gilt für den Abriss einer baulichen
Anlage – nicht anders als für deren Errichtung – auch die Konkretisierung
dieser Generalklausel in der Vorschrift über die Standsicherheit in § 12
Abs. 1 BauO LSA.
cc.
Nicht
aufgeklärt ist allerdings bislang, ob die Standsicherheit der Gebäude des
Klägers bzw. die Tragfähigkeit seines Grundstücks gefährdet ist, und zwar
gerade durch den seinerzeitigen Abriss der Gebäude der Beklagten.
Hierzu ist die
Kammer auf das Bestreiten der klägerischen Behauptung durch die Beklagte
verfahrensfehlerhaft zu der Feststellung gelangt, dass der Abriss des Gebäudes
der Beklagten sowohl die Standsicherheit des Gebäudes des Klägers als auch die
Tragfähigkeit seines Grundstücks nicht unmittelbar gefährde.
Die Kammer hat
ihre Feststellung allein unter Bezugnahme auf privatgutachterliche
Stellungnahmen getroffen, die der Kläger in diesem Verfahren vorgelegt hat. Die
Kammer hat nämlich hierbei zugrunde gelegt die Ausführungen des Dipl.-Geologen
G. in seiner Stellungnahme zur Standsicherheit der Böschung am ehemaligen
Technikgebäude vom 4. März 2014 für die Prüfgesellschaft für Straßen- und
Tiefbau mbH & Co. KG (K 3, Anlagenband), die Ausführungen der Ingenieure F.
und K. in ihrer Stellungnahme „Maßnahmen zur Einhaltung der Standsicherheit“
vom 29. April 2014 (K 4, Anlagenband) sowie die Ausführungen des Ingenieurs F.
in seiner Baustatischen Stellungnahme vom 22. November 2019 (K 6, Anlagenband)
und in seinem „Nachtrag zur Baustatischen Stellungnahme vom 29. April 2014“ vom
12. November 2021 (K 14, Anlagenband).
Insofern hat
die Kammer – soweit ersichtlich ohne eigene sachverständige Expertise – über
die unter den Parteien streitige Behauptung des Klägers entschieden, dass die
Beklagte den Abriss ihrer Gebäude durchgeführt habe, ohne anschließend für eine
zureichende Standsicherheit der Gebäude des Klägers zu sorgen bzw. die
Tragfähigkeit des Baugrundes des Klägers sicherzustellen, obwohl hierüber
Beweis durch Einholung des gebotenen und von dem Kläger auch schriftsätzlich
angebotenen gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu erheben gewesen wäre.
3.
Der
festgestellte Verfahrensmangel rechtfertigt die Aufhebung und Zurückverweisung
der Sache an das Landgericht, da aufgrund dieses Versäumnisses eine
umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht sicher zu
erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2018 – III ZR 105/17, zitiert nach
Juris). Den nach § 538 Abs. 2 Satz 1, 2.Hs. ZPO erforderlichen
Antrag auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht hat der Kläger
gestellt. Unter Abwägung aller Umstände ist im Streitfall die Zurückverweisung
der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges sachdienlich.
Die
Entscheidung zwischen der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO und
der eigenen Sachentscheidung nach § 538 Abs. 1 ZPO steht im
pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Die Aufhebung und
Zurückverweisung wegen einer noch durchzuführenden Beweisaufnahme ist
allerdings auf Ausnahmefälle zu beschränken, in denen die Durchführung des
Verfahrens in der Berufungsinstanz voraussichtlich zu größeren Nachteilen führt
als die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz (z. B. BGH, Urteil vom
20. Juli 2011 – IV ZR 291/10, zitiert nach Juris).
Der Senat übt
das ihm eingeräumte Ermessen im vorliegenden Fall dahin aus, wegen des
aufgezeigten Verfahrensfehlers keine eigene Sachentscheidung zu treffen,
sondern das Verfahren unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das
Landgericht zurückzuverweisen. Bei der Abwägung zwischen Selbstentscheidung und
Aufhebung und Zurückverweisung muss berücksichtigt werden, dass es gerade
Aufgabe der ersten Instanz ist, die zur (Schluss-) Entscheidung in einem
Verfahren erforderlichen Beweise schon im ersten Rechtszug zu erheben.
Grundsätzlich ist zu verhindern, dass die tatsächlichen Grundlagen für die
Entscheidung des Berufungsgerichts erst im zweiten Rechtszug geschaffen werden
müssen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 UF 40/15, zitiert nach
Juris). Hier hat der festgestellte Verfahrensverstoß zur Folge, dass eine
umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme durch Einholung eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens notwendig wird. Eine Zurückverweisung an das
Erstgericht erscheint daher ausnahmsweise gerechtfertigt.
Die
Zurückverweisung ist damit, auch wenn sie zur Verteuerung und Verzögerung des
Rechtsstreits führen mag, vorliegend gleichwohl als sachdienlich anzusehen,
weil allein der Gesichtspunkt der Prozessökonomie die Erhebung der notwendigen
Beweise durch das Berufungsgericht nicht rechtfertigt. Den Parteien würde damit
eine Tatsacheninstanz genommen. Die Zurückverweisung dient aber auch dem
Interesse der Parteien an der Erhaltung einer Überprüfungsmöglichkeit durch die
Berufungsinstanz, da nach der Neufassung des § 513 ZPO keine umfassende
zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet ist, sondern in erster Linie eine
Fehlerprüfung stattfindet. Der Kläger hat durch seinen Antrag auf Aufhebung und
Zurückverweisung signalisiert, dass er auf eine Erhaltung der ersten Instanz
als Tatsacheninstanz Wert legt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. März 2019 – 1 U
71/18, zitiert nach Juris).
III.
Aufhebende und
zurückverweisende Berufungsurteile sind gem. § 708 Nr. 10 ZPO für
vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil aus ihnen insoweit die Vollstreckung
betrieben werden kann, als erst die Vorlage eines für vorläufig vollstreckbar
erklärten Urteils das Vollstreckungsorgan gem. §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO
nötigt, eine eingeleitete Vollstreckung aus dem aufgehobenen Urteil
einzustellen und getroffene Maßnahmen aufzuheben (z. B. Heßler, in: Zöller,
ZPO, 35. Aufl., Rdn. 59 zu § 538 ZPO). Die Kostenentscheidung bleibt dem
Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
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