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Mittwoch, 7. April 2021

Verkehrssicherungspflicht: Bekannte mögliche Stolperfallen auf belebten Plätzen durch sich lösende Klebebänder am Boden

Die Beklagte war Eigentümerin eines Bereichs vor dem Bahnhof. Auf der Pflasterung waren gelbe Markierungsbänder angebracht, die für die Dauer eines Marktes einen Sicherheitsbereich des Bahnhofs kennzeichnen sollten; die Anbringung erfolgte durch die Markverwaltung der Beklagten in Abstimmung mit Sicherheitsbehörden. Die Streifen wurden im Auftrag der Beklagten durch die Streitverkündeten angebracht.  Der Kläger rutschte auf dem Klebestoffrest eines (gelösten) Markierungsstreifen bzw. auf einem solchen Streifen aus. Verfing sich mit einem Fuß in der Schlinge des abgelösten Markierungsbandes und stolperte, wobei er sich Verletzungen zuzog, für die er von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzfähigkeit zukünftiger Schäden begehrte.

Neben prozessualen Fragen, die die Anträge und das angefochtene erstinstanzliche Urteil dem Berufungsgericht aufgaben, ging es in der Sache um die Haftung der Beklagten dem Grunde nach.

Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte sah das Berufungsgericht als verwirklicht an, da sich auf ihrer dem Verkehr freigegebenen Fläche vor dem Eingang des Bahnhofs auf dem Bodenpflaster die (sich teilweise abgelösten) Markierungsklebestreifen befanden und dies eine Sturzgefahr begründet habe.  Die Feststellung des Landgerichts zu den abgelösten Streifen sei auch von der Beklagten im Rahmen der Berufung nicht angegriffen worden und deshalb zugrunde zu legen.

Nicht entscheidungserheblich sei die Behauptung der Beklagten, sie habe die Auswahl der Markierungsstreifen auf die Streitverkündete übertragen. Selbst in diesem Fall würde die fortlaufende Pflicht zur Überwachung der auf der Verkehrsfläche angebrachten Markierung bei ihr verbleiben. Dem Verschuldensvorwurf könne die Beklagte nicht dadurch entgehen, dass von ihr täglich wiederholte Kontrollen der Klebestreifendurchgeführt würden. Nach der Neuverklebung am Vortag habe bis zum Schadensfall um 7.30 Uhr keine Kontrolle stattgefunden. Da unstreitig bekannt gewesen sei, dass sich Streifen lösen konnten, dies auch zuvor erfolgt sei, würden solche evtl. auch mehrmals täglich erfolgende Kontrollen nicht ausreichend sein. Das Ablösen sei auf der bekannten Grundlage jederzeit möglich und könnte damit unmittelbar zu einer Gefahr führen. Das Berufungsgericht unterschied hier zwischen einer sich über längere Zeit aufbauende Gefahr (wie Laubfall oder unachtsam von Passanten hingeworfener Unrat) und einer akut bekannte  Gefahrenlage wie hier bei den sich plötzlich ablösenden Streifen: Bei der bekannten Gefahrensituation durch die Markierungsstreifen habe die Beklagte mit einer lediglich periodischen Überwachung ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügen können, da so ein auf dieser hoch frequentierten Verkehrsfläche erforderlicher ständiger Schutz gegenüber der bekannten und stets möglichen Gefahr nicht sicherzustellen gewesen sei.

Für ein Mitverschulden des Klägers sei nichts ersichtlich. Dass ihm die Gefahrenlage und das Ablösen der Bänder bekannt gewesen oder erkennbar gewesen sei, ließe sich nicht feststellen. Das Vorhandensein der Markierungsklebebänder stelle sich nicht als Warnung vor diesen selbst dar.

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 11.03.2020 - 1 U 56/19 -