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Donnerstag, 10. November 2022

Verkehrssicherungspflicht für einen untergeordneten Weg auf einem Grundstück

Nach der Behauptung der Antragstellerin (AS) stürzte sie auf einem Steinweg, der parallel zu der angrenzenden und von der AS angemieteten Garage entlang des Hauses der Antragsgegnerin (AG) verläuft und über eine offene Tür von der Garage aus erreichbar ist. Es sei (bei fehlender Beleuchtung) dunkel gewesen, die Bodenfliesen des Weges seien nass gewesen. Durch den Sturz habe sie sich diverse Frakturen zugezogen. Für eine beabsichtigte Klage auf materiellen und immateriellen Schadensersatz beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die vom Landgericht wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage versagt wurde. Die dagegen von der AS eingelegte Beschwerde wies das OLG zurück.

Das Landgericht habe zutreffend eine einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende Verkehrssicherungspflichtverletzung (§§ 823 Abs. 1 u. 2, 253, 249 BGB, 229 StGB) der AG verneint, da diese nicht verpflichtet gewesen sei, diesen Weg gegen Sturzgefahren abzusichern. Zwar träfe die AG grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf ihr Grundstück und das darauf stehende Gebäude und sie müssen auch damit rechnen, dass Fußgänger diesen Weg nutzen. Derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, sei verpflichtet, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 06.02.2007 - VI ZR 274/05 -).

Allerdings könne nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden; dies sei im praktischen Leben nicht erreichbar. Erforderlich sei, dass eine sachkundige Beurteilung die naheliegende Möglichkeit ergäbe, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten.  Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei genüge getan, wenn diejenigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden, die ein verständiger, umsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar seien (BGH aaO.). Käme es ausnahmeweise doch zu einen Schaden in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, da zwar eine Gefährdung anderer nicht völlig ausgeschlossen seien, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten seien, so müsse dies der Geschädigte selbst tragen (BGH aaO.; Anm.: Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos).

Danach habe es sich hier nicht um eine der Abhilfe bedürftige Gefahrenstelle gehandelt. Die Sicherung der hier betroffenen Zuwegung zur Terrasse müsse nicht gegen alle erdenklichen von dem Weg ausgehenden Gefahren erfolgen. Sie greife nur insoweit, als die Gefahr für einen Nutzer, der selbst die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sei, mit der er nicht rechnen müsse und auf die er sich nicht hätte einrichten können. Der Nutzer des Zuweges müsse grundsätzlich den Zustand hinnehmen, in dem sich der Zuweg erkennbar befände und sich den gegebenen Umständen anpassen (BGH, Urteil vom 13.07.1989 - III ZR 122/99 -). Sei der Nutzer bei gebotener Sorgfalt befähigt, selbst Schäden abzuwenden, bestünden für die AG keine weitergehenden Pflichten. Bei unübersichtlichen Situationen sei vom Nutzer eine erhöhte Aufmerksamkeit zu verlangen  (BGH, Urteil vom 13.07.1989 aaO.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.09.2008 - 4 U 114/08 -).  

Die AS habe hier erstmals bei Dunkelheit einen für sie erkennbar nicht als eigentlichen Zugangsweg zu dem Wohnhaus der AG führenden Weg genutzt, um so über die Terrasse in due Wohnung der AG zu gelangen. Dass dieser Weg auch von Pflegekräften und Angehörigen der AG verwandt würde, ändere daran nichts, da er damit nicht zum eigentlichen Zuweg zum Wohnhaus der AG würde; die Nutzung erfolge nur durch einen begrenzten und lebensnah zu unterstellenden mit den Umständen vertrauten Personenkreis. Eine Notwendigkeit, diesen Weg zu nutzen, habe nicht bestanden, auch wenn andere Pflegekräfte diesen nutzten und der AS  Eingang zum Wohnhaus bekannt gewesen sei.

Nur der letzte Teil des Weges sei mit Bodenfliesen versehen gewesen; er sei im Übrigen ebenerdig und in ungeordneter Reihenfolge mit Basaltplatten belegt gewesen, mit einer Stufe abgehoben, die bereits besondere Aufmerksamkeit geboten hatte. Zudem würde die AS selbst schildern, dass der Weg mit Ästen, Blättern und Moos bedeckt und regennass gewesen sei. Diese Beschaffenheit habe die AS erkannt, was für den Senat feststünde, wie sich auch aus der Tatsache ergäbe, dass der Weg von Bäumen/Büschen und regennass gewesen sei.

Bei objektiver Wertung müsse davon ausgegangen werden, dass die AG unterstellen konnte, dass einem sorgsamen und die konkreten Gegebenheiten des Weges in Betracht ziehenden Nutzer die Beschaffenheit des Weges erkennbar war und er daher bei der Nutzung seine Sorgfaltspflichten daran orientiere. Die AS selbst behaupte selbst nicht, dass sie sich in der Dunkelheit und eingedenk der Unübersichtlichkeit der Bodenbeschaffenheit mit angepasster, besonderer Sorgfalt bewegt habe.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.09.2022 - 17 W 17/22 -