Die Einbrüche in Wohnungen und Einfamilienhäuser häufen sich, weshalb auch immer mehr Eigentümer dazu übergehen, ihre Wohnung oder ihr Haus durch Videoanlagen überwachen zu lassen. Allerdings ist dies problematisch, wie das Urteil des AG Gelnhausen – unter Bezugnahme auf anderweitige Entscheidungen – belegt. Der Verfügungskläger hatte beantragt, dass eine Videoüberwachungskamera am Nachbarhaus so betrieben werden müsse, dass Geschehnisse auf dem Grundstück des Verfügungsklägers nicht erfasst und entsprechende Aufnahmen künftighin unterlassen würden.
Das Amtsgericht (AG) sah den Antrag als nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB begründet an. Dabei sei unerheblich, ob das Haus des Verfügungsklägers bereits bewohnt würde. Da diese Eigentümer seien, läge der Anspruchsgrund bereits in ihrer Person. Es läge eine nicht gerechtfertigte Verletzung deren allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, welches über §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB geschützt sei und den Antrag begründe. Es käme auch nicht darauf an, ob die Kamera das Grundstück der Verfügungskläger erfassen könne oder nicht.
Ausreichend für den Unterlassungsanspruch sei, dass ein sogenannter Überwachungsdruck erzeugt würde (z.B. LG Hamburg, Urteil vom 18.01.2018 - - 304 O 69/17 -; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2016 - - I-15 U 33/16 -; für Nachbarrecht AG Brandenburg, Urteil vom 22.01.2016 - 31 C 118/14 -; für Mietrecht LG Berlin, Urteil vom 28.10.2015 - 67 S 82/15 -; für Wohnungseigentum AG Bergisch Gladbach, Urteil vom 03.09.2015 - 70 C 17/15 -). Erforderlich sei, dass dritte Personen eine Überwachung ernsthaft befürchten müssten, was dann der Fall sei, wenn eine Überwachung aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar und verständlich wäre. Dafür sei bereits ein angespanntes Nachbarschaftsverhältnis ausreichend und dass die Kamera mittels eines nach außen nicht wahrnehmbaren elektronischen Steuerungsmechanismus auf das Nachbargrundstück ausgerichtet werden könne. Der Überwachungsdruck könne nur dann ausscheiden, wenn der Winkel der Kamera nur mit erheblichen und sichtbaren Aufwand auf das Nachbargrundstück gerichtet werden könne (BGH, Urteil vom 16.03.2010 - VI ZR 176/09 -). Der elektronische Sicherungsmechanismus sei hier unstreitig.
Das AG nahm eine Interessensabwägung vor und negierte ein überwiegendes Interesse des Verfügungsbeklagten an solchen Videoaufnahmen. Es sei zwar ein legitimes Interesse der Verfügungsklägers, sein Eigentum zu schützen. Dieser Schutzzweck gehe aber mit einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers einher. Es müsse in Ansehung des bereits deutlich angespannten Nachbarschaftsverhältnisses eine weitere Eskalation verhindert werden. Die Verfügungskläger hätten die Möglichkeit, Videoaufzeichnungen ihres Eigentums nach den Grundsätzen des Urteils des BGH aaO. durchzuführen.
Anmerkung: Der Verweis auf das Urteil des BGH zur möglichen Durchführung einer Installation ist nicht weitergehend als die Ausführungen in dem Urteil des BGH. Es müsse sichergestellt werden, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von der Kamera erfasst wird.
AG Gelnhausen, Urteil vom
04.03.2024 - 52 C 76/14 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten wird
aufgegeben, die auf ihrem Grundstück ... in ... installierte Kamera so zu
betreiben, dass diese Geschehnisse auf dem Grundstück des Antragstellers ...
nicht erfasst und entsprechende Aufnahmen in Zukunft zu unterlassen.
2. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden
Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung ein
Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
angedroht.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die
Verfügungsbeklagte.
Beschluss
Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.000,- €.
Tatbestand
Der
Verfügungskläger begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung
von Videoaufzeichnungen.
Der
Verfügungskläger ist Eigentümer des Grundstücks ... in ...die
Verfügungsbeklagte Eigentümerin des benachbarten Grundstücks ... in .... Auf
dem Grundstück des Verfügungsklägers befindet sich ein Mehrfamilienhaus mit
Mietwohnungen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Wohnungen
bereits vermietet sind. Zwischen den Parteien besteht ein seit Jahren
angespanntes Nachbarschaftsverhältnis, was seine Grundlage insbesondere in
einem Bauvorhaben des Verfügungsklägers und der damit einhergehenden Nutzung
des Grundstücks der Verfügungsbeklagten hat. Jedenfalls seit nach Weihnachten
2023 ist unter einem Balkon des auf dem Grundstück der Verfügungsbeklagten
stehenden Hauses eine Kamera installiert, die teilweise von den Balkonen des
Hauses auf dem Grundstück des Verfügungsklägers sichtbar ist, wobei streitig
ist, inwiefern die Kamera dazu in der Lage ist, das Grundstück des
Verfügungsklägers tatsächlich zu erfassen. Die Kamera besitzt einen
elektronischen Steuerungsmechanismus dergestalt, dass sie in der Lage ist,
selbstständig Personen nachzuverfolgen, wobei auch hier der genaue Umfang der
Nachverfolgungsfunktion streitig ist. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.12.2023
forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte auf, die Störung zu
unterlassen. Mit Schreiben vom 29.12.2023 ließ die Antragsgegnerin mitteilen,
eine Kamera mit Ausrichtung auf das Gebäude des Antragstellers nicht zu
verwenden.
Der Verfügungskläger beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die auf ihrem Grundstück ... in ... installierte Kamera so zu betreiben, dass diese Geschehnisse auf dem Grundstück des Antragstellers ... in ... nicht erfasst und entsprechende Aufnahmen in Zukunft zu unterlassen;
der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen
Anträge sind begründet.
I.
Der
Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf die im
Tenor bezeichneten Maßnahmen aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB.
Unerheblich
ist, ob in dem Haus des Verfügungsklägers tatsächlich bereits Mieter wohnen.
Unstreitig steht dieses im Eigentum des Verfügungsklägers, so dass der
Anspruchsgrund bereits in seiner Person selbst liegt. Unabhängig davon ist das
Gericht aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Mieter des
Verfügungsklägers davon überzeugt, dass jedenfalls seit Mitte Dezember 2023
Mieter in dem Objekt wohnen.
Der Anspruch
des Verfügungsklägers ist in einer nicht gerechtfertigten Verletzung seines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, das über §§ 1004 Abs. 1,
823 BGB zu dem im Tenor bezeichneten Anspruch führt.
Soweit zwischen
den Parteien streitig ist, ob die Kamera das Grundstück des Klägers erfassen
kann oder nicht, kommt es hierauf entscheidungserheblich nicht an.
Nach ständiger
Rechtsprechung ist es erforderlich, für einen Unterlassungsanspruch aber auch
ausreichend, dass ein sog. Überwachungsdruck erzeugt wird (vgl. hierzu LG
Hamburg ZD 2018, 491; OLG Köln NJW 2017, 835; LG Bonn, NJW-RR 2005, 1067; LG
Darmstadt, NZM 2000, 360; AG Winsen/Luhe, Urt. v. 30.12.2005 - 16 C 1642/05,
BeckRS 2010, 11190; vgl. weiter für das Nachbarrecht AG Brandenburg, ZD 2016,
380; für das Mietrecht LG Berlin, ZD 2016, 189; für das Wohnungseigentumsrecht
AG Bergisch Gladbach, NJW 2015, 3729). Maßstab ist, dass dritte Personen eine
Überwachung durch die Kamera ernsthaft objektiv befürchten müssen. Dies ist
immer bereits dann erfüllt, wenn die Befürchtung einer Überwachung durch
vorhandene Kameras aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar und verständlich
erscheint. Dafür ist bereits ausreichend, dass ein angespanntes
Nachbarschaftsverhältnis besteht und die Kamera eines mittels nach außen nicht
wahrnehmbaren elektronischen Steuerungsmechanismus auf das Grundstück des
Nachbarn ausgerichtet werden kann. Es kommt dabei lediglich darauf an, dass die
Kamera eine solche Funktion besitzt. Ob sie angewendet wird, ist unerheblich.
Ein Überwachungsdruck kann nur dann ausscheiden, wenn der Winkel der Kamera nur
mit erheblichem und sichtbarem manuellen Aufwand, also eben nicht durch einen
elektronischen Steuerungsmechanismus, auf das Nachbargrundstück gerichtet
werden kann (BGH NJW 2010, 1533). Dass die Kamera einen elektronischen
Steuerungsmechanismus hat, ist zwischen den Parteien allerdings unstreitig. Im
Übrigen konnte der Verfügungskläger durch die zur Akte gereichten Lichtbilder
auch hinreichend glaubhaft machen, dass die Kamera sich selbstständig drehen
kann und das Grundstück des Verfügungsklägers erfassen kann. So zeigt das
Lichtbild Anlage AS 7 eindeutig die Balkonbrüstung des benachbarten Hauses,
zudem aber ebenso eindeutig die vollständige Kamera.
Ein
überwiegendes Interesse der Verfügungsbeklagten an solchen Videoaufnahmen ist
nicht erkennbar. Dass die Verfügungsbeklagte ihr Eigentum schützen will, stellt
zwar durchaus ein legitimes Interesse dar. Vorliegend geht dieser Zweck aber
mit einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers einher. In Anbetracht des ohnehin
schon deutlich angespannten Nachbarschaftsverhältnisses muss ein Anlass für
eine weitere Eskalation verhindert werden. Die Verfügungsbeklagte hat die
Möglichkeit, eine Videoaufzeichnung ihres Eigentums anhand der Grundsätze des
zitierten Urteils des BGH durchzuführen. Sofern die Videoaufzeichnung aber
erfolgt wie in diesem Fall, ist dies unzulässig.
Die Androhung
von Zwangsgeld hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO. Der Antrag ist
auch in der gestellten Form begründet. Der Verfügungsbeklagten kann nicht
aufgegeben werden, jegliche Kameraüberwachung ihres Grundstücks in aller
Zukunft zu unterlassen, allerdings solche, die geeignet ist, das Grundstück des
Verfügungsklägers zu erfassen.
II.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Einer
Tenorierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da sich diese
aus dem Wesen der einstweiligen Verfügung selbst ergibt, § 929 ZPO.
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