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Freitag, 20. November 2020

Haftung der Gemeinde wegen Verletzung von Unterhaltungspflichten an Gewässern (Löschteich)

 

In der Nähe des Hauses des Klägers befand sich ein Teich, der als Löschwasserentnahmestelle diente und von der beklagten Gemeinde betrieben wurde. Eine Straßenflächen wurde in den Teich entwässert. Der Teich wurde vor c. 20 Jahren bei Bauarbeiten beschädigt. Als es im Sommer 2014 zu starken Regefällen kam, lief Wasser in den Keller des Hauses des Klägers und führte dort zu Schäden.

Das Landgericht hatte der Klage in einem Grundurteil stattgegeben und die Haftung der Beklagten aus einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG hergeleitet. Dem folgte das OLG nicht. Unabhängig davon, ob die beklagte bei dem betrieb des Löschwasserteichs eine Amtspflicht verletzt habe, hätten sie jedenfalls keine drittschützende Amtspflicht gehabt; die öffentliche-rechtliche Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung sei gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen. Die Nicht- oder Schlechterfüllung bei der Gewässerunterhaltung  führe daher nicht zur Haftung aus einer Amtspflichtverletzung.

Allerdings sei eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB gegeben. Bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Gewässerunterhaltungspflicht greife die Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht (BGHZ 125, 186ff). Eine eventuell konkurrierende Haftung der Gewässeraufsicht würde diese hier (anders als im Falle des § 839 BGB) nicht verdrängen. Der beklagten unterlag die Gewässerunterhaltung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LWG SH als Eigentümerin des Gewässers.

Mit dem Teich habe die Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen. Es gab zwar einen Zulauf über die Straßenentwässerung, aber keinen funktionierenden Ablauf, wodurch die Gefahrenlage geschaffen worden sei, dass der Teich überläuft und weiteres auf der Straße nachlaufendes Wasser zurückstaue. Die Kontrolle und Reparatur des beschädigten Ablaufrohrs (welches in früheren Jahren bei Bauarbeiten beschädigt wurde) sei der Beklagten zumutbar gewesen.

Die Haftung der Beklagten entfalle auch nicht deswegen, da es sich bei dem regen um ein katastrophales Ereignis gehandelt habe, für welches keine Vorsorge hätte getroffen werden müssen. Zwar hafte die Gemeinde dann nicht, wenn es sich um Schäden handelt, die durch höhere Gewalt verursacht würden, also nicht aufgrund von Fehlern beim Betrieb oder der Errichtung eines Gewässers auftreten, sondern durch nicht zu erwartende katastrophale Regenfälle. Die Berufung der Gemeinde darauf hätte aber zur Voraussetzung, dass diese alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbaren Aufwand möglichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen hätte, um eine Überschwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder sich der Schaden auch bei diesen Maßnahmen ereignet hätte. Allerdings hätte hier ein funktionierender Ablauf den Schaden verhindert.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 02.07.2020 - 11 U 191/19 -

Mittwoch, 26. Februar 2020

Verwaltungsvollstreckung wegen eines privatrechtlichen Anspruchs durch eine Behörde und daraus resultierender Amtshaftungsanspruch


Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Behörden den Versuch unternehmen, privatrechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung vorzunehmen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung können Verwaltungsakte vollstreckt werden, die entweder bestandkräftig sind oder bei denen ein eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und diese auch nicht auf Antrag wiederhergestellt wurde (vgl. § 80 VwGO). Ansprüche privatrechtlicher Natur muss auch die Behörde im ordentlichen Rechtsweg titulieren lassen, um sodann im Rahmen der Zwangsvollstreckung daraus vorgehen zu können.

Dem Verfahren vor dem OLG Koblenz lag (verkürzt wiedergegeben) folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Verbandsgemeinde (Beklagte) erneuerte im Dezember 2013 eine Wasseranschlussleitung auf dem Grundstück des Klägers. Mit Rechnung vom 17.12.2013 forderte sie vom Beklagten dafür Zahlung in Höhe von € 3.116,22. Nachdem Zahlung nicht erfolgte, mahnte sie den Betrag mit zwei Schreiben (17.01.2014 und 18.02.2014) an und drohte im zweiten Schreiben mit einer Beitreibung in einem „Verwaltungszwangsverfahren“. Mit Schreiben vom 17.07.2014 teilte der Kläger mit, er habe eine Rechnung nicht erhalten und auch sonst keine Unterlagen zur Erneuerung einer Wasseranschlussleitung und bat um Information, was es damit auf sich habe.  Darauf wurde mit Schreiben vom 23.07.2014 „Erstaunen“ geäußert, da die Rechnung zugesandt worden sei und mitgeteilt, dass nunmehr eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen würde. Noch am gleichen Tag wurde der entsprechende Antrag beim Grundbuchamt gestellt und die Eintragung erfolgte am 24.07.2014. Am 30.07.2014 schrieb der Kläger erneut und erklärte, er habe weder der Erneuerung der Leitung zugestimmt noch diese beauftragt und er widerspreche der Forderung; dies verband er mit der Aufforderung, die Zwangssicherungshypothek zu löschen. Mit Schreiben vom 04.08.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar keinen Auftrag erteilt habe, die Erneuerung aber notwendig gewesen sei  und „Kostenträger außerhalb des öffentlichen Rechts … der Anschlussnehmer“ sei.

Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens beglich der Kläger die geltend gemachte Forderung und der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde zurückgenommen. Dem Kläger wurden von der Gerichtskasse die Kosten von € 1.156,83 berechnet. Diese wurden vom Kläger beglichen, die er mit seiner Klage von der Beklagten forderte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war erfolgreich.

Anspruchsgrundlage ist § 839 Abs. 1 BGB iVm. Art 34 GG (Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung).

Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten (Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde) handele es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter, der im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig geworden sei und damit hoheitlich gehandelt habe, weshalb es sich um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB gehandelt habe. Pflichtverletzungen desselben, die er in Ausübung des hoheitlichen Amtes begehe, gehen im Sinne einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat (hier die Verbandsgemeinde) über.

Dem Mitarbeiter obliege die allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er habe die Normen des Bundes- und Landesrechts zu beachten, unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen seien.

Vorliegend habe er die einschlägigen Normen des rheinland-pfälzischen Landesvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht beachtet. Zwar stütze die Beklagte ihre Forderung auf ihre „Entgeltsatzung Wasserversorgung“ und ihre „Allgemeine Wasserversorgungssatzung“, weshalb es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele. Grundsätzlich sei dann aber ein Verwaltungsakt zu erlassen.  Zivilrechtliche Ansprüche seien demgegenüber durch Mahnbescheid oder Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu deren Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher zu beauftragen sei. Einzelne privatrechtliche Ansprüche würden allerdings nach Landesgesetzen auch im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden können (vgl. § 71 Abs. 2 LVwVG), wobei in diesem Fall die Zahlungsaufforderung an die Stelle des ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes trete.

Vorliegend habe sich die Beklagte nur auf sie Zahlungsaufforderung gestützt. Bei der zugrunde liegenden Forderung handele es sich aber nicht um eine solche nach § 71 Abs. 1 LVwVG iVm. § 1 a), b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen (RhpfLVwGpFVO), da es nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer Energie gegangen sei (abschließende Aufzählung in der Verordnung). Von daher sei eine Beitreibung nach dem LVwVG unzulässig. Dessen ungeachtet sei aber auch dann, wenn die Verwaltungsvollstreckung zulässig gewesen wäre, diese jedenfalls einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner, wie hier geschehen, schriftlich oder zu Protokoll der Behörde Widerspruch erhebe, wobei er (was nicht erfolgt sei) darüber auch zu belehren sei (§74 Abs. 1 S. 1 LVwVG). Im Falle des Widerspruchs müsse der Gläubiger binnen eines Monats nachweisen, dass er Zivilklage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheides beantragt habe; die Vollstreckung könne nur nah den Grundsätzen der Zivilprozessordnung fortgesetzt werden, § 74 Abs. 3 LVwVG.  Obwohl der Kläger nicht belehrt wurde, habe er sogar Widerspruch erhoben, da sich dieser aus seinem Schreiben vom 30.07.2014 ableiten ließe („… widerspreche ich Ihrer Forderung ausdrücklich…“). Hier nun hätte jedenfalls die Beklagte Zivilklage erheben müssen oder einen Mahnbescheid beantragen müssen.

Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels mit Zustellungsnachweis erforderlich sei; allerdings genüge der Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier der Verbandsgemeinde), der als Ersuchen nach § 38 GBO zu qualifizieren sei und dem Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen bindend bescheinige. Daraus ergäbe sich die besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Beklagten.

Eine weitere Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er den Antrag auf Zwangsversteigerung stellte, obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Zustellung nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte habe den Zugang ihrer Rechnung bei dem Kläger nicht nachweisen können.

Die allgemeine Amtspflicht eines jeden beamten, rechtmäßig zu handeln, obliege gegenüber jedem als geschützten Dritten, der durch die Verletzung der Amtspflicht geschädigt werden könnte.

Der Mitarbeiter habe auch schuldhaft gehandelt. Der Amtsträger müsse die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des Amtes erforderlich seien. Er habe bei Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft und sorgfältig zu prüfen und danach seine Entscheidung auf Grund vernünftiger Überlegungen zu treffen (BGH, Urteil vom 09.12.2004 - II ZR 263/04 -). Die Normen des LVwVG müssten einem Mitarbeiter der kommunalen Vollstreckungsbehörde bekannt sein. Damit läge jedenfalls Fahrlässigkeit vor.

Eine Amtshaftung scheide nur dann aus, wenn der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Dies sei hier nicht der Fall.

Das Landgericht nahm allerdings an, die Ersatzpflicht scheide hier nach § 839 Abs. 3 BGB aus, das es der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Dem folgte das OLG nicht.

Auch die Ankündigung im Schreiben vom 23.07.2014, zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen, reiche nicht aus, hier ein Verschulden des Klägers anzunehmen. Zwar hätte er nach § 59 Abs. 2 LVwVG Eilrechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht beantragen können. Doch sei § 59 Abs. 2 LVwVG hier nicht anwendbar. Die Norm beträfe ausschließlich Verwaltungsakte, mit denen Geldforderungen gefordert würden (§§ 1 – 60 LVwVG). Vorliegend war aber kein Verwaltungsakt erlassen worden. Im Übrigen habe der Kläger, trotz fehlender Belehrung, das zulässige Rechtsmittel des Widerspruchs iSv. § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG eingelegt (Schreiben vom 30.07.2014), der vom Mitarbeiter der Beklagten schlicht nicht beachtet worden sei. Davon, dass die Beklagte den Widerspruch nicht beachtet und gar die Zwangsgsversteigerung beantragte, erfuhr der Kläger erst mit Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses durch das Gericht. Damit aber war die hier streitige Gebühr bereits angefallen.

OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19 -