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Sonntag, 30. Oktober 2022

Jagdpacht: Folge der Nichtigkeit des Vertrages (hier: Wildschadenzahlungen)

Der Kläger hatte aufgrund eines mit der Streithelferin auf dem Grundstück des Beklagten die Jagd ausgeübt und nach dem Vertrag die Pflicht Schadensersatzleistungen für Wildschäden zu leisten. Der Kläger zahlte an den Beklagten an Schadensersatz insgesamt € 13.412,85. Diesen Betrag forderte er vom Beklagten wegen (unstreitiger) Formunwirksamkeit des Jagdpachtvertrages (fehlende Schriftform) zurück. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung des Beklagten wurde die Klage insgesamt abgewiesen.

Das OLG führte aus, dass zwar der Kläger an den Beklagten den streitbefangenen Betrag gezahlt habe. Auf der Grundlage des normativen Leistungsbegriffs habe aber darin keine Leistung an den Beklagten, sondern an die Streithelferin gelegen. Mit der Leistung habe der Kläger seiner vermeintlichen Freistellungs-Verpflichtung gegenüber der Streithelferin zu 1. Aus dem (nichtigen) Jagdpachtvertrag erfüllt, indem er die (berechtigten) Wildschadensforderungen des Beklagten beglich. Damit habe die Streithelferin auf Kosten des Klägers eine Befreiung von ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Erstattung der beim Beklagten eingetretenen Wildschäden erlangt.

Für eine Leistung gem. § 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB käme es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung an. Würden die Vorstellungen der Parteien nicht übereinstimmen, sei eine objektive Betrachtungsweise aus Sicht des Zahlungsempfängers geboten. Die nach Jagdpachtvertrag bestehende Zahlungspflicht der Jagdpacht würde in einem synallagmatischen Verhältnis zu dem eingeräumten Jagdrecht stehen, wie auch die im Vertrag geregelte Pflicht zur Übernahme des Wildschadens. Es handele sich mithin in beiden Fällen um Gegenleistungen zu eingeräumten Jagdausübungsrechts.

Die Gegenleistung des Klägers sei bei der Rückabwicklung des nichtigen Vertrages als Einheit zu betrachten und könne nicht wegen der rein tatsächlichen Zahlungen an den Beklagten - in Ansehung der übernommenen Freistellungsverpflichtung - in eine Leistung an die Streithelferin als Vertragspartnerin und eine Leistung an den nicht am Vertrag beteiligten Beklagten aufgespalten werden. Nach der Zweckbestimmung habe der Kläger in beiden Fällen zur Tilgung seiner vertraglichen Verpflichtungen die Zahlungen an die Streithelferin vorgenommen, jedenfalls aus Sicht des Beklagten als eines objektiver Zuwendungsempfängers.  

Der Bereicherungsausgleich habe mithin im Verhältnis Kläger/Streithelferin zu erfolgen. Dabei sei der Wert der gegenseitigen Leistungen zu saldieren. Vertragliche Beziehungen bestünden nur zwischen dem Kläger/Streitverkündeter (Jagdpacht) und Streitverkündeter/Beklagter (Wildschaden), nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Es wäre unbillig, den Beklagten als schutzwürdigen Unbeteiligten den Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis Kläger/Streithelferin auszusetzen und/oder ihm das Durchsetzungsrisiko bezüglich des Wildschadens aufzubürden.

OLG Köln, Urteil vom 29.054.2022 - 66 S 200/21 -

Donnerstag, 30. September 2021

Vorteilsausgleichung: Anrechnung zugesprochener Prozesszinsen auf Schadensersatz wegen Darlehenszinsen

Die Klägerin und deren Ehemann erwarben von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Eigentumswohnung. Zum Kauf schlossen sie einen Darlehensvertrag mit einer Bank über € 141.300,00 mit Zinsfestschreibung bis zum 31.03.2017. Aus hier nicht relevanten Gründen klagten sie (auch aus abgetretenen Recht ihres Ehemanns) auf Zahlung von € 141.300,00 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2012 Zug um Zeug gegen Rückübertragung der Eigentumswohnung an die Beklagte und Feststellung, dass die Beklagte zum Ausgleich weiterer Vermögensschäden aus dem Erwerb der Eigentumswohnung verpflichtet ist. Der Klage wurde am 23.07.2019 stattgegeben. Im Mai 2017 vereinbarten die Klägerin und ihr Mann mit der Bank zur Ablösung des Darlehens eine Zwischenfinanzierung. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte die Klageforderung einschließlich der geltend gemachten Prozesszinsen von € 27.453,07. Im vorliegenden Verfahren verlangte die Klägerin (auch aus abgetretenen Recht ihres Ehemanns) Zahlung der für das Darlehen aufgewandten Zinsen und die für die Zwischenfinanzierung, der das Landgericht in Höhe von € 35.924,72 stattgab. Auf die Berufung bestätigte das OLG unter Abweisung der Klage im Übrigen das Urteil in Höhe von € 34.191,81. Mit der zugelassenen Revision begehrte die Beklagte die Abweisung der Klage in Höhe weiterer € 27.453,07 (Zinsen des Darlehens) nebst anteiligen Zinsen darauf. Der BGH hob das Urteil in Höhe von € 8.509,13 nebst anteiliger Zinsen auf und verwies insoweit den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Nach dem rechtskräftigen landgerichtlichen Urteil des Vorprozesses sei die Beklagte zum Ausgleich des weiteren auf dem Erwerb beruhenden Vermögensschadens verpflichtet. Diese auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch umfasse auch die für die Finanzierung des Erwerbs aufgewandten Kreditkosten. Diese seien der Höhe nach ebenso unstreitig wie die von der Klägerin vorgenommenen Abzüge für Mieteinnahmen. Allerdings wolle die Beklagte die in Höhe von € 27.453,07 von ihr gezahlten Prozesszinsen auf die Darlehenszinsen in Anrechnung bringen und insoweit abziehen. Der Ansicht des OLG, dass insoweit eine Anrechnung in Form der Vorteilsausgleichung nicht in Betracht käme, der der BGH nicht folgte.

Die Schadensberechnung sei nach der Differenzhypothese vorzunehmen und es kämen dafür die allgemeinen Grundsätze der Schadenszurechnung und der Vorteilsausgleichung zur Anwendung. Vorteile, die durch das schädigende Ereignis adäquat kausal verursacht worden seinen und deren Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzverpflichtung entsprächen und weder den Geschädigten unzumutbar belasten und den Schädiger und unbillig begünstigen würden, seien zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 14.09.2004 - VI ZR 97/04 -). Daraus folge, dass dem Gläubiger neben dem Anspruch auf Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB aus einem überlassenen Geldbetrag nicht kumulativ ein Anspruch auf Prozesszinsen für den überlassenen Betrag zustehe. Diese Zinsen hätten die Funktion, einen Nachteil des Gläubigers auszugleichen, den er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Geldbetrages habe. Durch die Herausgabe gezogener Nutzungen sei dieser Nachteil ausgeglichen. Mit der Zubilligung zusätzlicher Prozesszinsen würde der Gläubiger ohne Grund bessergestellt als bei rechtzeitiger Zahlung (BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 341/17 -). Daher könnten Prozesszinsen und Verzugszinsen nicht nebeneinander geltend gemacht werden, da ansonsten der Vorenthaltungsschaden doppelt entschädigt würden. Für denselben Zeitraum könne daher nur der Nutzungsersatz oder der Anspruch auf Prozesszinsen geltend gemacht werden, je nachdem, welcher für den Gläubiger günstiger sei. Vor diesem Hintergrund seien die bis zum 05.05.2017 gezahlten Prozesszinsen auf die der Klägerin erstatten Zinsen für das erste Darlehen anzurechnen.

Auch wenn vorliegend die Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht im Wege des Bereicherungsausgleichs sondern im Wege des Schadensersatzes wegen fehlerhafter Beratung gemäß § 280 Abs. 1 BGB erfolgt sei, würden keine anderen Grundsätze gelten. Es handele sich um einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch mit dem der Zustand geschaffen werden soll, der (hypothetisch) der Vermögenslage ohne das schädigende Ereignis entspräche, § 249 Abs. 1 BGB. Würden die Prozesszinsen bei dem Schadensersatz wegen der Darlehenszinsen außer Betracht bleiben, würde der unzutreffende Zustand eintreten, als habe die Klägerin die Erwerbskosten aus eigenen Mitteln finanziert.

Die Vorteilsausgleichung sei durch die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils aus dem Vorprozess auch nicht ausgeschlossen. Die Rechtskraft erstrecke sich auf die Tatsachen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorlagen und hätten eingewandt werden können, soweit die das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen. Dies gelte aber nur, soweit es um die grundsätzliche Verpflichtung des Schuldners zum Ersatz des Schadens geht. Ob und in welcher Höhe ein Schaden eingetreten ist, würde von dem Feststellungsurteil nicht umfasst. Dies sei, wie hier, in dem Folgeprozess zu klären. Hier sei die Höhe des Schadens zu bestimmen; es handele sich um den haftungsausfüllenden Tatbestand der im Vorprozess mit dem Feststellungsurteil festgestellten Haftung dem Grunde nach. Die Zuerkennung von Prozesszinsen im Vorprozess sage daher nichts darüber aus, ob diese auf den weiter geltend gemachten Schaden anzurechnen sind.

Auf Darlehenszinsen seien daher Prozesszinsen anzurechnen, soweit sie den gleichen Zeitraum betreffen. Von daher seien vorliegend nicht alle Prozesszinsen anzurechnen. Eine Kongruenz bestünde für den als Prozesszinsen zugesprochenen Zeitraum vom 21.12.2012 bis zum 04.05.2017, nicht für gezahlte Darlehenszinsen im Zeitraum bis 20.12.2012, da die Prozesszinsen nur ab dem 21.12.2012 zugesprochen worden seien. Gleiches gelte auch für die für den Zeitraum ab dem 05.05.2017 zugesprochenen Prozesszinsen (€ 1.770,93). Bedingt durch die Zwischenfinanzierung seien ab dem 05.05.2017 keine Darlehenszinsen mehr gezahlt worden; die Kosten der Zwischenfinanzierung seien nicht Gegenstand der beschränkt eingelegten Revision.  Das Landgericht habe diesen Betrag bei dem auf die für die Zwischenfinanzierung in Anrechnung gebracht. Sie könnten nicht noch einmal bei den Darlehenszinsen, wie von der Beklagten auf die für das Darlehen gezahlten Zinsen verrechnet werden.

Der Betrag von € 8.509,13 setze sich aus zwei Teilbeträgen zusammen: € 6.738,74 aus der Differenz des vom OLG zugesprochenen Betrages von € 34.191,81 und der nur in Höhe von € 24.453,07 eingelegten Revision. € 1.770,39, in dessen Umfang das OLG die Prozesszinsen bereits mit den Kosten der Zwischenfinanzierung verrechnet habe. Insoweit sei die Revision unbegründet.

In Höhe des verbleibenden Betrages von € 25.682m68 sei das Urteil zur neuen Verhandlung und Entscheidung durch das OLG aufzuheben und zurückzuverweisen. Das OLG habe insoweit keine Feststellung dazu getroffen, ob im Zeitraum 21.12.2012 bis 04.05.2017 Darlehenszinsen in dieser Höhe gezahlt wurden. Eine Anrechnung käme bei der Feststellung in Betracht, dass die Darlehenszinsen hinter dem für den gleichen Zeitraum gezahlten Prozesszinsen zurückblieben, und zwar in Höhe der Differenz.

BGH, Urteil vom 02.07.2021 - V ZR 95/20 -

Freitag, 4. September 2020

Beweislast für fehlende Aufklärung offenbarungspflichtiger Umstände bei einem Grundstückskaufvertrag


Die Kläger verkauften den Beklagten mit notariellem Kaufvertrag ein Grundstück unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Das Grundstück war mit einem Wochenendhaus nebst einer Motorradgarage bebaut, wobei die Garage als Wohnraum mit genutzt wurde. Nach Eigentumsübergang wandte sich die Bauaufsicht an die Kläger und wies darauf hin, dass die Garage nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe und ein Rückbau angedacht sei. Die Kläger haben daraufhin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Kaufpreis (Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums) verlangt. Auf die Berufung wurde der Klage stattgegeben, da das Berufungsgericht von einer unterlassenen Aufklärung durch die Beklagten ausging. Dem folgte der BGH nicht, der das Urteil aufhob und den Rechtsstreits an das Berufungsgericht zurückverwies.

Von Grundsatz her kann auch nach Auffassung des BGH bei arglistiger Täuschung und wirksamer Anfechtung des Vertrages von den Klägern die Rückabwicklung des Vertrages (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) und Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Haftung bei Vertragsschluss (§ 280 Abs.1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) in Betracht kommen. Auch sei vom Berufungsgericht richtig davon ausgegangen worden, dass die arglistige Täuschung objektiv angenommen werden kann, wenn Räume als Wohnräume angepriesen würden, obwohl eine dafür erforderliche baurechtliche Genehmigung nicht vorliege. Dies deshalb da die Baubehörde die Nutzung jedenfalls bis zur Erteilung einer Genehmigung untersagen könne (BGH, Urteil vom 27.06.2014 – V ZR 55/13 -).

Die subjektive Seite des arglistigen Handelns bei der unterlassenen Aufklärung erfordere, dass der Verkäufer den Fehler jedenfalls für möglich hält und weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem Inhalt abgeschlossen hätte.

Allerdings würden die beklagten als Verkäufer nicht die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung tragen. Allerdings trage derjenige, der einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechte, die Darlegungs- und Beweislast für alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen. Dazu gehöre bei der Täuschung durch Verschweigen die fehlende Offenbarung. Da es sich dabei um eine negative Tatsache handele, kämen daher dem Käufer die Grundsätze der sekundären Beweislast zugute. Damit müsse der Verkäufer substantiiert in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht eine Aufklärung darlegen und es wäre Sache des Käufers, dies zu widerlegen.

Alleine die notarielle Form des Vertrages rechtfertige hier keine abweichende Sicht. Auch wenn hier im Vertrag aufgenommen worden sei, dass den Verkäufern unsichtbare Mängel nicht bekannt seien, würde dem kein Beweiswert in Bezug auf eine von den Verkäufern behauptete Aufklärung zulassen. Denn bei Aufklärung läge bereits kein „unsichtbarer“ Mangel mehr vor.

Anders als das Berufungsgericht, welches von einer Umkehr der Beweislast auf Grund der Bestimmungen im Kaufvertrag ausging, negierte der BGH eine Umkehr der Beweislast.  Die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Kaufvertragsurkunde erstrecke sich nicht auf bei Besichtigungen und Vertragsverhandlungen erteilte Informationen, die als solche nicht der notariellen Form bedürften (BGH, Urteil vom 15.07.2011 – V ZR 171/10 -).

Auch aus der Regelung im notariellen Kaufvertrag, der Grundbesitz werde in dem Zustand verkauft, in dem er sich bei der letzten Besichtigung befunden habe, würde sich keine Rechtfertigung für eine Beweislastumkehr herleiten lassen. Daraus würde sich nichts zu eine Zulässigkeit als Wohnraumnutzung vor Vertragsabschluss ergeben.

Die Rückverweisung durch den BGH erfolgte, da sich das Berufungsgericht nicht damit auseinandersetzte, ob es den Klägern gelungen sei, die beklagtenseits behauptete Aufklärung zu widerlegen.

BGH, Urteil vom 06.03.2020 - V ZR 2/19 -