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Dienstag, 22. Oktober 2024

Rückabtretung und Rechtskraftwirkung der vorherigen Klageabweisung

Der Kläger hatte seine Ansprüche gegen die Beklagte treuhänderisch an eine f-GmbH (einen Inkassodienstleister) zur außer- und gerichtlichen Geltendmachung abgetreten. Diese machte die Ansprüche des Klägers im Rahmen einer Sammelklage zusammen mit Ansprüchen Dritter gerichtlich geltend. Ihre Klage wurde (wegen fehlender Aktivlegitimation) abgewiesen; eine dagegen eingelegte Berufung nahm sie zurück. Nunmehr klagte der Kläger, nach Rückabtretung seiner Ansprüche, selbst. Das Landgericht wies seine Klage ab; auf seine Berufung hin gab das OLG ihr statt. Auf die vom OLG zugelassene, von der Beklagten eingelegte Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Der auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung sei unzulässig (Antrag 1). Insoweit würde dem die materielle Rechtskraft des Urteils im Verfahren der f-GmbH entgegenstehen, §§ 322 Abs. 1, 325 Abs. 1 ZPO.

Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung stünde (als negative Prozessvoraussetzung) einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen (ne bis in idem), weshalb die diesen Streitgegenstand beinhaltende Klage unzulässig sei (BGH, Urteil vom 18.01.1985 - V ZR 233/93 -). Dieses Prozesshindernis sei in jeder Lage des Verfahrens zu beachten (BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 272/02 -).

Wird die Beklagte wie vorliegend zunächst aus abgetretenen Recht in Anspruch genommen und sodann nach Rückabtretung (wie hier) des Anspruchs vom ursprünglichen Zedenten mit identischer rechtlicher Begründung erneut verklagt, beträfen beide Klagen denselben Streitgegenstand (BGH, Urteil vom 16.10.2020 – V ZR 98/19 -). Bestimmt würde der von der Rechtskraft umfasste Streitgegenstand vom Klageantrag, in dem sich die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiere, und dem Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Rechtsfolge herleite (BGH, Urteil vom 19.12.1991 - IX ZR 96/91 -). Alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassten Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören würden zum Anspruchsgrund zählen, den der Kläger zur Stützung seines Begehrens dem Gericht vortrage (BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 207/11 -). Das gelte auch unabhängig davon, ob diese einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhaltes von den Parteien vorgetragen worden wären oder nicht, ferner unabhängig davon, ob die Parteien im Vorprozess die nicht vorgetragenen Tatsachen bereits kannten und hätten vortragen können (BGH, Urteil vom 23.06.2015 - II ZR 166/14 -).

Zwischenanmerkung: Eine andere Sichtweise würde dazu führen, dass ein beendeter Prozess stellt neu aufgerollt werden könnte, wenn er auf neue Tatsachen gestützt würde, die bereits beim Vorprozess mit zum Tatsachenkomplex gehören. Eine Ausnahme davon sieht das Gesetz nur in § 580 ZPO zur Restitutionsklage vor, die z.B. erfordert, dass das Urteil auf einer gefälschten Urkunde beruht oder auf einer beeidigten Aussage des Gegner, die vorsätzlich oder fahrlässig falsch war.

Danach würde der Antrag 1 denselben Streitgegenstand betreffen, der von dem Inkassodienstleister bereits im Vorprozess aus abgetretenen Recht geltend gemacht worden sei und sich der Kläger zur Stützung seines Antrages auf denselben Lebenssachverhalt mit gleichem Klageziel stütze (BGH, Urteil vom 16.10.2020 - V ZR 98/19 -).

Urteile seien nur insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch entschieden worden sei. Die Rechtskraft beschränke sich mithin auf den unmittelbaren Streitgegenstand, also die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bilde (BGH, Urteil vom 17.02.1983 - III ZR 184/81 -). Nicht erfasst würden einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die Entscheidung aufbaue (BGH, Urteil vom 26.06.2003 - I ZR 269/00 -). Feststellungen von präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen nähmen als bloße Urteilselemente damit nicht an der Rechtskraft teil.

Der Inhalt des Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft seien der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen. Auszugehen sei dabei von der Urteilsformel, die allerdings bei einer Klageabweisung regelmäßig nicht erkennen lasse, worüber entschieden worden sei. Reiche die Urteilsformel nicht aus, um den Rechtkraftgehalt festzustellen, seien Tatbestand und Entscheidungsgründe, ggf. auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 17.02. 1983 - III ZR184/81 -). Mit einem Urteil auf Abweisung einer Leistungsklage würde grundsätzlich festgestellt dass die begehrte Rechtsfolge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden könne, selbst dann, wenn nicht alle erheblichen Tatsachen und in Betracht kommenden Rechtsnomen vorgetragen und geprüft worden seien (BGH, Urteil vom 12.12.2008 - V ZR 49/08 -). Anderes gelte nur dann, wenn den Entscheidungsgründen unmissverständlich der Wille des Gerichts zu entnehmen sei, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt abschließend zu entscheiden und so dem Kläger eine erneute Klage zu diesem Anspruch auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 17.09.2011 - II ZR 221/09 -).

Das Landgericht habe hier im Vorprozess einen Anspruch uneingeschränkt verneint. Hierauf beschränke sich die Rechtskraft. Bei den getroffenen Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters (so wegen Unwirksamkeit der Abtretung wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gem. § 134 BGB iVm. §§ 3, 4 RDG) handele es sich lediglich um Vorfragen, aus denen das Gericht den Schluss auf das Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs gezogen habe. Sie würden als bloße Urteileelemente nicht von der Rechtskraft des Urteils erfasst, auch wenn das Gericht eine  Beschränkung der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Aktivlegitimation  und angeordnet und nur hierüber in der mündlichen Verhandlung verhandelt habe. Dies deshalb, da sich in dem auf die mündliche Verhandlung ergangenen Urteil weder im Urteil noch in den Gründen eine entsprechende Beschränkung der Klageabweisung (auch nicht durch Auslegung) als derzeit unbegründet entnehmen ließe und es nicht ausreiche, dass die Klage ausschließlich mit der Begründung der fehlenden Aktivlegitimation abgewiesen worden sei.

Die Rechtskrafterstreckung wirke nach § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den Kläger, da er nach Rechtshängigkeit der Klage im Vorprozess infolge der Rückabtretung der Ansprüche Rechtsnachfolger des Inkassodienstleisters geworden sei. Der (hier auch erkennende) Senat des OLG habe nach Erlass des Urteils des Landgerichts im Vorprozess entschieden, dass die Abtretung der Ansprüche der Kunden an den Inkassodienstleister weder nach § 3 RDG iVm. § 134 BGB nach der bis 30.09.3021 geltenden Fassung von § 4 RDG (jetzt § 41 Abs. 1 RDG) iVm. § 134 BGB nichtig gewesen seien da die Tätigkeit von der dem Inkassodienstleister erteilten Erlaubnis von Rechtsdienstleistungen gedeckt waren. Die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess ergäbe nichts anderes, da die Feststellung zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters als bloßes Urteilselement nach § 322 Abs. 1 ZPO nicht an der Rechtskraft teilnehme (s.o.).

Aufgrund er Bindungswirkung desrechtskräftigen Urteils aus dem Vorprozess stünden auch die weiteren Anträge (Feststellung Annahmeverzug, vorgerichtliche Anwaltskosten) dieser entgegen, ebenso eventuelle Restschadensersatzansprüche des Klägers aus §§ 862, 852 S. 1 BGB oder §§ 823 Abs. 2, 852 BGB iVm. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV -).

Eine Rückverweisung sah der BGH als geboten an, da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt sei und danach die Sache zur Endentscheidung reif sei (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlussbemerkung: Der BGH hat sich vorliegend ausführlich mit der Frage der Rechtskrafterstreckung unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung auseinander gesetzt. Dabei lag die Besonderheit in der hier vorliegenden Abtretung und der rechtskräftigen Abweisung der Klage des Zessionars, der sich die Ansprüche wieder rückabtreten ließ, um sie selbst noch einmal geltend zu machen. Die Reaktion des Zessionars war verständlich, hatte doch das Landgericht im Vorprozess die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen. Die fehlende Aktivlegitimation nahm das Landgericht wegen Unzulässigkeit (Nichtigkeit, § 134 BGB) der Abtretung an. Würde man die Nichtigkeit der Abtretung annehmen, wäre der Anspruch nie wirksam vom Kläger an den Inkassodienstleister abgetreten worden und der Kläger wäre noch originär Inhaber des eventuellen Anspruchs; die Rechtskraft des Vorprozesses würde ihn dann nicht berühren, da die Klage von einem Nichtberechtigten erhoben worden wäre. Indem aber der BGH die Zession an den Inkassodienstleister als wirksam ansah, hier also der Kläger nur durch eine Rückabtretung den Anspruch selbst (wieder) geltend machen konnte, traf ihn die Rechtskrafterstreckung aus dem Vorurteil, der durch die Rückabtretung Rechtnachfolger des Inkassodienstleisters wurde und sich in dem rechtkräftigen Vorurteil kein Vorbehalt befand, welches eine neue Klage ermöglicht hätte. Damit zeigt das Urteil auf, dass Abtretungen an Dritte, wie sie auch häufig vorgenommen werden, um einen Zeugen zu generieren (damit dieser nicht Partei ist und damit als Zeuge ausscheidet),  rechtliche Unsicherheiten bei einer Klageabweisung beinhalten, die auf die Zession im Hinblick auf eine Aktivlegitimation zurückgehen.

BGH, Urteil vom 07.08.2024 - VIa ZR 930/23 -

Mittwoch, 13. März 2024

Reparaturkosten: Werkstattrisiko und Berufung darauf durch Kfz-Werkstatt als Zessionarin

Die Klägerin (die Kfz-Werkstatt, die aus abgetretenen Recht der Unfallgeschädigten klagte) verlangte restliche Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall (bei unstreitiger vollständiger Haftung der Beklagten). Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte die Unfallgeschädigte die Klägerin mit der Reparatur gemäß Gutachten beauftragt. Die Kosten erstattete die Beklagte mit Ausnahme der Rechnungsposition „Arbeitsplatzwechsel“ in Höhe von € 227,31 (Klageforderung). Die Beklagte machte geltend, dieser Arbeitsplatzwechsel (Verbringung zum Lackieren zu einem Dritten) habe nicht stattgefunden; die Klägerin verwies auf das sogen. Werkstattrisiko, welches nicht zu Lasten des Geschädigten gehen würde. Während das Amtsgericht der Klage stattgab, wurde sie vom Landgericht unter Zulassung der Revision auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg. 

Der Geschädigte könne gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung der beschädigten Sache den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Anspruch sei auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarf in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrages gerichtet. Allerdings könnten als erforderlicher Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangt werden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Darüber hinaus würde für die Ersetzungsbefugnis des § 240 Abs. 2 S. 1 BGB das Verbot der Bereicherung durch den Schadensersatz gelten; der Geschädigte könne zwar eine Totalreparation verlangen, soll aber nicht an dem Schadensfall verdienen. 

Übergebe der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn ein (insbes. Auswahl- oder Überwachungs-) Verschulden treffe, seien vom Schädiger die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger auch dann vollumfänglich zu ersetzen, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich seien; in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt könne der Schädiger im Rahmen der Vorteilsausgleichung abgetreten verlangen. Das Werkstattrisiko verbliebe im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten beim Schädiger (wie bei § 249 Abs. 1 BGB); so auch der Senat im Urteil vom gleichen Tag zu VI ZR 253/22 und bereits im Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73 -). 

Dieser Grundsatz gelte für alle Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung, deren Entstehung dem Einflussbereich des Geschädigten entzogen sei und ihren Grund darin habe, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden müsse.  Ersatzfähig seien daher nicht nur Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen und nicht zur Herstellung erforderlich iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seien, sondern auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf – für den Geschädigten nicht erkennbar – tatsächlich nicht durchgeführte Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen würden (Senat vom gleichen Tag zu VI ZR 253/22 unter II.2.c). 

Die Grundsätze zum Werkstattrisiko würden nicht die Zahlung der Werkstattrechnung durch den Geschädigten voraussetzen. Hat er sie nicht beglichen, könne er – wenn er das Werkstattrisiko nicht tragen wolle, die Zahlung durch den Geschädigten an die Werkstatt fordern (Senat im Urteil vom gleichen Tag – VI ZR 253/22 unter II.2.e). Zu berücksichtigen sei nämlich, dass bei nicht (vollständiger) Bezahlung der Rechnung ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger Gegenansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Schädiger aus Rechtsgründen nicht gelingen könne, sehe der Geschädigte auch nach Erhalt der Schadensersatzleistung von der (Rest-) Zahlung an die Werkstatt ab. Der Geschädigte habe zwar einen Gegenanspruch gegen die Werkstatt nach § 280 Abs. 1 BGB  und diesbezüglich einen Freistellunganspruch, doch könne dieser Freistellungsanspruch nicht an den Schädiger abgetreten werden. Zugleich wäre der geschädigte bereichert, wenn er den vollen Schadensersatz erhalte, die Rechnung aber (teilweise) nicht ausgleiche, und der Schädiger schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur selbst veranlasst hätte (da er dann einen direkten Anspruch gegen die Werkstatt hätte). Daher könne der Geschädigte, die Rechnung noch nicht (vollständig) gezahlt habe, nur Zahlung der Rechnung an die Werkstatt Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten eggen die Werkstatt verlangen. 

Verlange der Geschädigte im Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO Freistellung von der Verbindlichkeit statt Zahlung, richte sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und inwieweit er mit der Verbindlichkeit gegen die Werkstatt, beschwert sei; damit ist die werkvertragliche Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Werkstatt maßgeblich. Damit trage auch in diesem Fall der Geschädigte das Werkstattrisiko. 

Vorliegend hatte der Geschädigte seinen Anspruch an die Werkstatt abgetreten. Diese könne sich als Zessionarin aber nicht auf das Werkstattrisiko berufen.   

§ 399 Alt. 1 BGB lasse die Abtretung einer Forderung nicht zu, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könne. Eine Inhaltsänderung würde auch angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerposition aber besonders schutzwürdig sei.  Vorliegend würde dieser Rechtsgedanke greifen, insofern als sich der Geschädigte im Verhältnis zum Schädiger auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko berufen könne, wenn er Zahlung an die Werkstatt verlange. Insofern habe der Schädiger Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibe. Nur in dessen Verhältnis sei die Durchführung des Vorteilsausgleichs möglich, da der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und die im Wege der Vorteilsausgleichung abzutretenden etwaigen Ansprüche gegen die Werkstatt in einer and (beim Geschädigten) lägen. Dies sei nach der Abtretung an die Werkstatt nicht mehr der Fall. Der Schädiger verlöre das Recht seine Zahlung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt zu erfüllen. Zudem wäre zu berücksichtigen. Dass das Werkstattrisiko dogmatisch dem Geschädigten, nicht der Werkstatt zugute kommen soll. 

Damit lasse sich die hier vom Geschädigten gewählte Option, sich auch bei unbeglichener Werkstattrechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen. Im Ergebnis trage daher bei der Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenen Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko.  Im Schadensersatzprozess zwischen der Werkstatt (als Zessionar) und dem Schädiger habe mithin die klagende Werkstatt darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die geltend gemachten Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt zur Herstellung nicht erforderlich wären. 

Da die klagende Werkstatt dem nicht entsprochen habe, sei die Klage abzuweisen. 

BGH, Urteil vom 16.01.2024 - VI ZR 239/22 -

Freitag, 14. Oktober 2022

Unfallreparatur und Schaden bei Select-Partnerschaft der Werkstatt mit Kaskoversicherung

Nach einem Verkehrsunfall (bei einer Haftung der Beklagten zu 100%) ließ die Geschädigte das Fahrzeug zu angemessenen und ortsüblichen € 13.302,02 von der Klägerin reparieren. Die Reparaturkosten verlangte Geschädigte von der Beklagten ersetzt. Der Ausgleich verzögerte sich, so dass die Geschädigte ihren Kaskoversicherer in Anspruch nahm, deren Select-Partner die Klägerin war, die nunmehr der Geschädigten eine neue Rechnung für die Reparatur über € 8.152,04 berechnete, der von der Kaskoversicherung an die Klägerin gezahlt wurde. Die Beklagte erstattete der Kaskoversicherung den Betrag von € 8.152,04 (weshalb eine Höherstufung des Schadensfreiheitsrabattes bei der Geschädigten nicht erfolgte).  Nunmehr machte die Klägerin die Differenz zwischen dem zwei Rechnungen aus abgetretenen Recht gegenüber der Beklagten geltend. Die Klage wurde abgewiesen. Die Berufung wurde vom OLG im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen.

Die Klägerin machte geltend, weder der Abschluss der Kaskoversicherung durch die Geschädigte noch deren Inanspruchnahme hätten dem Schutz der Beklagten bezweckt. Der ursprüngliche Rechnungsbetrag stelle die effektiven Kosten dar und könne von daher auch begehrt werden. Das OLG konzediert der Klägerin, dass die Besserstellung des Unfallgegners nicht Sinn und Zweck des Abschlusses der Kaskoversicherung sei und die Geschädigte auch bei Erstattung sämtlicher ihr dadurch entstehender Nachteile grundsätzlich nicht zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung hätte gezwungen werden können. Allerdings ließ das OLG ausdrücklich offen, ob hier aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung im Hinblick auf die wesentlich niedrigeren Abrechnungssätze des Select-Programms etwas anderes geltend könnte; da sich die Geschädigte aus unbekannten Gründen nur zur vorübergehenden Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entschied (durch die Rückzahlung an die Kaskoversicherung wurde die Geschädigte auch nicht im Schadensfreiheitsrabatt höhergestuft), seien für das Verhältnis der Geschädigten zur Beklagten auch die Schadensbeträge maßgeblich, die ihr auf diesem von ihr gewählten Weg des Schadensersatzes entstanden seien. Nur diesen (geringeren) betrag könne sie als Schadensersatz verlangen und damit auch nur diesen Schaden an die Klägerin abtreten. Die Kaskoversicherung habe diesen Schaden der Geschädigten ausgeglichen und von der Beklagten erhalten. Ein abtretungsfähiger Restbetrag sei nicht verblieben.

Zudem habe die Klägerin ihre Reparaturleistungen nur einmal gegenüber der Klägerin in Rechnung stellen können. Mit der letzten Rechnung habe die Klägerin im Verhältnis zur Geschädigten - konkludent oder ausdrücklich - die ursprüngliche Rechnung (mit gleicher Kundennummer aber anderer Rechnungsnummer) aufgehoben und die geschuldeten Reparaturkosten auf den Betrag der neuen Rechnung beschränkt.  Damit schuldete die Geschädigte auch der Klägerin keinen höheren Betrag und konnte mithin auch keine Abtretung mehr vornehmen.

Anmerkung: 

Letztlich sparte die Beklagte durch die Zahlungsverzögerung auf die erste Rechnung einen Betrag von rund € 5.000,00. Hintergrund war, dass die Geschädigte ihr Fahrzeug in einer Werkstatt reparieren ließ, die mit dem Kaskoversicherer einem Vertragsverhältnis stand, bei dem Verrechnungssätze vereinbart waren, die unter den marktüblichen Sätzen lagen. Da beide Rechnungen an die Geschädigte ausgestellt wurden, konnte die ursprüngliche Rechnung nur als zurückgenommen angesehen werden, jedenfalls für den (hier vorliegenden Fall), dass die zweite Rechnung (wie geschehen) ausgeglichen wurde. Da auch die Beklagte diesen Betrag an den Kaskoversicherer, der hier die Rechnung für die Geschädigte ausgeglichen hatte (und auf dem damit die Forderung übergegangen war, § 86 VVG), konnte die Werkstatt ihre ursprüngliche, der Höhe nach an sich nicht zu beanstandende Rechnung nicht mehr in Höhe des Differenzbetrages geltend machen, da weder der Kaskoversicherer (nach § 86 VVG aus übergegangenen Recht) noch die Geschädigte einen weitergehenden Schaden hatte.

Interessant wäre nun, ob ein Ausgleichsanspruch auf den ursprünglichen Rechnungsbetrag bestanden hätte, wenn die Geschädigte zwar bei Inanspruchnahme des Kaskoversicherers in den Vorteil der Select-Partnerschaft des Reparaturbetriebs mit dem Kaskoversicherer gekommen wäre, allerdings die Kaskoversicherung nicht in Anspruch genommen hätte: Wäre sie dann zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) verpflichtet gewesen, diese in Anspruch zu nehmen (offen gelassen vom OLG) ? Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass der „erforderliche Geldbetrag“, der nach § 249 Abs. 2 BGB vom Schädiger für die Herstellung des vorherigen Zustandes zu zahlen ist, niedriger ist als der hier als angemessen und ortsüblich angesehene Betrag, wenn sichergestellt ist, dass dieser Betrag gezahlt wird und damit eine Höherstufung in der Kaskoversicherung ausgeschlossen wird. In einem solchen Fall wird man wohl aus dem Gedanken der Schadensminderungspflicht heraus von dem Geschädigten verlangen können, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Der Schadensersatzanspruch stellt sich nicht als Bestrafung des Schädigers dar, sondern als Ausgleichsanspruch des Geschädigten für erforderliche Aufwendungen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Wenn dieser günstiger erreicht werden kann, so ist der Geschädigte gehalten, davon Gebrauch zu machen. Dies lässt sich auch aus der Rechtsprechung zur Frage ableiten, ob der Geschädigte auf eine gegenüber markengebundenen Werkstäten günstigere freie Kfz-Werkstatt verwiesen werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 23.02.2010 - VI ZR 91/09 - und vom 28.04.2015 - VI ZR 267/14 -).

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.07.2022 - 12 U 454/22 -

Freitag, 8. Mai 2020

Sachverständigenvergütung: Unwirksame Klausel zur erfüllungshalber erfolgten Abtretung


Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ließ von dem Sachverständigen B. (SV) ein Schadensgutachten für sein Fahrzeug erstellen. In dem vom SV dem Geschädigten vorgelegten und von diesem unterschriebenen Formular heißt es u.a. unter der Überschrift „Zahlungsanweisung und Abtretung (erfüllungshalber)“:

„Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des … Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des beteiligten Fahrzeugs an das Sachverständigenbüro ab.
Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen den Anspruchsgegner durchzusetzen.“

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Sachverständige diese Forderung zum Zwecke der Einziehung weiter abtritt. Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

Der SV erstellte eine Rechnung, auf die vorgerichtlich von der Beklagten nur ein Teil gezahlt wurde. Die Klage war teilweise beim Amtsgericht erfolgreich, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob er BGH das Urteil auf und wies die Klage ab. Der BGH sah in den Regelungen in dem Auftragsformular einen zur Unwirksamkeit der Regelungen führenden Verstoß gegen § 307 Abs. 1BGB.

Eine Klausel stelle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie nicht klar und verständlich sei. Der Vertragspartner müsse ohne fremde Hilfe in der Lage sein, seine Rechte und Pflichten feststellen zu können. Dem entspräche die hier verwandte Klausel nicht. Für den durchschnittlichen Auftraggeber (hier den Unfallgeschädigten) sei nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurück erhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe.  Nach der Formulierung in den letzten zwei Sätzen kämen drei Varianten in Betracht sowie ggf. eine Vorleistungspflicht:  

1.     bereits bei Zahlungsanforderung durch den SV
2.     mit der Zahlung des Auftraggebers
3.     nach der Zahlung des Auftraggebers


Es könne nicht erwogen werden, dem Auftraggeber würde ein Zurückbehaltungsrecht zustehen wenn der SV nicht in der Lage sei, den Schadensersatzanspruch in Höhe der Inanspruchnahme des Auftraggebers zurückabzutreten. Denn diese Zug-um-Zug-Leistung könnten erst Ergebnis interessensbezogener Erwägungen sein, die so von einem durchschnittlichen Auftraggeber nicht erwartet werden könnten. Damit sei aber die Klausel intransparent zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die erfüllungshalber abgetretene Forderung (teilweise) zurückerhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe und dies stünde im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abtretung selbst und führe daher nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (BGH, Urteil vom 17.07.2018 -VI ZR 274/17 -).

Zur Thematik siehe auch
BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -
BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

BGH, Urteil vom 18.02.2020 - VI ZR 135/19 -

Mittwoch, 1. April 2020

Schadensersatz: Unbegründete Klage im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft bei Zession an Dritte ?


Unstreitig verschuldete der Versicherungsnehmer der beklagten Versicherung alleine einen Verkehrsunfall, an dem neben diesem der Kläger beteiligt war. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten ein  und ließ sodann die Reparatur durchführen; seine Ansprüche diesbezüglich trat er an die Werkstatt bzw. den Sachverständigen in Höhe von deren jeweiligen Forderungen ab.  Teilweise wurde seitens der Beklagten auf die Rechnungen der Werkstatt und des Sachverständigen Zahlung geleistet. In Ansehung der Restforderungen erhob der Kläger Klage und machte geltend, er könne die Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Mit der Abtretung seiner Forderungen könne der Kläger nicht mehr Freistellung (§ 257 BGB) oder Zahlung an sich begehren (§ 250 S. 2 BGB). Zwar würde hier der Kläger dementsprechend auch nicht Zahlung an sich, sondern an die Werkstatt bzw. den Sachverständigen fordern, doch würde ihm hier die (von Amts wegen zu prüfende) Prozessführungsbefugnis fehlen und ein Fall gesetzlicher Prozessstandschaft nicht vorliegen. Aber auch einen Fall der gewillkürten Prozessstandschaft negierte das Amtsgericht.

Die gewillkürte Prozessstandschaft setze ein schutzwürdiges Interesse des Rechtsinhabers als auch des Dritten voraus. Es lägen nur die einseitigen Erklärungen der Zessionare vor, woraus das Amtsgericht mutmaßt, dass die Werkstatt und er Sachverständige mit einem „Abtretungsmodell“ arbeiten würden. De facto würde der Kläger den Prozess für die Werkstatt und den Sachverständigen führen, habe den Prozess vorfinanziert und trage das Prozessrisiko. Bemerkenswert sei, dass der Kläger den teuren Prozess „altruistisch (?)“ führe, was aber wohl der im Zuge des Abtretungsmodells getroffenen Vereinbarung geschuldet sei. Jedenfalls läge kein anzuerkennender Fall einer zulässigen Klage in gewillkürter Prozessstandschaft vor. Das Erfordernis, dass der Prozess im wohlverstandenem objektiven Interesse des Klägers als ursprünglicher Forderungsinhaber läge, sei nicht gegeben. Hier hätte der Kläger zeitnah nach dem Unfall in eigener Sache auf Freistellung klagen können. Statt dessen habe er sich aus unbekannten Gründen zur Abtretung entschlossen an Dritte entschlossen, deren Prozesse er nunmehr führe. Das schutzwürdige Interesse des Prozessstandschafters zur Geltendmachung fremder Rechte könne nur bejaht werden, wenn die Entscheidung de eigene Rechtslage beeinflusse (wozu nichts vorgetragen worden sei). Es bliebe offen, ob die Forderungen der Zessionare durch die Abtretungen endgültig erloschen sind (Abtretung an Erfüllungs statt, § 364 BGB). Da dann auch keine Ansprüche mehr gegen den Kläger geltend gemacht werden könnten, würde es ihm an einem eigenen Rechtsschutzinteresse ermangeln. Dies sei aber auch im Falle der Abtretung erfüllungshalber anzunehmen, auch wenn in diesem Fall der Kläger ein wirtschaftliches Interesse hätte, dass seine Zahlungspflicht gegenüber den Zedenten nicht wieder auflebt. Allerdings sei signifikant, dass das auf die Prozessebene erweiterte Abtretungsmodell zur Beeinträchtigung der Rechte des Prozessgegners führe: So seien geschwärzte Rechnungen vorgelegt worden und zum Beweis der Höhe auf das Zeugnis der Zessionare Bezug genommen worden, die im eigenen Prozess als Zeugen ausscheiden würden. Das hier verwandte gewerbsmäßige Abtretungsmodell dürfe nicht auf die prozessuale Ebene erweitert werden, da es die Versicherungswirtschaft bzw. Versichertengemeinschaft in deren schutzwürdigen Belangen beeinträchtige.

Anmerkung: Letztlich sieht das Amtsgericht (nicht zu Unrecht) die Gefahr, dass bestimmte Werkstätten und Sachverständige diesen Weg wählen, um überhöhte Forderungen nicht der Prüfung durch Gericht und Gegner auszusetzen. Bei veranlassen den Geschädigten zur Abtretung deren Forderung an sie, und soweit die Schädigerseite (idR. eine Versicherung) nicht zahlt, muss der Geschädigte (für die Zessionare) klagen. Damit muss keine Rechnung vorgelegt werden, aus der sich die Aufschlüsselung der (überhöhten) Forderung ergeben könnte, sondern kann zum Beweis der Leistungspflicht auf das Zeugnis der Zessionare abgestellt werden, zumal sich der klagende Geschädigte auch darauf berufen kann, dass er eine evtl. eingewandte Überteuerung jedenfalls nicht hätte erkennen können. Der rechtsdogmatische Weg des Amtsgerichts ist nachvollziehbar.

AG Bremen, Urteil vom 27.03.2020 - 9 C 513/19 -

Freitag, 2. November 2018

Unwirksame Abtretung von Schadensersatzansprüchen auf Sachverständigenkosten durch den Geschädigten an den Sachverständigen


Der Beklagte wurde von der Klägerin, einem Inkassounternehmen, auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Anspruch genommen. Dem lag ein vom  Beklagten verursachter Verkehrsunfall zugrunde, für den er zu 100% eintrittspflichtig war. Nach dem Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen Sachverständigen, der von dem Geschädigten ein Formular für den Gutachtenauftrag unterschreiben ließ, in dem eine Klausel „Abtretung und Zahlungsanweisung“ enthalten war. Danach trat der Geschädigte seinen Anspruch auf Sachverständigenkosten gegen den Schädiger (Beklagten) an den  Sachverständigen ab, der sich vorbehielt, den Anspruch bei erfolgloser (vorgerichtlicher) Geltendmachung gegen den Schädiger bzw. dessen Versicherer vom Beklagten gegen Verzicht auf die Rechte aus der Abtretung zu fordern und ferner vorbehielt, seinerseits den Anspruch zur Weiterverfolgung an eine Verrechnungsstelle abzutreten.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung führte zur Abänderung des Urteils und Klageabweisung. Die zugelassene Revision der Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Dem folgte der BGH. Die Klausel zur „Abtretung und Zahlungsanweisung“ sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.  An seinen dem eventuell entgegenstehenden Entscheidungen vom 17.10.2017 - VI ZR 527/16 - und 24.10.2017 - VI ZR 504/16 - sowie - VI ZR 514/16 - würde der Senat nicht festhalten.

Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) sei verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er müsse mithin die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen möglichst klar und durchschaubar darstellen und es dürften keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.  Abzustellen sei dabei auf die Verständnis- und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden. Diesen Anforderungen entspräche die Klausel nicht. So sei bereits nicht klar, welche Rechte dem Unfallgeschädigten gegenüber dem Sachverständigen nach der „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgten (Erst-) Abtretung an den Sachverständigen zustehen sollen, wenn dieser seinen Honoraranspruch gegen ihn geltend macht.  Zwar sei vorgesehen, dass in diesem Fall der Sachverständige dann auf die Rechte aus der Abtretung gegen den Anspruchsgegner (Zug um Zug gegen Erfüllung) verzichte. Dies sei aber bereits unklar, da dies nicht klar eine Rückabtretung beinhalte und das auch nach dem Klauselwerk nicht von einem durchschnittlichen Unfallgeschädigten so verstanden werden müsse.  Zumal hier der Sachverständige ersichtlich auch eine Weiterabtretung vornehmen wolle, also die abgetretene Forderung gar nicht bei ihm verbliebe.

BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Einziehung von Sachverständigenkosten nach Abtretung derselben

Die Klägerin, ein anerkanntes Inkassounternehmen, machte Forderungen eines Sachverständigen gegen die beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend. Grundlage war die Erstellung eines Gutachtens durch den Sachverständigen für einen Unfallbeteiligten. Der Sachverständige ließ durch seinen Auftraggeber ein Auftragsformular unterschreiben, in dem zur Sicherung des Honorars des Sachverständigen dieser sich die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers auf Erstattung der Sachverständigenkosten abtreten ließ.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, die Abtretung  dieser Forderung würde einen Verstoß gegen §§ 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 RDG darstellen und daher nichtig sein, § 134 BGB. Dem folgt der BGH nicht.

Der BGH ließ offen, ob es sich bei der Einziehung der abgetretenen Schadensersatzforderung um eine Rechtsdienstleistung handelt, ließ der BGH offen. Jedenfalls würde dies kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 5 RDG darstellen. Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zu Mietwagenunternehmen (so z.B. BGH vom 31.01.2012 - VI ZR 143/11 -) sei die Geltendmachung der abgetretenen Forderung auf Erstattung Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen dann nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, wenn nur die Höhe der Mietwagenkosten streitig sei. Für den Sachverständigen könne nichts anderes gelten. Da vorliegend nur die Höhe der Sachverständigenkosten im Streit stand (insbes. also nicht die Haftung), dürfte der Sachverständige seine abgetretenen Honoraransprüche als Schadensersatz bei dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer geltend machen.

Bedenken hatte allerdings der BGH an der weiteren Zession durch den Sachverständigen an das Inkassounternehmen. Die Weiterabtretungsklausel,  nach der der Sachverständige „die vorstehend vereinbarte Forderung inkl. aller Nebenrechte und Surrogate zur Abtretung“ der Klägerin anbiete, enthalte nicht das Angebot auf Übertragung der dem Sachverständigen vom Geschädigten abgetretenen Schadensersatzansprüche. Entscheidend bei der Auslegung einer Formularklausel sei aber der Wortlaut. Ist damit unklar, ob auch die Schadensersatzansprüche mit abgetreten wurden, käme § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung (Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders). Damit aber hatte sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt und mithin auch keine notwendigen Feststellungen getroffen, weshalb eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht erfolgte. Unklar blieb, wer Verwender der Klausel ist, ferner, ob die Beteiligten sich über die Auslegung einig waren.


BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

Montag, 11. September 2017

Die Übertragung von „Rechten und Pflichten“ vor Eigentumsübergang beinhaltet die Abtretung von Mieten

Der Kläger verkaufte die Mietsache an einen Dritten und vereinbarte mit diesem, dass sämtliche Rechte und Pflichten mit Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen. Er klagte gleichwohl Mietzins ein, nachdem der Kaufpreis gezahlt war, allerdings vor Wahrung der Auflassung (Eigentumsübertragung) auf den Erwerber im Grundbuch.

Die Klage wurde abgewiesen. Das OLG führte aus, dass grundsätzlich der Erwerber erst mit grundbuchlicher Wahrung seines Eigentums in das Mietverhältnis eintreten würde und bis zu diesem Zeitpunkt die Rechte beim Veräußerer blieben, § 566 BGB. Allerdings sei schuldrechtlich auch eine anderweitige Regelung möglich. Eine solche anderweitige Regelung läge vor, wenn zwischen Veräußerer und Erwerber anderweitiges vereinbart würde und eine Abtretung der Ansprüche durch den Veräußerer an den Erwerber zu einem früheren Zeitpunkt erfolge.

Die Regelung in dem Kaufvertrag sei eine entsprechende Regelung und beinhalte auch die Abtretung der Mietzinsansprüche ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Kaufpreisforderung. Diese Abtretung entfalte aber nur Wirksamkeit zwischen den Kaufvertragsparteien; der Veräußerer bleibe weiterhin Vertragspartner des Mieters (BGH, Urteil vom 02.07.2003 - XII ZR 34/02 -). Bei wirksamer Abtretung könne der Mieter schuldbefreiend an den Erwerber zahlen. Der Mieter sei nach §§ 404, 409, 410 BGB geschützt. Er müsse nur zahlen gegen Vorlage der Abtretungsurkunde, und wenn diese unwirksam sei, aber die Abtretung vom bisherigen Eigentümer angezeigt würde, würde auch bei Zahlung an den Erwerber gleichwohl von seiner Schuld befreit. Seine Rechte aus seinem Verhältnis zu Erwerber (so z.B. eine Aufrechnung mit Forderungen gegen den Veräußerer) blieben erhalten.

Da die Abtretung dem Mieter mitgeteilt wurde, habe dieser schuldbefreiend an den Erwerber zahlen dürfen.


OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2017 - 24 U 103/16 -

Montag, 12. September 2016

Abtretung von Schadensersatzansprüchen zur Sicherung von Sachverständigenhonorar

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls beauftragte den Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Bei Auftragserteilung  unterschrieb er eine Sicherungs-Abtretungserklärung, mit der er seine „Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs zzgl. Fremdkosten einschließlich der Mehrwertsteuer des SV für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber“ an den Sachverständigen abtritt, und zwar „in der Reihenfolge: Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallsentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hinsichtlich der zuletzt abgetretenen Anspruchsposition ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen Sachverständigenhonorars abgetreten wird.“


Die Klägerin, eine über eine Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG verfügende Einzugsstelle, machte die Honoraransprüche des Sachverständigen gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung geltend. Amtsgericht und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Abweisung derselben. Der BGH verwies darauf, dass die Zession unwirksam sei. Es handele sich hier um eine überraschende Klausel gem. § 305c Abs. 1 BGB.

Die hier vorgenommene Art der Abtretung von Ersatzansprüchen stelle eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars dar, dass die Klausel deutlich von den Erwartungen eines Vertragspartners (abzustellen ist hier auf den typischen Personenkreis, der mit dieser Klausel konfrontiert wird) abweiche. Zwar sei nicht überraschend, dass der Geschädigte seinen möglichen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegen den Unfallgegner und seinen Versicherer abtrete. Überraschend sei aber die Abtretung der weiteren Ansprüche. Wenn, wie es in der Praxis häufiger vorkommt, die Höhe des Sachverständigenhonorars streitig ist, könne der Sachverständige bei einer Klausel wie vorliegend, statt dies gerichtlich klären zu lassen, schlicht auf die weiteren abgetretenen Ansprüche rekrutieren, um seinen Anspruch vollumfänglich durchzusetzen. Davon würde aber der Zedent nicht ausgehen, der vielmehr der Ansicht ist, dass die Höhe des Honrars in Ordnung sei und der gegnerische Haftpflichtversicherer dies akzeptiere und von daher die Einforderung durch den Sachverständigen für ihn  keine Verschlechterung bezüglich der weiteren Schadenspositionen bedeute.


BGH, Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 -