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Donnerstag, 15. Februar 2024

Verspätete Einrede zur Vorleistungspflicht des Verbrauchers (§ 357 Abs. 4 BGB)

Der Kläger erhob gegen die Beklagte Klage auf Rückzahlung des im Voraus entrichteten Kaufpreises für ein Kfz in Höhe von € 59.270,00, nachdem er zuvor wirksam den Widerruf vom Vertragsabschluss erklärt hatte. Im Prozess machte die Beklagte die Vorleistungspflicht des Klägers nach § 357 Abs. 4 BGB (Rücksendung der Ware) geltend. Das Landgericht hatte der Beklagten, da ein Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit (d.h. Zustellung der Klage bei der Beklagten) weggefallen war und  nunmehr der Kläger die Klage zurückgenommen hatte, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO), da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe. Die Beschwerde der Beklagten wurde vom Kammergericht (KG) zurückgewiesen.

Ein Anlass zur Klage iSv. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestünde jedenfalls dann, , wenn diese zum Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig und begründet war (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -) und ferner der Kläger vernünftigerweise habe davon ausgehen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - V ZB 93/13 -).

Der Kläger habe am 29.01.2023 gem. §§ 312c, 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) BGB wirksam den Rücktritt erklärt und am 06.03.2023 die Klage auf Rückzahlung bei Gericht eingereicht. Fällig sei der Rückzahlungsanspruch binnen 14 Tagen nach Zugang der Widerrufserklärung geworden, §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, sie habe nach § 357 Abs. 4 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, da § 357 Abs. 4 BGB eine Vorleistungspflicht des Klägers begründe. Dies halb sei die Klage von Anfang an derzeit unbegründet gewesen, da der Kläger seiner Vorleistungspflicht (so die Rücksendung der Ware) nicht nachgekommen wäre. Das KG bejahte die Vorleistungspflicht des Klägers in Bezug auf die von der Beklagten geltend gemachten Unterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung), dass sich der Anspruch des § 357 Abs. 4 BGB nicht nur auf das Fahrzeug als solches bezöge, sondern auf die Rückgewähr der ebenfalls zur Hauptleistung des Verkäufers gehörenden Zulassungsbescheinigung (BGH, Urteil vom 15.06.1983 - VIII ZR 131/82 -). Bei dem Leistungsverweigerungsrecht des § 357 Abs. 4 BGB, auf welches sich die Beklagte schriftsätzlich bezogen habe, handele es sich jedoch nicht anders als in dem Fall des § 320 BGB, welches zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führe, um eine echte Einrede, woraus folge, dass in Ermangelung einer vorgerichtlichen Einrede die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung noch begründet gewesen sei.

Weiterhin habe die Beklagte auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ebenso wie ein Schuldner, der auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderungen sein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht ausübe (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VIII ZB 3/04 -), könne der Schuldner Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes Leistungsverweigerungsrecht nicht vorprozessual geltend mache. Der Umstand, dass sich der Schuldner in Ermangelung der Vorleistung wirtschaftlich noh nicht als leistungsverpflichtet ansehen müsse, da der Verzug mit der Einredeausübung rückwirkend entfalle, ändere daran nichts. Erst die Einredeerhebung sei das den Rechtsstreit erledigende Ereignis (ähnlich zur Einrede der Verjährung BGH, Urteil vom 27.01.2010 - VIII ZR 58/09 -, und zur Aufrechnungserklärung BGH, Urteil vom 17.07.20003 – IX ZR 268/02 -). Entscheidend sei daher, ob nach dem Verhaltend es Schuldners der Gläubiger mit der Einredeerhebung habe rechnen müssen (BGH, Urteil vom 27.01.2010 aaO.).

Vorliegend habe der Kläger nicht mit der Einredeerhebung rechnen müssen sondern habe zur Überzeugung kommen müssen, dass er ohne Klage nicht zu seinem Recht käme. Die Beklagte habe nämlich nach Eingang des Widerrufs sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den Widerruf bestätigt und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die Erstattung des Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine Vorleistungspflicht es Klägers habe sie sich nicht berufen. Auf eine anwaltliche Zahlungsaufforderung des Klägers vom 16.02.2023 mit einer Wochenfrist habe sie nicht reagiert und auch diese nicht zum Anlass genommen, auf die Vorleistungspflicht hinzuweisen. Damit habe das Verhalten der Beklagten die Annahme des Klägers begründen können, die Beklagte würde die Rückzahlung des erheblichen Vorauszahlungsbetrages ohne sachliche Gründe hinauszögern, ohne sachliche Einwende zu haben oder vorbringen zu wollen.

Anmerkung: Gleiches gilt auch in dem Fall, dass der Verkäufer nicht zahlt, sondern sich im Prozess nunmehr (wirksam rückwirkend) auf die Vorleistungspflicht des Käufers beruft., Erklärt nunmehr der Käufer die Hauptsache für erledigt, sind dem Verkäufer die Kosten aufzuerlegen, § 91a ZPO.

Kammergericht, Beschluss vom 28.08.2023 - 8 W 34/23 -

Sonntag, 11. Oktober 2015

Einkommensteuer: (Wieder) grundsätzlich keine Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Bild: AHert auf Wikimedis Commons
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist mit seinem Urteil vom 18.06.2015 wieder zu seiner alten Rechtsprechung zurückgekehrt und hat ausdrücklich seine geänderte Rechtsprechung im Urteil vom 12.05.2011 aufgegeben. Damals hatte der Senat den Abzug aller Zivilprozesskosten als außergwöhnliche Belastung zugelassen, soweit es sich nicht um mutwillig herbeigeführte Kosten gehandelt hat. Es sprächen allerdings, so die Entscheidung jetzt, „schwerwiegende sachliche Gründe, …. vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ für die jetzige Änderung.

Nach der Entscheidung sollen nunmehr nur noch solche Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden die aus einem rechtstreit entstehen, bei dem es für den Steuerpflichtigen um existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens geht und die Verfolgung der rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist und sich damit die Frage stellt, ob sich die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als iSv. § 33 EStG zwangsläufig darstellt. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige, sollte er sich nicht auf den Prozess einlassen, Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren. Alleine aus dem staatlichen Gewaltmonopol könne (anders als in der Entscheidung vom 12.05.2011 angenommen) noch nicht die Zwangsläufigkeit der Kosten iSv. § 33 EStG angenommen werden.


Anmerkung: Davon ausgehend, dass im Obsiegensfall der Steuerpflichtige seine Kosten vom Gegner erstattet erhält, bliebe damit mi dieser Begründung letztlich kein Raum mehr für die Geltendmachung dieser Kosten. Verliert nämlich der Steuerpflichtige seine Existenz, wird er wohl auch kaum noch Steuern zahlen müssen. Mithin bliebe nur der Fall, dass er gewinnt, aber die Kosten nicht beim Gegner vollstrecken kann. Ob im übrigen  - wie vor der Entscheidung von 2011 -  jedenfalls die Kosten von Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Da aber das Gewaltenmonopol über die Rechtsprechung als solches nicht ausreichen soll, könnte anzunehmen sein, dass dies nun auch negiert wird. 
Obwohl vorliegend der Kläger nach der Entscheidung aus 2011 hätte obsiegen müssen, darf er nun die Kosten beider Instanzen tragen. 

BFH, Urteil vom 18.06.2015 - VI R 17/14 -