Freitag, 15. November 2019

Waschstraße: Aufschieben des automatisch beförderten Fahrzeugs und Haftung nach § 7 StVG


Der Beklagte zu 1. nutzte mit seinem PKW eine Waschstraße. Das Fahrzeug befand sich auf dem Förderband, mithin im automatischen Transportvorgang der Waschstraße. Der Motor des Fahrzeuges wurde erst nach Eintritt des Schadens gestartet. Zu dem Schaden kam es dadurch, dass sich die Mitnehmerrolle unter dem PKW des Beklagten zu 1. hindurchzog (was nach Angaben des Sachverständigen auch nicht auf ein Abbremsen zurückzuführen sei) und das nachfolgende Fahrzeug des Klägers aufgeschoben wurde.

Eine Haftung des Beklagten nach § 7 StVG scheide aus, da sich der PKW des Beklagten nicht im Betrieb befunden habe. Ein Fahrzeug sei nicht im Betrieb, wenn die eigenständige Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keinerlei Rolle spiele. Da sich das Fahrzeug auf dem Förderband befand und von diesem Fortbewegt wurde, würden sich die eigentlichen Gefahren des Betriebs eines Fahrzeuges durch Größe, Gewicht und Geschwindigkeit nicht entfalten.

Auch eine Haftung nach § 823 BGB scheide aus. Hier hätte der Kläger eine Verursachung und ein Verschulden des Beklagten zu 1. darzulegen und nachzuweisen. Nach den Angaben des Sachverständigen scheide dies aber aus. Soweit vom Kläger die fehlende  Anhörung des Beklagten zu 1. durch das Landgericht gerügt wurde, könne er damit nicht gehört werden, da sich der Kläger hier zum Beweis einer Behauptung eines bestimmten, zum Unfall führenden Verhaltens des Beklagten dann auf dessen Parteivernehmung hätte beziehen müssen, was nicht erfolgte.

In Ansehung dieser Erwägungen wurde die klägerische Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 03.07.2019 und Beschluss vom 05.08.2019 - 12 U 57/19 -



Aus den Gründen:

I. Hinweisbeschluss vom 03.07.2019

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.07.2019.

Gründe

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung, dass die Beklagten für den bei dem Kläger eingetretenen Schaden weder aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung (§ 7 StVG), noch aus dem Gesichtspunkt der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) verantwortlich sind.
Der Schaden an dem Pkw des Klägers hat sich nicht beim Betrieb des Pkw der Beklagten zu 1. ereignet.
Zwar ist das Haftungsmerkmal „beim Betrieb“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Die Gefährdungshaftung beruht auf dem Gedanken sozialer Verantwortung für eigene Wagnisse. Erforderlich ist es aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um deren Willen die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH VI ZR 253/13, Urteil vom 21.01.2014 juris). Dies ist dann der Fall, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebsvorrichtung des Kfz steht (BGH VI ZR 168/04, Urteil vom 26.04.2005, juris). Dagegen scheidet eine Haftung aus § 7 StVG grundsätzlich dann aus, wenn bei dem „gegnerischen Pkw“ die Fortbewegungs- und Transportfunktion keinerlei Rolle gespielt hat.
Der Schaden an dem Pkw des Klägers hat sich zu einem Zeitpunkt ereignet, als sich der Pkw der Beklagten zu 1. noch auf dem Förderband der Waschstraße befand, somit der Transportvorgang der Waschstraße noch nicht beendet war. Der Motor des Pkw des Beklagten zu 1. wurde auch erst nach dem Eintritt des Schadens gestartet. Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich der Pkw nicht im Betrieb. Ein Kraftfahrzeug ist dann nicht im Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG, wenn es ohne eigene Motorkraft durch eine automatische Waschanlage gezogen wird. Solange sich das Fahrzeug innerhalb des automatisierten Wasch- und Transportvorganges befindet, kommt weder die Fortbewegungsfunktion, noch die Transportfunktion des Fahrzeuges in irgendeiner Weise zum Tragen. Das Fahrzeug ist vielmehr vollständig abhängig von den automatisierten Transportvorgängen innerhalb der Waschstraße. Es ist insoweit vergleichbar mit jedem beliebigen Gegenstand der in gleicher Weise automatisch transportiert und bewegt wird. Die besonderen Gefahren des eigentlichen Betriebes des Kraftfahrzeuges (Geschwindigkeit, Ausmaße, Gewicht) entfalten hingegen in diesem Moment keine Relevanz (Zum gleichen Ergebnis kommend: KG Berlin in VersR 1977, 626; LG Paderborn 5 S 56/14, Urteil vom 26.11.2014, juris; AG Köln 272 C 33/12, Urteil vom 26.06.2012, juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 7 StVG Rn. 8). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.06.2019 zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.06.2019 (C-100/18, juris). Das nach dem Parken in Brand geratene Fahrzeug ist nach der Überzeugung des Senats mit dem in einer Waschstraße automatisch transportierten Fahrzeug nicht vergleichbar. Im Falle des in Brand geratenen geparkten Fahrzeuges hat der Fahrer den Parkvorgang bewusst herbeigeführt und das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle abgestellt, an der es auch verbleibt. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte zu 1. keinen Einfluss darauf, wie und wohin ihr Fahrzeug aufgrund des automatisierten Wasch- und Transportvorganges in der Waschstraße bewegt wurde. Das Fahrzeug wurde im Ergebnis von seiner eigentlichen Funktion vollständig losgelöst.
Eine Haftung aus § 7 StVG kommt somit nicht in Betracht.
Das Landgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Beklagten dem Kläger gegenüber auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) verantwortlich sind. Macht der Kläger gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne von § 823 BGB geltend, trifft ihn die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der entsprechende Schaden durch ein Verschulden des Beklagten verursacht worden ist (Palandt/Sprau, 78. Auflage, § 123 Rn. 80). Der Sachverständige Dipl.-Ing. ...[A] ist in seinem Gutachten vom 03.07.2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass es auszuschließen sei, dass das Hindurchziehen der Mitnehmrolle unter dem Pkw der Beklagten zu 1. durch ein Abbremsen des Pkw herbeigeführt worden sei. Er könne mit Sicherheit ausschließen, dass die Fußbremse oder auch die Parkbremse aktiviert worden sei. Der Sachverständige hat überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, wie er zu diesem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist. Der Pkw sei kurzzeitig durch ein Blockieren der Vorderräder gestoppt worden. Bei einer Betätigung der Parkbremse hätte es zu einem Blockieren der Hinterräder kommen müssen. Bei einer Aktivierung der Fußbremse hätten wiederum die Bremsleuchten aufleuchten müssen, dies sei aufgrund der vorhandenen Videoaufzeichnung auszuschließen. Der Senat hat wie auch das Landgericht keinerlei Anlass an der Richtigkeit dieser Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln. Weiterer belastbarer Vortrag des Klägers hinsichtlich eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten zu 1. ist nicht gehalten worden. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, das Landgericht habe die Beklagte zu 1. anhören/vernehmen müssen, hätte es insoweit zunächst einmal eines konkreten Sachvortrags bedurft, zu welcher Behauptung eine solche Anhörung/Vernehmung hätte stattfinden sollen. Wie bereits oben festgestellt legt der Kläger auch nicht ansatzweise dar, welches schuldhafte Verhalten der Beklagten zu 1. zu dem Schaden geführt haben soll. Hierbei war auch zu beachten, dass das Landgericht zutreffend ausführt, dass selbst aus dem Vorliegen eines technischen Mangels an dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. nicht zwangsläufig auch auf ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu 1. geschlossen werden könne.
Da die Berufung somit keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


II. Beschluss vom 05.08.2019


Tenor

1.1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10.12.2018 wird zurückgewiesen.
1.2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
1.3. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

1.4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.742,94 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 03.07.2019 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers im Schriftsatz vom 17.07.2019 führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
Auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens verbleibt der Senat bei seiner Überzeugung, dass sich der Schaden an dem Pkw des Klägers nicht beim Betrieb des Pkw der Beklagten zu 1. ereignet hat.
Wie in dem Hinweisbeschluss vom 03.07.2019 ausführlich dargelegt, sind die Voraussetzungen des § 7 StVG dann erfüllt, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebsvorrichtung des Kfz steht (BGH VI ZR 168/04, Urteil vom 26.04.2005, juris).
Der Schaden an dem Pkw des Klägers hat sich zu einem Zeitpunkt ereignet, als sich der Pkw der Beklagten zu 1. mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband der Waschstraße befand. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt noch vollständig abhängig von den automatisierten Transportvorgängen innerhalb der Waschstraße. Der Senat hält den Pkw insoweit nach wie vor mit jedem beliebigen Gegenstand vergleichbar der in gleicher Weise automatisch weitertransportiert und bewegt wird. Die besonderen Gefahren des Betriebes des Kraftfahrzeuges (Geschwindigkeit, Ausmaße, Gewicht) haben in diesem Moment keinerlei Relevanz entfaltet (zum gleichen Ergebnis kommend: KG Berlin in VersR 1977, 626; LG Paderborn, 5 S 56/14, Urteil vom 26. November 2014, juris; AG Köln, 272 C 33/12, Urteil vom 26.06.2012, juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 8).
Entgegen der im Schriftsatz vom 10.07.2019 vertretenen Auffassung des Klägers stehen die obigen Ausführungen des Senats auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Oberlandesgerichts Köln in dessen Urteil vom 06.04.2007 (OLG Köln, 3 U 111/15, Urteil vom 06.04.2017, juris). Dort war der schadensauslösende Brand durch einen Primärdefekt in der Fahrzeugelektrik nach der Betätigung der Zündung des Fahrzeugs entstanden. Ein naher örtlich und zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang (Betätigung der Zündung) bzw. mit einer bestimmten Betriebsvorrichtung (Fahrzeugelektrik) war damit gegeben. Wie bereits oben ausgeführt, stand der streitgegenständliche Schaden hingegen in keinerlei örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang ohne einer bestimmten Betriebsvorrichtung des Pkw der Beklagten zu 1. Der Senat verbleibt insoweit bei seiner Überzeugung, dass der Pkw der Beklagten zu 1. zum Schadenszeitpunkt von seiner eigentlichen Funktion als Fahrzeug vollständig losgelöst war. Eine Haftung aus § 7 StVG kommt somit nach wie vor nicht in Betracht.
Da aus den in dem Hinweisbeschluss vom 03.07.2019 dargelegten und fortgeltenden Gründen eine Haftung der Beklagten aus Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) ebenfalls nicht eingreift, war die Klage somit vollständig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und des Beschlusses erfolgen gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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