Die 65-jährige Klägerin war zur Taufe
ihres Enkelsohnes in der (katholischen) Kirche. Der Hochaltar war über vier
Treppenstufen (dahinter, über eine weitere Treppenstufe erreichbar, das
Taufbecken) erreichbar, wobei Bodenfläche und Treppenstufen farblich identisch
sind und die Stufen unbeleuchtet waren. Die Klägerin, die unter einem
zerebralen Aneurysma der Arteria Carotis intera litt, will ihrer Behauptung
zufolge beim Rückweg vom Hochaltar gestürzt sein, die sie die Stufe nicht
wahrgenommen habe. Bei dem Sturz habe sie sich beide Handgelenke und die rechte
Schulter gebrochen. Das Landgericht wies ihre Klage ab. Die Berufung gegen das
klageabweisende Urteil wurde zurückgewiesen.
Nach Auffassung des OLG scheidet
mangels einer Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte als
Eigentümerin der Kirche ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB der
Klägerin aus. Zwar müsse jeder, der Gefahrenquellen schaffen die notwendigen
Vorkehrungen zu Schutz Dritter treffen, doch gäbe es keine Verkehrssicherung,
die jeden Unfall ausschließe. Die zu treffende Vorsorge beträfe daher Gefahrenquellen,
mit denen der übliche Verkehr nicht rechnen müsse und auf die er sich auch nicht ohne weiteres selbst einstellen
könne.
Die Erwartungshaltung bei
erkennbar älteren Gebäuden sah das OLG als niedriger an gegenüber neuen
Gebäuden, auch wenn dies nicht dringende Sicherheitsbedürfnisse (wie z.B.
standfeste Treppen und ausreichende Trittbreite in alten Gebäuden) ausschließe.
Darüber hinaus würden Art und Ausmaß der Verkehrssicherungspflichten in Kirchen
von den religiösen Besonderheiten mitgeprägt. Dies zugrunde legend würden weder
die fehlende Markierung noch eine fehlende Beleuchtung der Treppenstufen einen
Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht in der Kirche darstellen.
Beim Betreten des Altarraumes
könne sich der Besucher auf die vorhandenen baulichen Ausführungen einstellen. Hier
ging die Klägerin auch ohne Sturz die Stufen zum Taufbecken hoch. Da die Treppenanlage
für sie erkennbar gewesen sei, habe ein überraschendes Auftreten einer
Gefahrenquelle nicht vorgelegen. Standsicherheit und Trittbreite seien von der
Klägerin auch nicht gerügt worden.
Das Landgericht habe hier auch
die religiöse Besonderheit hervorgehoben, wonach sich Besucher von katholischen
Kirchen im Wesentlichen auf das Kirchenschiff konzentrieren würden, das Betreten
des Altarraumes die Ausnahme für besondere Zeremonien (wie hier Taufe) darstelle.
Wer den Bereich des Hochaltars betrete, dem könne die Abstufung nicht entgehen.
Aber auch bei Annahme einer
Verkehrssicherungspflichtverletzung wäre der Klägerin ein Anspruch zu versagen.
Das Eigenverschulden der Klägerin würde diesen verdrängen, § 254 Abs. 1 BGB.
Dieses käme bei einem Schaden aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht
immer dann in Betracht, wenn für einen sorgfältigen Menschen Anhaltspunkte für
eine solche Verkehrssicherungspflicht erkennbar gewesen wären und damit die
Möglichkeit gehabt habe, sich auf diese Gefahr einzustellen. Da die Klägerin
nach ihrem Vortrag auf dem Rückweg gestolpert sein will, hatte sie Kenntnis von
den Stufen und hätte sich auf diese einstellen können. Dieses Unterlassen
stelle sich als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar, durch die
eine mögliche Pflichtverletzung der Beklagten zur Kenntlichmachung der
Treppenstufen zurückgedrängt würde.
OLG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2020 - 2 U 83/20 -