Die Klägerin war Gebäudeversicherer
eines Gastronomen, der in dem aus zwei Einheiten bestehenden Haus (aufgeteilt
nach WEG) in einer Einheit einen Gastronomiebetrieb unterhielt. Bei der
weiteren Einheit handelte es sich um eine Zahnarztpraxis, deren Sondereigentümer
der Beklagte war, der diese vermietet hatte. In der Zahnarztpraxis brach in der
Nacht vom 20. auf den 21.12.2009 bei -20° C eine Kaltwasserleitung, die von den
früheren Bruchteilseigentümern (dem Vater des Gastronomen und dem Beklagten) vor
Begründung der WEG in einem Podest lose verlegt war und zu einem Zahnarztstuhl
führte. Es entstand in der gastronomischen Einheit ein Wasserschaden, den die
Klägerin regulierte. Sie machte aus übergegangenen Recht (§ 86 VVG) den Aufwand
für die Schadensbeseitigung von € 73.137,40 als nachbarlichen Ausgleichsanspruch
geltend.
Das Amtsgericht gab der Klage
statt. Die Berufung des Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Auf die
zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtstreit an das
Landgericht zurückverwiesen.
Entscheidend war für die
Zuerkennung der Forderung, ob es sich hier für den Versicherungsnehmer der
Klägerin um einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch handelt. Ein verschuldensunabhängiger
nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch soll nach der ständigen Rechtsprechung
des BGH vorliegen, wenn von einem
Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen
auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des
anderen Grundstücks nicht dulden muss, allerdings aus besonderen Gründen nicht
gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch
Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß entschädigungslos hinzunehmender
Beeinträchtigung übersteigen. Erfasst würden auch sogen. Grobimmissionen wie
Wasser. Ob der Anwendungsbereich des § 2 HPflG (Haftung für Rohrleitungsanlage)
eröffnet sei, sei nicht entscheidend, da sich die Ansprüche nicht gegenseitig
ausschließen würden.
Der nachbarrechtliche
Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB käme auch dann in Betracht, wenn
die Nutzung von Sondereigentum durch rechtswidrige Einwirklungen beeinträchtigt
würde, die vom Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers ausgehe. Dies
allerdings dann nicht, wenn das Sondereigentum durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum
beeinträchtigt würde. Vorliegend gehöre aber die zum Zahnarztstuhl führende
Leitung nicht zum Gemeinschaftseigentum, da die ausschließlich die
zweckentsprechende Nutzung der Zahnarztpraxis ermögliche und daher die
maßgeblichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 WEG für Gemeinschaftseigentum nicht
vorlägen. Damit stünde fest, dass die Einwirkung von dem im Sondereigentum des
Beklagten stehenden Räumen ausgingen.
Entscheidend sei daher, ob der Beklagte
Störer sei. Dies aber ließe sich nach der Entscheidung des Landgerichts nicht beurteilen.
Die Störereigenschaft würde nicht alleine aus dem Eigentum oder Besitz an dem
Grundstück folgen, von dem die Beeinträchtigung ausgehe. Sie müsse auch
mittelbar auf den Willen des Eigentümers bzw. Besitzers zurückgehen. Entscheidend
für diese Feststellung sei, ob es sachliche Gründe gebe, dem Eigentümer oder Besitzer
die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Die sei dann zu bejahen, wenn
sich für diese eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen
ergäbe. Dabei handele es sich nicht um eine Sorgfaltspflicht im
schuldrechtlichen Sinne, sondern um eine wertende Betrachtung ob hier eine
Zurechnung für den störenden Zustand angenommen werden könne. Kriterien seien
dabei u.a. Veranlassung, Gefahrenbeherrschung oder die Vorteilsziehung. Beispielhaft wird für eine solche bejahende
Wertung vom BGH auf den Fall verwiesen, dass Wasser infolge Rohrbuchs auf das
Nachbargrundstück gelangt oder ein haus infolge eines technischen Defekts
seiner elektrischen Geräte/Leitungen in Brand gerate. Diese Störungen würden
kein allgemeines Risiko begründen, welches sich (wie z.B. bei einem
Blitzschlag) ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können,
weshalb auch nur der jeweilige Grundstückseigentümer darauf Einfluss nehmen
könne.
Allerdings sei hier zusätzlich
die eingeschränkte Verantwortlichkeit des Eigentümers für Handlungen seines
Mieters zu beachten. Sollte schadensursächlich ein fehlendes Beheizen gewesen
sein (wie beklagtenseits behauptet), wäre der Beklagte nicht verantwortlich.
Eine Haftung des Beklagten als mittelbarer Handlungsstörer käme nicht in
Betracht. Der Eigentümer könne für Handlungen seines Mieters als mittelbarer Handlungsstörer
nur verantwortlich gemacht werden, wenn er dem Mieter den Gebrauch einer Sache
mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen hätte oder es unterließe, ihn
von einem fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch abzuhalten. Ein Vermieter
müsse ohne besondere Anhaltspunkte nicht davon ausgehen, dass ein Mieter bei
strengen Frost die Mieträume nicht beheizt.
Gleichfalls wäre der Beklagte als
Eigentümer nicht Zustandsstörer. Geht der Schaden zwar von einem in seinem
Eigentum stehenden Bauteil oder Gerät (hier die Kaltwasserleitung) aus, ist die
Ursache aber allein auf ein fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Mieters
zurückzuführen, ist der Vermieter nur dann Zustandsstörer, wenn die
Beschaffenheit des Bauteils bzw. Gerätes nicht ordnungsgemäß war und für den
Schaden mitursächlich gewesen sein könnte. Denn lediglich in diesem Fall hätte
auch ein Abwehranspruch gegen ihn bestanden, der (mangels Kenntnis) nicht hätte
durchgesetzt werden können und damit den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch
begründet.
BGH, Urteil vom 18.12.2020 -
V ZR 193/19 -